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Veröffentlicht am 08.09.2019

Ab in die Einöde

Die Einsamkeit der Seevögel
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Dorthin, nämlich nach Finnmark, also in den äußersten Norden Norwegens, hat sich eine junge Wissenschaftlerin begeben, deren Leben gerade etliche Schleifen vollführt hat - sie hat sich von S., dem Vater ...

Dorthin, nämlich nach Finnmark, also in den äußersten Norden Norwegens, hat sich eine junge Wissenschaftlerin begeben, deren Leben gerade etliche Schleifen vollführt hat - sie hat sich von S., dem Vater ihrer Tochter Lina, getrennt, um mit Jo zu leben.

Mit Jo, in den sie sich Hals über Kopf verliebt hat und für den sie ihr bisheriges Leben - auch das Zusammenleben mit Lina - hinter sich gelassen hat. Mit Jo, der ihr eigentlich in den Norden nachfolgen, dort mit ihr verweilen sollte. Doch auch er ist Vater einer Tochter, nämlich Maria, die er nicht allein zurücklassen mag.

Es wird nicht ganz klar, wie genau sich die ganze Geschichte zusammensetzt, denn die namenlose Wissenschaftlerin wirft uns immer nur Gedankenfetzen, kleine Brocken, hin, aus denen wir uns einen Gesamtüberblick zu verschaffen haben. Auf mich persönlich wirkt sie wie jemand, der sich einfach nimmt, was er will - den Forschungsaufenthalt unter schwierigen Umständen, den Mann, der ein anderes Leben führt und anderes, was sie nicht mehr braucht, einfach zurück lässt.

Es wird nicht klar, was in der Einöde Realität, was Vorstellung ist, denn der jungen Frau gehen viele Gedanken durch den Kopf. Zeitweise könnte man sogar meinen, ihr Verstand habe sie verlassen oder spiele zumindest ein Verwirrspiel mit ihr.

Das Ende ist ähnlich unklar und zu einem Großteil der Interpretation des Lesers überlassen. Ein wenig greifbares Werk, das mir gerade deswegen auch zugesagt hat. Denn die Autorin versteht es, Stille und Einsamkeit zu transportieren, sie (be)greifbar zu machen, wie keine andere. Ihre Stille verbirgt nichts, sie legt alles offen, stellt die Protagonistin bloß - nicht zuletzt vor sich selber. Ein bemerkenswerter Roman, auf den man sich während der Lektüre vollständig einlassen sollte.

Veröffentlicht am 06.09.2019

Logan kehrt zurück

Ganz aus Versehen verliebt
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Logans Familie wurde alles geraubt, nämlich das Zuhause. Schuld daran: die Spielsucht seines Vaters, die diesen vor Jahren leichtsinnig werden ließ - er wurde um Haus und Hof betrogen. Und zwar von dem ...

Logans Familie wurde alles geraubt, nämlich das Zuhause. Schuld daran: die Spielsucht seines Vaters, die diesen vor Jahren leichtsinnig werden ließ - er wurde um Haus und Hof betrogen. Und zwar von dem jungen Zach Hamilton, der ihn beim Pokerspielen betrog und seitdem mit seiner merkwürdigen Familie, bestehend aus Bruder und Schwester, die ihm überhaupt gar nicht ähnlich sehen, dort wie eine Made im Speck haust.
Logan erwirbt zunächst das Grundstück nebenan und versucht, mehr über die Familie herauszubekommen. Wenn er genug weiß, will er Zach mit dessen eigenen Mitteln, nämlich dem Pokerspiel, schlagen.

Was er nicht eingeplant hat, ist das gewinnende Wesen von Zacks jüngerer Schwester Eva, dem er sich einfach nicht entziehen kann. Bald schon brennt er innerlich für sie und fühlt sich zwiegespalten. Wird es Eva gelingen, ihn von seinem Plan abzubringen? Und wird er überhaupt Zach, der seit Jahren nicht mehr gespielt hat, zum Pokern kriegen?

Was zunächst als überaus neckische Western-Romantasy anmutet, entwickelt sich zu einem anspruchsvollen Drama vor einem Hintergrund aus grundlegenden Gewissens- und vor allem Glaubensfragen.

Denn Eva hat es faustdick hinter den Ohren! Hinter ihr, für die ich zunächst Matth. 5, 8, also " Selig sind, die reines Herzens sind; denn sie werden Gott schauen." als Charakterisierung passend empfand, steckt wesentlich mehr als dies.

Natürlich ist sie auch reines Herzens, doch versteht sie es zudem, im Namen der Bibel und des christlichen Glaubens klug und verantwortungsbewusst zu argumentieren und zieht damit Logan quasi die Schuhe aus. Er bekommt kein Weibchen, sondern eine kraftvolle Christin, die nicht für ihren Glauben kämpft, denn in dem steht sie sicher wie ein Fels. Nein, sie kämpft mit ihm für Gerechtigkeit, Frieden und vor allem Liebe und beweist dabei Mut und Stärke.

Ein unterhaltsamer und kluger christlicher Roman, der auch immer mal wieder für einen Lacher gut ist!

Veröffentlicht am 04.09.2019

Manu auf dem Dach

Der Sprung
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Oder auch Manu vor dem Sprung. Vor dem letzten Sprung ihres Lebens? Denn die junge Gärtnerin hat sich auf das Dach eines Mehrfamilienhauses in dem kleinen Ort bei Freiburg, der ihr Heimat ist ...

Oder auch Manu vor dem Sprung. Vor dem letzten Sprung ihres Lebens? Denn die junge Gärtnerin hat sich auf das Dach eines Mehrfamilienhauses in dem kleinen Ort bei Freiburg, der ihr Heimat ist - oder sein sollte, begeben und lässt nicht mit sich reden. Zumindest spricht sie nicht mit der Polizei. Und ihren Freund, bzw. denjenigen, der sich als ihr Freund fühlt, nämlich Finn, den lassen sie nicht zu ihr.

Es ist nicht nur Finn, der in diesem Roman zu Wort kommt. Nein, es sind verschiedene Menschen, die auf unterschiedlichste Weise - teilweise auch sozusagen über Eck, also über andere Menschen - mit Manu zu tun haben. Langsam kristalliert sich ein Gesamtbild heraus, das aber erst ganz zum Schluss mehr oder weniger vollständig ist.

Meiner Ansicht nach eher weniger. Denn es ist ein ganz schön nervöses Bild und auch ein nervöser Stil, den die junge Autorin Simone Lappert hier pflegt. Oder ein hibbeliger, unsteter - der zu der Generation junger Erwachsener so zwischen zwanzig und dreißig aus meiner Sicht gut passt, denn ich empfinde viele ihrer Protagonisten als nervös, hibbelig und unstet.

Auch Manu ist nicht die Ruhe selbst. Nein, sie flucht und wirft Ziegel vom Dach - auf die Schaulustigen, die sich versammelt haben, um ihr Tun zu verfolgen. Geschieht denen Recht, finde ich.

Doch was steckt hinter dem allen? Das geht - so finde ich - aus dem unruhigen und wortreichen Stil der Autorin, deren Sätze in etwa so vielteilig und verschachtelt sind, wie manch einer in dieser Rezension, nur in Teilen hervor.

Das Portrait eines Menschen, blitzlichtartig gezeichnet durch diejenigen, die ihn umgeben. Was aus meiner Sicht hätte klarer, stabiler und eindringlicher sein können. Aber das meine nur ich - und ich gehöre nicht der Generation der Protagonistin und der Autorin an. Ein Bildnis unserer Zeit, unserer Mentalität, das viele sicher als gelungen ansehen werden.

Veröffentlicht am 03.09.2019

Martha machts

Die Hafenschwester (1)
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Als Hamburg-Fan, der diese Stadt jedoch in den letzten anderthalb Jahrzehnten ein bisschen aus den Augen verloren hat, war es für mich Ehrensache, dass ich mir dieses besondere Buch von Melanie Mezenthin ...

Als Hamburg-Fan, der diese Stadt jedoch in den letzten anderthalb Jahrzehnten ein bisschen aus den Augen verloren hat, war es für mich Ehrensache, dass ich mir dieses besondere Buch von Melanie Mezenthin nicht entgehen lasse. Zumal die Geschichte der Frauen mir noch ein wenig mehr am Herzen liegt als die bedeutende deutsche Hafen- und Handelsstadt.

Und ich wurde nicht enttäuscht: Martha wächst Ende des 19. Jahrhunderts unter einfachsten Bedingungen auf, doch die liebende Familie um sie herum lässt sie die schweren Umstände zwar nicht mit Leichtigkeit, aber doch mit Zuversicht ertragen, sieht sie doch, dass es anderen um sie herum sehr viel schlechter geht. Beispielsweise Milli, ihrer Freundin seit Kindheitstagen, die vom eigenen Stiefvater - wie vorher auch ihre Mutter - als Hure "verkauft" wird.

Doch im Alter von vierzehn Jahren ändert sich auch für Martha alles: im Zuge der Cholera-Epidemie verliert sie ihre halbe Familie und ihr Vater ergibt sich dem Alkohol. Ausgerechnet er, der immer für die Kinder da war, doch gottseidank hat Martha noch ihren jüngeren Bruder, der fest zu ihr hält und sie unterstützt.

Tatsächlich schafft sie es, ihren Weg zu gehen: zunächst als einfache Krankenwärterin gelingt es ihr, einen Ausbildungsplatz im modernen Krankenhaus Eppendorf zu bekommen. Trotz der Steine, die ihr in den Weg gelegt werden, geht sie ihren Weg und lernt ganz besondere Menschen kennen. Doch wird sie sich halten können? Wird ihre Herkunft aus einfachsten Kreisen nicht im Weg stehen?

Ich liebe Romane, in denen die Sozialgeschichte eine wichtige Rolle spielt, vor allem solche, in denen das Schicksal der Frauen - gesellschaftlich und politisch im Mittelpunkt steht, so wie es hier der Fall ist.

Gelegentlich driftete der Plot für mich ein bisschen zu sehr in ein Intrigenspiel ab, doch schaffte es die Autorin mit ihrem spannenden Stil und ihren klugen Recherchen mühelos, mich bis zum Ende am Ball zu halten! Der vielversprechende erste Band einer Serie, bei der ich definitiv am Ball bleibe und mich schon jetzt auf den nächsten Band freue!

Veröffentlicht am 01.09.2019

Leben und Lieben aktuell

Gespräche mit Freunden
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Der Geist der Zeit bzw. in der Gegenwartsspeech: der Spirit der Jugend ist in jeder Generation von großem Interesse, nicht nur im "Real Life", sondern auch in der Literatur. Nicht umsonst sind ...

Der Geist der Zeit bzw. in der Gegenwartsspeech: der Spirit der Jugend ist in jeder Generation von großem Interesse, nicht nur im "Real Life", sondern auch in der Literatur. Nicht umsonst sind in vergangenen Zeiten - ab der Mitte des vergangenen Jahrhunderts - Romane wie "Bonjour tristesse" oder auch "Der Fänger im Roggen entstanden, in denen nicht zuletzt die Liebe - oder ist es "nur" die Sexualität? - eine zentrale Rolle spielt.

Auch in der Gegenwart: "Gespräche mit Freunden" der irischen Autorin Sally Rooney ist so ein Roman. In dem der Zeitgeist ziemlich im Vordergrund steht. Die beiden jungen Stand-up-Künstlerinnen Bobbi und Frances lernen das Ehepaar Melissa und Nick kennen: sie: Fotografin, er: Schauspieler und etwa 10 Jahre älter als die beiden Mädels. Die irgendwann mal ein Paar waren und inzwischen "nur" noch gute Freundinnen sind.

Frances ist die Erzählerin, sie und Nick kommen sich näher, wie man das früher nannte. Also, richtig nahe. Wobei Nick immer noch verheiratet ist und das auch bleiben will. Eigentlich. Und Frances steht da drüber bzw. gibt sie sich den Anschein.

Dann schießt jemand quer bzw. mehrere und die Sachlage ändert sich. Das alles ist eindringlich geschrieben und von der erstklassigen und sehr erfahrenen Übersetzerin Zoe Beck eindringlich übersetzt. Trotzdem: mein Ding ist das nur bedingt. Ein ziemliches Hin und Her zwischen den Liebenden oder vielmehr: einander Begehrenden und auch darüber hinaus.

Mich ließ die Lektüre spüren, dass ich doch schon ein älteres Semester, bzw. über ein solches Hick Hack hinaus bin. Vielleicht hat es mich auch nie ergriffen. Ich habe es wegen der oben genannten Faktoren gerne gelesen, aber ich glaube nicht, dass etwas länger hängenbleiben wird. Wahrscheinlich, weil ich nicht so die richtige Zielgruppe bin für die hier transportierten Wertvorstellungen oder auch nur für dieses Geplänkel. Ich finde, so richtig tief geht das nicht und so extrem neu ist da auch nix dran. Nichtsdestotrotz: Nett und unterhaltsam zu lesen.