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Veröffentlicht am 11.12.2023

Eine düstere, spannende und magische Geschichte!

Damsel – Der Pfad des Feuers
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Auf "Damsel" von Evelyn Skye bin ich nur durch Zufall beim Stöbern durch das Verlagsprogramm des Heyne Verlags aufmerksam geworden. Der Klapptext, der feministische Game-of-Thrones-Vibes versprach und ...

Auf "Damsel" von Evelyn Skye bin ich nur durch Zufall beim Stöbern durch das Verlagsprogramm des Heyne Verlags aufmerksam geworden. Der Klapptext, der feministische Game-of-Thrones-Vibes versprach und ankündigte, bekannte Märchenklischees umzukehren, hat mich sofort angesprochen und als ich dann noch gesehen habe, dass es im Frühjahr 2024 einen Netflix Film zum Buch geben wird, war ich sofort neugierig. Fast 500 Seiten später bin ich total begeistert von dieser düsteren, spannenden und magischen Geschichte, die am 13. Dezember ihren Erscheinungstermin feiert!

Einen Teil des Appeals des Buches hat wohl auch von vornherein die tolle Gestaltung ausgemacht. Auf dem Cover zu sehen ist eine Illustration von unserer Hauptfigur Eloise, die in einem schwarzen mit Drachenschuppen besetzten Kleid, einer flammenden Tiara und einem glitzernden Messer aus Vulkangestein in der Hand kampfbereit uns LeserInnen anschaut. Um sie herum lodern rote und orangefarbene Flammen und in den lavendelgrauen rauchigen Schatten ist das teuflische Gesicht des Drachen zu erahnen. Toll ist auch, dass sich das Flammenmuster auch über die Buchseiten hinweg zieht und einen bunten dreiseitigen Farbschnitt bildet. Der Titel "Damsel" spielt auf das typische Märchenklischee der "Damsel in Distress", also der "Jungfrau in Nöten", an, die in Schwierigkeiten gerät und von ihrem Prinzen in glänzender Rüstung gerettet werden muss. Da die Geschichte vordergründig mit diesem Rollenklischee spielt, finde ich den Titel sehr gelungen. So ergibt sich für mich eine rundum passende Gestaltung, die den düsteren, kämpferischen und geheimnisvollen Vibe der Geschichte wunderbar einfängt.

Erster Satz: "Inophe war ein Ort, an dem die Uhren rückwärtszugehen schienen."

Wir lernen unsere Hauptfigur Elodie kennen, die aus einem verarmten Herzogtum kommt, in dem karge Wüstenlandschaften ihre Bewohner regelmäßig herausfordern und an den Rand des Hungertodes bringen. Ein Angebot von dem weit entfernten Königreich Aurea, den Prinzen zu heiraten und somit neuen Wohlstand in ihr Land zu bringen, klingt deshalb sehr verlockend, deshalb macht sie sich gemeinsam mit ihrem Vater, ihrer Stiefmutter und ihrer kleinen Schwester auf die beschwerliche Seereise ihrem Schicksal entgegen. Als der Prinz dann auch noch gutaussehend und charmant zu sein scheint, wähnt sich Elodie im Himmel. Doch wo ist der Haken an diesem Arrangement? Sie findet es heraus, als sie noch in ihrer Hochzeitsnacht einem Drachen geopfert wird, um einen uralten Blutpreis zu bezahlen. Doch was wenn die Prinzessin keine Lust hat, sich opfern zu lassen...?

Aus der Inhaltsangabe wird bereits deutlich, dass die Geschichte viele klassischen Märchentropes verwendet. Sei es die "böse Stiefmutter", die arrangierte Hochzeit mit dem "Prince Charming", das Opfer der "Damsel in Distress" an den Drachen oder das verfluchte Königreich - man erkennt viele Elemente sofort aus anderen Geschichten wieder. Bevor ihr allerdings anfangt, das Buch unoriginell zu schimpfen: Die Besonderheit an "Damsel" ist, dass all diese Tropes am Ende eine andere Wendung nehmen, als man es ursprünglich und nach dem Konsens der Klischees erwarten würde (Spoiler: Die Jungfrau in Nöten rettet sich selbst, der Prinz entpuppt sich als feige und unbrauchbar, die böse Stiefmutter liebt ihre neuen Töchter von Herzen und am Ende verschont die Hauptfigur den Drachen und geht mit ihm eine ganz besondere Verbindung ein...). Außerdem hat die Autorin viele moderne Elemente in ihr klassisches Märchen eingeflochten und schreibt von starken Frauenfiguren, Ungerechtigkeiten und weiblicher Solidarität.

"Seid vorsichtig, Mylady", sagte eine Dienerin und trat einen Schritt zurück, sodass Elodies Finger ins Leere griffen. "Anthodite sind hübsch, aber sehr scharf. Ihr müsst Euch vor Ihnen in Acht nehmen." Wie bei bestimmten Menschen, dachte Elodie und warf ihrer schönen, aber kratzbürstigen Stiefmutter einen flüchtigen Blick zu."


Abgesehen von dem Grundkonzept, das mir sehr gut gefallen hat und mal wieder zeigt, dass man aus bekannten Elementen eine neue, frische Geschichte erzählen kann, ist auch die Handlung und die Art der Erzählung großartig. Denn "Damsel" ist von der ersten bis zur letzten Seiten wahnsinnig spannend. Evelyn Skye erzählt ihre Geschichte temporeich, atmosphärisch dicht, aber ohne dass sie sich zu schnell oder überhetzt lesen würde. Ich habe die beinahe 500 Seiten an etwas mehr als eineinhalb Tagen verschlungen und konnte das Buch kaum aus der Hand legen, weil ich so in den Strudel an Ereignissen und Elodies Überlebenskampf in den dunklen Höhlen des Drachen hineingezogen wurde.

Im Vordergrund steht wie bereits gesagt Elodie, aus deren Sicht in der dritten Person erzählt wird. Es gibt allerdings auch immer wieder kurze Kapitel aus anderen Perspektiven wie beispielsweise ihre Schwester Floria, ihre Stiefmutter Lucinda, die Matrosin Alexandra, ihre Tochter Cora oder Königin Isabelle. Dadurch erhalten wir neben Elodies Erlebnissen im Mount Khaevis auch einen groben Überblick über die Geschehnisse im Palast. Zusätzlich gibt es kurze Abschnitte aus der Sicht der ersten geopferten Prinzessin - der vor 800 Jahren gestorbenen Victoria - und nachfolgenden Frauen, durch die wir nebenbei mehr über die Geschichte des Landes lernen und den Umfang des an den Prinzessinnen begangenen Verbrechens erfassen können.

"Nein!", brüllte Lizaveta. Annas Körper fing an zu zucken, und sie schloss die Augen. Dann bewegte sie sich nicht mehr. Und dann war da kein Geräusch mehr in der Eiszapfenhöhle bis auf das stete
Tropf
Tropf
Tropf."


Ich habe gesehen, dass viele LeserInnen trotzdem den Mangel an Worldbuilding beklagen, dem kann ich mich aber ausnahmsweise nicht anschließen. Zwar hätte man durchaus noch mehr über die Königreiche Aurea und Inophe und die Randfiguren erfahren können, aber da der Fokus hier auf Elodie und dem Drachen sowie deren Showdown im Mount Khaevis lag, hätten weitere Details über die Rückblicke und Perspektivwechsel hinaus die Geschichte nur ausgebremst und ihrer enormen Sogwirkung beraubt. Auch wenn ich grundsätzlich ein großer Fan von ausführlichem Worldbuilding bin, zeigte sich hier beispielsweise auch im nur leicht umrissenen Magiesystem, dass weniger manchmal auch mehr sein kann.

Positiv hervorheben möchte ich auch den flüssigen Schreibstil der Autorin, der in der Übersetzung sehr gut wirken kann. Durch die einzelnen Szenen und die Erzählperspektiven liest sich "Damsel" ein wenig wie ein Drehbuch - was Sinn ergibt, da das Buch parallel zum Drehbuch des Films entstanden ist. Das macht aber gar nichts - im Gegenteil: die eher szenische Erzählweise passt wunderbar zur Geschichte. Man muss allerdings etwas vorsichtig sein, wem man hier für was Credits gibt, da die Autorin die Geschichte auf Basis der Idee von Dan Mazeau geschrieben hat, der für das Drehbuch verantwortlich war. Das Buch ist gut umgesetzt und deutlich besser als typische "Bücher zum Film", viele Parameter der Geschichte waren aber wahrscheinlich bereits vorgegeben.

"Während sie die Tür hinter sich schloss, fragte sich Isabelle, wann Henry sich derart verändert hatte, wann er zu eine Version ihrer selbst erstarrt war. Äußerlich mit großer Strahlkraft, aber innerlich kalt wie Stein. Es reute sie, dass sie nicht bemerkt hatte, wie sich Aurea die letzten Reste der Seele ihres unschuldigen Jungen genommen hatte. Sie hätte ihn gerne zum Abschied geküsst."


Super ist, dass die Autorin, - beziehungsweise ihre dreizehnjährige Tochter, wie sie im Nachwort erklärt - eine eigene Drachensprache für das Buch erfunden hat. Diese ist recht einfach zu durchschauen und erinnert stark an andere romanische Sprachen wie Französisch oder Italienisch, sodass man einzelne Worte wie "merdú" oder "vorrai" sofort im Kopf für sich übersetzen kann. In einem ausführlichen Glossar mit Erklärungen zur Entstehung und Grammatik der Sprache, gibt die Autorin eine Übersicht über im Buch verwendete Vokabeln zum Nachlesen für alle, die daran interessiert sind. Man kann aber auch ohne immer nach hinten zu blättern gut der Geschichte folgen.

Zuletzt zum vierten Punkt, der mir an der Geschichte neben Grundidee, Pacing und Schreibstil sehr gut gefallen hat: die Figuren. Unsere Protagonistin Elodie ist keine klassische Fantasy-Heldin. Statt einer starken Überfliegerin, die auf jedes Problem sofort eine Lösung hat und glamourös in den Kampf zieht, lernen wir sie als ganz normale junge Frau kennen (zwar etwas schlagfertiger, körperlich fitter und aufgeweckter als der Durchschnitt - weil würde die Geschichte sonst Spaß machen?), die in eine unmögliche Lage gebracht wurde und so viel Angst hat, wie es wohl jeder in ihrer Situation haben würde. Sie hat Schwächen, Momente in denen sie kurz davor ist aufzugeben und überlebt die ersten Tage in der Drachenhöhle nur knapp und mit mehr Glück als Verstand. Sie blutet, sie leidet, sie weint und macht dennoch weiter, weil die einzige Alternative wäre zu sterben. Dadurch ist man ihr beim Lesen sehr nah, fühlt mir ihr, hofft für sie und hat gleichzeitig Angst, wie es am Ende für sie ausgehen wird. Mit ihrer anfänglichen Naivität und ihrer starken Loyalität und Opferbereitschaft gegenüber ihrem Königreich schien sie sich zunächst ein wenig im Prinzessinnen-Klischee zu verlieren, konnte dann aber genau diese Attribute zu ihren größten Stärken ummünzen, um nicht nur sich selbst und ihre Familie, sondern auch ein fremdes Königreich zu retten, das sie ursprünglich verdammt haben. Damit ist das Klischee der "Damsel in Distress" wohl endgültig widerlegt.

"Drache", stieß Elodie atemlos hervor. Es war also wahr. Es war kein Märchen. Die königliche Familie von Aurea hatte wirklich die Absicht gehabt, Elodie an dieses Biest zu verfüttern. O Gott, o Gott, o Gott."


Das Ende hätte zwar noch etwas ausführlicher sein können, die Auflösung hat mich aber sehr mitgerissen und überzeugt. Die Frage, weshalb ausgerechnet sie den jahrhundertelangen Fluch brechen konnte, wo sie doch keine besondere Special Snowflake ist, wird beantwortet mit einer Mischung aus Glück, Durchhaltevermögen, Liebe ihrer Familie und Unterstützung all der Frauen, die vor ihr kamen. Auch wenn "Damsel" keine Liebesgeschichte ist (den Prinzen kann man wie gesagt durch die Pfeife rauchen), spielt Liebe also dennoch eine große Rolle. Die Liebe zwischen einer Prinzessin und ihrem Land, die Liebe eines Vaters zu seiner Tochter, die Liebe zwischen zwei Schwestern, die Liebe einer Mutter, die sich nach ihrem Kind sehnt...

Nachdem ich die letzten Seiten mit einem breiten Lächeln im Gesicht gelesen habe, habe ich sofort den Trailer zum gleichnamigen Film mit Millie Bobby Brown in der Hauptrolle angeschaut. Da im Teaser bereits alles genauso aussah, wie ich es mir beim Lesen vorgestellt habe und Atmosphäre, Setting, Look und Cast total treffend scheinen, bin ich nun extrem gespannt auf den Film und werde ihn sofort bei Erscheinen ansehen.

"Elodie sah nun nichts mehr außer verwundeter Drachenhaut und Blut, rot und violett. Am Ende waren sie nichts mehr als das, Seelen, denen vorübergehend ein Körper gegeben wurde, der um das Recht auf Leben kämpfte, auf das Recht, Mutter und Tochter zu sein, Schwester und Freundin, wie kurz die Zeit auch sein mochte, ehe die Seele ihn wieder verließ. Vielleicht waren die Drachen grausam. Vielleicht auch die Menschen. Oder aber sie waren alle gleich in ihrem Versuch, ihr Bestes in einer unzulänglichen Welt zu geben."




Fazit


"Damsel" ist nur auf den ersten Blick ein klassisches Märchen. Diese düstere, spannende und magische Geschichte überzeugt mit modernen Elementen, starken Frauenfiguren, weiblicher Solidarität und einem Ausgang, den man so nicht kommen sieht.

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Veröffentlicht am 09.12.2023

Eine informative und überraschend persönliche Lektüre!

On & Off
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"On & Off" von Nora Wunderwald und Lea Sophie Grünzinger habe ich mir Ende November durch eingelöste Bonuspunkte in der Lesejury bestellt. Dieser erst im Oktober erschienene Ratgeber regt zu Reflexionen ...

"On & Off" von Nora Wunderwald und Lea Sophie Grünzinger habe ich mir Ende November durch eingelöste Bonuspunkte in der Lesejury bestellt. Dieser erst im Oktober erschienene Ratgeber regt zu Reflexionen über die Online-Welt und den eigenen Umgang mit den sozialen Medien an. Da ich meine eigene Bildschirmzeit schon längere Zeit mehr regulieren und zu einem bewussteren Umgang mit Social Media gelangen möchte, war ich sehr gespannt auf das dünne Büchlein. Auch wenn das Sachbuch unterm Strich nicht viel Neues erzählt hat, was ich nicht schon zuvor wusste, konnte ich dank der Reflexionsübungen aus der Lektüre einiges für mich mitnehmen!

Zunächst muss ich sagen, dass die Lifestyle-Bücher des LYX-Verlag allein von der Gestaltung her schon immer eine absolute Augenweide sind. In "On & Off" ist ebenfalls die ansprechende optische Gestaltung mit dem champagnerfarbenen Cover und den zarten lavendelfarbenen Blumen Applikationen bereits ein Kaufargument. Zwischen den Buchdeckeln setzt sich diese Gestaltung an Kapitelanfängen oder Deckblättern für die in mehrere Themenfelder eingeteilten Kapitel fort. Dabei sind im Text Kästen für beispielsweise Reflexionsübungen oder wichtige Stichpunkte ebenfalls farbig hervorgehoben. Dominant sind die beiden Farben der Coverillustration lila und rosa, die außerdem für die beiden Autorinnen stehen.

Der Ratgeber ist inhaltlich sehr übersichtlich in fünf große Abschnitte geteilt: "Unsere Social-Media-Profile", "Was wir mit den sozialen Medien machen", "Was die sozialen Medien mit uns machen", "Die Social-Media-Gesellschaft" und "Wie geht es weiter – glücklich sein mit oder ohne Social Media?". Innerhalb dieser fünf Abschnitten schreiben die beiden Autorinnen abwechselnd über eine breite Anzahl an Themen wie beispielsweise Selbstdarstellung, Nacktbilder, Onlinedating, überlange Bildschirmzeiten, digitale Freundschaften oder Konzentrationsprobleme. Damit deckt das Buch so ziemlich alle Themen ab, die mit sozialen Medien in Verbindung stehen und verbindet zudem immer kritische Inhalte mit möglichen Chancen. Während die beiden Autorinnen den Druck kritisieren, den Social Media in Form von Schönheitsidealen, FOMO (Fear of Missing Out - Angst etwas zu verpassen) oder ständige Erreichbarkeit auf Menschen ausüben kann und sich kritisch zu InfluencerInnen und dem fehlenden Datenschutz durch Apps äußern, werden aber auch positive Aspekte von Social Media benannt. Es wird deutlich: das Ziel kann es nicht sein, ganz offline zu leben, sondern eine gesunde Balance zu finden, die für einen selbst gut funktioniert - eben ein bewusstes Zusammenspiel aus "On & Off".

Um diese Balance für einen selbst zu finden, beinhaltet der Ratgeber viele Momente zum Innehalten und Nachdenken. In Form von Reflexionsübungen, Anregungen und Übungen werden wir dazu ermutigt, unser eigenes Nutzungsverhalten zu überdenken und herauszufinden, aus welchen Gründen und zu welchen Bedingungen wir soziale Medien aktuell nutzen und in Zukunft nutzen möchten. Auch mir selbst ist bewusst geworden: meine eigentliche Ziele beim Nutzen von Apps wie WhatsApp, YouTube und Instagram (Kontakthalten mit FreundInnen, Austausch, neue Menschen kennenlernen, Informationen austauschen, Inspiration und neue Ideen für meinen Alltag bekommen) laufen zum Teil meiner Art der Nutzung zuwider (einsames Scrollen, ständiges Vergleichen mit anderen, Stress). Diese Erkenntnis hat mich schonmal ziemlich weitergebracht. Doch wie kann ich das ändern?

Mithilfe von beigefügten Informationen, Funfacts und Tipps versuchen Lea und Nora Anleitung zu geben, wie man seine Gewohnheiten und seinen Alltag verändern kann, um zu einer bewussteren Nutzung zu gelangen. Sei es Benachrichtigungen auszuschalten, den Feed auszumisten, Leuten zu entfolgen, die einen stressen, Grenzen zu setzen oder offline Ausgleiche zu suchen - es gibt viele Wege, die einem dabei helfen können, einen größeren Nutzen aus sozialen Medien ziehen zu können. Die Betonung dabei liegt allerdings auf "versuchen", denn die beiden Autorinnen können natürlich auch nur Anregungen geben und kein fertiges Konzept liefern, das für alle Menschen funktioniert. Gut gefallen hat mir, dass die beiden die Subjektivität ihrer Tipps stark betonen und ihre Ideen mit persönlichen Erfahrungen untermauern.

Durch diese eigenen Erfahrungen beinhaltet "On & Off" überraschend viele autobiografischen Inhalte. Nora Wunderwald (YouTuberin) noch Lea Sophie Grünzinger (Juristin) erzählen auf Augenhöhe der LeserInnen von ihrem eigenen Online-Leben und lassen dabei offen und ehrlich vergangene Fehler, Gedanken und Gefühle miteinfließen. Auch wenn ich diese persönliche Note, die LeserInnen sofort abholt, sehr gelungen fand, hätten es für meinen Geschmack auch gerne etwas weniger Anekdoten und dafür ein paar mehr Zahlen und Fakten sein dürfen. Denn trotz des nützlichen Inhalts waren mir viele der Zusammenhänge und Informationen schon vorher bekannt. Sehr gut hat mir allerdings gefallen, dass durch den individuellen Schreibstil ohne einen Blick auf die Namensübersicht sofort ersichtlich war, wer das aktuelle Kapitel geschrieben hat und "On & Off" außerdem durch Erklärungen und ein Glossar so aufbereitet ist, dass es nicht nur Digital Natives lesen können.

Abschließen möchte ich meine Rezension mit einem wichtigen Zitat, das wir uns nicht oft genug in Erinnerung rufen können:

"Don’t compare somebody else’s highlight reel to your behind the scenes.“



Fazit:


Eine informative und überraschend persönliche Lektüre, die ich interessierten LeserInnen allen Alters empfehlen kann. Lea Sophie Grünzinger und Nora Wunderland regen mit Informationen, eigenen Erfahrungen und Reflexionsübungen zum Hinterfragen des eigenen Online-Verhaltens an und laden zu einem bewussten Konsum ein.

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Veröffentlicht am 09.12.2023

Eine informative und überraschend persönliche Lektüre

On & Off
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"On & Off" von Nora Wunderwald und Lea Sophie Grünzinger habe ich mir Ende November durch eingelöste Bonuspunkte in der Lesejury bestellt. Dieser erst im Oktober erschienene Ratgeber regt zu Reflexionen ...

"On & Off" von Nora Wunderwald und Lea Sophie Grünzinger habe ich mir Ende November durch eingelöste Bonuspunkte in der Lesejury bestellt. Dieser erst im Oktober erschienene Ratgeber regt zu Reflexionen über die Online-Welt und den eigenen Umgang mit den sozialen Medien an. Da ich meine eigene Bildschirmzeit schon längere Zeit mehr regulieren und zu einem bewussteren Umgang mit Social Media gelangen möchte, war ich sehr gespannt auf das dünne Büchlein. Auch wenn das Sachbuch unterm Strich nicht viel Neues erzählt hat, was ich nicht schon zuvor wusste, konnte ich dank der Reflexionsübungen aus der Lektüre einiges für mich mitnehmen!

Zunächst muss ich sagen, dass die Lifestyle-Bücher des LYX-Verlag allein von der Gestaltung her schon immer eine absolute Augenweide sind. In "On & Off" ist ebenfalls die ansprechende optische Gestaltung mit dem champagnerfarbenen Cover und den zarten lavendelfarbenen Blumen Applikationen bereits ein Kaufargument. Zwischen den Buchdeckeln setzt sich diese Gestaltung an Kapitelanfängen oder Deckblättern für die in mehrere Themenfelder eingeteilten Kapitel fort. Dabei sind im Text Kästen für beispielsweise Reflexionsübungen oder wichtige Stichpunkte ebenfalls farbig hervorgehoben. Dominant sind die beiden Farben der Coverillustration lila und rosa, die außerdem für die beiden Autorinnen stehen.

Der Ratgeber ist inhaltlich sehr übersichtlich in fünf große Abschnitte geteilt: "Unsere Social-Media-Profile", "Was wir mit den sozialen Medien machen", "Was die sozialen Medien mit uns machen", "Die Social-Media-Gesellschaft" und "Wie geht es weiter – glücklich sein mit oder ohne Social Media?". Innerhalb dieser fünf Abschnitten schreiben die beiden Autorinnen abwechselnd über eine breite Anzahl an Themen wie beispielsweise Selbstdarstellung, Nacktbilder, Onlinedating, überlange Bildschirmzeiten, digitale Freundschaften oder Konzentrationsprobleme. Damit deckt das Buch so ziemlich alle Themen ab, die mit sozialen Medien in Verbindung stehen und verbindet zudem immer kritische Inhalte mit möglichen Chancen. Während die beiden Autorinnen den Druck kritisieren, den Social Media in Form von Schönheitsidealen, FOMO (Fear of Missing Out - Angst etwas zu verpassen) oder ständige Erreichbarkeit auf Menschen ausüben kann und sich kritisch zu InfluencerInnen und dem fehlenden Datenschutz durch Apps äußern, werden aber auch positive Aspekte von Social Media benannt. Es wird deutlich: das Ziel kann es nicht sein, ganz offline zu leben, sondern eine gesunde Balance zu finden, die für einen selbst gut funktioniert - eben ein bewusstes Zusammenspiel aus "On & Off".

Um diese Balance für einen selbst zu finden, beinhaltet der Ratgeber viele Momente zum Innehalten und Nachdenken. In Form von Reflexionsübungen, Anregungen und Übungen werden wir dazu ermutigt, unser eigenes Nutzungsverhalten zu überdenken und herauszufinden, aus welchen Gründen und zu welchen Bedingungen wir soziale Medien aktuell nutzen und in Zukunft nutzen möchten. Auch mir selbst ist bewusst geworden: meine eigentliche Ziele beim Nutzen von Apps wie WhatsApp, YouTube und Instagram (Kontakthalten mit FreundInnen, Austausch, neue Menschen kennenlernen, Informationen austauschen, Inspiration und neue Ideen für meinen Alltag bekommen) laufen zum Teil meiner Art der Nutzung zuwider (einsames Scrollen, ständiges Vergleichen mit anderen, Stress). Diese Erkenntnis hat mich schonmal ziemlich weitergebracht. Doch wie kann ich das ändern?

Mithilfe von beigefügten Informationen, Funfacts und Tipps versuchen Lea und Nora Anleitung zu geben, wie man seine Gewohnheiten und seinen Alltag verändern kann, um zu einer bewussteren Nutzung zu gelangen. Sei es Benachrichtigungen auszuschalten, den Feed auszumisten, Leuten zu entfolgen, die einen stressen, Grenzen zu setzen oder offline Ausgleiche zu suchen - es gibt viele Wege, die einem dabei helfen können, einen größeren Nutzen aus sozialen Medien ziehen zu können. Die Betonung dabei liegt allerdings auf "versuchen", denn die beiden Autorinnen können natürlich auch nur Anregungen geben und kein fertiges Konzept liefern, das für alle Menschen funktioniert. Gut gefallen hat mir, dass die beiden die Subjektivität ihrer Tipps stark betonen und ihre Ideen mit persönlichen Erfahrungen untermauern.

Durch diese eigenen Erfahrungen beinhaltet "On & Off" überraschend viele autobiografischen Inhalte. Nora Wunderwald (YouTuberin) noch Lea Sophie Grünzinger (Juristin) erzählen auf Augenhöhe der LeserInnen von ihrem eigenen Online-Leben und lassen dabei offen und ehrlich vergangene Fehler, Gedanken und Gefühle miteinfließen. Auch wenn ich diese persönliche Note, die LeserInnen sofort abholt, sehr gelungen fand, hätten es für meinen Geschmack auch gerne etwas weniger Anekdoten und dafür ein paar mehr Zahlen und Fakten sein dürfen. Denn trotz des nützlichen Inhalts waren mir viele der Zusammenhänge und Informationen schon vorher bekannt. Sehr gut hat mir allerdings gefallen, dass durch den individuellen Schreibstil ohne einen Blick auf die Namensübersicht sofort ersichtlich war, wer das aktuelle Kapitel geschrieben hat und "On & Off" außerdem durch Erklärungen und ein Glossar so aufbereitet ist, dass es nicht nur Digital Natives lesen können.

Abschließen möchte ich meine Rezension mit einem wichtigen Zitat, das wir uns nicht oft genug in Erinnerung rufen können:

"Don’t compare somebody else’s highlight reel to your behind the scenes.“



Fazit:


Eine informative und überraschend persönliche Lektüre, die ich interessierten LeserInnen allen Alters empfehlen kann. Lea Sophie Grünzinger und Nora Wunderland regen mit Informationen, eigenen Erfahrungen und Reflexionsübungen zum Hinterfragen des eigenen Online-Verhaltens an und laden zu einem bewussten Konsum ein.

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Veröffentlicht am 25.11.2023

Meine bisher liebste Anthologie von Rupi Kaur!

home body
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"Home Body" ist mein dritter Gedichtband von Rupi Kaur und bisher mein liebster. Zwar fand ich auch "Milk and Honey" und "The Sun And Her Flowers" sehr überzeugend, ihre neuste Anthologie ist mir aber ...

"Home Body" ist mein dritter Gedichtband von Rupi Kaur und bisher mein liebster. Zwar fand ich auch "Milk and Honey" und "The Sun And Her Flowers" sehr überzeugend, ihre neuste Anthologie ist mir aber von Anfang bis Ende sehr unter die Haut gegangen. Das liegt vor allem daran, dass die Autorin hier eine schwere Zeit verarbeitet hat und deshalb Depression, Angst, Trauma und Verlust auf den 192 Seiten eine große Rolle spielen.

"it’s easy to love
the nice things about ourselves
but true self-love is
embracing the difficult parts
that live in all of us"
- acceptance

Doch auch wenn man aktuell selbst keine schwere Zeit durchmacht, kann man sich von Rupi Kauers Worten wunderbar trösten lassen und Empathie für Menschen finden, die sich am Boden befinden. Während im ersten Drittel viele eher düstere Gedichte zu finden waren, die vergangenen Schmerz verarbeiten, wird der Ton gegen Ende deutlich positiver und zeigen die Erkenntnisse und den Weg aus der Krise sowie einen hoffnungsvollen Ausblick in die Zukunft. Thematisch adressiert werden außerdem wieder Themen wie Liebe, Beziehungen, Erziehung, Familie, Körper, Identität, Kultur, Nähe, Kunst, Naturschutz und Feminismus. Damit deckt die Autorin ein recht breites Spektrum ab, verbindet die einzelnen kurzen Gedichte aber durch einen roten Faden.

"i want to leave this place knowing
i did something with my body
other than trying to
make it look perfect"

Genau wie Rupi Kaurs vorherigen Werke ist auch "Home Body" in eher einfacher Sprache gehalten, sodass auch Menschen mit eher geringen Englischkenntnissen den Originalzeilen gut folgen können. Genau wie Atticus schreibt Rupi Kaur keine schwere, verschwurbelte Lyrik, die man erst analysieren, interpretieren und auseinandernehmen muss. Stattdessen erzählt sie leicht, klar und doch wunderschön von der tröstlichen Süße, welche auch in schwierigen Lebenssituationen zu finden ist. Egal welche Länge, welches Thema oder welche Stimmung - hier scheint immer eindringlich, kraftvoll und lebendig eine Botschaft durch die Zeilen: Selbstliebe und der Stolz darauf, eine Frau zu sein!
Und zum Abschluss noch meine beiden Lieblingszitate:

"i will never have
this version of me again
let me slow down
and be with her"
- always evolving

"you are a soul. a world. a portal. a spirit.
you are never alone.
you are organs and blood and flesh and muscle.
a colony of miracles weaving into each other."


Das Urteil


Meine bisher liebste Anthologie von Rupi Kaur! Sie schreibt über Depression, Angst, Trauma und Verlust, aber auch über Liebe, Beziehungen, Nähe und der Stolz darauf, eine Frau zu sein!

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Veröffentlicht am 11.11.2023

Völlig skurril, dabei aber herrlich unterhaltsam, einfallsreich und charmant!

Weit über der smaragdgrünen See
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"Weit über der smaragdgrünen See" von Brandon Sanderson ist erst am 2. November als das erste von mehreren Geheimprojekten des Bestsellerautors bei Piper erschienen. Da ich schon so viele Worte des Lobes ...

"Weit über der smaragdgrünen See" von Brandon Sanderson ist erst am 2. November als das erste von mehreren Geheimprojekten des Bestsellerautors bei Piper erschienen. Da ich schon so viele Worte des Lobes über den Autor gehört habe, mich die Länge seiner Reihen aber immer ein bisschen abgeschreckt hat, habe ich nun diesen Einzelband als Gelegenheit genutzt, mal etwas von dem Autor zu lesen. Und schon nach wenigen Kapiteln habe ich verstanden, weshalb Brandon Sanderson als Science-Fiction und Fantasy-Phänomen gefeiert wird: Die Geschichte, die er hier erzählt ist zwar völlig skurril, dabei aber herrlich unterhaltsam, einfallsreich und charmant geschrieben!

Bevor ich mich ganz dem Inhalt widme ein paar Worte zur Gestaltung des Buches: Ich bin ein großer Fan!!! Angefangen mit dem toll gestalteten Cover in smaragdgrüner Farbe mit passenden Farbakzenten in Schwarz und Gold, bis hin zum Innenleben ist dieses Buch ein Gesamtkunstwerk. Auf dem Cover zu sehen ist ein Mädchen - unsere Hauptfigur Tress -, die mit einer ihrer geliebten Tassen in den Hand und wehenden Haaren auf einem Felsen in einem schimmernden Meer steht und nach dem von Ranken umwobenen Mond greift. Damit werden eigentlich dem Originalcover folgend alle wichtigen Motive der Geschichte gelungen aufgegriffen und durch die Farbauswahl wirkt die Komposition zudem sehr edel. Auch die Innenseiten der Buchdeckel sind mit dem wilden Rankenmuster und den beiden Tassen (inklusive einer Ratte) detailreich und passend gestaltet. Damit beginnt die tolle Gestaltung allerdings erst und ich könnte vermutlich meine gesamte Rezension nur damit zubringen, über die Details zwischen den beiden Buchdeckeln zu schwärmen. Zunächst ist die Geschichte durch schön gestaltete Trennblätter in 6 Teile geteilt. Zusätzlich gibt es 64 Kapitel, die immer mit einem passenden Symbol beginnen. Dieses passt sich optisch dem Meer an, auf dem sich die Figuren gerade befinden und wächst außerdem über die Handlung hinweg immer weiter an. Und dann sind da ja natürlich auch noch die Illustrationen von Howard Lyon. Egal ob ein kleines Detail am Ende eines Kapitels oder eine halbseitige, ganzseitige oder zweiseitige Zeichnung - die schwarz-weißen Illustrationen sind atmosphärisch und passen ganz wunderbar zur Geschichte!

Erster Satz: "Auf einem Felsen mitten im Ozean lebte ein Mädchen."

Mit diesen Worten beginnt diese einzigartige Mischung einem Märchen und einem Piratenabenteuer in einer Science-Fiction-Welt mit Fantasy-Elementen. Im Endeffekt handelt es sich hier beim Aufbau der Geschichte um eine klassische Heldenreise - nur dass hier die "holde Maid" ihren Traumprinzen rettet und nicht umgekehrt. Auf über 500 Seiten verfolgen wir hier, wie Tress ihre Heimat verlässt, über die gefährlichen Meere zieht, sich dabei in allerlei Gefahren verstrickt und sich auf ein wildes Abenteuer begibt, das Seemonster, Geheimexperimente, Meutereien, eine sprechende Ratte, einen Drachen und eine böse Zauberin beinhaltet. Eine Wendung am Ende der Geschichte habe ich schon lange vor ihrer Enthüllung geahnt und auch der grobe Aufbau ist durchaus bekannt, insgesamt fand ich die Geschichte dank ihrer explosiven Mischung aus spannenden Themen und Motiven aber herrlich originell und unvorhersehbar. So konnte mich "Weit über der smaragdgrünen See" trotz zwischenzeitlich leichter Längen durchweg abholen und gefangen nehmen.

"Gefahr machte eine Sache nicht weniger schön - vielmehr hat sie eine verstärkende Wirkung. So wie eine Kerze in der finstersten Nacht am hellsten wirkt. Tödliche Schönheit ist die reinste Schönheit. Und ihr werdet nie eine berauschendere, hinreißendere Mörderin finden als das Meer."

Die wirkliche Besonderheit der Geschichte ist allerdings, dass sich abenteuerliche Handlung vor einer ungewöhnlichen Kulisse abspielt. Brandon Sanderson entführt hier in eine Welt, die im Schatten mehrerer Monde existiert, welche konzentrierten Äther in Form von Sporen auf die Erde niederregnen lassen. Diese Sporen sammeln sich in zwölf verschiedenfarbigen Ozeanen und reagieren stark auf Wasser. Während grüne Sporen beispielsweise zu wilden Ranken auskeimen, explodieren rote zu spitzen Kristallen - ein Umstand, der einem als Seefahrer auf diesen Ozeanen durchaus zum Verhängnis werden kann. Die Menschen wohnen deshalb auf Inseln und schützen sich mit Salz oder Silber vor den Sporen, die tödlich sein können, wenn sie am eigenen Körper mit Flüssigkeit reagieren. Unsere Protagonistin Tress kommt im Laufe ihres Abenteuers aber durch ihre Aufgabe als Schiffskeimerin darauf, die Sporen und deren besondere Eigenschaften für ihre Zwecke zu nutzen und kreiert interessante Apparaturen, die das Magiesystem noch interessanter machen.

"Der grüne Mond hielt oben Wache und nahm ein gutes Drittel des Himmels ein. Ich fand es oft seltsam, dass die Leute der Sporenmeere so selten zu ihren Monden aufsehen. Als ich diesen Planeten das erste Mal betrat, konnte ich nicht umhin, sie anzustarren. Die Art und Weise wie sie so tief über allem schweben hat etwas Bösartiges. Wo sich die Monde anderer Planeten an den Wänden herumdrücken und darauf warten, zum Tanzen aufgefordert zu werden, stehen diese hier bereits auf der Tanzfläche - und tragen Pailletten."

Wäre das noch nicht originell genug, mischt der Autor die recht schlicht entwickelte, technologielose Welt mit Personen von fremden Sternen, die neumodische Elektronik mit sich bringen und die Eingeborenen des Planeten an Magie glauben lassen. Alles in allem empfand ich dieses Worldbuilding als etwas verwirrend, aber durchaus sehr originell und einfach mal etwas anderes. Allerdings wird immer nur erklärt, was aktuell für die Geschichte von Bedeutung ist und viele Teile der Welt und des Universums bleiben unerforscht. Beim Lesen kamen mir noch viele Fragen, die nicht beantwortet wurden und bei genauerem Nachdenken gab es auch immer wieder kleinere Details, die für mich keinen Sinn ergaben (Zum Beispiel: Wo kommt das Grundwasser her, wenn der Regen immer gleich mit den Sporen reagiert? Wovon ernähren sich die Möwen, die es über dem Sporenmeer gibt? etc.). Besonders der größere Kontext, in den diese Welt eingebettet ist, blieb mir ein Rätsel. Ich nehme stark an, dass das daran lag, dass ich viele der Anspielungen als Neuling im Brando-Sando-Universum einfach nicht verstanden und viele der Namen und Figuren nicht wiedererkannt habe, die in anderen Reihen des Autors eine Rolle spielen.

"Wenn Männer das Mädchen beschrieben, sagten sie häufig, seine Haare hätten die Farbe von Weizen. Andere meinten, sie hätten eher die Farbe von Karamell oder manchmal auch die Farbe von Honig. Das Mädchen fragte sich, weshalb Männer Frauen so oft mit Essbarem beschrieben. In diesen Männern steckte ein Hunger, dem es lieber aus dem Weg geht."

Komplettiert wird der spezielle Leseeindruck aus spannender Handlung und originellem Worldbuilding durch die besondere Erzählperspektive des Romans. Statt aus der Perspektive unserer Hauptfigur Tress zu erzählen, hat der Autor den Schiffjungen Hoid als Erzählstimme gewählt. Da dieser nach einem Zusammentreffen mit der Zauberin seinen Verstand verloren hat, ist der Erzählton dieses Abenteuers dementsprechend absurd und heiter. Er spricht uns LeserInnen immer wieder direkt an, macht unpassende Witze, holt zu aberwitzigen Anekdoten aus oder bringt in der Erzählreihenfolge etwas durcheinander. Im Nachwort schreibt der Autor, dass er noch vorhat, einen weiteren Roman über Hoid zu schreiben und sich hier an seine Erzählstimme herantasten wollte, ich nehme also an, dass er als Figur im Brando-Sando-Universum auch sonst eine Rolle spielt. Für mich hat dieses von ihm als allwissender Erzähler ausgebreitete Abenteuer auf jeden Fall schonmal dazu geführt, gerne mehr über ihn erfahren zu wollen.

"Vielleicht wundert ihr euch, das ich, euer bescheidener Geschichtenerzähler, ein solches Aufhebens darum mache. Tress hielt inne, fragte sich, ob sie voreilige Schlüsse gezogen hatte, und beschloss, noch einmal darüber nachzudenken? Das ist doch nichts Besonderes, oder? Falsch. So falsch, dass es einem die Seele zerreißt. Weltenbringer wie ich durchforsten jahrzehntelang Volkssagen, Heldensagen, Mythen, Chroniken und Lieder betrunkener Tavernengäste auf der Suche nach den einmaligsten Geschichten. Wir spüren Tapferkeit, Schlauheit und Heldenhaftigkeit auf. Und wir finden keinen Mangel an derlei Tugenden. Heldensagen haben davon einen blödsinnigen Überfluss. Aber ein Mensch, der willens ist, seine Annahmen zu überdenken? Eine Heldin, die sich ernsthaft daranmacht, ihr Leben neu zu bewerten? Nun, das ist ein Juwel, das wirklich glänzt, meine Freundinnen und Freunde."

Im Vordergrund steht trotz der ungewöhnlichen Erzählperspektive die junge Tress. Als vormals schüchternes Mädchen, dem es sehr schwerfällt, anderen Umstände zu bereiten, hat sie es unter Piraten erstmal nicht leicht und macht im Laufe der Geschichte eine enorme Entwicklung durch. Dabei glänzt sie mit ihrer liebenswerten Mischung aus Naivität und Neugier sowie ihrer erstaunlich großen Portion Menschenverstand. Ich denke ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass es sich bei ihr um den am besten von einem männlichen Autor geschriebenen weiblichen Charakter handelt, den ich dieses Lesejahr kennenlernen durfte. Auch die Nebenfiguren konnten mich mit viel Einfallsreichtum und Charme überzeugen. Sei es die Schiffzimmermännin Ann, die gerne Kanonen abfeuern würde, aber nicht zielen kann, der furchtbar schlechte Schiffskoch Fort, der über ein magisches Brett kommuniziert, die redselige Ratte Huck, die Steuerfrau Salay, die fest davon überzeugt ist, dass Tress eine Agentin des Königs ist - man muss sie einfach alle ins Herz schließen! Umso mehr gefreut hat mich, dass die Geschichte nach 514 ereignisreichen Seiten für alle ein gelungenes Ende bereithält!

"Wir schaffen alle unsere eigenen Überlieferungen, unsere eigenen Mythen, jeden Tag. Unsere Erinnerungen sind wie Balladen, und wenn wir sie bei jedem Aufsagen etwas abwandeln... nun, dann geschieht das alles im Namen größerer Dramatik. Die Vergangenheit ist ohnehin langweilig. Wir tun immer so, als wären die Ideale und Kulturen der Vergangenheit wie Wein gereift, aber in Wahrheit altern die Gedanken der Vergangenheit eher wie Kekse. Sie werden ganz einfach fad."




Fazit:


Ein völlig skurril, dabei aber herrlich unterhaltsam, einfallsreich und charmantes Piratenabenteuer in einer Science-Fiction-Welt mit Fantasy-Elementen wie Seemonstern, gefährlichen Sporen-Ozeanen, Geheimexperimenten, einem Drachen und einer bösen Zauberin. "Weit über der smaragdgrünen See" überzeugt mit liebenswerten Figuren, einer ungewöhnlichen Erzählperspektive, einem originellen Worldbuilding und einer fesselnden Handlung!

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