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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.07.2022

Eine verständlich gemachte Entwicklung mit Schnörkeln und Schleifen

Papyrus
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Wussten Sie es? Wie sich das alles so entwickelte? Also, das mit dem Lesen, Schreiben - den Aktivitäten, die das Denken festhalten sollten? Und was dann mit den Dokumenten, auf denen nun selbiges ...

Wussten Sie es? Wie sich das alles so entwickelte? Also, das mit dem Lesen, Schreiben - den Aktivitäten, die das Denken festhalten sollten? Und was dann mit den Dokumenten, auf denen nun selbiges verzeichnet war, machte?

Wie man mit ihnen umging, wie man sie wertschätzte, hortete, erwarb, weitergab? Ja, nicht zuletzt natürlich: wie man sie verteilte, über sie informierte, sie auf diverse Art verbreitete.

Und wie man lernte, Nutzen aus ihnen zu ziehen? Das ergab sich erst so nach und nach, wie man sich denken kann. Denn nur wenige Menschen waren des Lesens mächtig und noch weniger von ihnen lebten in einem solchen Umfeld, in dem sie über neue Dokumente, die man dann später mal als Bücher bezeichnete, informiert wurde. In denen man die Gelegenheit erhielt, ihnen zu begegnen, sie anzuschauen, zu lesen, zu bewundern. Mit ihnen zu leben also. Das war jahrtausendelang kaum jemandem möglich - und so ist die Entwicklung dieser Rollen, später Bücher und noch mehr ihre Verbreitung ein ausgesprochen schleichender Vorgang.

Einer, dem sich Irene Vallejo, die Autorin von "Papyrus", in aller Ausführlichkeit, mit viel Geduld, Wissen, zahllosen Recherchen und nicht zuletzt mit Humor nähert.

Aber: auch wenn ich Bücher liebe, auch wenn ich Geschichte so sehr liebe (aber nicht die ganz alte), dass ich sie sogar studiert habe: so ganz ist das nicht mein Buch. Dazu fehlt mir dann doch die Offenheit und die Geduld. Auch wenn ich wieder und wieder gerne hineinschaue und diesem Nachkommen des Papyrus unzählige Leser wünsche!

Veröffentlicht am 14.07.2022

Südkorea zwischen Tag und Nacht

Dämmerstunde
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Ich interessiere mich schon seit Jahrzehnten für Dian Fossey und irgendwie kam ich nie dazu, mich intensiver mit ihr zu beschäftigen.

Dies wäre eine gute Gelegenheit, gerade auch durch die Bereicherungen ...

Ich interessiere mich schon seit Jahrzehnten für Dian Fossey und irgendwie kam ich nie dazu, mich intensiver mit ihr zu beschäftigen.

Dies wäre eine gute Gelegenheit, gerade auch durch die Bereicherungen innerhalb der Leserunde.

Veröffentlicht am 25.06.2022

Familie muss weh tun!

Der Papierpalast
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Jedenfalls ist das in dieser Familie der Fall!

Die Familie bzw., das was von ihr geblieben ist: die Mutter Wallace und die beiden Töchter Anna und Elle verbringen die Essenz des Jahres, den ...

Jedenfalls ist das in dieser Familie der Fall!

Die Familie bzw., das was von ihr geblieben ist: die Mutter Wallace und die beiden Töchter Anna und Elle verbringen die Essenz des Jahres, den Sommer, Jahr für Jahr in der familieneigenen Residenz, einer Art amerikanischer Datsche, die schon vom Opa erbaut wurde, in Cape Cod. Es sind einzelne, halb zusammengekrachte Hütten, liebevoll "Papierpalast" genannt.

Ergänzt durch Männer - zunächst den der Mutter, später dann die der Töchter - und immer war Jonas dabei, Elles Kindheitsfreund, dessen große Liebe sie jahrzehntelang war.

Der Vater ist längst abhanden gekommen und wird zumeist von einem wechselnden Reigen temporärer Stiefmütter, eine toxischer als die andere, bewacht. Keine davon seinen Töchtern wohlgesonnen.

Insgesamt scheint es, als würde das Credo der Familie über Generationen weitervererbt: Familie muss wehtun!

Ein süffiger, eingängiger, stellenweise faszinierender, leider über weite Teile recht oberflächlicher Roman, in dem Frauen als Weibchen behandelt werden. Mir tut es Leid, dass in Zeiten wie diesen hier immer noch die Frau gewinnt, die den aktuell im Angebot befindlichen Mann am besten um den Finger wickeln kann - sowohl in der Liebe selbst als auch im Familienverbund.

Ich habe diesen Roman dennoch als recht unterhaltsam empfunden, habe mich aber beim Lesen auch immer wieder geärgert über die "Weibchen-Darstellungen" der Autorin.

Und ich kann mir vorstellen, dass Susan Sontag oder aber auch Louise Erdrich und Anne Tyler ihn einfach nicht verstehen würden. Wenn doch, würden sie ihn der Autorin um die Ohren hauen würde - so schreibt keine selbstbewusste, im Leben stehende Gegenwartsamerikanerin!

Veröffentlicht am 17.06.2022

Lebenswege mit Kollisionen

Kollisionen
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sind es, die Florian Scheibe in diesem Roman beschreibt, die Lebenswege von Carina und Mona vor allem, aber auch von Tom, Carinas Lebensgefährten. Es sind keine geraden Straßen, sondern eher verwinkelte ...

sind es, die Florian Scheibe in diesem Roman beschreibt, die Lebenswege von Carina und Mona vor allem, aber auch von Tom, Carinas Lebensgefährten. Es sind keine geraden Straßen, sondern eher verwinkelte Pfade - solche, die sich gegenseitig überkreuzen, aber auch sonst mit der ein oder anderen Gestalt, mit verschiedenen Ereignissen und erlebnissen kollidieren.

Dabei sind Carina und Tom zunächst sehr geradlinig unterwegs: es sind Karrieretypen, denen eigentlich nur eines im Weg steht, um uneingeschränkt glücklich zu sein: der unerfüllte Kinderwunsch. Und da soll kein Weg, keine Methode außer Acht gelassen werden, um diesen zu erfüllen, koste es, was es wolle!

Natürlich gibt es kleinere Unwägsamkeiten, die sich aber bislang immer gut ausräumen ließen - eine davon ereignet sich gleich zu Beginn der Geschichte: da nämlich kollidiert Carina mit Mona, einem 16 Junkie, die auch noch schwanger ist...

Und irgendwie ist dies der Beginn dafür, dass bei Tom und Carina so einiges aus den Fugen gerät, bei Mona ist dies ja sowieso schon der Fall.

Ja, es wäre eine gute Möglichkeit, eindringlich aufzuzeigen, wie die Welt eines Einzelnen durch die Verkettung unterschiedlicher - und beileibe nicht nur unglücklicher - Ereignisse mir nichts dir nichts aus den Fugen gehoben wird. Zwar nicht von Jetzt auf Gleich, aber doch in relativ kurzer Zeit.

Irgendwie passiert das aber nicht: die Verwinkelungen passen irgendwie nicht, sie sind so absurd un unlogisch, dass sie für mich nicht mehr passen, sie lassen die Figuren unglaubwürdig erscheinen.

Und das ist für mich in einem Roman, in dem exemplarisch Brüche aufgezeigt werden sollen (und das - so scheint es mir zumindest - war eines der Ziele) ein No-Go. Diese Verwicklungen, die zu einem zugegebenermaßen relativ runden Ende führen, sind nicht authentisch, sie sind extremst konstruiert und sehr weit hergeholt. Zudem jagt - gerade im Hinblick auf die Figuren Mona, Carina und Tom und deren Umfeld - ein Klischee das andere, was ich als ziemlich nervig empfand.

Vielleicht empfindet es nicht jeder so, denn der Roman ist durchaus angenehm geschrieben, Stil und Form passen, aber irgendwie wird aus meiner Sicht aus den vielversprechenden Ansätzen leider kein stimmiges Gesamtformat. Aber wie gesagt, das wird nicht jeder so sehen und ich möchte niemanden davon abbringen, sich selbst einen Einblick in dieses Berliner Stimmungsbild mit Veränderungen zu verschaffen!

Veröffentlicht am 17.06.2022

Einzelgängerinnen in einem sehr abgelegenen Land

Das ganze Leben da draußen
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Einzelgängerinnen in einem sehr abgelegenen Land, nämlich in Island, das sind Elín und ihre junge Lehrerin Alfa, deren Wege sich nicht nur in der Schule kreuzen. Aber ihre Leben sind nicht nur über Kreuz, ...

Einzelgängerinnen in einem sehr abgelegenen Land, nämlich in Island, das sind Elín und ihre junge Lehrerin Alfa, deren Wege sich nicht nur in der Schule kreuzen. Aber ihre Leben sind nicht nur über Kreuz, sondern auch jedes für sich von Belang, es sind Oasen, in denen Vergänglichkeit wie auch Beständigkeit wichtige Themen sind, ebenso wie Verlust und Ersatz. Und immer wieder Einsamkeit, Gemeinsamkeit und der eigene Weg.

Die junge Lehrerin Alfa hat gerade ihren Großvater Magnús, zu dem sie ein sehr enges Verhältnis hatte, verloren, genauer gesagt, hatte er sich selbst, nämlich durch Demenz verloren, bevor er ihr und dem Rest der Welt verloren ging.

Und Elín? Hat sie sich selbst überhaupt schon gefunden? Die Frage bei ihr und für sie ist, ob man tatsächlich dieselben Werte wie die anderen, die Altersgenossen, haben muss - Gleichaltrige sind doch nicht unbedingt Gleichgesinnte? Andererseits - wenn es ihnen zu unheimlich wird, dann stellen sie sich dagegen, machen Witze und verhöhnen den anderen.

Gibt es andere Wege, andere Lösungen, andere Menschen, die verständnisvoller sind? Diese Frage stellt sich sowohl Elín als auch Alfa, jeder auf die ihr eigene Art.

Ein Buch, das so ganz anders ist als der Erstling der Autorin Nina Sahm, nämlich "Das letzte Polaroid", ein Buch über Ungarn im politischen Aufruhr parallel zur Protagonistin im inneren Umbruch - ein Buch, das aufgrund seines Themas viel mehr im Fokus steht. Und nicht so abseits wie dieser Island-Roman. Dennoch gibt es Ähnlichkeiten und Parallelen: auch dies ein Buch, das Widersprüche weckt, überlegen lässt, wie man selbst in der ein oder anderen Situation handeln würde. Ein Buch über Freundschaft, Neid und Verrat, falsch verstandener Treue - das war es für mich. Und auf jeden Fall ein Roman mit interessanten und ungewöhnlichen Figuren, einer, der vielleicht nicht im Einzelnen im Gedächtnis bleibt, aber doch das ein oder andere zurücklässt. Mich hat er nicht so abtauchen lassen wie der erste Roman der Autorin, er erschien mir als Leserin um einiges sperriger und auch schwerer zu erschließen.

Dennoch ein ungewöhnliches Buch, das sich lohnen mag. Ich selbst habe aufgrund meiner Erfahrungen mit der Autorin zugegebenermaßen eine Steigerung erwartet und aus meiner Sicht eine Senkung meiner Erwartungen hinnehmen müssen, doch es muss nicht jedem so gehen. Es wird sicher Leser geben, die sich auf Alfa und Elín einlassen und mehr von der Lektüre haben werden als ich, wenn ich mich auch recht gut unterhalten fühlte.