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Veröffentlicht am 03.08.2024

Die langen Schatten der Vergangenheit.

Kleine Monster
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Jessica Lind, bekannt für ihr Debüt Roman „Mama“, erschafft mit ihrem zweiten Roman „Kleine Monster“ erneut ein sehr diffiziles Psychogramm einer Familie.

„Kleine Monster“ startet direkt mit einem Konflikt. ...

Jessica Lind, bekannt für ihr Debüt Roman „Mama“, erschafft mit ihrem zweiten Roman „Kleine Monster“ erneut ein sehr diffiziles Psychogramm einer Familie.

„Kleine Monster“ startet direkt mit einem Konflikt. Die Eltern des kleinen Luca werden in die Schule gebeten – es gab einen Vorfall mit einer Mitschülerin. Was genau passiert ist, darüber schweigen sich alle Beteiligten aus. Die Eltern versuchen es auf unterschiedliche Weise aus Luca herauszubekommen, allerdings ohne Erfolg. Während der Vater Jakob sehr entspannt mit der Situation umgeht und nichts Böses in seinem Sohn sieht, wird Pia als Mutter immer unruhiger. „Jakob sieht nicht, was ich sehe. Weil er das Dunkle nicht kennt. Aber ich kenne es, und wenn Luca auch so ist, dann wegen mir. Wegen meiner Familie.“ S. 146

Die Geschichte wird aus Pias Blickwinkel erzählt, ebenso werden kurze Rückblenden eingefügt, in welchen die Kindheit von Pia und ihren Schwestern beschrieben wird. Unterschwellig wird dabei der ständige Druck von außen auf Pia als Mutter beschrieben. Dieser findet durch ihr eigenen Anspruchsdenken, die Eltern der anderen Kinder, aber auch durch die „Heile Welt“- Ansicht ihres Mannes statt. Zunehmend zerreibt sich Pia an der Sprachlosigkeit ihrer Vergangenheit und dem Wunsch im Hier und Jetzt für ihr Kind vorbehaltlos da zu sein.

Für mich konnte die Autorin sehr gut die Zerrissenheit einer Mutter in dem Wunsch, ihr Kind vollkommen zu lieben, zu beschützen, aber auch der Angst davor, dass etwas nicht stimmt vermitteln. Von Anfang an verfügt dieser Roman über einen äußerst atmosphärischen Kern.
Der Schrecken wird hier nicht platt dem Lesenden aufgedrängt, sondern er ist sehr subtil.
Für mich macht die Autorin etwas sehr Spannendes, sie beleuchtet nicht nur eine dysfunktionale Familie, ferner deren Sprachlosigkeit, sondern sie betrachtet das Verhalten eines Kindes zusätzlich zu dem Blickwinkel der Mutter darauf. Das finde ich unglaublich interessant. Dabei mussten die Figuren nicht durchgehend sympathisch sein, um mit ihnen mitfühlen zu können.

Für mich ist es eine klare Leseempfehlung, welches durch seine großartige Covergestaltung zusätzlich bei mir punkten konnte. In der Danksagung fasst es die Autorin sehr gut zusammen, sie schreibt, dass es die Seele des Romans einfängt. Und nach Beendigung des Buches stimme ich ihr da vollkommen zu.
Wer sich traut, sollte es unbedingt lesen und sich eine eigene Meinung bilden!

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Veröffentlicht am 23.07.2024

Ein offenes und ehrliches Plädoyer für eine andere Art der Liebe.

Co-Fucking
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Angezogen durch das schreiend pinke Cover bin ich auf „Co-Fucking“ gestoßen. Darin beschreibt die Autorin Anna Weiss, wie sie nach 20 Jahren monogamer Ehe mit ihrem Mann Alex diese neu gestaltet.

Anna ...

Angezogen durch das schreiend pinke Cover bin ich auf „Co-Fucking“ gestoßen. Darin beschreibt die Autorin Anna Weiss, wie sie nach 20 Jahren monogamer Ehe mit ihrem Mann Alex diese neu gestaltet.

Anna und Alex sind auf den ersten Blick ein glückliches Paar, nach Jahren ist die Ehe allerdings etwas eingefahren. Der Sex bleibt immer mehr aus und gerät, wenn er doch stattfindet, eher zur Monotonie als zum lustvollen Spiel. Hinzukommt das Alex bisexuell ist. Diese Seite an sich hat er jahrelang immer unterdrückt. Nun möchte er sie aber gerne erforschen. Sein Problem dabei, er möchte Anna nicht hintergehen. So fragt er sie, ob sie über eine offene Beziehung nachdenken würde. Zunächst geschockt und voller Widerwillen fragt sich die Autorin, was brauchen wir, um glücklich miteinander zu sein? Reicht unsere Liebe dafür aus oder zerstören wir alles, was wir haben? Zwängen wir uns eigentlich nur in ein Korsett aus moralischen und gesellschaftlichen Vorstellungen, die längst überholt sind? Braucht es wirklich nur Treue für die Liebe oder doch viel mehr eher Vertrauen, Kommunikation sowie Ehrlichkeit?
Und so wagen letztlich Anna und Alex diesen Schritt gemeinsam zu gehen.

Die Autorin berichtet dabei sehr offen und schonungslos über ihre Ehe, ebenso über ihr Sexualleben. Das Ganze macht sie äußerst humorvoll, ohne dabei ins Alberne abzugleiten. Zeigt das Auf und Ab, welches eine offene Ehe mit sich bringt. Redet über misslungene Treffen, über grandiosen Sex mit fremden Menschen, Eifersuchtsdramen zwischen ihr und ihrem Mann, aber auch über die Gefahr von Sexuell übertragbare Infektionen (STI).
Das Geschriebene wirkt dabei auf mich weder zu sachlich noch voyeuristisch. Es zeigt einfach die Perspektive und Erlebnisse eines Paares.
Man sollte, meiner Meinung nach, beim reflektieren dieser Lektüre trotzdem differenzieren, denn diese Erfahrungen lassen sich nicht eins zu eins auf andere Paare übertragen. Allerdings könnte es einen guten Ansatz für ein spannendes und ehrliches Gespräch mit dem eigenen Partner oder Partnerin bieten.

Ich denke es braucht vielleicht in der heutigen Zeit vielmehr mehr originelle Denkanstöße, wie wir Beziehungen führen können. Das heißt nicht, dass wir grundsätzlich alle zu einer anderen Form von Beziehung kommen müssen! Aber es könnte neue Bereiche eröffnen und eingefahrene Strukturen aufweichen. Denn wie schnell wird sich heute getrennt, als über andere Möglichkeiten nachzudenken, wenn die grundlegende Basis doch stimmt.

Für mich war es ein sehr gelungener Einblick in eine andere Beziehungsstruktur, die ich so noch nicht kannte. Ich mochte die leichte Art der Autorin über ein nicht ganz so einfaches Thema zu schreiben, welches selbst heute noch in unserer Gesellschaft so tabuisiert wird.
Damit macht sie einen spannenden Aufschlag.
Ich bin gespannt, was sich da in den nächsten Jahren in der Gesellschaft und deren Ansichten verändert.

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Veröffentlicht am 26.06.2024

Wenn die (vermeintliche) Idylle zur Hölle wird.

Das Baumhaus
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Vera Bucks neuester Roman „Das Baumhaus“ spielt in Schweden, welches bekannt ist für seine Natur, seine Sagen und freundlichen Menschen. Das lockt die Familie rund um Henrik und Nora mit ihrem fünfjährigen ...

Vera Bucks neuester Roman „Das Baumhaus“ spielt in Schweden, welches bekannt ist für seine Natur, seine Sagen und freundlichen Menschen. Das lockt die Familie rund um Henrik und Nora mit ihrem fünfjährigen Sohn Fynn in die vermeintliche Bilderbuchidylle aus den Geschichten unserer Kindheit. Was sie aber noch nicht wissen, auch hier lauert das Böse bereits auf sie.
Und so entwickelt sich aus dem idyllischen Familienurlaub ein wahrer Albtraum, als der kleine Fynn verschwindet und es nur so an Verdächtigen wimmelt.

Die Geschichte wird abwechselnd aus der Perspektive der verschiedenen Hauptfiguren erzählt. Dadurch taucht der Lesende sehr schnell in die Story ein und wird durch die vielen Cliffhanger geradezu ins nächste Kapitel gezogen.

Vera Buck lässt in ihre Erzählung charmant und fast beiläufig neue Themen einfließen, wie zum Beispiel psychische Probleme, destruktive Erziehungsmethoden, Vernachlässigung, Regretting Motherhood oder Menschen im Spektrum, was den Figuren eine interessante Tiefe gibt.
Was man aber immer spürt beim Lesen, ist die Liebe zur Natur. Durch die wunderschönen Beschreibungen kann ich den Wald fast riechen.

Trotz einer Vielzahl an Verdächtigen verliert man nie den Überblick, da alle Figuren einen ganz eigenen Charakter haben und sich gut von den anderen abheben. Ob die Protagonisten einen dabei immer sympathisch sind oder nachvollziehbar handeln, sei einmal dahingestellt.
Was die Verdächtigen angeht, schafft es die Autorin sehr gekonnt, den Lesenden in die Irre zu führen. Allerdings ist es nicht unmöglich herauszufinden, wer es ist, dadurch macht ein Miträtseln durchaus Sinn und Spaß.

Meiner Meinung nach verzettelt sich die Story gegen Ende leider sehr. Alles wirkt plötzlich zu gewollt und schnell zu Ende gebracht. Als wollte die Autorin unbedingt bestimmte Figuren miteinander verbinden, leider auf Kosten der Logik in der Geschichte. Für mich fühlte es sich so an als wären einige Zeitstränge durcheinandergeraten zu Gunsten des Handlungsstrangs.

Alles in allem war es für mich trotzdem ein schneller und spannender Thriller, der in mir die Sehnsucht nach einem Urlaub im Grünen geweckt hat, trotz der Gefahren, die da lauern.
Wer mit kleineren Abstrichen in der Logik leben kann, hat hier ein spannendes Buch vor sich.

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Veröffentlicht am 06.06.2024

Grenzüberschreitungen -

Ich stelle mich schlafend
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Deniz Ohde erlangte große Bekanntheit durch ihren vielfach gelobten Debütroman „Streulicht“. In ihren zweiten Roman „Ich stelle mich schlafend“ wird sie nicht minder gesellschaftskritisch.

Die Geschichte ...

Deniz Ohde erlangte große Bekanntheit durch ihren vielfach gelobten Debütroman „Streulicht“. In ihren zweiten Roman „Ich stelle mich schlafend“ wird sie nicht minder gesellschaftskritisch.

Die Geschichte begleitet Yasemin, genannt Yase, die bereits seit frühster Kindheit gelernt hat das ihr Körper nicht gut genug ist. Erst durch ihre Mutter, die ihre Haltung kritisiert, später durch Ärzte und Physiotherapeuten, die ihre Skoliose behandeln und sie nur auf ihre Erkrankung beschränken, ohne dabei an ihre Psyche zu denken.
Yase beginnt in allen die Schuld bei sich zu suchen und kapselt sich innerlich selbst ab. Auch ihre erste große Liebe zu Vito scheitert an der Behandlung ihrer Skoliose und den damit verbundenen Veränderungen ihres Körpers.
Jahre später scheint Yasemin bei sich angekommen zu sein, wenn sie sich auch nicht wirklich aus ihrer Vergangenheit emanzipiert hat, so kann sie doch für sich selbst sorgen und ist sie in einer stabilen Beziehung.
Trotz dieser Stabilität in ihrem Leben sabotiert sie sich immer weiter, hinterfragt ihre immer aufs neue verlorene Unschuld und vergräbt sich tief in ihrem eigenen Schuldbewusstsein.
Als sie Jahre später erneut auf Vito trifft, entwickelt sich daraus schnell ein toxisches Beziehungskonstrukt, mit tragischem Ende.


„Ich stelle mich schlafend“ ist ein wütender Aufschrei so vieler Frauen unserer Gesellschaft.

Welche Frau kennt es nicht, dass ein „Nein“ nur zu leicht überhört wird. Man wird überredet und bedrängt, bis man nachgibt. Die Angst nachts allein nach Hause zu gehen, die Panik vor jedem Schatten, der sich als Ungeheuer entpuppen kann.
Die Gefahr lauert aber nicht nur außen, sondern auch in Beziehungen und Familien ist sie allgegenwärtig leider allzu häufig vorhanden.

Aber warum glauben so viele Frauen, dass sie diese Willensbeugung, diese Gewalt und schlechte Behandlungen verdient zu haben?

All das schafft die Autorin sehr gut einzufangen und hält uns Lesenden dazu an unsere Verhaltensweisen zu reflektieren.


Leider blieben für mich die Figuren, allen voran Yase und Vito, zu sehr in einem schwarz-weiß Schema hängen. Ihnen fehlte es an der ganz eigenen Lebendigkeit und Tiefgründigkeit. Auch wenn es Entwicklungsmöglichkeiten gab, entweder zum positiven oder negativen, wurden meiner Meinung nach diese nicht ausgeschöpft. Dadurch fühlte sich das Lesen schnell nach Stagnation an.

An einigen Stellen war mir der Text einfach zu auserzählt, dafür an anderen einfach zu dürftig und man musste es ein zweites Mal lesen, um den Inhalt zu verstehen.

Grundsätzlich hatte ich einfach etwas mehr erwartet und hoffe einfach auf den nächsten Roman dieser Autorin.

Es ist definitiv keine leichte Lektüre für zwischendurch, die so manchen in seiner Meinung spalten wird. Trotz meiner Kritikpunkte hat, die Autorin das alles beherrschende Grundthema trotzdem gut vermitteln können, auch wenn es aufgrund der blassen Figuren leider nicht lange in mir nachwirken wird.

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Veröffentlicht am 19.04.2024

Die Sterne funkeln bei Nacht.

Das Mondscheincafé
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In ihrer Heimat Japan ist Mai Mochizuki bereits eine gefeierte Autorin, mit „Das Mondscheincafé“ schafft sie es jetzt auch, den deutschen Buchmarkt zu erobern.

Bereits durch die unglaublich liebevolle ...

In ihrer Heimat Japan ist Mai Mochizuki bereits eine gefeierte Autorin, mit „Das Mondscheincafé“ schafft sie es jetzt auch, den deutschen Buchmarkt zu erobern.

Bereits durch die unglaublich liebevolle und stimmige Gestaltung des Buchcovers weiß das Buch direkt zu überzeugen.


In Japan gibt es viele verschiedene Mythen und Legenden. Unter anderem auch über tierische Wesen und Astrologie. Beides wird im Roman „Das Mondscheincafé“ gefühlvoll zusammengeführt.

Mit Lokalkolorit aus Kyoto, der typisch japanischen Lebensweise und einen Hauch Mystik baut die Autorin einen interessanten Rahmen für ihre Geschichte.

Trotz des recht schmalen Umfangs des Buches mit knapp 208 Seiten, wird ein gefühlvolles Szenario aufgebaut, was den Lesenden einfach ans Herz gehen muss.


Zum Inhalt:
Wenn man Glück hat, erscheint in einer Vollmondnacht das Mondscheincafé. Dieses Café ist nicht nur ein besonderes Pop-up-Restaurant, es wir auch ausschließlich von sprechenden Katzen betrieben.
Die Gäste bestellen hier nicht selbst, sondern es werden ihnen köstliche, auf ihre Persönlichkeit zugeschnitten Desserts und Getränke serviert.
Dabei reden der Meister und seine Katzen mit den Gästen und deuten ihnen ihre Sterne mittels Astrologie.
Nacheinander werden die Geschichten von vier verschiedenen Protagonisten erzählt, die alle gerade mit ihrem Leben, insbesondere mit ihrem beruflichen Werdegang hadern.
Dabei ist der erhobene Zeigefinger nie spürbar, es geht vielmehr darum einen neuen Weg einzuschlagen. Selbstoptimierung und Selbstverwirklichung der eigenen, oftmals tief verborgenen Wünsche.
Ganz besonders schön fand ich dabei, dass die Autorin alle handelnden Figuren und ihre Leben ganz natürlich miteinander verbindet und so die Geschichten wunderbar abrundet.


Ob man an nun Astrologie glauben mag oder nicht, man hat beim Lesen den unglaublichen Wunsch, dass Mondscheincafé möge in einer Vollmondnacht auch bei uns erscheinen. Der Meister würde die Sterne deuten und unser eigenes Leben in die richtige Bahn lenken. Denn manchmal braucht es eben nur einen kleinen Schubs, um neu anfangen zu können, so wie die Protagonisten im Buch.

Ein kleines, zartes Lesehighlight, welches uns gut aus dem stressigen Alltag holt und vielleicht den ein oder anderen Lesenden auch einen kleinen Denkanstoß in die richtige Richtung gibt.

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