Profilbild von TochterAlice

TochterAlice

Lesejury Star
offline

TochterAlice ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit TochterAlice über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.10.2020

Der Tod als verbindendes Element

Das Geschenk des Lebens
0

Eigenartig, was für eine große Rolle der Tod in diesem Roman mit dem so lebensbejahenden Titel spielt! Eine Geschichte, die in drei Erzählsträngen, auch in drei Epochen erzählt wird: Eine unbekannte Wasserleiche ...

Eigenartig, was für eine große Rolle der Tod in diesem Roman mit dem so lebensbejahenden Titel spielt! Eine Geschichte, die in drei Erzählsträngen, auch in drei Epochen erzählt wird: Eine unbekannte Wasserleiche in der Seine in Paris, die uns ihre eigene Geschichte erzählt, die in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts spielt.

Dann Pieter in Norwegen, der in den 1950er Jahren ein tragisches Erlebnis hat, aus dem Jahre später etwas geboren wird, eine Entdeckung, die bis heute in der Medizin, speziell im Rettungsdienst, von großer Relevanz ist.

Zuletzt Anouk in Kanada, in den 1990ern (und drumherum), ein Mädchen, später eine junge Frau, die an Mukoviszidose erkrankt ist - das Leben ihrer gesamten Familie ist um diese schwere Krankheit angesiedelt, die Eltern übersehen sich selbst und leider auch einander, bis es zu spät ist.

Ein eher kühler, rationaler Roman, was den Stil angeht - für mich passt das stellenweise nicht ganz zu der Emotionalität des Geschehens. Doch das ist Geschmackssache: ich kann mir vorstellen, dass viele Leser noch weitaus mehr als ich von diesem Roman erfaßt werden!

Veröffentlicht am 12.10.2020

Die Leichtigkeit des Todes

Die Gespenster von Demmin
0

Larry, die eigentlich Larissa heißt, spielt schon seit Jahren mit dem Tod. Gewissermaßen. Denn ihr Karriereziel heißt: Kriegsreporterin und das wird man nicht einfach so ins Blaue hinein. Denkt Larry und ...

Larry, die eigentlich Larissa heißt, spielt schon seit Jahren mit dem Tod. Gewissermaßen. Denn ihr Karriereziel heißt: Kriegsreporterin und das wird man nicht einfach so ins Blaue hinein. Denkt Larry und trainiert schon mal für gewisse Situationen, in die sie möglicherweise geraten könnte. Vor allem Gefangenschaft inklusive Folter: darauf bereitet man sich wunderbar mit Übungen wie Kopfüber vom Baum hängen oder Waterboarding vor. Fär Einsätze unter schwierigen Bedingungen, bei denen eine gewisse Balance erforderlich, ist ein stundenlanges Auf-dem-Stuhl stehen eine gute Vorbereitung. Unter anderem. Dass ihre Mutter das nicht so sieht und am besten gar nicht mitbekommt, daran hat Larry sich längst gewöhnt. Überhaupt ihre Mutter: sie nervt durch ständig wechselnde Männerbekanntschaften, die den Mädelshaushalt gehörig durcheinander bringen. Wobei sie sich fast danach zurück sehnt: ist doch die neueste Errungenschaft offenbar etwas für länger, wenn nicht für die Ewigkeit: er zieht schon bald mit in den Haushalt ein, ohne dass Larry so richtig gefragt wird.

Ihren Vater sieht sie nur selten, der hat nämlich bereits kurz nach ihrer Geburt die Flucht ergriffen - und das nicht wegen Larry, sondern aus einem wirklich tragischen Grund: Larrys älterer Bruder verunglückte, während ihre Mutter mit ihr schwanger war: eine Tragödie, die auch Larry spürt. Und zwar bereits ihr ganzes Leben lang.

Wobei das Sterben insgesamt eine große Rolle spielt in diesem Roman, der in Demmin angesiedelt ist, einer Stadt, in der vor dem Anrücken der Roten Armee ein Massenselbstmord stattfand: vor allem Frauen mit Kindern ertränken sich im Fluss oder erhängten sich.

Es gibt einen zweiten, wesentlich kürzeren Erzählstrang aus der Sicht einer alten Dame, einer Überlebenden dieser Tragödie. Auch für sie ist der Tod ein lebenslanger Begleiter gewesen.

Auch wenn der Tod über allem schwebt und sozusagen das verbindende Element der beiden Handlungsstränge ist, erzählt Autorin Verena Keßler mit leichter Hand, die jedoch alles andere als oberflächlich wirkt. Im Gegenteil, die junge Autorin offenbart ein Talent, ihr Sujet mit knappen Worten lebendig darzustellen, das seinesgleichen sucht. Sowohl Handlung als auch Setting und Figuren wirken kraftvoll und lebendig. Es bleibt genug Raum für den Leser, um eigene Bilder zu entwickeln. Und auch, um den subtilen Humor, der sich durch den Roman zieht, zu genießen.

Ein großartiger Coming-of-Age-Roman, ebenso eindringlich wie ungewöhnlich. Eine neue Autorin, die zu begeistern vermag - mich jedenfalls!

Veröffentlicht am 09.10.2020

Gegensätze ziehen sich an

Just Like You
0

Und genau so einen hat sich Lehrerin Lucy geangelt: 22 Jahre alt, Aushilfsmetzger und dunkelhäutig, wobei letzteres eher keine Bedeutung hat. Zunächst als Babysitter für ihre Jungs geordert, kommen sich ...

Und genau so einen hat sich Lehrerin Lucy geangelt: 22 Jahre alt, Aushilfsmetzger und dunkelhäutig, wobei letzteres eher keine Bedeutung hat. Zunächst als Babysitter für ihre Jungs geordert, kommen sich die beiden bald näher, und das, obwohl Lucy glatte 20 Jahre älter ist und auch dem Lebensstil von Joseph zwar Verständnis, aber durchaus wenig Neigung entgegenbringt.

Am meisten begeistert sind Lucys Jungs - ihre Zuneigung zu Joseph beruht auf Gegenseitigkeit und sie haben nicht das geringste Problem damit, ihn in ihre Familie zu integrieren. Zwar nicht unbedingt als Stiefvater, aber nicht alles braucht gleich einen Namen, bei dem es zu nennen ist.

Dennoch tun sich die beiden - vor allem jedoch Lucy - zunächst ziemlich schwer - sie hat es ziemlich schwer gehabt in den letzten Jahren mit dem Exmann, der doch eigentlich ähnlich drauf war wie sie - und dann aber auch wieder überhaupt nicht.

Eingebettet ist diese On-Off-Liebesgeschichte in die des Brexits - denn wir schreiben das Jahr 2016 und bekommen hier einige spannende Innensichten aus Brittanien vermittelt.

Insgesamt liest sich der Roman flockig-leicht mit der ein oder anderen Länge, als sperrig empfand ich teilweise die Darstellung von Joseph, der doch sehr klischeehaft rüberkommt. Ein paar Klischees haben auch Lucy und ihre Umgebung abbekommen, doch die hätte ich kaum bemerkt, wenn ich nicht so genervt von zahlreichen Darstellungen innerhalb Josephs Umfeld gewesen wäre.

Ein Roman, der dennoch Spaß macht, zumindest streckenweise und den man lesen kann, aber definitiv nicht muss. Bei weitem nicht das Beste von Hornby, auch wenn der altbekannte Schalk hie und da durchblitzt.

Veröffentlicht am 07.10.2020

Leckeres und problemloses Essen

MODERN AYURVEDA
0

Die Bloggerin Katharina Döricht aka Tasty Katy hat hier ein ganz besonderes Kochbuch geschaffen, eines, das ich nicht so schnell vergessen werde! Sie wenden - ganz zurecht - ein, dass es dazu ja auch gar ...

Die Bloggerin Katharina Döricht aka Tasty Katy hat hier ein ganz besonderes Kochbuch geschaffen, eines, das ich nicht so schnell vergessen werde! Sie wenden - ganz zurecht - ein, dass es dazu ja auch gar keine Möglichkeit gibt, wenn ich regelmäßig Rezepte daraus nachkoche (was ich mir tatsächlich ganz fest vorgenommen habe)?

Damit liegen Sie natürlich ganz und gar richtig, allerdings kann ich oft gekochte Rezepte (mit eigenen Abwandlungen natürlich) ganz schnell auswendig und zudem blättere ich das Kochbuch ja nicht jedes Mal von neuem durch.

Was ich hier aber ganz oft machen werde. Denn Katharina Döricht stellt ihren Rezepten ihre eigene Geschichte voran. Und obwohl sie locker meine Tochter sein könnte, kann ich daraus eine Menge lernen. Sie hat nämlich genau wie ich vieles nicht vertragen können, war sogar ernsthaft krank und hat - ganz zufällig - zu Ayurveda gefunden.

Wovon sie nicht mehr loskam, da es tatsächlich half. Aber natürlich nicht so, wie es in den Lehrbüchern steht, sondern die junge Frau musste sich ihren eigenen Weg bahnen. Und hat dazu eine Menge Tipps in petto sowohl zu den einzelnen Ayurveda-Typen als auch zum Abwandeln ihrer Rezepte.

Ein so kluges, warmherziges und mitreißendes Kochbuch, wie ich es selten erlebt habe! Ich bin sehr begeistert von Tasty Katies Buch, das mich nun fast täglich begleitet. Und das ich jedem empfehle, der gerne isst, der es damit aber nicht ganz einfach hat!

Veröffentlicht am 07.10.2020

Für die Freiheit - in Polen und in Südafrika!

Warten auf den Wind
0

Dafür kämpfen zwei junge Menschen: Katrien in Südafrika und Wladek in Polen. Sie lernen sich kennen, als es den einige Jahre älteren Wladek nach Johannesburg verschlägt und sie beide bei gemeinsamen Verwandten ...

Dafür kämpfen zwei junge Menschen: Katrien in Südafrika und Wladek in Polen. Sie lernen sich kennen, als es den einige Jahre älteren Wladek nach Johannesburg verschlägt und sie beide bei gemeinsamen Verwandten unterkommen. Der Kampf für Solidarnosc (Wladek) und gegen die Apartheid (Katrien) wäre zwar eine gemeinsame Ebene, doch zunächst trennt sie doch zu vieles.

Wladek hält Katrien für ein verwöhntes Gör, Katrien hingegen findet, dass der von allen Seiten umschwärmte Bonvivant Wladek sich über die Probleme in Südafrika lustig macht - werden sie doch zueinander finden?

Irma Joubert schreibt wie gewohnt über ein packendes Thema und hat sich in Themen wie afrikaanse Rockmusik eingearbeitet. Mir gefällt an ihren Büchern der mitreißende Stil und ihr tiefes Verständnis für Frauen überall in der Welt. Während sie letzteres auch hier wieder gekonnt und eindringlich zum Ausdruck bringt, empfinde ich die Gesamthandlung leider als ziemlich zerfasert. Sehr viele Nebenschauplätze werden aufgemacht, sehr viele Handlungsstränge (nicht nur nebensächliche) einfach fallengelassen. Obwohl ich auch dieses Buch gern gelesen habe, ist es für mich das bisher Schwächste aus ihrer Feder.