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Veröffentlicht am 01.09.2021

zerstörende Eifersucht

Die Zeit der Kirschen
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Über ein Jahr ist inzwischen vergangen als die Köchin Aurelie und der Schriftsteller und Lektor Andre ein Paar wurden. Durch Andres Roman, das Lächeln der Frauen, sind sie zusammen gekommen. Für alle sind ...

Über ein Jahr ist inzwischen vergangen als die Köchin Aurelie und der Schriftsteller und Lektor Andre ein Paar wurden. Durch Andres Roman, das Lächeln der Frauen, sind sie zusammen gekommen. Für alle sind die Beiden das Traumpaar schlechthin, jetzt wird es doch mal Zeit, dass sie zusammenziehen und heiraten. Andre trägt schon länger den perfekten Verlobungsring bei sich, doch die Gelegenheit für einen Heiratsantrag wird immer wieder verhindert. Am Valentinstag soll es nun soweit sein, alles ist vorbereitet. Da erfährt Aurelie, dass ihr kleines Restaurant, das le temps des cerises, die Zeit der Kirschen, mit einem Michelinstern ausgezeichnet wurde. Alles steht Kopf, so bleibt der Ring in der Schatulle. Wenig später stellt sich heraus, das Restaurant wurde verwechselt. Über dieses Missverständnis hinweg treffen sich die beiden Köche zum Austausch und freunden sich an, sehr zum Missfallen des immer eifersüchtiger werdenden Andre. Er lässt sich so einiges einfallen, um die Treffen der beiden Köche zu stören und macht es damit nur noch schlimmer. Auch Aurelie reagiert eifersüchtig, als sie die Buchhändlerin kennenlernt, die Andre regelmäßig anruft.
Die Geschichte um die gegenseitige, zerstörende Eifersucht und die halbherzigen Versuchte Andres sind amüsant geschrieben. Die Kulisse Paris sieht man vor seinen Augen. Leider reicht der Fortsetzungsroman nicht an das Lächeln der Frauen heran. Der erste Teil des Buches befasst sich immer wieder mit teilweise ermüdenden Rückblenden auf das Kennenlernen. Interessant ist die Sichtweise der Protagonisten, die immer abwechselnd das gleiche Geschehen sehr unterschiedlich beurteilen.

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Veröffentlicht am 01.09.2021

Milieustudie Harlem der 60er Jahre

Harlem Shuffle
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Colson Whitehead führt uns anhand des Schwarzen Ray Garney durch das Leben eines Schwarzen im Harlem der 60er Jahre. Ray verlebte seine Jugend bei seiner Tante und dem Cousin Freddie, der für ihn wie ein ...

Colson Whitehead führt uns anhand des Schwarzen Ray Garney durch das Leben eines Schwarzen im Harlem der 60er Jahre. Ray verlebte seine Jugend bei seiner Tante und dem Cousin Freddie, der für ihn wie ein Bruder wurde. Rays Vater war ein Kleinganove und das einzige, was er seinem Sohn hinterließ war ein Pick-up. Ray war gut in der Schule und er hätte ein gutes, gesetzestreues Leben führen können, wenn er durch Freddie nicht in Diebstahl und Hehlerei hineingezogen worden wäre. Mit einem Anfangskapital schaffte Ray sich ein Möbelgeschäft aufzubauen, die legale Fassade für alles andere. Um seiner Familie, Elisabeth und den beiden kleinen Kindern ein Leben außerhalb der Slumgegend bieten zu können, war er immer wieder nebenbei illegal tätig. Immer in Sorge um das Leben seiner Familie, Freddies und auch sich selbst. Rivalisierende Banden und handaufhaltende Cops gaben sich in seinem Laden die Klinke in die Hand.
Elisabeth war für Anfang der 60er Jahre eine selbstbewusste Frau, sie arbeitete in einem Reisebüro, dass sichere Reisen für Schwarze organisierte. Viele Gegenden, Restaurants oder Unterkünfte waren für die Schwarzen gefährlich. Wie gefährlich zeigte sich bald auch in New York, als ein jugendlicher Schwarzer grundlos von einem Cop erschossen wurde. Es kam zu Aufständen.
In drei Kapiteln mit Zeitsprüngen wird das Leben und Überleben eines typischen Schwarzen in Harlem erzählt. Schwarz gegen Weiß, Arm gegen Reich, Korruption und Vetternwirtschaft sind die Hauptthemen dieses hochinteressanten Romans. Der Schreibstil ist gewöhnungsbedürftig, erst ab dem 2. Kapital kam ich besser in die Geschichte hinein. Sehr viele abgehackte Sätze und Andeutungen erschweren es, der Handlung zu folgen. Dennoch, für die Aussagekraft dieser Geschichte lohnt es sich.

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Veröffentlicht am 01.09.2021

zwei Romane in einem Buch

Wellenflug
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Der erste Teil dieses Romans berichtet über das Leben Anna Reichenbachs. Sie heiratet den jüngsten Sohn eines Textilhändlers und bekommt bald ihre Tochter Gertrud. Nur 3 Monate nach der Geburt stirbt ihr ...

Der erste Teil dieses Romans berichtet über das Leben Anna Reichenbachs. Sie heiratet den jüngsten Sohn eines Textilhändlers und bekommt bald ihre Tochter Gertrud. Nur 3 Monate nach der Geburt stirbt ihr Mann und sie geht eine zweite Ehe mit dem älteren Bruder Julius ein. Sie führt ein herrschaftliches Haus, es gibt viele Empfänge, auch wenn bereits Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts ihr jüdischer Glaube bei einigen Menschen zu Ausgrenzung führt. Auch als sie zum evangelischen Glauben konvertieren ändert sich nichts. Sie bekommt weitere Kinder, wobei Heinrich, ihr ältester Sohn, ihr Liebling ist. Er gerät jedoch nicht nach Wunsch, seine Zeit verbringt er in Spielsalons und mit immer wechselnder Damenbegleitung in Etablissements und Varietes. Dort trifft er auf die Garderobiere Marie.
Im zweiten Teil geht es um das Leben Maries und Heinrichs, Marie, die aus sehr einfachen Verhältnisse stammt, wird von Anna nicht empfangen, nicht als Schwiegertochter anerkannt. Um Heinrichs Spielsucht in den Griff zu bekommen wird er zu Geschäftsfreunden nach New York geschickt. Er träumt immer von einer Rückkehr nach Berlin und als dann der erste Weltkrieg ausbricht, kehrt er als Soldat zurück. Eine Rückkehr in die USA bleibt ihm danach verwehrt.
Hoch interessant erzählt Constanze Neumann ihre eigene Familiengeschichte, Lücken in den Aufzeichnungen ihrer Vorfahren wird durch literarische Freiheit ergänzt. Gute 100 Jahre umfasst die Handlung, vom Aufstieg der Kaufmannsfamilie bis zu der Judenverfolgung. Besonders die Lebensgeschichte Maries hat mich stark gefesselt.

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Veröffentlicht am 13.08.2021

Tennislegende

Julius oder die Schönheit des Spiels
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Julius wächst wohlbehütet und wohlhabend in einer weltoffenen adligen Familie in einer Burg am Rhein auf. Nachdem für die Familie ein Tennisplatz angelegt wurde hält sich Julius nur noch dort auf. Er spielt ...

Julius wächst wohlbehütet und wohlhabend in einer weltoffenen adligen Familie in einer Burg am Rhein auf. Nachdem für die Familie ein Tennisplatz angelegt wurde hält sich Julius nur noch dort auf. Er spielt in jeder freien Minute und verbessert sich schnell. Er gewinnt Preise und namhafte Experten werden auf ihn aufmerksam. Nach Abschluss des Abiturs geht es für ihn nach Berlin. Das Leben dort ist freier als im Rheinland, die goldenen 20er Jahre, die ausgelassenen Feiern, bestimmen das Leben. Doch es ändert sich schnell, immer mehr Braunhemde stören das friedliche Leben. Julius, der attraktive, groß gewachsene blonde Sportler aus gutem Hause wird zum Aushängeschild der Nazis. Er soll siegen und Deutschland erstrahlen lassen.
Die Geschichte Julius ähnelt in vielem die Gottfried vom Cramms, die Jugendjahre sind eine freie Auslegung, im Erwachsenenalter ein wenig näher an der Realität. Ausgangspunkt des Romans ist das Daviscupspiel zwischen Gottfried von Cramm und dem Amerikaner Don Budge, das als Legendär in die Geschichte des Tennissports eingegangen ist. Als alter Mann nimmt und der Amerikaner mit in das Leben des Tennisspielers und wir erleben die Zeit zwischen den Weltkriegen genauso wie den damals elitären weißen Sport. Viele Persönlichkeiten dieser Zeit, die auch wirklich Kontakt mit von Cramm hatten, werden in diesem Roman neben dem Tennisspieler Julius eingebunden. Insgesamt eine spannende Geschichte, der zweite Teil über den erwachsenen Julius, der von Cramm stärker ähnelt, ist für mich der interessantere Teil.

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Veröffentlicht am 13.08.2021

Rahels Seelenleben

Der Brand
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Nach der langen Lockdownzeit haben sich Peter und Rahel auf ihren Urlaub in den Bergen gefreut. Als sie die Nachricht erhalten, ihr Ferienhaus ist einem Brand zum Opfer gefallen kommt das Angebot, den ...

Nach der langen Lockdownzeit haben sich Peter und Rahel auf ihren Urlaub in den Bergen gefreut. Als sie die Nachricht erhalten, ihr Ferienhaus ist einem Brand zum Opfer gefallen kommt das Angebot, den Hof von Ruth und Viktor zu beaufsichtigen, genau richtig. Jetzt geht es also von Dresden in die Uckermark auf den einsam gelegenen Hof. Hier können sie die Beiden nach über 30 Jahren Ehe mit ihrer Zukunft auseinandersetzen. Peter, der Literaturprofessor, ist zunehmend mit seinen Studenten und seiner Lehrtätigkeit unzufrieden und findet kein Gehör bei Rahel. Sie ist Psychologin und hat gerade in der Coronazeit sehr viele Patienten. Irgendwann haben sie sich auseinandergelebt, gehen nicht mehr im gleichen Takt. Rahel möchte in diesen 3 Wochen Klärung erhalten. Ihre Probleme werden zurückgestellt, als ihre Tochter Selma mit ihren beiden kleinen Jungen bei ihnen auftaucht und erklärt, sie möchte sich von ihrem Ehemann trennen. Auch Rahels Vergangenheit, die Suche nach ihrem Vater, beschäftigen sie. Ist es vielleicht Viktor? Dieser hatte einen Schlaganfall und ihre mütterliche Freundin Ruth ist zu ihrem Mann in die Reha gefahren. Seine Zukunft als Künstler ist nach dem Schlaganfall vorbei und sein Lebensmut sinkt.
Aus Rahels Sicht erleben wir ihre Wünsche und Träume an das Leben nach der Kindererziehung. Was erhofft sie sich von ihrer Ehe, wie soll ihr Leben weitergehen. Schriftstellerisch sehr gut geschrieben, vieles von dem Angesprochenen haben wohl die Meisten in der Mitte des Lebens selbst erlebt und für sich selbst Lösungswege gefunden.

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