Platzhalter für Profilbild

Venatrix

Lesejury Star
offline

Venatrix ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Venatrix über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.11.2019

Fesselnd bis zur letzten Seite

Winteraustern
0

Dies ist der 3. Fall für Luc Verlain und spielt, wie schon der Titel andeutet, im Winter.

Es ist kurz vor Weihnachten und die Austernfischer haben Hochsaison. Lucs Vater Alain hat nur mehr wenige Monate ...

Dies ist der 3. Fall für Luc Verlain und spielt, wie schon der Titel andeutet, im Winter.

Es ist kurz vor Weihnachten und die Austernfischer haben Hochsaison. Lucs Vater Alain hat nur mehr wenige Monate zu leben und deshalb fahren die beiden nochmals zu den Austernbänken hinaus. Doch was als gemütliche Bootsfahrt mit den KOllegen von der Gendarmerie geplant war, endet in einem Polizeieinsatz. Pierre Lacasse, einer der Austernfischer wird verletzt auf eine Sandbank, kurz vor dem Ertrinken gerettet. Für Vincent Pujol und François Labadie, beides Söhne von Austernzüchtern, kommt jede Hilfe zu spät: Sie werden an Austernpfählen angebunden, tot, aufgefunden.

Hat hier jemand versucht, die häufigen Diebstähle der kostbaren Meeresfrüchte in Eigenregie zu beenden?

Luc und sein Team ermitteln in der Austernzüchterszene und bald liegt der Fokus auf Monsieur Chevalier, dem Platzhirschen, der einen kleinen Austernfischer nach dem anderen aufkauft, um sein Imperium zu vergrößern.

Meine Meinung:

Das Winterszenario ist höchst ungewöhnlich. Denn mit dem Aquitaine verbindet man eher den Sommer an der wilden Atlantikküste.
Doch auch der Winter hat hier so seinen Reiz - seltener Schneefall lässt die Tragödie, die die Familien der Toten ein wenig gedämpfter erscheinen.

Wie immer steht Anouk an Lucs Seite. Doch diesmal steht eine entscheidende Veränderung ins Haus: Soll Anouk für einen Karrieresprung nach Paris gehen? Jenes Paris, dem Luc vor wenigen Monaten den Rücken gekehrt hat? Laut, gewalttätig und dennoch imposant.

Der Schreibstil ist wie immer lebhaft und lässt (vor allem) die Kälte des Atlantiks deutlich spürbar werden. Ich hätte beim Lesen Lust auf einen Schluck aus Alain Verlains Flachmann bekommen.
Auch diesmal finden sich sozialkritische Untertöne. Vor allem dann, wenn der Unterschied zwischen den benachbarten Bezirken in Paris beschrieben werden. Hier die prunkvollen Villen der Reichen, dort die Banlieus der Zuwanderer, denen die Stadtverwaltung nicht einmal eine funktionierende Straßenbeleuchtung gönnt.

Wieder mit im sprichwörtlichen Boot ist Commissaire Exteberria, der nach dem Bauchschuss aus dem vorherigen Fall nun wieder genesen seinen Dienst versieht. Hier muss ich gleich anmerken, dass die Geschichte rund um das dienstliche Verhältnis Exteberria und Verlain gleich mehrmals erwähnt wird. Also, die Wiederholungen sich der Autor sparen können. Vor allem nach der Aussprache der beiden, die mir übrigens sehr gut gefallen hat. Diese und noch eine weitere Wiederholung (die Krebserkrankung von Alain und Lucs Rückkehr ins Aquitaine) kosten diesmal den 5. Stern. Wir Leser können uns derlei Dinge ganz gut merken.

Der Brief, den Luc auf den letzte Seiten erhält, zeigt deutlich, dass wir uns auf einen neuen Fall freuen dürfen.

Fazit:

Ein fesselnder Fall, der mit einem doch überraschenden Ende aufwartet. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 31.10.2019

Fesselnd bis zur letzten Seite

Rote Ikone
0

Dies ist der 6. Fall für den finnisch-stämmigen Inspektor Pekkala, der 1914 als Vertrauter des letzten Zaren Nikolaus II. für heikle Aufgaben abgestellt wird. Im Sommer 1914 ist es wieder einmal soweit: ...

Dies ist der 6. Fall für den finnisch-stämmigen Inspektor Pekkala, der 1914 als Vertrauter des letzten Zaren Nikolaus II. für heikle Aufgaben abgestellt wird. Im Sommer 1914 ist es wieder einmal soweit: Es geht um die geheimnisvolle Ikone „Der Hirte“, der für die beinahe fanatisch religiösen Russen, eine große Rolle spielt.

Doch der Einstieg in das Buch beginnt im Jahre 1942 als sich die russische und deutsche Armee an der Westgrenze der UdSSR gegenüber stehen: Hauptmann Proskurjakow und sein Fahrer Owtschinikow entdecken in einer zerstörten Kapelle die Ikone.
In weiterer Folge begegnen wir Josef Stalin, dem die Symbolkraft der Ikone bewusst ist. Nun wird Inspektor Pekkala vom „Büro Besondere Ermittlungen“ mit einem heiklen Auftrag betraut....

Meine Meinung:

Dies ist mein erster Krimi rund um den charismatischen Inspektor Pekkala. Derzeit fehlen mir noch ein paar Informationen, die durch die kurzen Rückblicke den Werdegang Pekkalas nicht restlos erklären.

Der Krimi besteht aus mehreren Handlungssträngen, die durch die Ikone zusammengehalten werden. Aufgrund verschiedener Zeitsprünge finden wir uns einerseits am Zarenhof wieder, erleben das Attentat auf Franz Ferdinand quasi live mit, lernen die wolgadeutsche Familie Kohl kennen und befinden uns im stalinistischen Russland der 1940er Jahre wieder. Der plötzliche Schwenk in das Führerhauptquartier beschert den Lesern ein Wiedersehen mit einem Mitglied der Familie Kohl, das an einer furchtbaren Waffe arbeitet.

Dieses Hin- und Hergleiten zwischen den Zeiten fordert den Lesern erhöhte Aufmerksamkeit ab, die durch den fesselnden Schreibstil wettgemacht wird. Es ist kaum möglich, das Buch aus der Hand zu legen. Kaum glaubt man, die Geschichte der Ikone hätte ein Ende, so ergibt sich eine neue Wendung, die das Katz‘-und-Maus-Spiel weitergehen lässt.

Der scheinbar alterslose Pekkala bewegt sich wie James Bond durch jede Gefahr. Selbst die Lagerhaft und zahlreiche Verletzungen können ihm nichts anhaben.
Um ihn näher kennenzulernen, muss man wirklich bei Band 1 (Roter Zar) beginnen.

Gut gefällt mir, dass es hier jede Menge unterschwelligen Geschichtsunterricht gibt. Mir persönlich hat eine Landkarte zur Orientierung gefehlt. Denn Russland ist groß (und der Zar weit). Möglicherweise ist die im gedruckten Buch ohnehin vorhanden.

Fazit:

Ein weiteres fesselndes Abenteuer mit Inspektor Pekkala, das durch viele historische Details besticht. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 30.10.2019

Der Beginn der Bodenstein/Kirchhoffe-Reihe

Eine unbeliebte Frau (Ein Bodenstein-Kirchhoff-Krimi 1)
0

Es ist Sonntagmorgen und KHK Oliver von Bodenstein will seine Frau Cosima zum Flughafen bringen, als ihn der Anruf seiner Kollegin Pia Kirchhoff erreicht. Es gäbe einen Toten. An sich kein Ereignis, dass ...

Es ist Sonntagmorgen und KHK Oliver von Bodenstein will seine Frau Cosima zum Flughafen bringen, als ihn der Anruf seiner Kollegin Pia Kirchhoff erreicht. Es gäbe einen Toten. An sich kein Ereignis, dass Bodenstein aus seinem freien Tag holen sollte. Doch blöderweise ist der Tote ein bekannter Oberstaatsanwalt, der sich mit seinem Jagdgewehr erschossen hat.
Wenig später müssen die beiden zu einer zweiten Leiche, die vorerst ebenfalls als Selbstmord deklariert wird, denn die Tote, Isabell Kerstner, liegt am Fuße eines Aussichtsturms. Recht schnell ist klar, dass die Frau ermordet wurde.

Die Ermittlungen führen Bodenstein und Kirchhoff einerseits zur Tierklinik von Isabells Mann und andererseits zu dem versnobten Reiterhof Gut Waldhof. Die Liste der Tatverdächtigen wird immer länger als herauskommt, dass Isabell Kerstner ein intrigantes Luder war und unzählige Männerbekanntschaften hatte.

Die Suche nach dem Täter gleicht der Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen. Kaum glauben die Ermittler eine heiße Spur zu haben, erkaltet diese recht bald. Nach mehreren Sckgassen und dramatischen Wendungen können nicht nur Motive für den Selbstmord des Oberstaatsanwalts und den Mord an Kerstner sondern auch damit verbundene Verbrechen aufgeklärt werden.

Meine Meinung:

Diese Neuauflage von Nele Neuhaus‘ erstem Bodenstein/Kirchhoff-Krimi ist für mich der erste dieser Reihe. Bislang habe ich vor den gehypten Krimis der Autorin ferne gehalten. Warum? Weiß ich selbst nicht.

Grundsätzlich finde ich den Krimi recht gut. Mir persönlich sind nur die zusätzlichen Verbrechen wie Erpressung, Entführung, Menschenhandel, Betrug und Geldwäsche wenig zu dick aufgetragen. Vor allem der Jahre zurück liegende Doppelmord an den Eltern von Marianne Jagoda, passt zwar gut zu der verbrecherischen Clique, erscheint mir aber dennoch ein wenig too much. Mit dieser Anhäufung von kriminellen Handlungen ließe sich mindestens ein, wenn nicht zwei Krimis schreiben. Da wäre weniger mehr gewesen. Allerdings, wie sagte schon im antiken Rom: Crimen criminem invocat! (Ein Verbrechen zieht das andere nach sich!)

Der Schreibstil ist fesselnd. Die Charaktere sind gut ausgearbeitet. Da der Krimi in einer eher ländlichen Gegend spielt, kennen sich die meisten Personen mehr oder weniger. Dass Oliver von Bodenstein seiner Jugendliebe Inka wieder begegnet, könnte für Konfliktstoff für den einen oder anderen zukünftigen Krimi bergen.

Die Anzahl der handelnden Personen ist unüblich groß. Hier könnten manche Leser den Überblick verlieren.

Fazit:

Ein durchaus fesselnder Krimi, der allerdings durch die oben beschriebene große Anzahl von kriminellen Machenschaften, einiges an Glaubwürdigkeit einbüßt. Daher nur 3 Sterne.

Veröffentlicht am 30.10.2019

Ein Sammelsurium krauser Textaufgaben

"Legen 5 Soldaten in 2 Stunden 300 Quadratmeter Stolperdraht …"
0

Dieses Buch richtet sich an Eltern, Kinder oder auch Lehrer, die beim Lesen von manchen aktuellen Textaufgaben an ihrem Verstand zweifeln. Liegt es wirklich daran, dass die Kids heute nicht mehr Sinn erfassend ...

Dieses Buch richtet sich an Eltern, Kinder oder auch Lehrer, die beim Lesen von manchen aktuellen Textaufgaben an ihrem Verstand zweifeln. Liegt es wirklich daran, dass die Kids heute nicht mehr Sinn erfassend lesen können? Oder sind die Aufgaben verhaltensoriginell erstellt? Früher, so hört man manchmal Eltern oder Großeltern sagen, hat man Textaufgaben verstanden und flott gelöst. Aber stimmt das wirklich?

Mathematik- und Geschichtelehrer Bernhard Neff hat skurrile Textaufgaben von 1890 bis zur Gegenwart zusammengetragen und in dieses Buch gepackt.

Manche Beispiele sind so kurios, dass man sich ernsthaft fragen muss, was sich der Ersteller dabei gedacht hat.

Schon beim Titel habe ich mich gefragt, wieso wird Stolperdraht in Quadratmetern gemessen? Ich selbst habe das Bild von großen Kabelrollen im Kopf, die Meter für Meter abgerollt werden. Sollte aber der Stolperdraht im Raster (also hoch und quer) verlegt werden, so stolpern die verlegenden Soldaten selbst. Ob das gewollt ist? Zu meiner Entschuldigung muss ich sagen, dass ich als Frau nicht im Bundesheer „gedient“ habe und hier nicht mitreden darf.

Meine Favoriten sind:

Passend zu Beethovens 250. Geburtstag im Jahr 2020:
„Beethoven hat 9 Sinfonien geschrieben. Ein Orchester spielt die 5. Sinfonie in 35 Minuten. Wie lange benötigt das gleiche Orchester für die 8.?“

Die Geografie-Frage: (statistisch gesehen, scheitern die meisten Quizkandidaten an einer solchen):

„1980 betrug die Bevölkerung des afrikanischen Landes Kuwait ca. 1 Million Einwohner. Wie groß ist die Einwohnerzahl dieses Landes in den Jahren bis 1990, wenn die Bevölkerung angeblich um 10% jährlich wächst?“

Fazit:

Ein herrliches Sammelsurium an krausen Aufgaben vom Deutschen Kaiserreich bis zur Gegenwart. Dass seltsame Textaufgaben ausschließlich aus der Gegenwart stammen, ist hiermit widerlegt. Gerne gebe ich diesem Buch und seinem humorvollen Umgang mit den Tücken der Mathematik 5 Sterne.

Veröffentlicht am 30.10.2019

Eine unangepasste Familie

Wie ein roter Faden
0

In diesem Buch erzählt der französich-österreichische Autor die Geschichte von vier Generationen seiner jüdischen Familie. Die Familie Segal ist einst in der k. und. k. Monarchie durch Erdölfunde in Galizien ...

In diesem Buch erzählt der französich-österreichische Autor die Geschichte von vier Generationen seiner jüdischen Familie. Die Familie Segal ist einst in der k. und. k. Monarchie durch Erdölfunde in Galizien reich geworden. Galizien ist jenes Gebiet der ehemaligen Habsburger-Monarchie, aus dem tausende arme Juden um 1900 nach Wien ausgewandert sind. Während des Zweiten Weltkriegs heiß umkämpft und zerstört, ist das Gebiet heute zwischen Polen und der Ukraine aufgeteilt.

Der Bogen spannt sich von eben jener reichen Vorvätergeneration über die Familie, die bis zur Machtergreifung der Nazis in Wien lebte und rechtzeitig die Zeichen der Zeit erkannte, nach Frankreich bzw. England floh, der in den 1970er Jahren dem Kommunismus einiges abgewinnen konnten. Der Autor selbst, in Frankreich geboren und aufgewachsen lebt seit 15 Jahren in Wien.

Anhand von vielen Fotos und Abbildungen von Dokumenten zeichnet Jérôme Segal ein interessantes Bild seiner Familie. Er beschreibt seine Spurensuche, die ihn in das Österreichische Staatsarchiv führen, aber auch in das ehemalige Galizien.

Sehr spannend finde ich seine eigene Einstellung dem religiösen Judentum gegenüber. So lehnt er die rituelle Beschneidung der männlichen Säuglinge strikt ab. „Säuglinge nicht mit dem Messer willkommen heißen.“ Er sieht hierin eine Kindesmisshandlung. Jedes Kind hat ein Recht auf körperliche Unversehrtheit. Er eckt mit dieser Ansicht bei der IKG (Israelischen Kultusgemeinde) gehörig an. Man verweigert ihm vorerst die Aufnahme in die IKG. Erst als er durch Vermittlung einer Bekannten den Nachweis erbringen kann, dass er tatsächlich Jude ist, wird er aufgenommen.

Mit seiner unkonventionellen Auffassung zur Beschneidung tritt er in die Fußstapfen seiner Vorväter, die dem traditionellem Judentum ablehnend gegenüber standen, die in der Résistance Widerstand gegen die Nazis leisteten und sowie gegen soziale Ungerechtigkeiten nach dem Zweiten Weltkrieg kämpften.

Jérôme Segal engagiert sich gegen Rassismus und Nationalismus und für ein friedliches Zusammenleben. Er lebt mit seiner Familie in Paris und Wien. Der Autor setzt sich für die Volksgruppe der Roma ein. Beim Thema Roma sind mir Ungenauigkeiten bei den Bezeichnungen aufgefallen: Roma ist die Überbegriff der verschiedenen Gruppen, die der indoarischen Sprachgruppe angehören. Einzahl Rom (Männlich, Mehrzahl Roma) und Romni (weiblich, Merhzahl Romnija). Aber das ist Meckern auf höchstem Niveau.

Im selben Verlag, Edition Konturen, ist auch Jérôme Segals Buch „Judentum über die Religion hinaus“ erschienen, das ich mir auch besorgen möchte.

Fazit:

Eine aufschlussreiche Familiengeschichte, deren Abkehr von Traditionen sich „Wie ein roter Faden“ durch die Generationen zieht. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.