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Venatrix

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Veröffentlicht am 31.10.2020

Chronik eines Skandals

»Komteß Mizzi«
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Im Mai 1908 wird die Leiche der knapp zwanzigjährigen Marie Veith aus dem Donaukanal geborgen. Die junge Frau, die als Comtesse Mizzi, bekannt ist, hat ihrem Leben selbst ein Ende gesetzt. Kurz zuvor ist ...

Im Mai 1908 wird die Leiche der knapp zwanzigjährigen Marie Veith aus dem Donaukanal geborgen. Die junge Frau, die als Comtesse Mizzi, bekannt ist, hat ihrem Leben selbst ein Ende gesetzt. Kurz zuvor ist sie gemeinsam mit ihrem Vater, dem selbst ernannten „römischen Grafen“ wegen Prostitution angezeigt worden.

Dieses Buch rollt an Hand Maries Tagebuch, diverser Briefe, Kassabücher und Gerichtsprotokollen genau auf, wie sie von ihrem Vater, dem angeblichen Grafen Marcell Veith seit ihrem vierzehnten Lebensjahr „vermögenden Männern“ zugeführt worden ist.

Wir Leser können die Chronik dieses Prozesses rund um die Tragödie der Marie Veith hier nachlesen. Die vielen im Original wiedergegebenen Aussagen der angeklagten Eltern, die ihre Tochter als Geheimprostituierte arbeiten haben lassen, zeigen ein ziemlich verkommenes Sittenbild der Zeit. Das Wien um 1900 ist eine 2-Millionen-Stadt, in der die Kluft zwischen arm und reich kaum überbrückbar scheint. Zahlreiche Frauen und Mädchen müssen ihren Körper verkaufen, um das Nötigste zum Leben zu erhalten. Umso verwerflicher ist, dass Marcell Veith, der zu faul ist zu arbeiten, seine minderjährige Stieftochter zur Prostitution zwingt. Veith hat nicht mit dem penibel geführten Kassabuch seiner Tochter gerechnet, die nicht nur die Einnahmen (Geldgeschenke diverser Männer aus der besseren Gesellschaft Wiens) sondern auch die Ausgaben aufgelistet hat. Diese Ausgaben umfassen auch persönliche Dinge, die ausschließlich Marcell Veith dienen, wie Wäsche, Schuhe oder Anzüge. Es gilt als erwiesen, dass Marie den Lebensunterhalt der gesamten Familie bestritten hat.

Der Autor Walter Schüberl hat sich durch Tausende Seiten Gerichtsakten gewühlt und einen komplexen Prozess minutiös wiedergegeben. Der Prozess nimmt eine nicht ganz unerwartete Wendung, als bekannt wird, dass auch hochrangige Mitglieder der Wiener Society sowie der Polizei in den Skandal verstrickt sind. Maries Mutter wird, nachdem sie die Unwissende gespielt hat, freigesprochen. Der Vater zu einer Haftstrafe verurteilt. Nach der Verbüßung seiner Strafe veröffentlicht er die Namen von mehr als 200 „Cavalieren“, von denen seine Tochter Geldgeschenke erhalten hat, in einem Krawallblatt.

Fazit:

Ein penibel recherchiertes Buch über einen Skandal, der 1908 Tagesgespräch in Wien war. Gerne gebe ich hier, obwohl das Buch durch die kleine Schrift schwer zu lesen ist, 5 Sterne.

Veröffentlicht am 26.10.2020

Eine Spurensuche

Onkel Ottos Papiertheater
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Brigid Graumann begibt sich auf Spurensuche und erzählt in diesem Buch die Geschichte ihrer jüdischen Vorfahren, die 1860 aus dem tschechischen Lomnice in die Kaiserstadt Wien gezogen sind, um dort ihr ...

Brigid Graumann begibt sich auf Spurensuche und erzählt in diesem Buch die Geschichte ihrer jüdischen Vorfahren, die 1860 aus dem tschechischen Lomnice in die Kaiserstadt Wien gezogen sind, um dort ihr Glück zu suchen. Die beiden Familien Flatter und Graumann waren Durchschnittsfamilien, weder reich noch ganz arm. Aber mit Fleiß und Durchhaltevermögen haben sie ihr Auskommen gefunden. Es gibt Handwerker und Künstler in der verzweigen Familie.

Sie lernten in Wien den Segen des Sozialistischen Wien mit seinen Kinderfreibädern und Gemeindebauten kennen. Sie fühlten sich den Sozialisten näher als der jüdischen Gemeinde. Einige Familienmitglieder waren atheistisch. Erst die Nazis haben sie zu Juden gemacht.

Einem Teil der Familie gelang die Flucht aus Wien, andere wiederum wurden in den diversen Konzentrationslagern ermordet.

Heute sind die Familienmitglieder über die ganze Welt verstreut. Ein Schicksal, das sie mit vielen jüdischen Familien teilen.

Meine Meinung:

Diese außergewöhnliche Familiengeschichte basiert auf zahlreichen Tagebüchern verschiedener Familienmitglieder. Daher gibt es divergierende Ansichten zu ein und demselben Ereignis.

Das Buch ist nicht ganz einfach, zu lesen, da die Autorin immer wieder zwischen den Personen und den Jahren hin und her springt. Hier den Überblick zu wahren, erfordert ein wenig Konzentration.

Wie ein roter Faden schlängelt sich das titelgebende „Papiertheater“ von Otto Flatter durch das Buch. Teile des selbst gebastelten Papiertheaters haben die Wirren der Flucht nahezu unbeschadet überstanden. Die Autorin berichtet, wie sie es das erste Mal gesehen hat und ein wenig enttäuscht war. Die Erzählungen der Familie haben sie etwas Pompöses erwarten lassen.

Gut gefallen hat mir die sehr persönliche Darstellung der Familien Flatter und Graumann, die durch zahlreiche private Fotos und Erinnerungen ergänzt wird. Am Ende findet sich das Personenverzeichnis mit ganz kurzen Lebensläufen („Was wurde aus ...“) sowie eine schematische Darstellung des Stammbaums der Autorin.

Das Buch ist als Hardcover mit Lesebändchen und abgerundeten Ecken im Verlag Konturen erschienen. Das Cover ziert eine Szene aus „Onkel Ottos Papiertheater“, sodass sich der Leser ein Bild davon machen kann.

Fazit:

Eine interessante Familiensaga, der ich gerne 4 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 26.10.2020

Wimmer ermittelt wieder

Hopfenbitter
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"Hopfenbitter" ist der fünfte Band der Krimireihe rund um Ludwig Wimmer, dem Metzgermeister im (Un)Ruhestand.

Wie schon in den Vorgängern kann es Ludwig Wimmer nicht lassen, seine neugierige Nase in ...

"Hopfenbitter" ist der fünfte Band der Krimireihe rund um Ludwig Wimmer, dem Metzgermeister im (Un)Ruhestand.

Wie schon in den Vorgängern kann es Ludwig Wimmer nicht lassen, seine neugierige Nase in anderer Leute Angelegenheiten zu stecken. Sein Ruf als Hobby-Detektiv hat diesmal Dirk Biss, einen echten Berufskollegen in München erreicht, der ihm doch glatt einen Auftrag zukommen lässt. Einen Hopfenhof in Holledau und Umgebung soll Wimmer finden. Die Suche gestaltet sich ein wenig schwierig, denn es gibt nur ein vergilbtes, grobkörniges Schwarz/weiß-Foto.

Doch damit beginnen die Schwierigkeiten erst so richtig, denn Dirk Biss wird erschossen. Kurzfristig wird auch Ludwig Wimmer verdächtigt, doch hat er glücklicherweise ein Alibi.

Man sollte meinen, dass dies dem umtriebigen Pensionisten eine Lehre sein würde, doch weit gefehlt. Wer den Autor und seine Protagonisten kennt, wird wissen, dass das Ludwig erst so richtig anspornt, seine eigenen Ermittlungen anzustellen. Diesmal wieder unter Zuhilfenahme der IT-Kenntnisse seiner Enkelin Anna ...

Meine Meinung:

Dieser Krimi enthält mehrere Handlungsstränge, die sich zu guter Letzt zu einem dicken Zopf verknüpfen lassen.

Wir machen einen Ausflug in die Nachkriegsjahre, in denen uneheliche Kinder für die meist jungen Mütter eine Schande bedeuten und die damals von ihrer Herkunftsfamilie verstoßen wurden. Wir erhalten Einblick in die tragische Familiengeschichte der Franziska Wollner und ihres Sohnes Werner.

Nebenbei erfährt der interessierte Leser einiges über den Hopfenanbau. Die meisten von uns haben sich ja bislang wenig Gedanken über diesen Hauptbestandteil des Bieres gemacht. Alexander Bálly gelingt es sehr gut, diese Informationen den Lesern unterschwellig zu vermitteln. Selbst die Erklärungen zu den Fachausdrücken der Vermehrung bei Pflanzen sind in Dialoge verpackt und so merkt der Leser gar nicht, dass er neues Wissen erwirbt. Das gefällt mir!

Das für einen Regio-Krimi aus Oberbayern nötige Lokalkolorit wird natürlich auch mitgeliefert. Schmunzeln musste ich über das Gespräch, das Ludwig mit Frau Rother-Sill, der Bio-Tante, die mit missionarischem Eifer, alle zu Veganern bzw. mindestens zu Vegetariern machen will, führt.

Fazit:

Eine gelungene Fortsetzung dieser Krimireihe, der ich gerne 5 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 26.10.2020

Teuflische Hochspannung

Der Teufel vom Brocken
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Ich gebe zu, dass ich von dem Cover völlig hingerissen bin. Es strahlt Kälte, Geheimnisse und Unnahbarkeit aus. Als Österreicherin kenne ich mich mit der Geschichte des Brockens als Grenzbastion nicht ...

Ich gebe zu, dass ich von dem Cover völlig hingerissen bin. Es strahlt Kälte, Geheimnisse und Unnahbarkeit aus. Als Österreicherin kenne ich mich mit der Geschichte des Brockens als Grenzbastion nicht wirklich aus. Der Berg ist mir nur aus der Literatur bekannt. Immerhin hat Johann Wolfgang von Goethe den Harz bereist und den Brocken erklommen und (seine) Hexen tanzen in der Walpurgisnacht dort.

Doch zurück zum Buch:

Die Autorin nimmt die Leser mit in eine heute unwirklich erscheinende Welt.

In der Nacht nach der als „Befreiung des Brockens“ bekannten Aktion westdeutscher Gruppierungen verschwinden neun Studenten. Einige werden wenig später grausam ermordet aufgefunden, andere erst Wochen danach.

Ein Team aus ost- und westdeutschen Ermittlern beginnt den mysteriösen Fall zu untersuchen. Die Teammitglieder beäugen einander scheel, sind sie doch mit zahlreichen Vorurteilen behaftet. Unterschiedliche Welten prallen aufeinander und doch gibt es ein gemeinsames Ziel: die Aufklärung des Verbrechens, dem neun junge Menschen zum Opfer gefallen sind.

Der Krimi ist actionreich und mir ist es mehrmals kalt über den Rücken hinunter gelaufen, wenn ich mit Tomas Düvel, dem Magdeburger Kommissar, die Leichen in Augenschein genommen habe.

Der Autorin ist es sehr gut gelungen, diese Unterschiede darzustellen. Allein die Beschreibung des Hotels „Heinrich Heine“, das nur ursprünglich nur für verdiente Parteikader zugänglich war, finde ich spannend. Die Charaktere sind sehr gut angelegt. Jeder hat so sein eigenes Schicksalspäckchen zu tragen und hat so seine Geheimnisse.

Einzig die Wahl der Vornamen der westdeutschen Ermittler Desiderius Maus und Cassandra von Lucadou finde ich ein wenig zu ungewöhnlich. Wer bitte nennt sein Kind Desiderius, noch dazu in Kombination mit dem Nachnamen Maus? Und schwul ist er auch - das ist mir persönlich ein bisschen zu dick aufgetragen. Allerdings ändert es nichts an den gelungenen Personenbeschreibungen, die die einzelnen Ermittler charakterisieren.

Der Schreibstil ist packend und mitreißend. Ich konnte das Buch nicht aus der Hand legen und habe ich in einem Zug gelesen. Eva-Maria Silber kombiniert die für die Ermittler oft frustrierende Kleinarbeit mit humorvollen Dialogen. Die Leser erfahren, wie manches in der DDR so funktioniert (oder eben nicht) hat. Die Stimmung, die anfangs von gegenseitigem Unverständnis geprägt ist, schlägt um und die Ermittler ordnen alles dem gemeinsamen Ziel, die Morde aufzuklären, unter.

Mein Verdacht, der auch nur einem Vorurteil entsprungen ist, hat sich bestätigt. Doch bis es zur Auflösung kommt, gibt es noch zahlreiche erwartete und unerwartete Wendungen.

Der fiese Cliffhanger auf der letzten Seite lässt hoffen, dass das Team aus Ost und West neuerlich in einem brisanten Fall ermitteln darf.

Fazit:

Wer gerne Krimis mir Hochspannung liest, die sich aus den beiden Deutschlands ergibt, ist hier richtig. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 25.10.2020

Eine gelungene Fortsetzung dieser ruhigen Krimi-Reihe

Mord im Auwald
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Zum fünften Mal darf Ernestine Kirsch, pensionierte Lateinlehrerin aus Wien, ihre neugierige Nase in die Angelegenheiten anderer stecken.

Die Hitze des Augusts im Jahr 1924 liegt schwer über der Stadt ...

Zum fünften Mal darf Ernestine Kirsch, pensionierte Lateinlehrerin aus Wien, ihre neugierige Nase in die Angelegenheiten anderer stecken.

Die Hitze des Augusts im Jahr 1924 liegt schwer über der Stadt Wien und deshalb nimmt Anton Böck das Angebot seines Freundes Simon Goldblatt, für einige Wochen in dessen Badehütte im Strombad von Kritzendorf zu ziehen, nach anfänglichem Zaudern doch gerne an. Kritzendorf ist ein kleiner Ort wenige Kilometer von Wien entfernt und leicht mit der Franz-Josefs-Bahn zu erreichen. Hier tummeln sich nicht nur „reich und schön“, sondern auch zahlreiche Künstler, die auf Inspiration und Kunden warten.

Mit von der Partie ist natürlich neben Anton auch Ernestine sowie Rosa, Antons Enkelin und Minna, ein Cocker-Spaniel. Die kommunikative Ernestine erfährt recht bald einiges über die Bewohner der Badehäuser, die manchmal kleinen Villen ähneln. Als dann ein Künstler tot aufgefunden wird, entlockt Ernestine nicht nur Erich Felsberg, dem Freund von Heide, Rosas Mutter und Kriminalbeamten, ein paar Details, sondern schnappt auch Tratsch und Klatsch aus dem Strombad auf. Mit der ihr eigenen Kombinationsgabe zeichnet sich bald ein Bild des Verbrechens ab, das nicht nur den einen Toten zu beklagen hat.

Meine Meinung:

In ihrem fünften Krimi rund um Ernestine Kirsch bleibt Autorin Beate Maly bei ihrem bewährten Konzept und der eingespielten Truppe. Neben Ernestine treten wieder Anton Böck, seine Tochter Heide, Enkelin Rosa und der nette Kriminalbeamte Erich Felsberg auf. Das ist sehr angenehm, weil man sich sofort wieder zu Hause fühlt und daneben die Entwicklung der Figuren verfolgen kann. So duzen sich Ernestine und Anton erst seit dem letzten Band. Beide hoffen auf weitere Annäherung, sind aber fast zu schüchtern, das in Angriff zu nehmen. Heide und Erich Felsberg sind da schon einen Schritt weiter. Heides Ehemann Max ist, wie so viele nicht aus dem Großen Krieg (wie man der Ersten Weltkrieg damals bezeichnete) zurückgekehrt. Er gilt nach wie vor als vermisst und die Hoffnung auf ein Wiedersehen ist verschwindend gering. Wird Erich die entscheidende Frage stellen und wie wird Heides Antwort ausfallen?

Die eigentliche Mordermittlung ist wenig spektakulär, was jetzt grundsätzlich nichts Abwegiges ist, den Polizeiarbeit ist ja in Wirklichkeit auch eher das Sammeln von Zahlen, Daten und Fakten. Sehr geschickt baut Beate Maly geschichtlich interessante Details in den Krimi ein. So erfährt der geneigte Leser, dass Wien erst seit November 1920 ein eigens Bundesland ist. Daraus ergeben sich Probleme bei der Zuständigkeit der Kriminalpolizei, die durch die urlaubsbedingte Abwesenheit einige Beamter, noch zusätzlich erschwert wird. Doch Glück für uns, denn so darf der Wiener Kriminalbeamte Erich Felsberg im niederösterreichischen Kritzendorf ermitteln.

Sehr gut hat mir der Sidestep, auf Frauen als Kunstschaffende gefallen. Wie die Autorin im Nachwort erklärt, gab es zwischen 1900 und 1938 zahlreiche Künstlerinnen, die ihren männlichen Kollegen um nichts nachstanden, aber nicht ernst genommen wurden. Die Ausstellung „Stadt der Frauen“, die im Wiener Museum „Belvedere“ von 25. Jänner - 19. Mai 2019 gezeigt wurde, erinnert an die Schaffenskraft der Künstlerinnen, die im und nach dem Zweiten Weltkrieg in Vergessenheit geraten sind. Passend dazu hat der Emons-Verlag wieder das Cover mit Elementen aus dem Jugendstil entworfen. Die Hochblüte des Art Deco ist zwar 1924 schon vorüber, aber das Cover hat einen hohen Wiedererkennungswert.

Wer einen ruhigen Krimi mit Lokalkolorit sucht, ist hier richtig. Reißerische Spannung und wilde Verfolgungsjagden finden sich hier nicht.

Wer mehr über den Schauplatz, das Strombad Kritzendorf, wissen möchte, dem empfehle ich das Buch „Die Riviera an der Donau - 100 Jahre Strombad Kritzendorf“ von Lisa Fischer.

Fazit:

Eine gelungene Fortsetzung rund um Ernestine Kirsch, der ich gerne 5 Sterne gebe.