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Veröffentlicht am 20.10.2024

Alles schläft, einsam wacht.

Der längste Schlaf
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Die Autorin Melanie Raabe ist schon seit fast zehn Jahren eine etablierte und sehr erfolgreiche Autorin aus Deutschland, die immer wieder durch ihre Romane zu begeistern weiß. Mit „Der längste Schlaf“ ...

Die Autorin Melanie Raabe ist schon seit fast zehn Jahren eine etablierte und sehr erfolgreiche Autorin aus Deutschland, die immer wieder durch ihre Romane zu begeistern weiß. Mit „Der längste Schlaf“ stellt sie einmal mehr ihr Können vor.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht die Schlafforscherin Mara Lux, welche ironischerweise selbst unter ständiger Schlaflosigkeit leidet. Aber auch wenn der ersehnte Schlaf zu ihr kommt, so hat sie große Angst vor ihm. Denn Träume von Mara können prophetischer Natur sein und scheinen ihre Wurzeln immer mehr in die Realität zu schlagen.
Als ihr eines Tages eine mysteriöse Erbschaft in Aussicht gestellt wird, ist sie zwar zunächst skeptisch, aber die Neugierde doch zu groß. Damit setzt sich etwas in Bewegung, mit dem Mara so wohl nicht gerechnet hätte.


Mir hat „der längste Schlaf“ insgesamt gut gefallen. Der Roman ist sehr rund, das fängt bei der grandiosen Covergestaltung mittels der eingearbeiteten Symbolik (Ibisse, schlafende Frau oder das rote Gras) an und endet mit einer in sich schlüssigen Storyline.
Frau Raabe hat zum Thema Schlaf intensiv recherchiert. Dadurch hat sie dieses Themengebiet so aufbereitet, dass es einem breitem Publikum zugänglich ist.
Der Schreibstil ist leicht, ohne dabei zu seicht zu sein, des weiteren erlaubt er ein flüssiges Lesen.
Mara als Hauptfigur, aber auch alle Nebenfiguren waren sympathisch und man konnte ihren Handlungen meistens gut folgen (nur warum hat diese Frau so gar keine Angst vor Käfern & Spinnen?!).

Als Kritikpunkt möchte ich anführen, dass die Autorin sich meiner Meinung nach etwas zu sehr in ihrer Mystik verliert.
Es war, als hätte Frau Raabe etwas viel Weichzeichner benutzt, was dieses Buch gar nicht gebraucht hätte. Ich mochte den fiktionalen Anteil sehr, aber es hätte einfach nicht so gewollt enden müssen.

Insgesamt hat mir das Buch rundum gefallen. Die Figuren waren passend ausgearbeitet und das Thema Schlaf wurde sehr gut recherchiert.
Wer etwas genreübergreifende Mystik in einem Roman nicht scheut, ist hier genau richtig.
Ich könnte mir diesen Roman auch sehr gut verfilmt vorstellen.

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Veröffentlicht am 19.08.2024

Gesellschaftlicher Druck – ein Spagat zwischen der Rolle als Mutter & Frau.

Ava liebt noch
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Angezogen durch die wunderschöne Covergestaltung und den vielversprechenden Klappentext bin ich auf Vera Zischke‘s Debütroman „Ava liebt noch“ gestoßen und hatte große Erwartungen. Ich hoffte auf keine ...

Angezogen durch die wunderschöne Covergestaltung und den vielversprechenden Klappentext bin ich auf Vera Zischke‘s Debütroman „Ava liebt noch“ gestoßen und hatte große Erwartungen. Ich hoffte auf keine simple, romantische Komödie, sondern auf ein spannendes Drama mit vielen Höhen wie Tiefen.
Und ich wurde nicht enttäuscht!
„Ava liebt noch“ ist so viel mehr als ein großartiger Liebesroman über eine tabubehaftete Liebe einer Frau zu einem wesentlich jüngeren Mann. Dieser Roman zeigt, wie schwer es sein kann als Frau, aber vor allem als Mutter, gegen gesellschaftliche Normen anzuschwimmen. Viele Beziehungen sind in unserer heutigen Zeit immer noch von den Vorstellungen geprägt, dass eine gute Mutter und Ehefrau Zuhause bleibt, ihre Karriere und eigenen Bedürfnisse aufgibt. So wird sie ganz allmählich zu einem stillen und guten Geist ihrer Familie.

So ergeht es auch der titelgebenden Protagonistin Ava. Sie ist Mitte Vierzig, dreifache Mutter und Hausfrau. Die Ehe zu ihrem Mann Ralf ist über die Jahre immer mehr eingeschlafen. Ava fragt sich zunehmend, ob es das jetzt für immer gewesen ist. Sie will das Unmögliche, sie will Frau und Mutter gleichzeitig sein!
„Liebe, Erschöpfung, Hingabe, Zwang, Selbstaufgabe, Erfüllung, das ewig schlechte Gewissen – all das vermischt sich in Mütterherzen [...]“ S.295
Als sie den wesentlich jüngeren und sehr attraktiven Kieran kennenlernt, stürzt sie sich gegen alle Vernunft in eine leidenschaftliche Affäre, die sie alles kosten könnte, was sie sich aufgebaut hat und ihr doch so viel mehr geben kann, als sie je gewagt hatte zu hoffen.

Meiner Meinung nach ist die große Stärke dieses Buches, das es nie ins Kitschige abdriftet oder die Figuren zu eindimensional sind.
Nicht immer muss man mit jeder Entscheidung von Ava oder Kieran mitgehen, um ihnen nachfühlen zu können.
Vor allem Ava ist eine facettenreiche Figur, welcher man die innere Zerrissenheit glaubt. Sie hadert mit ihrer Rolle als Mutter und Hausfrau ohne sie dabei zu verteufeln oder zu bereuen. Kieran als wesentlich jüngerer Liebhaber wird nicht als simpler Toy Boy dargestellt, sondern bekommt auch genügend Raum um eine Persönlichkeit zu entwickeln. Ich konnte mit beiden mitfiebern, ihre Glücksmomente, sowie ihre Zweifel teilen.

Das Einzige was ich beim Lesen zunächst als störend empfunden habe, war der plötzliche Wechsel zwischen Ava und Kieran. Beide Protagonisten berichten in abwechselnden Kapiteln ihre Sicht aus der Ich-Erzähler-Perspektive, was mich beim Übergang abrupt aus dem Lesefluss gerissen hat.

Es ist ein großartiges Buch mit nahbaren und vor allem fehlbaren Figuren. Man muss nicht in Ava‘s Lage sein um zu verstehen, wie schwer es sein kann als Mutter perfekt performen zu müssen und sich dabei als Frau selbst zu verlieren.
Eine klare Leseempfehlung für alle, die mehr wollen als nur „Standard- Liebesromane“.

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Veröffentlicht am 03.08.2024

Die langen Schatten der Vergangenheit.

Kleine Monster
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Jessica Lind, bekannt für ihr Debüt Roman „Mama“, erschafft mit ihrem zweiten Roman „Kleine Monster“ erneut ein sehr diffiziles Psychogramm einer Familie.

„Kleine Monster“ startet direkt mit einem Konflikt. ...

Jessica Lind, bekannt für ihr Debüt Roman „Mama“, erschafft mit ihrem zweiten Roman „Kleine Monster“ erneut ein sehr diffiziles Psychogramm einer Familie.

„Kleine Monster“ startet direkt mit einem Konflikt. Die Eltern des kleinen Luca werden in die Schule gebeten – es gab einen Vorfall mit einer Mitschülerin. Was genau passiert ist, darüber schweigen sich alle Beteiligten aus. Die Eltern versuchen es auf unterschiedliche Weise aus Luca herauszubekommen, allerdings ohne Erfolg. Während der Vater Jakob sehr entspannt mit der Situation umgeht und nichts Böses in seinem Sohn sieht, wird Pia als Mutter immer unruhiger. „Jakob sieht nicht, was ich sehe. Weil er das Dunkle nicht kennt. Aber ich kenne es, und wenn Luca auch so ist, dann wegen mir. Wegen meiner Familie.“ S. 146

Die Geschichte wird aus Pias Blickwinkel erzählt, ebenso werden kurze Rückblenden eingefügt, in welchen die Kindheit von Pia und ihren Schwestern beschrieben wird. Unterschwellig wird dabei der ständige Druck von außen auf Pia als Mutter beschrieben. Dieser findet durch ihr eigenen Anspruchsdenken, die Eltern der anderen Kinder, aber auch durch die „Heile Welt“- Ansicht ihres Mannes statt. Zunehmend zerreibt sich Pia an der Sprachlosigkeit ihrer Vergangenheit und dem Wunsch im Hier und Jetzt für ihr Kind vorbehaltlos da zu sein.

Für mich konnte die Autorin sehr gut die Zerrissenheit einer Mutter in dem Wunsch, ihr Kind vollkommen zu lieben, zu beschützen, aber auch der Angst davor, dass etwas nicht stimmt vermitteln. Von Anfang an verfügt dieser Roman über einen äußerst atmosphärischen Kern.
Der Schrecken wird hier nicht platt dem Lesenden aufgedrängt, sondern er ist sehr subtil.
Für mich macht die Autorin etwas sehr Spannendes, sie beleuchtet nicht nur eine dysfunktionale Familie, ferner deren Sprachlosigkeit, sondern sie betrachtet das Verhalten eines Kindes zusätzlich zu dem Blickwinkel der Mutter darauf. Das finde ich unglaublich interessant. Dabei mussten die Figuren nicht durchgehend sympathisch sein, um mit ihnen mitfühlen zu können.

Für mich ist es eine klare Leseempfehlung, welches durch seine großartige Covergestaltung zusätzlich bei mir punkten konnte. In der Danksagung fasst es die Autorin sehr gut zusammen, sie schreibt, dass es die Seele des Romans einfängt. Und nach Beendigung des Buches stimme ich ihr da vollkommen zu.
Wer sich traut, sollte es unbedingt lesen und sich eine eigene Meinung bilden!

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Veröffentlicht am 23.07.2024

Ein offenes und ehrliches Plädoyer für eine andere Art der Liebe.

Co-Fucking
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Angezogen durch das schreiend pinke Cover bin ich auf „Co-Fucking“ gestoßen. Darin beschreibt die Autorin Anna Weiss, wie sie nach 20 Jahren monogamer Ehe mit ihrem Mann Alex diese neu gestaltet.

Anna ...

Angezogen durch das schreiend pinke Cover bin ich auf „Co-Fucking“ gestoßen. Darin beschreibt die Autorin Anna Weiss, wie sie nach 20 Jahren monogamer Ehe mit ihrem Mann Alex diese neu gestaltet.

Anna und Alex sind auf den ersten Blick ein glückliches Paar, nach Jahren ist die Ehe allerdings etwas eingefahren. Der Sex bleibt immer mehr aus und gerät, wenn er doch stattfindet, eher zur Monotonie als zum lustvollen Spiel. Hinzukommt das Alex bisexuell ist. Diese Seite an sich hat er jahrelang immer unterdrückt. Nun möchte er sie aber gerne erforschen. Sein Problem dabei, er möchte Anna nicht hintergehen. So fragt er sie, ob sie über eine offene Beziehung nachdenken würde. Zunächst geschockt und voller Widerwillen fragt sich die Autorin, was brauchen wir, um glücklich miteinander zu sein? Reicht unsere Liebe dafür aus oder zerstören wir alles, was wir haben? Zwängen wir uns eigentlich nur in ein Korsett aus moralischen und gesellschaftlichen Vorstellungen, die längst überholt sind? Braucht es wirklich nur Treue für die Liebe oder doch viel mehr eher Vertrauen, Kommunikation sowie Ehrlichkeit?
Und so wagen letztlich Anna und Alex diesen Schritt gemeinsam zu gehen.

Die Autorin berichtet dabei sehr offen und schonungslos über ihre Ehe, ebenso über ihr Sexualleben. Das Ganze macht sie äußerst humorvoll, ohne dabei ins Alberne abzugleiten. Zeigt das Auf und Ab, welches eine offene Ehe mit sich bringt. Redet über misslungene Treffen, über grandiosen Sex mit fremden Menschen, Eifersuchtsdramen zwischen ihr und ihrem Mann, aber auch über die Gefahr von Sexuell übertragbare Infektionen (STI).
Das Geschriebene wirkt dabei auf mich weder zu sachlich noch voyeuristisch. Es zeigt einfach die Perspektive und Erlebnisse eines Paares.
Man sollte, meiner Meinung nach, beim reflektieren dieser Lektüre trotzdem differenzieren, denn diese Erfahrungen lassen sich nicht eins zu eins auf andere Paare übertragen. Allerdings könnte es einen guten Ansatz für ein spannendes und ehrliches Gespräch mit dem eigenen Partner oder Partnerin bieten.

Ich denke es braucht vielleicht in der heutigen Zeit vielmehr mehr originelle Denkanstöße, wie wir Beziehungen führen können. Das heißt nicht, dass wir grundsätzlich alle zu einer anderen Form von Beziehung kommen müssen! Aber es könnte neue Bereiche eröffnen und eingefahrene Strukturen aufweichen. Denn wie schnell wird sich heute getrennt, als über andere Möglichkeiten nachzudenken, wenn die grundlegende Basis doch stimmt.

Für mich war es ein sehr gelungener Einblick in eine andere Beziehungsstruktur, die ich so noch nicht kannte. Ich mochte die leichte Art der Autorin über ein nicht ganz so einfaches Thema zu schreiben, welches selbst heute noch in unserer Gesellschaft so tabuisiert wird.
Damit macht sie einen spannenden Aufschlag.
Ich bin gespannt, was sich da in den nächsten Jahren in der Gesellschaft und deren Ansichten verändert.

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Veröffentlicht am 26.06.2024

Wenn die (vermeintliche) Idylle zur Hölle wird.

Das Baumhaus
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Vera Bucks neuester Roman „Das Baumhaus“ spielt in Schweden, welches bekannt ist für seine Natur, seine Sagen und freundlichen Menschen. Das lockt die Familie rund um Henrik und Nora mit ihrem fünfjährigen ...

Vera Bucks neuester Roman „Das Baumhaus“ spielt in Schweden, welches bekannt ist für seine Natur, seine Sagen und freundlichen Menschen. Das lockt die Familie rund um Henrik und Nora mit ihrem fünfjährigen Sohn Fynn in die vermeintliche Bilderbuchidylle aus den Geschichten unserer Kindheit. Was sie aber noch nicht wissen, auch hier lauert das Böse bereits auf sie.
Und so entwickelt sich aus dem idyllischen Familienurlaub ein wahrer Albtraum, als der kleine Fynn verschwindet und es nur so an Verdächtigen wimmelt.

Die Geschichte wird abwechselnd aus der Perspektive der verschiedenen Hauptfiguren erzählt. Dadurch taucht der Lesende sehr schnell in die Story ein und wird durch die vielen Cliffhanger geradezu ins nächste Kapitel gezogen.

Vera Buck lässt in ihre Erzählung charmant und fast beiläufig neue Themen einfließen, wie zum Beispiel psychische Probleme, destruktive Erziehungsmethoden, Vernachlässigung, Regretting Motherhood oder Menschen im Spektrum, was den Figuren eine interessante Tiefe gibt.
Was man aber immer spürt beim Lesen, ist die Liebe zur Natur. Durch die wunderschönen Beschreibungen kann ich den Wald fast riechen.

Trotz einer Vielzahl an Verdächtigen verliert man nie den Überblick, da alle Figuren einen ganz eigenen Charakter haben und sich gut von den anderen abheben. Ob die Protagonisten einen dabei immer sympathisch sind oder nachvollziehbar handeln, sei einmal dahingestellt.
Was die Verdächtigen angeht, schafft es die Autorin sehr gekonnt, den Lesenden in die Irre zu führen. Allerdings ist es nicht unmöglich herauszufinden, wer es ist, dadurch macht ein Miträtseln durchaus Sinn und Spaß.

Meiner Meinung nach verzettelt sich die Story gegen Ende leider sehr. Alles wirkt plötzlich zu gewollt und schnell zu Ende gebracht. Als wollte die Autorin unbedingt bestimmte Figuren miteinander verbinden, leider auf Kosten der Logik in der Geschichte. Für mich fühlte es sich so an als wären einige Zeitstränge durcheinandergeraten zu Gunsten des Handlungsstrangs.

Alles in allem war es für mich trotzdem ein schneller und spannender Thriller, der in mir die Sehnsucht nach einem Urlaub im Grünen geweckt hat, trotz der Gefahren, die da lauern.
Wer mit kleineren Abstrichen in der Logik leben kann, hat hier ein spannendes Buch vor sich.

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