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Veröffentlicht am 11.01.2023

Ein Muss für jeden „großen“ Harry-Potter-Fan.

Jenseits der Magie
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Der britische Schauspieler Tom Felton wurde vor allem durch seine Rolle als Draco Malfoy in den Harry-Potter-Filmen bekannt. In seiner Autobiografie blickt er hinter die Kulissen einer der größten Filmproduktionen ...

Der britische Schauspieler Tom Felton wurde vor allem durch seine Rolle als Draco Malfoy in den Harry-Potter-Filmen bekannt. In seiner Autobiografie blickt er hinter die Kulissen einer der größten Filmproduktionen der letzten Jahrzehnte. Er erzählt offen und ehrlich, wie es war, hinter den Mauern von Hogwarts zwischen Zauberwesen und Magie aufzuwachsen.
Mit seinem eigenen Humor berichtet er von den zwei Welten, die einen enormen Einfluss auf sein Leben hatten: seine Familie, seine „normale“ Schule, seine Freunde zu Hause einerseits. Andererseits die bizarre Welt des Filmemachens, der Dreharbeiten, des Berühmtseins.
Er berichtet davon, was es mit ihm gemacht hat, neben Stars wie Alan Rickman zu stehen, und von wem er was gelernt hat. Und dass es manchmal nicht unbedingt ein gestandener „Star“ sein muss, der einem etwas beibringt.
Doch Ruhm hat auch immer Schattenseiten. Felton verschweigt sie nicht. Er erzählt vom tiefen Fall nach dem Ende der Harry-Potter-Dreharbeiten und wie es ihm gelang, den Weg zurückzufinden. Ein unterhaltsames, erhellendes und manchmal auch nachdenklich machendes Buch mit tollen Einblicken in die Welt der Harry-Potter-Filmproduktion aus Sicht eines Protagonisten. Und ein Buch, das ein bisschen Mut macht, wenn das Leben einen mit seiner dunklen Seite begegnet.


Die Magie des Draco Malfoy
Magie, Zauberei und Autobiografisches. Eigentlich so gar nicht mein Ding – zumindest die beiden Erstgenannten. Vor allem: Ich habe die Harry-Potter-Bücher nie gelesen. Wenn Fantasy, dann in Maßen auf der Leinwand. (Obwohl mich die „Fantasie“ der Science-Fiction wesentlich mehr anspricht.) Ich liebe die Herr-der-Ringe-Filme und habe mit der Zeit auch Gefallen an den Harry-Potter-Abenteuern gefunden. Allerdings aus der Sicht eines Erwachsenen.
Mich begeistern weniger Zauberwesen und magische Welten, sondern die Entwicklung der Charaktere über die Jahre hinweg. Und dabei besonders die Veränderung, die mit einem gewissen blonden Slytherin in den letzten beiden Teilen vor sich geht: Draco Malfoy.
Tom Felton definiert diese Veränderung als eines der Hauptthemen der gesamten Geschichte: „die Wahlfreiheit“: „Der Junge, der nie eine Wahl hatte, hat nun eine [auf dem Landsitz der Malfoys]. […] Er hat die Wahl […] das Richtige zu tun. [… N]un versteht auch er, was Dumbledore Harry bereits ganz zu Beginn der Geschichte gesagt hat: dass es unsere Entscheidungen sind und nicht unsere Fähigkeiten, die zeigen, wer wir wirklich sind.“

Zauberhaftes Lernen von Hollywood
Diese Stelle ist eine von vielen, die zeigen, wie intensiv sich Felton mit seiner Figur, aber auch den Menschen um ihn herum auseinandersetzt. Es gelingt ihm, die Momente zu erfassen, in denen aus den Hollywood-Größen, die neben ihm spielten, Menschen wurden. Menschen, die er bewundert(e) und von denen er lernen konnte.
Der leider bereits verstorbene, meiner Meinung nach großartige, Alan Rickman (Snape) war für Felton jahrelang eine „furchteinflößende Gestalt“. Eine kleine Bemerkung und eine Geste genügten jedoch, um zu erkennen, dass Rickman einen „unglaublich trockenen Humor besaß“ und ein „kluge[r], witzige[r] und interessante[r]“ Mensch war.
Jason Isaacs (Lucius) hinterließ einen weiteren tiefen Eindruck bei Felton. Isaacs besitzt das Talent, von einem Moment auf den anderen die Rolle zu wechseln: „Mit der Zeit begriff ich, dass Jasons Fähigkeit, den Schalter umzulegen, einzigartig war.“ / „Ich fand es sehr verwirrend zu sehen, wie sich der Charakter einer Person so plötzlich und vollständig verändern konnte, und hatte ad hoc […] Angst vor ihm.“
Und Helen McCrory (Narcissa) musste er „nur ansehen, und schon verstand ich Draco ein bisschen besser“. In Ralph Fiennes Nähe fühlte Felton sich unwohl, was allerdings nicht an dessen Rolle als Voldemort lag.
Doch Tom Felton beschreibt nicht nur die Bewunderung, die er für seine bekannten Kollegen empfindet. Er berichtet auch von den „Zeiten, in denen es extrem schwer für uns Kinder war“ neben jenen Charakteren zu bestehen.
Leider kommen diese Beschreibungen im Buch zu kurz. Felton lässt immer wieder aufblitzen, wie treffend er für ihn bedeutende, erhellende und verändernde Momente erkennt und zu analysieren weiß. Aber jedes Mal, wenn ich neugierig auf mehr wurde, war der Take zu Ende. Ich hätte mir mehr Tiefgang gewünscht.

Die unausgereifte Magie des Stils
Emma Watson bezeichnet Felton im Vorwort als „Dichter“. Sie bewundert ihn für seine Fähigkeit, mit Sprache umzugehen. Ich tue es nicht. Feltons Art und Weise zu schreiben mögen seiner Persönlichkeit entsprechen. Aber aus Leser- und Lektorensicht kann ich mich für den Schreibstil des Buches nicht erwärmen. Er passt nicht zu einem 36-Jährigen mit dieser Lebenserfahrung. Zu umgangssprachlich, zu viele Einschübe wie „Sorry, Boss“ oder „Tut mir leid, Mum“. Felton möchte seine Geschichte mit Humor erzählen, verfällt dadurch aber in einen flapsigen, sich selbst nicht ernst nehmenden Stil, der dem Buch schadet. Dazu zählen auch die übertriebenen Kapitelüberschriften.

Der magische Aufbau
Das Buch ist nicht streng chronologisch, sondern eher thematisch aufgebaut. Wobei Familie, die Harry-Potter-Dreharbeiten und das Danach die Schwerpunkte ausmachen.
Felton erzählt viel über seine Familie, die ihn stets unterstützte und ihm half, auf dem Boden zu bleiben. Dabei kommen auch die weniger schönen Dinge nicht zu kurz. Die Trennung der Eltern kehrt Felton ebenso wenig unter den Teppich wie die psychische Erkrankung seines Bruders.
Der junge Schauspieler macht keinen Hehl daraus, dass er am Anfang seiner Karriere vermutlich mehr Glück hatte als er Talent an den Tag legte. Ein bisschen Understatement ist gewiss auch dabei, doch an keiner Stelle Überheblichkeit.
Ganz nebenbei, neben all den Erlebnissen und kleinen Anekdoten, bekommt der Leser einen einzigartigen Einblick in die Abläufe an einem Filmset und hinter die Kulissen einer der erfolgreichsten Romanverfilmungen. Oder wissen sie, wie man ein Quidditch-Spiel ohne echte, auf einem Besen reitende Zauberer filmt?

Jenseits der Magie
Ein letztes großes Kapitel nimmt die Zeit nach Harry Potter ein. Einerseits beschreibt Felton, wie dankbar er immer war, nicht dem gleichen Medienrummel wie Daniel Radcliffe, Emma Watson oder Rupert Grint ausgesetzt gewesen zu sein. Ihm war es möglich, abseits der Kameras ein relativ normales Leben zu führen. Andererseits war es für ihn bedeutend schwerer, seine Schauspielkarriere nach Drehschluss voranzutreiben.
Den tiefen Fall in Alkohol und Depression verharmlost Felton in seiner Autobiografie nicht. Offen und ehrlich steht er zu seinen Fehlern. Er beschreibt den Abwärtsstrudel, in den er gerät, und aus dem er ohne das Engagement anderer nicht herausgekommen wäre. Seine Absicht, warum er diesen Teil seines Lebens ausführlich darlegt, ist einfach: Er möchte anderen Menschen Mut machen.
Für Felton wurde der Absturz zu einem Wendepunkt. Er führte nicht zu einer steilen Karriere in Hollywood. Sondern zu einem zufriedeneren Leben, in dem „Liebe, Familie und Freundschaft an erster Stelle stehen“.

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Veröffentlicht am 12.12.2022

Ein mörderisch gutes Buch mit Nervenkitzel

Ein langes Wochenende
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Drei Frauen treffen in einem abgelegenen Ferienhaus ein, tief in der Moorlandschaft von Northumbria an der schottischen Grenze. Es ist der erste Abend ihres langen Wochenendes, am nächsten Morgen erwarten ...

Drei Frauen treffen in einem abgelegenen Ferienhaus ein, tief in der Moorlandschaft von Northumbria an der schottischen Grenze. Es ist der erste Abend ihres langen Wochenendes, am nächsten Morgen erwarten sie ihre Ehemänner. Doch auf dem Küchentisch von Dark Fell Barn finden sie einen Brief, in dem jemand behauptet, einen ihrer Ehemänner umgebracht zu haben.
Die drei Frauen glauben zuerst an einen perfiden Scherz. Doch sie haben keinen Handyempfang. Es gibt kein Internet – und ein Sturm zieht auf. Die Frauen sind von der Außenwelt abgeschnitten, und als jede von ihnen versucht herauszufinden, was passiert ist – ob überhaupt etwas passiert ist – werden ihre Freundschaften auf eine harte Probe gestellt.
Die Situation droht, zu eskalieren …


Die Perspektive eines langen Wochenendes
Ein langes Wochenende beginnt auf für mich ungewohnte Weise. Ungewohnt hinsichtlich der Erzählperspektive eines auktorialen Erzählers. Die Perspektive wechselt nicht, wie ich es als üblich geworden empfinde, pro Abschnitt oder Kapitel. Es ist die „klassische“ Form, die zwischen den Gedanken, Gefühlen und Handlungen der Figuren hin- und herspringt. So, dass der Leser immer genau das erfährt, was er im Moment wissen soll.

Daneben gibt es einen Ich-Erzähler. Er berichtet aus Sicht der Täterin oder des Täters. Warum „oder“? Weil die Autorin den Leser zunächst hinters Licht führt. Die Person, aus deren Blickwinkel man meint, etwas zu erfahren, entpuppt sich als jemand anderes. Die Stelle, an der dem Leser der Irrtum bewusst gemacht wird, finde ich allerdings weniger gelungen. Ich habe mehrmals vor- und zurückgeblättert und den Absatz wiederholt gelesen, weil ich der Meinung war, hier sei ein Fehler passiert. Absicht der Autorin und ein genialer Einfall. Aus meiner Sicht jedoch nicht elegant genug umgesetzt.

Die Ungewissheit, in der der Leser bei der Identität des Täters gelassen wird, sorgt für Hochspannung. Die Autorin streut Brotkrumen, die sich jedoch meist als Sackgasse erweisen. Man hat immer wieder eine Idee, ist sich aber nie sicher.

Psychologische Abgründe
Macmillan nimmt ihre Leser mit, tief in die Psyche ihrer Charaktere hinein. Man fühlt Jaynes Dissoziation, leidet mit Ruths Absturz in die Welt des Alkohols und spürt Emilys Panik. Man möchte Imogen helfen. Und man empfindet tiefes Mitleid für John und Maggie, die das Ferienhaus an die drei Frauen vermieten. Johns Demenzerkrankung geht einem unter die Haut.

Vor allem bekommt man einen tiefen Einblick in das psychopathische Denken des Täters. Von Seite zu Seite nimmt die Abscheu gegen ihn zu.

Ab dem Moment, in dem man als Leser endlich erlöst wird und erfährt, wer sich hinter „E.“ verbirgt, wird die Geschichte meiner Meinung nach zäh. Ich konnte erahnen oder eine Vorstellung davon entwickeln, was noch kommen würde, sodass ich nicht mehr mit Anspannung, sondern Ungeduld weitergelesen habe. Das Ende ist mir zu langatmig.

So ungewohnt das Buch anfängt, so ungewohnt endet es. Man erfährt mehr Details als üblich über „das Leben danach“ der Figuren. Ich bin zwiegespalten, ob ich das mag. Denn es dämpft die Erleichterung über den mehr oder weniger „guten“ Ausgang der Story.

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Veröffentlicht am 30.11.2022

Ein Buch, das beim nächsten Podcast-Hören eine Gänsehaut verursacht.

Das Letzte, was du hörst
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„Eine Stimme kann wie ein Gesicht sein. Du erkennst darin den Charakter, die Eigenschaften und Emotionen eines Menschen.“
Sarah Henschel ist wie Tausend andere süchtig nach dem Podcast von Marc Maria Hagen. ...

„Eine Stimme kann wie ein Gesicht sein. Du erkennst darin den Charakter, die Eigenschaften und Emotionen eines Menschen.“
Sarah Henschel ist wie Tausend andere süchtig nach dem Podcast von Marc Maria Hagen. Seine Worte legen sich wie Balsam auf ihre Seele. Sie geben ihr Kraft und machen ihr Mut, ihr unbefriedigendes Leben zu ändern. Als sie die Möglichkeit erhält, an einem von Hagens Seminaren teilzunehmen, ist sie überglücklich. Sie ahnt nicht, dass sie das Ticket für ihren eigenen Tod gewonnen hat.
Die junge Frau ist allerdings nicht die erste Leiche, die den Podcast hörend aufgefunden wird. Kommissarin Carola Barreis steht vor einem Rätsel. Doch sie wird die Vermutung nicht los, dass die Journalistin Roya Mayer irgendetwas mit den Todesfällen und diesem „holy shit“ von Podcast zu tun hat.
Ein Blick in die Vergangenheit verrät schließlich die Verbindung zwischen Marc Maria Hagen, Roya Mayer und den Überresten im Keller der Mühle.


Andreas Winkelmann ist ein Meister der Spannung. Hat man einmal angefangen, ist es schwer, das Buch wieder wegzulegen. Dabei möchte man nicht nur wissen, wer der Täter ist. Man will auch unbedingt wissen, welches Geheimnis Roya Mayer mit sich herumträgt oder inwieweit sie sogar in die Todesfälle verstrickt ist. Und man will mehr über die Kommissarin erfahren.
Carola Barreis entspricht ebenso wie Winkelmanns Hamburger Kommissar Jens Kerner nicht dem Bild der gutaussehenden Ermittler in High-Heels oder adrettem Anzug, wie wir sie aus US-amerikanischen TV-Serien kennen. Barreis ist Ende 50, ausgelaugt und träumt von ihrem Ruhesitz auf Sizilien. Sie kann nicht gut mit Menschen, tut sich schwer mit Beziehungen und raucht heimlich auf der Toilette der Gerichtsmedizin. Vielleicht ist es gerade diese Unvollkommenheit, die sie dem Leser sympathisch macht, wenn auch mit einer Spur Mitleid.
Spannung erzeugt Winkelmann, indem er die Perspektive in jedem Kapitel zu einem anderen Charakter wechseln lässt. Man bekommt als Leser immer wieder ein neues Puzzleteil, dass man zum Gesamtbild hinzufügen muss. Gleichzeitig möchte man der Kommissarin oder Roya Mayer helfen, ihr jeweiliges Puzzle richtig zusammenzusetzen.
Darüber hinaus spielt Winkelmann mit der Phantasie seiner Leser, indem er sie rätseln lässt, wann die Kapitel mit der Überschrift „Vorher“ spielen. Wann vorher? Gestern? Jahre vor den aktuellen Ereignissen? Oder „vorher“ im Sinne der Vorbereitung einer neuen Tat? Außerdem: Was wird aus dem Mann im Keller? Wir ER es wirklich tun? Die Spannung bleibt bis zum Schluss.
Und bei diesem Schluss ist es wie immer: Es ist alles anders, als man denkt. Denn manchmal gehört eine wohlklingende Stimme nicht deinem Mörder ...
Habe ich etwas zu meckern? Ein wenig gestolpert bin ich über die Vertrautheit, die Barreis und Mayer am Ende verbindet. Das Bild scheint nicht recht zu dem Charakter der Kommissarin, wie man sie als Leser kennengelernt hat, zu passen. Schlechter macht es dieses hervorragende Buch keinesfalls.

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