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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.12.2020

Spannend, aber einseitig

Der Stoff, aus dem die Schlösser sind
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Ich war wirklich sehr gespannt auf dieses Buch - ja, das Berliner Stadtschloss war und ist eine spannende Angelegenheit, da gibt es keinen Zweifel. Und die Spendensammlung des Wilhelm von Boddien fraglos ...

Ich war wirklich sehr gespannt auf dieses Buch - ja, das Berliner Stadtschloss war und ist eine spannende Angelegenheit, da gibt es keinen Zweifel. Und die Spendensammlung des Wilhelm von Boddien fraglos eine bemerkenswerte Angelegenheit.

Doch ist dies nur ein Puzzle- oder Mosaikstein in dem großen thematischen Gefüge um das Stadtschloss, das ja als Heim des Humboldtforums durchaus umstritten war und nach seiner Eröffnung immer noch ist. Klar, einiges wird hier angesprochen, teilweise auch nur gestreift, aber längst nicht alles und deswegen fühle ich mich in Bezug auf mein Wissen zur Vergangenheit und Gegenwart des Stadtschlosses nur sehr unzulänglich informiert.

Ohne Frage, die Autorin Veronika Zickendraht erhebt nicht den Anspruch, eine allumfassende Chronik verfasst zu haben, weist aber aus meiner Sicht viel zu selten auf weitere wichtige Tatsachen hin. Ihr Buch war eine spannende Lektüre zum Stadtschloss, wird aber für mich ein kleines Mosaiksteinchen im Rahmen meiner Rechercheaktivitäten, die gerade erst beginnen, bleiben.

Veröffentlicht am 18.12.2020

Ein Gerichtskrimi

Eine bittere Wahrheit
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Tabitha Hardy wollte eigentlich in ihrer früheren Heimat neu anfangen - wenige Monate später landet sie im Knast. Sie soll ihren Nachbarn ermordet haben - seine Leiche wurde nämlich in ihrem Geräteschuppen ...

Tabitha Hardy wollte eigentlich in ihrer früheren Heimat neu anfangen - wenige Monate später landet sie im Knast. Sie soll ihren Nachbarn ermordet haben - seine Leiche wurde nämlich in ihrem Geräteschuppen aufgefunden. Und weitere Einblicke ergeben, dass sie durchaus einen Grund gehabt hätte, ihn zu ermorden.

Das Autorenehepaar Nicci French hat diesen Krimi - Thriller ist aus meiner Sicht eine eher unpassende Bezeichnung- einerseits als klassischen Whodunnit, andererseits als Gerichtskrimi, wie man ihn eher aus Filmen kennt, aufgebaut.

Wir begegnen Tabitha in Untersuchungshaft und es bleibt bei dem einen Todesfall - soviel zum Verlauf. Der Leser verfolgt die Entwicklung aus Tabithas Sicht, hat aber keinen Einblick in ihre Gedankengänge. Tabitha beteuert von Beginn an ihre Unschuld und als herauskommt, dass sie als Minderjährige ein sexuelles Verhältnis zu dem Opfer hatte, scheint der Fall klar zu sein. Ihre eigene Anwältin rät ihr, auf Totschlag im Affekt zu plädieren, worauf Tabitha sie entlässt und ihre Verteidigung selbst übernimmt, wozu sie nicht nur Einblick in alle Akten erhält, sondern auch das Video einer Überwachungskamera, das für sie durchaus hilfreich ist.

Hier wird die Gefühlwelt der Angeklagten deutlich, auch ihre Verlassenheit. Es stellt sich wieder und wieder die Frage - nicht nur ihr, sondern auch dem Leser, ob sie sich überhaupt noch auf jemanden verlassen kann. Immer wieder wird sie von vermeintlich Vertrauten brüskiert, vor den Kopf gestoßen.

Und es stellt sich auch die Frage, ob es überhaupt Erfolgsaussichten gibt für eine derartige Selbstverteidigung. Ich liebe solche Fälle, in denen das Innenleben, die Gedanken, die Überlegungen im Mittelpunkt stehen und so konnte ich auch mit diesem Fall einiges anfangen. Wenn er auch in einiger Hinsicht - vor allem zum Ende hin - recht konstruiert erscheint. Und ganz zum Schluss tut Tabitha etwas sehr Gefährliches. Warum sie das genau so tut - das hat sich mir nun wirklich nicht erschlossen.

Insgesamt jedoch ein spannender Krimi mit vielen überraschenden Momenten, den ich gern gelesen habe.

Veröffentlicht am 16.12.2020

Emil und die Detektive - Entschuldigung, Kommissare

Das doppelte Gesicht
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Denn Emil Graf ist erwachsen und selbst einer davon - ins Amt gehoben von den Alliierten. Wir befinden uns im Sommer 1945 in München und wie man sich vorstellen kann, waltet überall das Chaos. Peu à peu ...

Denn Emil Graf ist erwachsen und selbst einer davon - ins Amt gehoben von den Alliierten. Wir befinden uns im Sommer 1945 in München und wie man sich vorstellen kann, waltet überall das Chaos. Peu à peu erst kehren die Soldaten aus dem Krieg zurück - die wenigen, die es geschafft haben. Und: noch ist die Spreu vom Weizen nicht getrennt.

Emil und seine unmittelbaren Kollegen gehören zu den wenigen, bei denen es recht klar war, dass sie nicht auf der Seite der Nazis waren -die beiden älteren Herren hatten die schwierige Zeit im Präsidium in München ausgesessen, Emli selbst wurde stante pede aus der Kriegsgefangenschaft rekrutiert und arbeitet nun mit den amerikanischen Besatzern zusammen.

Im Laufe seines Einsatzes begegnet ihm eine Heimkehrerin ganz anderer Art. Billa Löwenfeld ist Jüdin und konnte sozusagen auf den letzten Drücker ihre Heimatstadt München in Richtung USA verlassen. Nun ist sie als Reporterin gemeinsam mit der amerikanischen Army wieder da und man kann sich vorstellen, welch diffuse Gefühle und Eindrücke sie durchdringen.

Emil und Billa treffen in einem Mordfall, in dem drei Herren aus der Oberschicht direkt nach ihrer Rückkehr von der Front ermordet werden und bei dem der Zusammenhang zueinander wirklich offensichtlich ist. Es waren alles keine einflussreichen Nazis, sondern allenfalls Miläufer - was also war der Grund? Emil beginnt zu ermitteln und findet Billa immer häufiger in seinen Jagdgründen von, was ihn einerseits nervt, andererseits jedoch - nun, Sie werden es selbst erleben.

Ich lege Ihnen diesen wundervollen Krimi nämlich ausdrücklich ans Herz, er ist spannend, spritzig und gut recherchiert . Und wer Heidi Rehn kennt, weiß, dass sie niemals ohne Humor auskommt. Meine vollste Empfehlung nicht nur für dunkle Winterzeiten - Sie werden begeistert sein!

Veröffentlicht am 13.12.2020

Keine Ruhe mehr auf dem Land!

Die Krone der Schöpfung
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So erlebt es die Ich-Erzählerin in ihrer Wahlheimat. Was? Nun, die hier nicht namentlich bekannten Ereignisse des Jahres 2020. Die viralen Ereignisse, um genau zu sein. Diejenigen, die wir alle kennen ...

So erlebt es die Ich-Erzählerin in ihrer Wahlheimat. Was? Nun, die hier nicht namentlich bekannten Ereignisse des Jahres 2020. Die viralen Ereignisse, um genau zu sein. Diejenigen, die wir alle kennen und die immer noch andauern, immer schlimmer, immer fataler um sich greifend.

In kurzen Sequenzen gibt sie die Eindrücke der Lage auf dem Lande wieder, wobei es auch eine Art Seriendarstellung gibt, eine mit Zombies. Namens "Honka, Bar des Vergessens I - XI". Die Zombies stehen aus meiner Sicht für die irrationale Bedrohung, die dieser Virus für uns alle bedeutet.

So wie die Zombies gibt es eine ganze Reihe von symbolbeladenen Handlungsteilen. So gräbt die bei ihr lebende Mutter der Ich-Erzählerin geradezu fanatisch im Garten, klammert sich an Samen und Pflanzen fest - bis sie von ihrer Tochter auf die gegenwärtig typische Weise ausgeknockt wird: Nämlich durch Isolation.

Alles ist sehr treffend, was Lola Randl hier beschreibt und ist so oder ähnlich im Laufe dieses Jahres sicher jedem von uns widerfahren. Doch haben ihre Schilderungen eine solche Unruhe, eine Nervosität in sich - sicher auch ein gelungenes Werkzeug des Erzählens - dass ich mich davon komplett überfordert fühlte. Beziehungsweise beim Lesen, einem Vorgang, bei dem ich zur Ruhe kommen möchte, so durcheinandergewirbelt wurde, dass ich noch Stunden später Herzklabaster hatte! Also nicht unbedingt ein Buch für mich, aber mit Sicherheit eines für moderne Zeitgenossen, die mit beiden Beinen fest im viralen Alltag verankert sind!

Veröffentlicht am 10.12.2020

Krieg auf allen Ebenen

In den Schuhen einer anderen
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Und in allen Schichten: auch wenn die Engländer angenommen hatten, dass der "Große Krieg", uns als der Erste Weltkrieg bekannt, das schlimmste ist, was passieren könnte, müssen sie nur 21 Jahre später ...

Und in allen Schichten: auch wenn die Engländer angenommen hatten, dass der "Große Krieg", uns als der Erste Weltkrieg bekannt, das schlimmste ist, was passieren könnte, müssen sie nur 21 Jahre später feststellen, dass es mindestens genauso schlimm weitergeht. Nur anders.

Und zwar so, dass reihenweise Städte durch Bomben der Nationalsozialisten zerstört werden - über viele Jahre hinweg. In diesem brutalen Krieg finden Audrey und Eve wieder zusammen - zwei junge Frauen aus völlig unterschiedlichen Verhältnissen, die als Kinder befreundet waren und sich dann verloren. Doch nun stellen sie fest, dass sie gemeinsam stark sind und treten als Fahrerinnen in die Armee ein - in die Einheit, in der auch die jetzige Königin Elizabeth II. ihre Frau steht! Und diese beiden Frauen tun dies ebenso, die reiche, bisher verwöhnte Audrey wächst unter Eves Schutz über sich hinaus. Und sie haben noch mehr gemeinsam - sie sorgen sich um denselben Mann, um Audreys Bruder Arnie, der Eves Geliebter ist, auch wenn es für sie, die aus ärmlichen Verhältnissen stammt, nur wenig Aussichten darauf gibt, seine Frau zu werden. Doch sie gibt die Hoffnung nicht auf.

Doch zunächst müssen die beiden mitten im Krieg einen ganz anderen furchtbaren Verlust hinnehmen und damit zurecht kommen, auch mit ihren jeweiligen Rollen darin.

Dann findet Audrey mitten im Krieg, als alle Hoffnung verloren scheint, ihr persönliches Glück mit dem Amerikaner Robert, der in England stationiert ist. Doch alles Glück ist vergänglich und alle Freundschaft auch.

Die Autorin Lynn Austin hat hier einen dramatischen Roman entworfen, in dem neben Liebe, Gewissen und Vergebung auch der christliche Glaube eine große Rolle spielt. Auch wenn dieser durchgehend packend zu lesen ist, entwickelt sich die Handlung zum Ende hin doch in eine Richtung, die mir sehr konstruiert vorkommt. Und nicht so richtig zu dem großartigen ersten Teil des Buches passt, in dem der Zweite Weltkrieg in England so eindringlich und gleichzeitig gut recherchiert dargestellt wird wie selten.

Dennoch: auf die Gefahr hin, dass Sie am Ende ein bisschen enttäuscht sind, emfehle ich dieses Buch als lesenswerte und spannungsreiche Lektüre!