Profilbild von TochterAlice

TochterAlice

Lesejury Star
offline

TochterAlice ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit TochterAlice über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.11.2022

Die Autorin erwartet viel zu viel von ihrer Leserschaft!

Svendborg 1937
0

Von tochteralice
Vorneweg: ich bin ein Riesenfan anspruchsvoller historischer Romane zur neuesten Geschichte, nämlich der des 20sten Jahrhunderts und verschlinge quasi alles, was mir diesbezüglich in ...

Von tochteralice
Vorneweg: ich bin ein Riesenfan anspruchsvoller historischer Romane zur neuesten Geschichte, nämlich der des 20sten Jahrhunderts und verschlinge quasi alles, was mir diesbezüglich in die Finger kommt.

Hier jedoch war es mir eindeutig des Guten zu viel: in ihrem Porträt des Exils der Familie Dinkelspiel, die es aufgrund ihres jüdischen Hintergrundes aus Stuttgart, Deutschland nach Svedborg, Dänemark verschlagen hat, kommt Tanja Jeschke vom Hölzchen aufs Stöckchen, beschreibt auf relativ geringer Seitenzahl den Hintergrund nahezu aller vorkommenden real existierenden Figuren, von denen einige wie Brecht und sein ihn umgebender Kreis, die in ihrer Nachbarschaft in Svendborg wohnten, durchaus bekannt sind, andere wiederum fast kaum.

Es spricht für die Autorin , dass sie sich zu ihrem Romanthema ein ungeheures Detailwissen angeeignet hat, aber man muss ja nicht alles in den Roman einbauen bzw. sollte ein wenig sortieren. Ich habe mich deutlich übersättigt gefühlt und hätte mich über ein entsprechendes Nachwort plus Glossar wesentlich mehr gefreut. Ich bin mir sicher, dass nicht nur ich, sondern auch viele andere Leser in dem Fall den Einsatz Jeschkes viel stärker zu würdigen gewusst hätten!

Veröffentlicht am 19.11.2022

Die Autorin erwartet viel zu viel von ihrer Leserschaft!

Svendborg 1937
0

Vorneweg: ich bin ein Riesenfan anspruchsvoller historischer Romane zur neuesten Geschichte, nämlich der des 20sten Jahrhunderts und verschlinge quasi alles, was mir diesbezüglich in die Finger ...

Vorneweg: ich bin ein Riesenfan anspruchsvoller historischer Romane zur neuesten Geschichte, nämlich der des 20sten Jahrhunderts und verschlinge quasi alles, was mir diesbezüglich in die Finger kommt.

Hier jedoch war es mir eindeutig des Guten zu viel: in ihrem Porträt des Exils der Familie Dinkelspiel, die es aufgrund ihres jüdischen Hintergrundes aus Stuttgart, Deutschland nach Svedborg, Dänemark verschlagen hat, kommt Tanja Jeschke vom Hölzchen aufs Stöckchen, beschreibt auf relativ geringer Seitenzahl den Hintergrund nahezu aller vorkommenden real existierenden Figuren, von denen einige wie Brecht und sein ihn umgebender Kreis, die in ihrer Nachbarschaft in Svendborg wohnten, durchaus bekannt sind, andere wiederum fast kaum.

Es spricht für die Autorin , dass sie sich zu ihrem Romanthema ein ungeheures Detailwissen angeeignet hat, aber man muss ja nicht alles in den Roman einbauen bzw. sollte ein wenig sortieren. Ich habe mich deutlich übersättigt gefühlt und hätte mich über ein entsprechendes Nachwort plus Glossar wesentlich mehr gefreut. Ich bin mir sicher, dass nicht nur ich, sondern auch viele andere Leser in dem Fall den Einsatz Jeschkes viel stärker zu würdigen gewusst hätten!

Veröffentlicht am 17.11.2022

Joni geht ihren eigenen Weg

Frau in den Wellen
0

Eigen war Joni schon immer: allein durch ihren Vornamen aus der Zeit gefallen, sie war nämlich von ihren Hippie-Eltern, die sich eher umeinander als um sie kümmerten, nach Joni Mitchell, deren Idol benannt ...

Eigen war Joni schon immer: allein durch ihren Vornamen aus der Zeit gefallen, sie war nämlich von ihren Hippie-Eltern, die sich eher umeinander als um sie kümmerten, nach Joni Mitchell, deren Idol benannt worden. Und das in Westdeutschland Mitte der 1960er Jahre, wo so etwas eher ungewöhnlich war.

Sie heiratete früh und wurde Mutter, begann dann erst so richtig mit ihrer beruflichen Karriere, die das Zentrum ihres Daseins wurde. Jedenfalls der Punkt, um den sie den Rest ihres Lebens ansiedelte - Kinder, Mann bzw. inzwischen der Ex mit neuer Partnerin und ihre Männer - eine zunächst verwirrende Masse für mich.

Bis mir klar wurde, das Joni ihr gesamtes kleines Imperium mit absolut klarer Hand und Respekt gegenüber anderen regiert, sich Gedanken macht und auf ihre ureigenste Weise sowohl ein großes Guthaben als auch eine ganz besondere Art von Familie erschuf. Bis diese Erkenntnis allerdings in mir reifte, brauchte es einige Zeit, wobei es am Ende zu einer riesigen Krise kommt, die nur durch Jonis ganz besondere Art gemeistert werden konnte. Ein Roman, für den ich einen extrem langen Atem brauchte, der für mich am Ende aber doch ausgesprochen rund und schlüssig erschien, trotz etlicher Stolpersteine auf dem Weg dahin.

Beatrix Kramlovsky ist eine sehr ungewöhnliche deutschsprachige Autorin. Sie macht es mir als Leserin nicht leicht, dennoch empfinde ich die Auseinandersetzung mit ihrem Werk als durchaus bereichernd.

Veröffentlicht am 15.11.2022

Eine etwas enttäuschende Passage

Die Passage nach Maskat
0

Jedenfalls für mich, die ich ein großer Fan des Autors bin, vor allem seiner historischen Hamburg-Krimis, die man wahrscheinlich aus heutiger Sicht zu seinem Frühwerk zählen darf. Aber auch die ...

Jedenfalls für mich, die ich ein großer Fan des Autors bin, vor allem seiner historischen Hamburg-Krimis, die man wahrscheinlich aus heutiger Sicht zu seinem Frühwerk zählen darf. Aber auch die späteren Bücher zu Frankreich habe ich sehr genossen, so dass ich mich mit absoluten Riesen-Erwartungen an Lektüre begab.

Ich liebe auch die 20er Jahre, bin aber dabei ausgesprochen wählerisch - ich vergöttere bspw. die Berlin-Krimis von Susanne Goga, die von Volker Klüpfel als "Babylon Berlin-Serie" verfilmten dagegen überhaupt nicht. Man sieht, es ist schwer mir etwas recht zu machen.

Zumal ich bei Cay Rademacher überhaupt keine Zweifel hatte und mich somit gleich beim Autor entschuldigen möchte - hielt ich mich bisher für eine seiner pflegeleichtesten Leserinnen, muss ich das jetzt realivieren.

Den von seinen angeheirateten Verwandten gehassten Theodor Jung und seine kapriziöse Frau Dora fand ich irgendwie langweilig, obwohl ihre Schiffspassage sehr farbig geschildert wurde. War aber irgendwie nix für mich, was mir überaus Leid tut. Cay Rademachers anderen Werken bleibe ich natürlich treu!

Veröffentlicht am 14.11.2022

Ein kleiner Junge ganz allein im Krieg

Ein Zuhause in Afrika
0

Der kleine Charles - er ist zu Beginn des Zweiten Weltkriegs erst fünf Jahre alt und zum Zeitpunkt seiner Verschickung zu einer Großtante in Schottland sechs Jahre alt - wird auf tragische Weise blitzschnell ...

Der kleine Charles - er ist zu Beginn des Zweiten Weltkriegs erst fünf Jahre alt und zum Zeitpunkt seiner Verschickung zu einer Großtante in Schottland sechs Jahre alt - wird auf tragische Weise blitzschnell erwachsen. Denn er muss schnell lernen, sich selbständig neu zu orientieren, in einer vollkommen fremden Umgebung einzuleben - was ihm tatsächlich gut gelingt. Mehr noch - er verliebt sich richtiggehend in seine alte Tante Grace, die so viel mehr Zeit für ihn hat als sein Vater in London - und fast noch mehr in das kleine schottische Dorf, in das es ihn nun verschlagen hat. Hier findet der kleine Junge, dem das Lernen in manchen Fächern so schwer fällt, seine Erfüllung - das Leben und Arbeiten auf dem Bauernhof. Dessen ist er sich schon in jungen Jahren ganz sicher. Dennoch verschlägt es ihn ganz gegen seinen Willen nach Südafrika - wieder muss er sich neu orientieren. Ebenso wie Oswald, der enthusiastische Nationalsozialist, der in sowjetischer Gefangenschaft noch mal sein ganzes Leben überdenkt und in ein Deutschland ohne Hoffnung, in dem er nicht bleiben kann, zurückkehrt.


Ich habe bereits einige Bücher der südafrikanischen Autorin Irma Joubert gelesen und bin mittlerweile zum Fan geworden. Denn sie eröffnet neue Perspektiven, Blickwinkel und Aspekte auf Historisches und zwar nicht nur durch akribische Recherchen. Nein, auch der Glaube und sein Einfluss auf die Menschen spielt stets eine Rolle, wobei er in diesem dreiteiligen Romanzyklus um Hildegard, Mentje und in vorliegendem Band vor allem um den kleinen Charles ganz besondere Bedeutung erlangt - hier geht es sowohl um den christlichen Glauben als auch um das Judentum. Ich habe viel gelernt durch dieses Buch, bin Irma Joubert mit Begeisterung nach Ostpreußen zu Hildegard, in die Niederlande zu Mentje, mit Charles nach Schottland und schließlich allen Protagonisten nach Südafrika gefolgt. Auch wenn die Geschichte in großen Teilen eine traurige ist, entbehrt sie doch nie der Hoffnung. Mitreißend, aufwühlend, ab und an auch überraschend: jedes ist ein eindringlicher Roman über zwei Lebenswege (wobei der zweite etwas weniger im Vordergrund steht) die sich in schweren Zeiten kreuzen und der ausgesprochen lesenswert ist!