Profilbild von TochterAlice

TochterAlice

Lesejury Star
offline

TochterAlice ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit TochterAlice über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.02.2018

Eine alte Dame mit Biss

Fräulein Hedy träumt vom Fliegen
0

und dazu steinreich: das ist Fräulein Hedy, die in ihrem "Kaff" im Münsterland eine großere Rolle spielt. Nämlich die einer Mäzenin für hochbegabte Kinder, Jugendliche und andere Personen, die sie so ins ...

und dazu steinreich: das ist Fräulein Hedy, die in ihrem "Kaff" im Münsterland eine großere Rolle spielt. Nämlich die einer Mäzenin für hochbegabte Kinder, Jugendliche und andere Personen, die sie so ins Auge fasst. Aber man will sie raushaben aus der Stiftung, denn ihre Präsenz und vor allem ihre Dominanz, die passt so einigen nicht, vor allem nicht ihrer eigenen Tochter Hannah. Was, das Fräulein - um die 90 Jahre alt ist es übrigens - hat eine Tochter?

Ja, und das hat - wie alles andere auch, eine Geschichte, Hedys Lebensgeschichte nämlich und diese erzählt sie peu á peu ihrem neuesten Stipendiaten Jan, der eigentlich ihr Physiotherapeut ist und eindeutig zum Personenkreis der sonst so ins Auge gefassten Stipendiaten gehört.

Doch auch Jan hat eine eigene Geschichte und seinen eigenen Kummer... und so geht die Beziehung zwischen Fräulein Hedy und ihm einen mehr als steinigen Weg, der genauso einfühlsam wie differenziert beschrieben wird.

So sehr ich die Figuren des Autors Andreas Izquierdo liebe, einige Nebenfiguren blieben diesmal aus meiner Sicht als Charaktere sehr blass, was ich schade fand. Wobei ich es aber durchaus legitim finde, einige der Figuren nur als Statisten fungieren zu lassen, aber nur dann, wenn ihre Rolle im Erzählverlauf wirklich eine nebensächliche ist, was hier aus meiner Sicht nicht der Fall war. Aber das ist Meckern auf sehr, sehr hohem Niveau, denn diese Geschichte liest sich einfach göttlich! Auch wenn Hedy schon ordentlich auf den Putz haut und so viel Haare auf den Zähnen hat, dass es schon nicht mehr schön ist. Doch hat dieser Roman etwas von einer Satire und Hedy damit etwas von einer Karrikatur, so dass es unbedingt legitim ist. Und wer meint, dass er mit meiner "Einordnung" das Buch in einer bestimmten Sparte ablegen kann, der wird sich wundern, denn es weist auch klare Elemente (und nicht zu wenige) eines historischen Romans auf, eines Genres, in dem Andreas Izquierdo bereits reüssiert hat, nämlich mit seinem preisgekrönten Roman "König von Albanien". Dieser Autor lässt sich nämlich in kein Schema pressen!

Was mir an den Büchern des Autors Izquierdo so gefällt: sie sind ganz und gar außergewöhnlich und sehr originell, nichts ist darin kopiert, und die Kombination der Themen (innerhalb eines einzigen Buches, wohlgemerkt): darauf muss man erstmal kommen. Mein Liebling ist immer noch "Club der Traumtänzer", aber dieses kommt gleich danach!

Veröffentlicht am 02.02.2018

Wien-Krimi mit Pfiff

Die unbekannte Schwester
0

Lotta hat es geschafft! Sie ist bei der Kripo und ermittelt zusammen mit Konrad, mit dem sie auch sonst so einiges verbindet Ein sehr emotional angelegtes Ermittlerteam, bei dem der persönliche Ansatz ...

Lotta hat es geschafft! Sie ist bei der Kripo und ermittelt zusammen mit Konrad, mit dem sie auch sonst so einiges verbindet Ein sehr emotional angelegtes Ermittlerteam, bei dem der persönliche Ansatz im Vordergrund steht: allen voran Carlotta Fiore, offiziell die Tochter der berühmten, leider bereits verstorbenen Opernsängerin Maria Fiore. Außerdem Hannes, mit dem sie einen gemeinsamen Sohn hat und der erfahrene Konrad Fürst, gerade aus langem Koma erwacht. Auch er steht in sehr besonderer Beziehung zu Carlotta.

In diesem sehr eng am Ermittlerteam - vor allem an Carlotta Fiore - aufgebauten Krimi überrascht es kaum, dass auch der Fall selbst eng mit der Protagonistin zusammenhängt: gleich am ersten Tatort findet sie einen Zettel, auf dem ihr Name steht. Ein Journalist musste dran glauben, der möglicherweise auf vielen Hochzeiten spielte - also nur Zufall?

Die Autorin Theresa Prammer schreibt toll und mitreißend und hat ein sehr ungewöhnliches Konstrukt für ihren Krimi entwickelt. Ich bin begeistert und habe mich inzwischen mit der Tatsache abgefunden, dass man in dieser Serie keineswegs anders als mit Band 1 einsteigen sollte, denn die Serie lebt so sehr von der Geschichte Carlottas und ihrer Lieben, dass es gar nicht anders geht, als die komplette Handlung aufeinander aufzubauen. reimen, anderes jedoch fehlt.

Für meinen Geschmack geriet auch dieses Mal die Geschichte der Opfer ein wenig in den Hintergrund. Das ist aber tatsächlich der einzige, verschwindend geringe Kritikpunkt an einem sowohl sprachlich und stilistisch als auch inhaltlich insgesamt sehr runden und atmosphärischen Krimi, der an Originalität kaum zu überbietet ist.

Um es mit Nietzsche zu sagen: „Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.“ Theresa Prammer hat hoffentlich noch eine ganze Menge Chaos in sich, um weiterhin so wunderbar tanzende Sterne wie diesen Krimi zaubern zu können. Absolut empfehlenswert, aber starten Sie bitte unbedingt mit Band 1!

Veröffentlicht am 02.02.2018

Aus dem Hessenmädel, der Herzensmarie, wird Maria

Die Hessin auf dem Zarenthron
0

die Kaiserin aller Reußen nämlich, Zarin von Rußland also.: bzw. zunächst die Gattin den Thronfolgers Alexander, des späteren Zaren AlexanderII, Eine Ehe, die - soweit man es beurteilen kann - in Liebe ...

die Kaiserin aller Reußen nämlich, Zarin von Rußland also.: bzw. zunächst die Gattin den Thronfolgers Alexander, des späteren Zaren AlexanderII, Eine Ehe, die - soweit man es beurteilen kann - in Liebe beginnt, der viele harmonische und interessante Jahre beschert sind, bevor sie als Paar, aber gewissermaßen auch als Herrscher tragisch scheitern.

Eine der spannendsten Epochen der Russischen Geschichte überhaupt wird hier beschrieben, nämlich die Mitte des 19. Jahrhunderts, in dem sich diverse geistige Strömungen, teils vom Hofe mitgeprägt, teils aber auch dagegen agitierend - bspw. die Nihilisten - entwickelten. Fasziniert habe ich erfahren, dass Gontscharow, der Autor des "Oblomow" zeitweilig die Zarenkinder unterrichtete, dass der bayerische Märchenkönig Ludwig II ein enger Vertrauter Marias war.

Marianna Butenschön beschreibt in ihrem Buch sehr ausführlich und anschaulich den Weg dieser bemerkenswerten Frau, allerdings weitgehend unbekannt gebliebenen Frau, Mutter vieler Kinder, die sich in Russland für Kirche und Kinder aus nicht so glücklichen Umständen wie auch für Bildung einsetzte.

Der Leser begegnet zahlreichen Schlüsselfiguren der damaligen Zeit, sieht das russische Reich und dessen Herrscher im Kontext und im Bezug des Staatengeflechts, der politischen Beziehungen in Europa - Marias Leben fiel immerhin - zumindest teilweise - in die Zeit Wilhelms I. - und in die Königin Viktorias von England und nicht zuletzt in die vieler russischer Dichter und Komponisten wie bspw. Tolstoi und Tschaikowski.

Die Autorin - eine kompetente Historikerin und erfahrene Journalistin - schreibt mitreißend und fesselnd, doch manchmal entsteht der Eindruck, als wolle sie möglichst viel ihres zweifellos ungeheuren Fachwissens in das Buch packen, den Zeitgeist, wenn möglich, umfassend einfangen. Für diese Epoche stört es mich aber nicht, ist doch eine ungeheuer spannende - und umgekehrt die Zarin selbst eine nicht ganz so schillernde, auffallende und vor allem in ihrer Zeit so reich beschriebene Persönlichkeit wie einige ihrer Vorgängerinnen. Ein richtig unterhaltsames Buch nicht ohne Anspruch also, das ich stellenweise als richtig spannend empfand! Und auch als schmerzhaft, denn in späterin Schicksalsjahren muss der Leser viel mit Maria leiden, die sowohl von schwerer Krankheit geplagt als auch von ihrem Mann vernachlässigt, ja, jahrelang aufs schändlichste betrogen wurde!

Insgesamt also zweifelsohne eine wertvolle historische Dokumentation fern von Kitsch und Trivialem, die im letzten Kapitel noch eine Brücke über die nachfolgenden Jahrhunderte bis in die Gegenwart schlägt und die ich von Herzen weiterempfehle, nicht zuletzt wegen der fundierten Recherche, die sich auch im Anhang niederschlägt - Neben einer Zeittafel, den Anmerkungen und einem Glossar findet sich dort auch ein ausführliches Personenverzeichnis, wodurch zumindest ich mich als historisch interessierte Leserin reich bedacht fühle und meine Lektüre sowohl direkt "vor Ort" - also mithilfe des Buches selber unterfüttern kann als auch Anregungen für weitere Recherchen erhalte.

Veröffentlicht am 02.02.2018

Shakespeare in Kanada

Hexensaat
0

Theaterdirektor Felix, Leiter des arrivierten Theaterfestivals am Makeshiweg, ist außer sich! Nach Jahren erfolgreicher Arbeit wurde ihm durch seinen Mitarbeiter Tony, der als eine Art Manager fungiert ...

Theaterdirektor Felix, Leiter des arrivierten Theaterfestivals am Makeshiweg, ist außer sich! Nach Jahren erfolgreicher Arbeit wurde ihm durch seinen Mitarbeiter Tony, der als eine Art Manager fungiert und dem er voll vertraut, ja, den er selbst in Amt und Würden gebracht hat, seine Stellung untergraben, auf die heimtückischste und perfideste Art, die er sich überhaupt vorstellen kann. Beziehungsweise gerade nicht, denn dann hätte er das Unglück ja kommen sehen. Nein, nachdem er Frau und Tochter auf tragischste Weise kurz nacheinander verloren hat, war er außer sich und konnte nur weiterleben, indem er sich auf die Arbeit konzentrierte, seine Position für etwas wirklich Gewaltiges nutzte: DIE Inszenierung von Shakespeares "Sturm".

Und dies wurde nun ausgerechnet durch seinen einzigen Vertrauten zunichte gemacht, der sich nun selbst den Direktorenposten gesichert hat - nicht ohne Hilfe von Sal O'Nally, seines Zeichens Minister für Kultur- und Denkmalpflege, einem ehemaligen Klassenkameraden von Felix - unnötig zu sagen, dass ihre Sichtweisen der Kultur von jeher differierten.

Felix ist nun am Ende seiner Kräfte und sinnt auf Rache- Er schafft sich in einem einsamen Häuschen seine Insel, in der er gedanklich stets seine Tochter Miranda an seiner Seite hat - bis sich ihm viele Jahre später tatsächlich eine Möglichkeit bietet, seinen Sturm zu inszenieren. Auf sehr unkonventionelle Art und Weise, zudem gibt es ihm die Möglichkeit, Rache zu üben, ebenfalls nicht gerade klassisch - dafür aber mit Klasse und dazu überaus stilvoll.

In diesem herrlichen Buch habe ich geschwelgt. Aus jedem Satz sprang mir beim Lesen die Freude entgegen, die Margaret Atwood beim Schreiben verspürt haben muss, genauso wie Brigitte Heinrich beim Verfassen der ebenfalls großartigen Übersetzung! Einfach genial, die Handlung des "Sturms" neu zu gestalten und dabei das klassische Werk selbst als Mittel, nämlich als Teil der Handlung einzusetzen! Und es offenbart sich eine weitere Begabung der Autorin - nach dieser Lektüre bin ich sicher, dass aus ihr auch eine geniale Regisseurin hätte werden können!

Atwood vermag es, Shakespeare in die Gegenwart zu transportieren, dem Sujet seine Eigenheiten, seinen Shakespearismus zu lassen, aber auch etwas Eigenes einzubringen, etwas, aus dem mit jedem Wort eine Hommage an Shakespeare spricht! Ein wahrer sinnlicher Genuss ist dieses Buch, einer, den sich jeder Literatur- und Theaterfreund gönnen sollte - einfach köstlich!

Die große Margaret Atwood erweist sich Shakespeares als würdig: ihre Sturm-Adaption hat sowohl Saft als auch Kraft - und Geist und Witz noch dazu..

Veröffentlicht am 02.02.2018

In Paris gibt's ein Lokal

Baedeker Reiseführer Paris
0

das Café Oriental!
Dass es noch zig mehr Cafés und andere Lokale in dieser Metropole gibt, lässt sich unschwer erahnen. Und die meisten haben auch bereits von anderen Sehenswürdigkeiten wie dem Eiffelturm, ...

das Café Oriental!
Dass es noch zig mehr Cafés und andere Lokale in dieser Metropole gibt, lässt sich unschwer erahnen. Und die meisten haben auch bereits von anderen Sehenswürdigkeiten wie dem Eiffelturm, dem Montmartre, Notre Dame und anderen gehört, ganz egal, ob sie bereits in der Stadt gewesen sind oder nicht. Ebenso wie von den vielen ganz besonderen Museen, dem Louvre, dem Centre Georges Pompidou oder auch dem Musee d'Orsay.

Kann man alles zwischendurch mal besichtigen, auch ganz ohne Reiseführer. Wer es jedoch gründlich angehen will und gut recherchierte, fundierte und ansprechend transportierte Informationen wünscht, der greift bereits seit 1855 - damals erschien der erste Baedeker über Paris - zum bewährten Band. Dass jedoch Tradionelles nicht verstaubt sein muss und ganz nah am Puls der Zeit schlägt - das zeigt die neueste Ausgabe von 2018, die zugleich innovativ und edel, poppig und traditionell, unterhaltsam und fundiert ist und ohne die ich ganz sicher nicht in die Stadt der Liebe (naja, eine davon) reisen werde.

Auf den ersten Blick habe ich mich in dieses wunderbare Werk verliebt, es ist so prall gefüllt mit Überraschungen! Die Erste davon befindet sich gleich hinten auf dem inneren Einband, dort sind zehn Souveniers (nicht nur Gegenstände, sondern auch Erinnerungen) aufgeführt - so originell und liebevoll, als wäre es nur für mich gemacht! Und auch innen trägt der bewährte Reiseführer ein neues Gewand! Er ist gespickt mit frechen und unterhaltsamen Infos wie den Listen zu magischen Momenten und zu Überraschendem - Sie dürfen gespannt sein! Zusätzlich erfreuen eine ganze Menge ganz besonderer Fotos das reiselustige Auge und steigern die Vorfreude auf den Paris-Besuch.

Alte Werte wie detaillierte (natürlich aktuelle) Informationen zu Unterkunft, Speisen, Museenöffnungzeiten und -preisen und vielem mehr wie auch die detaillierte und fundierte Erläuterung vieler Sehenswürdigkeiten sind geblieben, neue kommen dazu! Der Baedeker ist jung geworden, hat aber die bewährten "Falten" mitgenommen. Es ist keine glättende Schönheitsoperation, sondern eine liebevolle Restaurierung.

Und natürlich liegt auch ein Stadtplan bei, so dass Sie gleich nach Ihrer Ankunft losziehen können!