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Veröffentlicht am 12.11.2023

Eine düstere Fortsetzung, die mit de inneren Dämonen ihrer Figuren spielt!

Throne of Glass – Erbin des Feuers
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Nachdem Sofia und ich mit "Throne of Glass - Die Erwählte" unseren Buddy-Reread der "Throne of Glass"-Reihe gestartet haben, sind wir mittlerweile bei Band 3 angelangt. "Throne of Glass - Erbin des Feuers" ...

Nachdem Sofia und ich mit "Throne of Glass - Die Erwählte" unseren Buddy-Reread der "Throne of Glass"-Reihe gestartet haben, sind wir mittlerweile bei Band 3 angelangt. "Throne of Glass - Erbin des Feuers" habe ich zuletzt Anfang 2017 gelesen und eine Rezension geschrieben. Da sich meine Meinung und meine Perspektive auf die gesamte Reihe sechs Jahre später weiterentwickelt hat, habe ich beschlossen, nach meinem Reread neue Rezensionen zu verfassen.

"Celaena wusste, dass das Gold in ihren Augen Feuer gefangen hatte, denn als sie Maeve ansah, war das Gesicht der Königin kalkweiß geworden. Und dann setzte sie die Welt in Brand."


Zuerst wenige Worte zum Buchcover. Ich mochte die minimalistische Gestaltung der Reihencover mit der illustrierten Silhouette unserer Hauptfigur vor einem weißen Grund schon immer sehr gerne. Auf Band 3 sieht man Celaena in einer dunklen Kampfmontur mit einer türkisfarbenen Schärpe, wehenden weißen Haaren und einem gespannten Bogen. Ergänzend wird sie hier durch feinen türkisfarbenen Nebel umwabert - eine subtile Andeutung auf Rowans Kräfte, die hier eine wichtige Rolle spielen. Für mich sind die deutschen Cover der ersten Ausgabe nach wie vor die schönsten und deutlich gelungener als die extrem modernen Neuauflagen!

Immer wenn ich ein altes Lieblingsbuch rereade, habe ich ein wenig Angst, dass sich meine Wahrnehmung zu stark verändert hat und ich bei einem erneuten Lesen ernüchtert und enttäuscht zurückbleibe. Diese Sorge hätte ich mir bei "Throne of Glass" nicht machen müssen. Die Geschichte von Celaena hat mich genau wie beim ersten Lesen von der ersten Seite an mitgerissen und wieder überzeugen können. Zwar hat "Throne of Glass - Erbin des Feuers" im ersten Drittel einige Längen, da sich die Autorin hier viel Zeit nimmt, mehrere neue Handlungsstränge einzuführen und die Entwicklung ihrer Hauptfigur voranzutreiben, dennoch entfaltet sich hier nun endlich die epische Magie, die diese Reihe zu einer meiner absoluten All-Time-Favorites macht! Nachdem wir Celeana zuerst im harten Wettkampf als kaltherzige Assassine kennenlernten, der zweite Teil sich dann eher auf die Intrigen am Hof des Königs konzentrierten, so ist "Throne of Glass - Erbin des Feuers" eine eher dunkle, düstere und magische Fortsetzung, die sehr viel mit den inneren Dämonen ihrer Charaktere spielt.

Erster Satz: "Himmel, was es heiß in diesem dämlichen Königreich."

Mit diesen Worten beginnt der dritte Teil ohne große Umschweife und führt uns nach Wendlyn. Um ihren größten Feind besiegen zu können und damit ganz Erilea aus der grausamen Herrschaft des Königs von Ardalan befreien zu können, musste Celaena Sardothien den Mann verlassen, den sie liebt und zu einem neuen Kontinent aufbrechen. Mittlerweile ist sie in Wendlyn angekommen und hofft, dort von ihrer Fae-Tante Maeve mehr über die verschollenen Wyrdschlüssel zu erfahren, durch die der König seine Macht erhält. Aber die Königin der Fae gibt ihre Geheimnisse nur preis, wenn Celaena sich als würdig erweist. Trainiert vom undurchsichtigen Fae-Elitekrieger Rowan versucht Celaena, die Quelle ihrer Magie zu kontrollieren und ihr Fae-Erbe zu akzeptieren, was schwieriger ist als gedacht. In der Zwischenzeit forscht Chaol in Rifthold gemeinsam mit Celaenas Cousin Aedion heimlich nach der Ursache für das Verschwinden der Magie in ganz Adarlan, auch um seinem magisch begabten Freund, Kronprinzen Dorian, zu helfen. Ein gefährliches Spiel, denn der König verfolgt mit Hexen und magischen Kreaturen in der Ferianschlucht bereits seine eigenen schrecklichen Pläne mit weitreichenden Folgen für alle Bewohner Erileas...

War die Geschichte zuvor noch recht einfach und stringent erzählt, weitet Sarah J. Maas ihre Geschichte ab diesem dritten Band auf verschiedenen Handlungsstränge aus, die auf verschiedenen Kontinente spielen – Wendlyn, Rifthold und die Ferianschlucht. Wie zuvor wechselt die Autorin dafür zwischen dem personalen Er-Erzähler ihrer Hauptfiguren hin und her und verschafft uns somit einen guten Überblick über die Geschehnisse in ihrer magischen Welt. Besonders das Setting in Wendlyn, das magische Land der Fae, hat mir sehr gut gefallen. "Wendlyn. Ein Land der Mythen und Ungeheuer - der wahr gewordenen Träume und Albträume" - so nennt Celaena es, als wir gemeinsam mit ihr neue Gebiete erkunden, neuen Monstern begegnen und neue Bekanntschaften schließen. Dabei greift die Autorin nun immer mehr der gezielt verteilten Hinweise aus den ersten beiden Bänden auf und führt die Handlung auf überraschende Weise in eine bereits angedeutete Richtung. Auch wenn ich die gesamte Reihe ja bereits kenne und theoretisch weiß, was passieren wird, konnte sie mich immer wieder überraschen und mit plötzlichen Wendungen an der Nase herumführen. Denn in den sechs Jahren, seitdem ich dieses Buch zuletzt gelesen habe, habe ich unfassbar viele Details und Verbindungen wieder vergessen, sodass es nun umso mehr Spaß macht, zu sehen, wie sich vor meinen Augen wieder das komplexe Handlungskonstrukt enthüllt, dem ich bis zum actionreichen, dramatischen und unglaublich mitreißenden Schluss nur gebannt folgen konnte.

"Sie würde ihr Licht, ihre Gabe in die Welt tragen, würde in der Dunkelheit so hell leuchten, dass alle, die verirrt oder verletzt oder gebrochen waren, den Weg zu ihr finden würden, ein Leitstern für diejenigen, die noch immer in diesem Abgrund steckten. Es würde kein Ungeheuer nötig sein, um ein Ungeheuer zu vernichten, sondern Licht. Licht, um die Dunkelheit zu vertreiben."

Auch der Aspekt der Magie, der bislang nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat, da sie in Ardalan nicht mehr gewirkt werden kann, tritt hier mehr in den Vordergrund und ergänzt die Geschichte perfekt und schlüssig. Während die Reihe bisher durch den klassischen Fantasy-Aufbau noch recht einfach war, beginnt die Reihe nun ihre ganz besondere, düster-magische Atmosphäre zu entwickeln. Über Sarah J. Maas´ Schreibstil habe ich schon seitenweise Lobreden geschwungen, die ich eigentlich nur wiederholen kann. Ihre große Stärke ist es, dass sie auch bei komplexen Worldbuildings, vielen Figuren und unübersichtlichen Actionszenen nie das Wesentliche aus den Augen verliert, einzelne interessante Aspekte gekonnt herausspickt und präzise weiterentwickelt. Wie für ihre Geschichten gibt es auch für ihren Schreibstil ein Wort, das ihr erstaunliches Talent, Worte in Sätzen so zu platzieren, dass sie der Geschichte ein imposantes und charakteristisches Auftreten verleihen, super beschreibt: EPISCH. Durch ihre teils sehr außergewöhnliche Wahl der Worte und intensive Szenenbeschreibung, fühlt man sich oft, als würde man einem Film zusehen, der vor den eigenen Augen abläuft. Ein wunderbarer Film voller Action, Gefühle und Hintergrund und mit genialen Schauspielern... Rückblickend hat sich ihr Schreibstil während der letzten Jahren etwas verändert und weiterentwickelt, doch auch bei ihrem ersten Buch hat sie stiltechnisch schon geglänzt!

"Die Narben....das waren nicht die Kennzeichen eines Opfers. Oh nein. Das waren die Trophäen eines Überlebenden."


Am meisten getragen wird die Geschichte aber natürlich durch die Protagonistin selbst - Celaena Sardothien, Ardalans Assassine, Liebhaberin von Luxus und Schönheit, in der zusätzlich ein uraltes Erbe schlummert. Jedes Mal, wenn ich ein Buch der ToG-Reihe zur Hand nehme, bin ich mehr davon überzeugt, dass sie die beste Fantasy-Protagonistin ist, die jemals existiert hat und beim Gedanken daran, welch langer Weg voller Schmerz, Opfer, Magie, Liebe, Freundschaft und Sieg noch vor ihr liegt, läuft mir ein Schauer über den Rücken und ich würde am liebsten sofort zum nächsten Band greifen und mich schnurstracks auf diese Reise machen.

In diesem dritten Teil hat sie sehr mit den psychischen Auswirkungen der entsetzlichen Ereignisse aus Band 2 zu Kämpfen, die tiefe Spuren in ihrer ohnehin schon geplagten Seele hinterlassen haben. Nun muss sie in einer fremden Umgebung mit den traumatischen Erinnerungen an den Mord ihrer Eltern vor 10 Jahren, ihrer Vergangenheit in den Salzminen von Endovier, dem blutigen Verlust ihrer besten Freundin und der Verantwortung als Königin von Terrasen fertig werden. Nicht gerade hilfreich dabei ist, dass sie von der Fae-Königin Maeve unter Druck gesetzt wird, ihre Gaben und somit ihre Bestimmung als Königin zu akzeptieren, die sie längst in sich begraben hat. Mir hat sehr gut gefallen, dass die Autorin hier betont, dass solche Dinge selbst an Buchheldinnen nicht spurlos vorbeigehen könenn und sich Zeit nimmt, ihre Vergangenheit zu verarbeiten und neue geistige Stärke zu finden, bevor sie ihre Protagonistin in noch größere Herausforderungen und einen großen Krieg schickt. Auf 656 Seiten dürfen wir hier beobachten, wie sie Schritt für Schritt neue Kraft und Motivation findet, auch dem großen Abgrund in sich selbst klettert und langsam ihr Schicksal als Aelin Ashryver Galathynius annimmt. Ich liebe diese Entwicklung so sehr!!!

"Sie war die Erbin von Asche und Feuer und sie würde sich vor niemandem verbeugen!"

Eine Schlüsselfigur in dieser positiven Entwicklung, wenn auch nicht der alleinig ausschlaggebende Grund ist Rowan, der Elite-Fae-Kämpfer, der dazu ausgewählt wurde, sie zu trainieren um ihre Magie kontrollieren zu können. Schon beim ersten Lesen habe ich mich in diesen unsterblichen Fae-Krieger mit seiner grüblerischen Coolness verliebt und auch jetzt ist er mir wieder sehr ans Herz gewachsen. Ich hatte allerdings ganz vergessen, dass die Autorin ihn gar nicht sofort als neuen Love Interest einführt, sondern er Celaena zunächst als Freund in einer schwierigen Zeit zur Seite steh. Nach einer schwierigen Phase, in der die beiden erstmal warm werden müssen, entwickelt sich langsam zwischen den beiden ein ganz besonderes Verhältnis, das auf gegenseitigem Respekt und Vertrauen beruht ... und vielleicht auch auf ein bisschen mehr...

"Er streckte die Hand aus. "Dann also gemeinsam." Sie blickte auf den narbenübersäten, schwieligen Handteller, dann in das tätowierte Gesicht voll Hoffnung. Jemand, der sie verstehen konnte - der wusste, wie es war, tief im Innersten verletzt zu sein, jemand, der selbst noch dabei war, Millimeter um Millimeter aus seinem Abgrund zu klettern. Vielleicht würden sie nie herauskommen, vielleicht würden ihre Wunden nie ganz verheilen, aber ... "Gemeinsam", bekräftigte sie und ergriff seine ausgestreckte Hand. Da begann tief in ihrem Herzen die Asche zu glühen."

Auch die anderen Hauptfiguren wie Dorian oder Chaol spielen nach wie vor eine Rolle, auch wenn ihr Handlungsstrang für mich leider mit der Zeit der uninteressanteste wurde. Durch die beiden haben wir weiterhin den Einblick, was in Ardalan vor sich geht und erfahren von einer Allianz aus Rebellen, die sich gegen den König formiert - angeführt von Aedion, Celaenas loyalem Cousin, mit dem ich ebenfalls erstmal wieder warm werden musste. Unterdessen wird Chaols Freundschaft zu Dorian durch die immer stärkere Kluft und angespanntere Fronten auf eine harte Probe gestellt als beide entscheiden müssen, auf welcher Seite sie in Zukunft stehen und für wen sie kämpfen werden. Mit Dorians Versuchen, seine magischen Kräfte in den Griff zu bekommen, um sie vor seinem blutrünstigen Vater verstecken zu können, seinem Kennenlernen der jungen Heilerin Sorscha und Chaols Forschungen nach dem Verschwinden der Magie läuft dieser Handlungsstrang auf ein tragisches Ende zu, das ich dieses Mal habe kommen sehen, das aber trotzdem sehr weh getan hat.

"Eyllwe", flüsterte Chaol. "Schick eine Nachricht nach Eyllwe. Sag ihnen, sie sollen durchhalten - sie sollen sich bereit machen." Vielleicht war es das Licht, vielleicht war es die Kälte, aber Aedion hätte schwören können, dass der Captain Tränen in den Augen hatte, als er hinzufügte: "Sag ihnen, es ist Zeit zurückzuschlagen!"


Neu sind neben Rowan und Aedion auch die drei verschiedenen Clans der Ironteeth-Hexen, welche den dritten wichtigen Handlungsstrang darstellen. Aus der Sicht der Hexe Manon Blackbeak, bekommen wir einen Einblick in die Pläne des Königs in der Ferianschlucht. Schon seit Band 1 freue ich mich wahnsinnig auf den Start dieses Handlungsstrangs und mein Wiedersehen mit Manon und ihrer Dreizehn - eine über Jahrhunderte zusammengeschweißte Kampfgruppe, ein Zirkel voller interessanter Charaktere und eiskalter Präzession! Überrascht hat mich dann wieder, wie gefühlslos, kalt und grausamen die Hexen zu Beginn dargestellt werden und welchen weiten Weg Manon noch vor sich hat, bis sie zur Heldin wird, die ich in Erinnerung hatte. Trotzdem wurde ihre Perspektive schon nach kurzer Zeit zu meinem Lieblingshandlungsstrang.

"Sie preschten über ein Meer aus Wolken und Abraxos hieb seine Krallen hinein, bevor er sich zur Seite fallen ließ, um eine vom Wind geformte Wolkensäule hochzujagen, höher und höher, bis er ihre Spitze erreichte und sich von seinen Flügeln durch den eiskalten, dünnen Himmel tragen ließ. Die Welt blieb für eine Sekunde stehen. Dann breitete Manon ihre Arme aus und kostete den freien Fall aus, der Wind jetzt Musik in ihren Ohren und in ihrem verkümmerten Herzen."


Denn mit den Ironteeth Hexen halten auch die Wyvern wieder Einzug in die Geschichte! Gezüchtete, drachenähnliche Flugmonster, die als ein reines Kriegsobjekt, auf dem die Ironteeth-Hexen in den Krieg ziehen sollen. So ist das zumindest gedacht. Doch was keiner erwartet hat: Ausgerechnet die angeblich herzlosen Hexen bauen enge Verbindungen zu ihren Reittieren auf und behandeln sie wie Gefährten. Als Manon einem kleinen, verkrüppelten Ködertier begegnet und er sie durch Zufall rettet, wählt sie ihn entgegen allen Spottes kurzerhand für sich aus und nennt ihn Abraxos nach der großen Schlange, die die Welt verschlingen wird. Und schon bald stellt sich das als sehr gute Entscheidung heraus, denn in dem kleinen Tier steckt ein großer Krieger mit viel Mut, Liebe, Mitgefühl und einer Vorliebe für Blumen, in die er immer seine Nase steckt. Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich jetzt auf die folgenden Bände freue!!!

"Eine Sekunde lang, mitten im rhythmischen Stampfen um sie herum, das sich so anfühlte, als ob der Berg selbst seine geisterhaften Schwingen ausbreitete, fand Manon, es wäre gar nicht so schlimm zu sterben. Allerdings mit ihm zusammen, nicht allein. "Du gehörst zu den Dreizehn", sagte sie zu Abraxos. "Von jetzt an bis die Finsternis uns scheidet. Du gehörst zu mir und ich gehöre zu dir. Und jetzt zeigen wir ihnen, warum."



Fazit:


In "Throne of Glass - Erbin des Feuers" geht die Reihe vielschichtig, atmosphärisch und berührend weiter. Zwar hat dieser dritte Band im ersten Drittel leichte Überlänge, dennoch entfaltet sich in dieser düsteren Fortsetzung, die sehr viel mit den inneren Dämonen ihrer Charaktere spielt, nun endlich die epische Magie, die diese Reihe zu einer meiner absoluten All-Time-Favorites macht!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.11.2023

dieEine düstere Fortsetzung, die mit den inneren Dämonen ihrer Charaktere spielt

Throne of Glass 3: Erbin des Feuers
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Nachdem Sofia und ich mit "Throne of Glass - Die Erwählte" unseren Buddy-Reread der "Throne of Glass"-Reihe gestartet haben, sind wir mittlerweile bei Band 3 angelangt. "Throne of Glass - Erbin des Feuers" ...

Nachdem Sofia und ich mit "Throne of Glass - Die Erwählte" unseren Buddy-Reread der "Throne of Glass"-Reihe gestartet haben, sind wir mittlerweile bei Band 3 angelangt. "Throne of Glass - Erbin des Feuers" habe ich zuletzt Anfang 2017 gelesen und eine Rezension geschrieben. Da sich meine Meinung und meine Perspektive auf die gesamte Reihe sechs Jahre später weiterentwickelt hat, habe ich beschlossen, nach meinem Reread neue Rezensionen zu verfassen.

"Celaena wusste, dass das Gold in ihren Augen Feuer gefangen hatte, denn als sie Maeve ansah, war das Gesicht der Königin kalkweiß geworden. Und dann setzte sie die Welt in Brand."


Zuerst wenige Worte zum Buchcover. Ich mochte die minimalistische Gestaltung der Reihencover mit der illustrierten Silhouette unserer Hauptfigur vor einem weißen Grund schon immer sehr gerne. Auf Band 3 sieht man Celaena in einer dunklen Kampfmontur mit einer türkisfarbenen Schärpe, wehenden weißen Haaren und einem gespannten Bogen. Ergänzend wird sie hier durch feinen türkisfarbenen Nebel umwabert - eine subtile Andeutung auf Rowans Kräfte, die hier eine wichtige Rolle spielen. Für mich sind die deutschen Cover der ersten Ausgabe nach wie vor die schönsten und deutlich gelungener als die extrem modernen Neuauflagen!

Immer wenn ich ein altes Lieblingsbuch rereade, habe ich ein wenig Angst, dass sich meine Wahrnehmung zu stark verändert hat und ich bei einem erneuten Lesen ernüchtert und enttäuscht zurückbleibe. Diese Sorge hätte ich mir bei "Throne of Glass" nicht machen müssen. Die Geschichte von Celaena hat mich genau wie beim ersten Lesen von der ersten Seite an mitgerissen und wieder überzeugen können. Zwar hat "Throne of Glass - Erbin des Feuers" im ersten Drittel einige Längen, da sich die Autorin hier viel Zeit nimmt, mehrere neue Handlungsstränge einzuführen und die Entwicklung ihrer Hauptfigur voranzutreiben, dennoch entfaltet sich hier nun endlich die epische Magie, die diese Reihe zu einer meiner absoluten All-Time-Favorites macht! Nachdem wir Celeana zuerst im harten Wettkampf als kaltherzige Assassine kennenlernten, der zweite Teil sich dann eher auf die Intrigen am Hof des Königs konzentrierten, so ist "Throne of Glass - Erbin des Feuers" eine eher dunkle, düstere und magische Fortsetzung, die sehr viel mit den inneren Dämonen ihrer Charaktere spielt.

Erster Satz: "Himmel, was es heiß in diesem dämlichen Königreich."

Mit diesen Worten beginnt der dritte Teil ohne große Umschweife und führt uns nach Wendlyn. Um ihren größten Feind besiegen zu können und damit ganz Erilea aus der grausamen Herrschaft des Königs von Ardalan befreien zu können, musste Celaena Sardothien den Mann verlassen, den sie liebt und zu einem neuen Kontinent aufbrechen. Mittlerweile ist sie in Wendlyn angekommen und hofft, dort von ihrer Fae-Tante Maeve mehr über die verschollenen Wyrdschlüssel zu erfahren, durch die der König seine Macht erhält. Aber die Königin der Fae gibt ihre Geheimnisse nur preis, wenn Celaena sich als würdig erweist. Trainiert vom undurchsichtigen Fae-Elitekrieger Rowan versucht Celaena, die Quelle ihrer Magie zu kontrollieren und ihr Fae-Erbe zu akzeptieren, was schwieriger ist als gedacht. In der Zwischenzeit forscht Chaol in Rifthold gemeinsam mit Celaenas Cousin Aedion heimlich nach der Ursache für das Verschwinden der Magie in ganz Adarlan, auch um seinem magisch begabten Freund, Kronprinzen Dorian, zu helfen. Ein gefährliches Spiel, denn der König verfolgt mit Hexen und magischen Kreaturen in der Ferianschlucht bereits seine eigenen schrecklichen Pläne mit weitreichenden Folgen für alle Bewohner Erileas...

War die Geschichte zuvor noch recht einfach und stringent erzählt, weitet Sarah J. Maas ihre Geschichte ab diesem dritten Band auf verschiedenen Handlungsstränge aus, die auf verschiedenen Kontinente spielen – Wendlyn, Rifthold und die Ferianschlucht. Wie zuvor wechselt die Autorin dafür zwischen dem personalen Er-Erzähler ihrer Hauptfiguren hin und her und verschafft uns somit einen guten Überblick über die Geschehnisse in ihrer magischen Welt. Besonders das Setting in Wendlyn, das magische Land der Fae, hat mir sehr gut gefallen. "Wendlyn. Ein Land der Mythen und Ungeheuer - der wahr gewordenen Träume und Albträume" - so nennt Celaena es, als wir gemeinsam mit ihr neue Gebiete erkunden, neuen Monstern begegnen und neue Bekanntschaften schließen. Dabei greift die Autorin nun immer mehr der gezielt verteilten Hinweise aus den ersten beiden Bänden auf und führt die Handlung auf überraschende Weise in eine bereits angedeutete Richtung. Auch wenn ich die gesamte Reihe ja bereits kenne und theoretisch weiß, was passieren wird, konnte sie mich immer wieder überraschen und mit plötzlichen Wendungen an der Nase herumführen. Denn in den sechs Jahren, seitdem ich dieses Buch zuletzt gelesen habe, habe ich unfassbar viele Details und Verbindungen wieder vergessen, sodass es nun umso mehr Spaß macht, zu sehen, wie sich vor meinen Augen wieder das komplexe Handlungskonstrukt enthüllt, dem ich bis zum actionreichen, dramatischen und unglaublich mitreißenden Schluss nur gebannt folgen konnte.

"Sie würde ihr Licht, ihre Gabe in die Welt tragen, würde in der Dunkelheit so hell leuchten, dass alle, die verirrt oder verletzt oder gebrochen waren, den Weg zu ihr finden würden, ein Leitstern für diejenigen, die noch immer in diesem Abgrund steckten. Es würde kein Ungeheuer nötig sein, um ein Ungeheuer zu vernichten, sondern Licht. Licht, um die Dunkelheit zu vertreiben."

Auch der Aspekt der Magie, der bislang nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat, da sie in Ardalan nicht mehr gewirkt werden kann, tritt hier mehr in den Vordergrund und ergänzt die Geschichte perfekt und schlüssig. Während die Reihe bisher durch den klassischen Fantasy-Aufbau noch recht einfach war, beginnt die Reihe nun ihre ganz besondere, düster-magische Atmosphäre zu entwickeln. Über Sarah J. Maas´ Schreibstil habe ich schon seitenweise Lobreden geschwungen, die ich eigentlich nur wiederholen kann. Ihre große Stärke ist es, dass sie auch bei komplexen Worldbuildings, vielen Figuren und unübersichtlichen Actionszenen nie das Wesentliche aus den Augen verliert, einzelne interessante Aspekte gekonnt herausspickt und präzise weiterentwickelt. Wie für ihre Geschichten gibt es auch für ihren Schreibstil ein Wort, das ihr erstaunliches Talent, Worte in Sätzen so zu platzieren, dass sie der Geschichte ein imposantes und charakteristisches Auftreten verleihen, super beschreibt: EPISCH. Durch ihre teils sehr außergewöhnliche Wahl der Worte und intensive Szenenbeschreibung, fühlt man sich oft, als würde man einem Film zusehen, der vor den eigenen Augen abläuft. Ein wunderbarer Film voller Action, Gefühle und Hintergrund und mit genialen Schauspielern... Rückblickend hat sich ihr Schreibstil während der letzten Jahren etwas verändert und weiterentwickelt, doch auch bei ihrem ersten Buch hat sie stiltechnisch schon geglänzt!

"Die Narben....das waren nicht die Kennzeichen eines Opfers. Oh nein. Das waren die Trophäen eines Überlebenden."


Am meisten getragen wird die Geschichte aber natürlich durch die Protagonistin selbst - Celaena Sardothien, Ardalans Assassine, Liebhaberin von Luxus und Schönheit, in der zusätzlich ein uraltes Erbe schlummert. Jedes Mal, wenn ich ein Buch der ToG-Reihe zur Hand nehme, bin ich mehr davon überzeugt, dass sie die beste Fantasy-Protagonistin ist, die jemals existiert hat und beim Gedanken daran, welch langer Weg voller Schmerz, Opfer, Magie, Liebe, Freundschaft und Sieg noch vor ihr liegt, läuft mir ein Schauer über den Rücken und ich würde am liebsten sofort zum nächsten Band greifen und mich schnurstracks auf diese Reise machen.

In diesem dritten Teil hat sie sehr mit den psychischen Auswirkungen der entsetzlichen Ereignisse aus Band 2 zu Kämpfen, die tiefe Spuren in ihrer ohnehin schon geplagten Seele hinterlassen haben. Nun muss sie in einer fremden Umgebung mit den traumatischen Erinnerungen an den Mord ihrer Eltern vor 10 Jahren, ihrer Vergangenheit in den Salzminen von Endovier, dem blutigen Verlust ihrer besten Freundin und der Verantwortung als Königin von Terrasen fertig werden. Nicht gerade hilfreich dabei ist, dass sie von der Fae-Königin Maeve unter Druck gesetzt wird, ihre Gaben und somit ihre Bestimmung als Königin zu akzeptieren, die sie längst in sich begraben hat. Mir hat sehr gut gefallen, dass die Autorin hier betont, dass solche Dinge selbst an Buchheldinnen nicht spurlos vorbeigehen könenn und sich Zeit nimmt, ihre Vergangenheit zu verarbeiten und neue geistige Stärke zu finden, bevor sie ihre Protagonistin in noch größere Herausforderungen und einen großen Krieg schickt. Auf 656 Seiten dürfen wir hier beobachten, wie sie Schritt für Schritt neue Kraft und Motivation findet, auch dem großen Abgrund in sich selbst klettert und langsam ihr Schicksal als Aelin Ashryver Galathynius annimmt. Ich liebe diese Entwicklung so sehr!!!

"Sie war die Erbin von Asche und Feuer und sie würde sich vor niemandem verbeugen!"

Eine Schlüsselfigur in dieser positiven Entwicklung, wenn auch nicht der alleinig ausschlaggebende Grund ist Rowan, der Elite-Fae-Kämpfer, der dazu ausgewählt wurde, sie zu trainieren um ihre Magie kontrollieren zu können. Schon beim ersten Lesen habe ich mich in diesen unsterblichen Fae-Krieger mit seiner grüblerischen Coolness verliebt und auch jetzt ist er mir wieder sehr ans Herz gewachsen. Ich hatte allerdings ganz vergessen, dass die Autorin ihn gar nicht sofort als neuen Love Interest einführt, sondern er Celaena zunächst als Freund in einer schwierigen Zeit zur Seite steh. Nach einer schwierigen Phase, in der die beiden erstmal warm werden müssen, entwickelt sich langsam zwischen den beiden ein ganz besonderes Verhältnis, das auf gegenseitigem Respekt und Vertrauen beruht ... und vielleicht auch auf ein bisschen mehr...

"Er streckte die Hand aus. "Dann also gemeinsam." Sie blickte auf den narbenübersäten, schwieligen Handteller, dann in das tätowierte Gesicht voll Hoffnung. Jemand, der sie verstehen konnte - der wusste, wie es war, tief im Innersten verletzt zu sein, jemand, der selbst noch dabei war, Millimeter um Millimeter aus seinem Abgrund zu klettern. Vielleicht würden sie nie herauskommen, vielleicht würden ihre Wunden nie ganz verheilen, aber ... "Gemeinsam", bekräftigte sie und ergriff seine ausgestreckte Hand. Da begann tief in ihrem Herzen die Asche zu glühen."

Auch die anderen Hauptfiguren wie Dorian oder Chaol spielen nach wie vor eine Rolle, auch wenn ihr Handlungsstrang für mich leider mit der Zeit der uninteressanteste wurde. Durch die beiden haben wir weiterhin den Einblick, was in Ardalan vor sich geht und erfahren von einer Allianz aus Rebellen, die sich gegen den König formiert - angeführt von Aedion, Celaenas loyalem Cousin, mit dem ich ebenfalls erstmal wieder warm werden musste. Unterdessen wird Chaols Freundschaft zu Dorian durch die immer stärkere Kluft und angespanntere Fronten auf eine harte Probe gestellt als beide entscheiden müssen, auf welcher Seite sie in Zukunft stehen und für wen sie kämpfen werden. Mit Dorians Versuchen, seine magischen Kräfte in den Griff zu bekommen, um sie vor seinem blutrünstigen Vater verstecken zu können, seinem Kennenlernen der jungen Heilerin Sorscha und Chaols Forschungen nach dem Verschwinden der Magie läuft dieser Handlungsstrang auf ein tragisches Ende zu, das ich dieses Mal habe kommen sehen, das aber trotzdem sehr weh getan hat.

"Eyllwe", flüsterte Chaol. "Schick eine Nachricht nach Eyllwe. Sag ihnen, sie sollen durchhalten - sie sollen sich bereit machen." Vielleicht war es das Licht, vielleicht war es die Kälte, aber Aedion hätte schwören können, dass der Captain Tränen in den Augen hatte, als er hinzufügte: "Sag ihnen, es ist Zeit zurückzuschlagen!"


Neu sind neben Rowan und Aedion auch die drei verschiedenen Clans der Ironteeth-Hexen, welche den dritten wichtigen Handlungsstrang darstellen. Aus der Sicht der Hexe Manon Blackbeak, bekommen wir einen Einblick in die Pläne des Königs in der Ferianschlucht. Schon seit Band 1 freue ich mich wahnsinnig auf den Start dieses Handlungsstrangs und mein Wiedersehen mit Manon und ihrer Dreizehn - eine über Jahrhunderte zusammengeschweißte Kampfgruppe, ein Zirkel voller interessanter Charaktere und eiskalter Präzession! Überrascht hat mich dann wieder, wie gefühlslos, kalt und grausamen die Hexen zu Beginn dargestellt werden und welchen weiten Weg Manon noch vor sich hat, bis sie zur Heldin wird, die ich in Erinnerung hatte. Trotzdem wurde ihre Perspektive schon nach kurzer Zeit zu meinem Lieblingshandlungsstrang.

"Sie preschten über ein Meer aus Wolken und Abraxos hieb seine Krallen hinein, bevor er sich zur Seite fallen ließ, um eine vom Wind geformte Wolkensäule hochzujagen, höher und höher, bis er ihre Spitze erreichte und sich von seinen Flügeln durch den eiskalten, dünnen Himmel tragen ließ. Die Welt blieb für eine Sekunde stehen. Dann breitete Manon ihre Arme aus und kostete den freien Fall aus, der Wind jetzt Musik in ihren Ohren und in ihrem verkümmerten Herzen."


Denn mit den Ironteeth Hexen halten auch die Wyvern wieder Einzug in die Geschichte! Gezüchtete, drachenähnliche Flugmonster, die als ein reines Kriegsobjekt, auf dem die Ironteeth-Hexen in den Krieg ziehen sollen. So ist das zumindest gedacht. Doch was keiner erwartet hat: Ausgerechnet die angeblich herzlosen Hexen bauen enge Verbindungen zu ihren Reittieren auf und behandeln sie wie Gefährten. Als Manon einem kleinen, verkrüppelten Ködertier begegnet und er sie durch Zufall rettet, wählt sie ihn entgegen allen Spottes kurzerhand für sich aus und nennt ihn Abraxos nach der großen Schlange, die die Welt verschlingen wird. Und schon bald stellt sich das als sehr gute Entscheidung heraus, denn in dem kleinen Tier steckt ein großer Krieger mit viel Mut, Liebe, Mitgefühl und einer Vorliebe für Blumen, in die er immer seine Nase steckt. Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich jetzt auf die folgenden Bände freue!!!

"Eine Sekunde lang, mitten im rhythmischen Stampfen um sie herum, das sich so anfühlte, als ob der Berg selbst seine geisterhaften Schwingen ausbreitete, fand Manon, es wäre gar nicht so schlimm zu sterben. Allerdings mit ihm zusammen, nicht allein. "Du gehörst zu den Dreizehn", sagte sie zu Abraxos. "Von jetzt an bis die Finsternis uns scheidet. Du gehörst zu mir und ich gehöre zu dir. Und jetzt zeigen wir ihnen, warum."



Fazit:


In "Throne of Glass - Erbin des Feuers" geht die Reihe vielschichtig, atmosphärisch und berührend weiter. Zwar hat dieser dritte Band im ersten Drittel leichte Überlänge, dennoch entfaltet sich in dieser düsteren Fortsetzung, die sehr viel mit den inneren Dämonen ihrer Charaktere spielt, nun endlich die epische Magie, die diese Reihe zu einer meiner absoluten All-Time-Favorites macht!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.11.2023

Völlig skurril, dabei aber herrlich unterhaltsam, einfallsreich und charmant!

Weit über der smaragdgrünen See
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"Weit über der smaragdgrünen See" von Brandon Sanderson ist erst am 2. November als das erste von mehreren Geheimprojekten des Bestsellerautors bei Piper erschienen. Da ich schon so viele Worte des Lobes ...

"Weit über der smaragdgrünen See" von Brandon Sanderson ist erst am 2. November als das erste von mehreren Geheimprojekten des Bestsellerautors bei Piper erschienen. Da ich schon so viele Worte des Lobes über den Autor gehört habe, mich die Länge seiner Reihen aber immer ein bisschen abgeschreckt hat, habe ich nun diesen Einzelband als Gelegenheit genutzt, mal etwas von dem Autor zu lesen. Und schon nach wenigen Kapiteln habe ich verstanden, weshalb Brandon Sanderson als Science-Fiction und Fantasy-Phänomen gefeiert wird: Die Geschichte, die er hier erzählt ist zwar völlig skurril, dabei aber herrlich unterhaltsam, einfallsreich und charmant geschrieben!

Bevor ich mich ganz dem Inhalt widme ein paar Worte zur Gestaltung des Buches: Ich bin ein großer Fan!!! Angefangen mit dem toll gestalteten Cover in smaragdgrüner Farbe mit passenden Farbakzenten in Schwarz und Gold, bis hin zum Innenleben ist dieses Buch ein Gesamtkunstwerk. Auf dem Cover zu sehen ist ein Mädchen - unsere Hauptfigur Tress -, die mit einer ihrer geliebten Tassen in den Hand und wehenden Haaren auf einem Felsen in einem schimmernden Meer steht und nach dem von Ranken umwobenen Mond greift. Damit werden eigentlich dem Originalcover folgend alle wichtigen Motive der Geschichte gelungen aufgegriffen und durch die Farbauswahl wirkt die Komposition zudem sehr edel. Auch die Innenseiten der Buchdeckel sind mit dem wilden Rankenmuster und den beiden Tassen (inklusive einer Ratte) detailreich und passend gestaltet. Damit beginnt die tolle Gestaltung allerdings erst und ich könnte vermutlich meine gesamte Rezension nur damit zubringen, über die Details zwischen den beiden Buchdeckeln zu schwärmen. Zunächst ist die Geschichte durch schön gestaltete Trennblätter in 6 Teile geteilt. Zusätzlich gibt es 64 Kapitel, die immer mit einem passenden Symbol beginnen. Dieses passt sich optisch dem Meer an, auf dem sich die Figuren gerade befinden und wächst außerdem über die Handlung hinweg immer weiter an. Und dann sind da ja natürlich auch noch die Illustrationen von Howard Lyon. Egal ob ein kleines Detail am Ende eines Kapitels oder eine halbseitige, ganzseitige oder zweiseitige Zeichnung - die schwarz-weißen Illustrationen sind atmosphärisch und passen ganz wunderbar zur Geschichte!

Erster Satz: "Auf einem Felsen mitten im Ozean lebte ein Mädchen."

Mit diesen Worten beginnt diese einzigartige Mischung einem Märchen und einem Piratenabenteuer in einer Science-Fiction-Welt mit Fantasy-Elementen. Im Endeffekt handelt es sich hier beim Aufbau der Geschichte um eine klassische Heldenreise - nur dass hier die "holde Maid" ihren Traumprinzen rettet und nicht umgekehrt. Auf über 500 Seiten verfolgen wir hier, wie Tress ihre Heimat verlässt, über die gefährlichen Meere zieht, sich dabei in allerlei Gefahren verstrickt und sich auf ein wildes Abenteuer begibt, das Seemonster, Geheimexperimente, Meutereien, eine sprechende Ratte, einen Drachen und eine böse Zauberin beinhaltet. Eine Wendung am Ende der Geschichte habe ich schon lange vor ihrer Enthüllung geahnt und auch der grobe Aufbau ist durchaus bekannt, insgesamt fand ich die Geschichte dank ihrer explosiven Mischung aus spannenden Themen und Motiven aber herrlich originell und unvorhersehbar. So konnte mich "Weit über der smaragdgrünen See" trotz zwischenzeitlich leichter Längen durchweg abholen und gefangen nehmen.

"Gefahr machte eine Sache nicht weniger schön - vielmehr hat sie eine verstärkende Wirkung. So wie eine Kerze in der finstersten Nacht am hellsten wirkt. Tödliche Schönheit ist die reinste Schönheit. Und ihr werdet nie eine berauschendere, hinreißendere Mörderin finden als das Meer."

Die wirkliche Besonderheit der Geschichte ist allerdings, dass sich abenteuerliche Handlung vor einer ungewöhnlichen Kulisse abspielt. Brandon Sanderson entführt hier in eine Welt, die im Schatten mehrerer Monde existiert, welche konzentrierten Äther in Form von Sporen auf die Erde niederregnen lassen. Diese Sporen sammeln sich in zwölf verschiedenfarbigen Ozeanen und reagieren stark auf Wasser. Während grüne Sporen beispielsweise zu wilden Ranken auskeimen, explodieren rote zu spitzen Kristallen - ein Umstand, der einem als Seefahrer auf diesen Ozeanen durchaus zum Verhängnis werden kann. Die Menschen wohnen deshalb auf Inseln und schützen sich mit Salz oder Silber vor den Sporen, die tödlich sein können, wenn sie am eigenen Körper mit Flüssigkeit reagieren. Unsere Protagonistin Tress kommt im Laufe ihres Abenteuers aber durch ihre Aufgabe als Schiffskeimerin darauf, die Sporen und deren besondere Eigenschaften für ihre Zwecke zu nutzen und kreiert interessante Apparaturen, die das Magiesystem noch interessanter machen.

"Der grüne Mond hielt oben Wache und nahm ein gutes Drittel des Himmels ein. Ich fand es oft seltsam, dass die Leute der Sporenmeere so selten zu ihren Monden aufsehen. Als ich diesen Planeten das erste Mal betrat, konnte ich nicht umhin, sie anzustarren. Die Art und Weise wie sie so tief über allem schweben hat etwas Bösartiges. Wo sich die Monde anderer Planeten an den Wänden herumdrücken und darauf warten, zum Tanzen aufgefordert zu werden, stehen diese hier bereits auf der Tanzfläche - und tragen Pailletten."

Wäre das noch nicht originell genug, mischt der Autor die recht schlicht entwickelte, technologielose Welt mit Personen von fremden Sternen, die neumodische Elektronik mit sich bringen und die Eingeborenen des Planeten an Magie glauben lassen. Alles in allem empfand ich dieses Worldbuilding als etwas verwirrend, aber durchaus sehr originell und einfach mal etwas anderes. Allerdings wird immer nur erklärt, was aktuell für die Geschichte von Bedeutung ist und viele Teile der Welt und des Universums bleiben unerforscht. Beim Lesen kamen mir noch viele Fragen, die nicht beantwortet wurden und bei genauerem Nachdenken gab es auch immer wieder kleinere Details, die für mich keinen Sinn ergaben (Zum Beispiel: Wo kommt das Grundwasser her, wenn der Regen immer gleich mit den Sporen reagiert? Wovon ernähren sich die Möwen, die es über dem Sporenmeer gibt? etc.). Besonders der größere Kontext, in den diese Welt eingebettet ist, blieb mir ein Rätsel. Ich nehme stark an, dass das daran lag, dass ich viele der Anspielungen als Neuling im Brando-Sando-Universum einfach nicht verstanden und viele der Namen und Figuren nicht wiedererkannt habe, die in anderen Reihen des Autors eine Rolle spielen.

"Wenn Männer das Mädchen beschrieben, sagten sie häufig, seine Haare hätten die Farbe von Weizen. Andere meinten, sie hätten eher die Farbe von Karamell oder manchmal auch die Farbe von Honig. Das Mädchen fragte sich, weshalb Männer Frauen so oft mit Essbarem beschrieben. In diesen Männern steckte ein Hunger, dem es lieber aus dem Weg geht."

Komplettiert wird der spezielle Leseeindruck aus spannender Handlung und originellem Worldbuilding durch die besondere Erzählperspektive des Romans. Statt aus der Perspektive unserer Hauptfigur Tress zu erzählen, hat der Autor den Schiffjungen Hoid als Erzählstimme gewählt. Da dieser nach einem Zusammentreffen mit der Zauberin seinen Verstand verloren hat, ist der Erzählton dieses Abenteuers dementsprechend absurd und heiter. Er spricht uns LeserInnen immer wieder direkt an, macht unpassende Witze, holt zu aberwitzigen Anekdoten aus oder bringt in der Erzählreihenfolge etwas durcheinander. Im Nachwort schreibt der Autor, dass er noch vorhat, einen weiteren Roman über Hoid zu schreiben und sich hier an seine Erzählstimme herantasten wollte, ich nehme also an, dass er als Figur im Brando-Sando-Universum auch sonst eine Rolle spielt. Für mich hat dieses von ihm als allwissender Erzähler ausgebreitete Abenteuer auf jeden Fall schonmal dazu geführt, gerne mehr über ihn erfahren zu wollen.

"Vielleicht wundert ihr euch, das ich, euer bescheidener Geschichtenerzähler, ein solches Aufhebens darum mache. Tress hielt inne, fragte sich, ob sie voreilige Schlüsse gezogen hatte, und beschloss, noch einmal darüber nachzudenken? Das ist doch nichts Besonderes, oder? Falsch. So falsch, dass es einem die Seele zerreißt. Weltenbringer wie ich durchforsten jahrzehntelang Volkssagen, Heldensagen, Mythen, Chroniken und Lieder betrunkener Tavernengäste auf der Suche nach den einmaligsten Geschichten. Wir spüren Tapferkeit, Schlauheit und Heldenhaftigkeit auf. Und wir finden keinen Mangel an derlei Tugenden. Heldensagen haben davon einen blödsinnigen Überfluss. Aber ein Mensch, der willens ist, seine Annahmen zu überdenken? Eine Heldin, die sich ernsthaft daranmacht, ihr Leben neu zu bewerten? Nun, das ist ein Juwel, das wirklich glänzt, meine Freundinnen und Freunde."

Im Vordergrund steht trotz der ungewöhnlichen Erzählperspektive die junge Tress. Als vormals schüchternes Mädchen, dem es sehr schwerfällt, anderen Umstände zu bereiten, hat sie es unter Piraten erstmal nicht leicht und macht im Laufe der Geschichte eine enorme Entwicklung durch. Dabei glänzt sie mit ihrer liebenswerten Mischung aus Naivität und Neugier sowie ihrer erstaunlich großen Portion Menschenverstand. Ich denke ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass es sich bei ihr um den am besten von einem männlichen Autor geschriebenen weiblichen Charakter handelt, den ich dieses Lesejahr kennenlernen durfte. Auch die Nebenfiguren konnten mich mit viel Einfallsreichtum und Charme überzeugen. Sei es die Schiffzimmermännin Ann, die gerne Kanonen abfeuern würde, aber nicht zielen kann, der furchtbar schlechte Schiffskoch Fort, der über ein magisches Brett kommuniziert, die redselige Ratte Huck, die Steuerfrau Salay, die fest davon überzeugt ist, dass Tress eine Agentin des Königs ist - man muss sie einfach alle ins Herz schließen! Umso mehr gefreut hat mich, dass die Geschichte nach 514 ereignisreichen Seiten für alle ein gelungenes Ende bereithält!

"Wir schaffen alle unsere eigenen Überlieferungen, unsere eigenen Mythen, jeden Tag. Unsere Erinnerungen sind wie Balladen, und wenn wir sie bei jedem Aufsagen etwas abwandeln... nun, dann geschieht das alles im Namen größerer Dramatik. Die Vergangenheit ist ohnehin langweilig. Wir tun immer so, als wären die Ideale und Kulturen der Vergangenheit wie Wein gereift, aber in Wahrheit altern die Gedanken der Vergangenheit eher wie Kekse. Sie werden ganz einfach fad."




Fazit:


Ein völlig skurril, dabei aber herrlich unterhaltsam, einfallsreich und charmantes Piratenabenteuer in einer Science-Fiction-Welt mit Fantasy-Elementen wie Seemonstern, gefährlichen Sporen-Ozeanen, Geheimexperimenten, einem Drachen und einer bösen Zauberin. "Weit über der smaragdgrünen See" überzeugt mit liebenswerten Figuren, einer ungewöhnlichen Erzählperspektive, einem originellen Worldbuilding und einer fesselnden Handlung!

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Veröffentlicht am 06.11.2023

Ein gelungenes Spin-Off, das an die Atmosphäre und Magie der Tintenwelt-Trilogie anknüpfen kann

Tintenwelt 4. Die Farbe der Rache
0

Als ich gesehen habe, dass Cornelia Funke fast 20 Jahre nach Band 1 eine Fortsetzung ihrer Tintenwelt-Reihe angekündigt hat, war ich erstmal total euphorisch und habe die Leseprobe mit großer Begeisterung ...

Als ich gesehen habe, dass Cornelia Funke fast 20 Jahre nach Band 1 eine Fortsetzung ihrer Tintenwelt-Reihe angekündigt hat, war ich erstmal total euphorisch und habe die Leseprobe mit großer Begeisterung verschlungen. Hallo? Eine Fortsetzung einer Reihe, mit der ich so viele Kindheitserinnerungen verbinde? Einer Reihe, die mich erst zum Lesen gebracht hat? Und dann auch noch über meine Lieblingsfigur Staubfinger? Count me in!!!! Als dann erstmal für weitere drei Jahre nichts passiert ist, habe ich die Geschichte aber wieder aus den Augen verloren, sodass der Erscheinungstermin im Herbst 2023 für mich total überraschend kam. Nachdem ich geschwind einen Reread der dreibändigen Hauptreihe eingelegt habe, ging es dann im Urlaub leicht verspätet los mit "Die Farbe der Rache". 352 nostalgische Seiten später ziehe ich ein überwiegend positives Fazit.

Das Cover von "Die Farbe der Rache" ist ganz im Stil der Hauptreihe gehalten und passt optisch somit perfekt in die Reihe. Dass sich die Autorin vehement beim Verlag durchgesetzt und auf einen vom Reihenmuster abweichenden Titel bestanden hat, fand ich im Vorhinein etwas befremdlich (man hätte es ja auch "Tintenrache" oder "Tintenwelt" nennen können), im Nachhinein finde ich es aber sehr passend, dass der Titel sich etwas von der Reihe abhebt. Denn "Die Farbe der Rache" ist kein wirklicher Band 4 der Tintenweltreihe, sondern mehr ein Spin-Off, das sich liest wie ein stark verlängerter Epilog. Das ist allerdings überhaupt kein Problem, da ich aufgrund des Klapptextes und der eher geringen Seitenzahl sowieso genau damit gerechnet habe.

"Es hätte so gern von ihnen erzählt, das Buch, das so gut in einer Menschenhand passte. Denn dafür war es gemacht. Zu erzählen. Worte zu finden. Zu bewahren und zu erinnern, wenn das Vergessen kam. Aber das Grau hatte sie alle erstarren lassen wie farbloser Bernstein. Es hatte ihnen ihre Geschichten gestohlen und sie stumm gemacht."

Ich war ganz erschüttert, als ich erstmals gesehen habe, wie "kurz" die Geschichte ist. Mit ihren 352 Seiten hat sie beinahe halb so viele Seiten wie "Tintentod" und ist für Verhältnisse der Autorin sehr dünn. Wenn man bedenkt, dass Cornelia Funke eigentlich nur eine Kurzgeschichte für die Jubiläumsausgabe schreiben wollte, sich dann aber nicht von der Geschichte und ihren Helden trennen konnte, ist der Umfang eigentlich wieder im Rahmen. Nach wenigen Kapiteln habe ich dann aber bemerkt, dass die Endversion von "Die Farbe der Rache" deutlich weniger ausführlich und ausgeschmückt ist als die 2020 veröffentlichte Leseprobe und auch im weiteren Verlauf habe ich oftmals gedacht, dass die Geschichte meiner Meinung nach gerne noch einige zusätzliche Seiten vertragen könnte.

Doch beginnen wir am Anfang. Bevor die Geschichte ansetzt, hat die Autorin eine kurze Zusammenfassung der vorangegangenen Ereignisse aus der Tintenwelt-Trilogie angefügt. Diese ist allerdings wirklich sehr kurz und noch dazu aus Orpheus Sicht geschrieben, weshalb ich empfehle, die Reihe vorher nochmal zu lesen oder eine der vielen Zusammenfassungen im Netz zu lesen. Ich habe mich wie gesagt für den Reread entschieden und keine Sekunde davon bereut. Nach einer sehr kurzen Wiedereinfindungsphase bekommen wir schon den neuen Konflikt präsentiert: fünf Jahre nach dem Ende von "Tintentod" sinnt die Zauberzunge Orpheus nach Rache an denen, die seinen Plan durchkreuzt haben, aber vor allem an seinem Helden Staubfinger, der ihn so schändlich missachtet hat. Um ihm das Liebste zu nehmen und ihn leiden zu lassen, verbündet er sich mit einer dunklen Hexe und verbannt Mo, Meggie, Farid, Elinor, Darius, Fenoglio, Doria, Roxane und Briana mithilfe grauer Zaubertinte zwischen die Seiten eines kleinen Buches...

"Grau. Das war alles, was Meggie sah, hörte und fühlte. Grau. Es füllte ihr das Herz und die Augen, die Hände, die Ohren... Es war die Asche von allem, was sie je gewesen war. Meggie konnte nicht sagen, woher sie das wusste. Aber es war die Wahrheit. Ich habe alles verschlungen, wisperte das Grau. Es gibt nichts außer mir. Es hatte tausend Zungen und tausend Hände, die sie festhielten."


Mit neue Bedrohungen, einem altbekannten Bösewicht und liebgewonnenen Helden ausstaffiert konnte "Die Farbe der Rache" also eigentlich nur ein Lesevergnügen werden. Und das war es größtenteils auch. Die Rückkehr in die Tintenwelt nach so lange Zeit war großartig und allein um zu sehen, was unsere Hauptfiguren aus der Tintenwelt die letzten fünf Jahren seit dem Ende von "Tintentod" so getrieben haben, hat sich das Lesen definitiv gelohnt. Zudem wird hier das Setting wird hier erweitert durch einen Zauberwald und eine neue Stadt. Das täuscht alles sehr gelungen darüber hinweg, dass der Hauptkonflikt dieses Spin-Offs im Vergleich zur Trilogie eher etwas einfach gestrickt ist und gegen Ende auch etwas leicht und klischeehaft aufgelöst wird. Die Grundidee, Bilder und Worte gegenüberzustellen und diesmal eine Zaubertinte zum Ursprung allen Übels zu machen, hat mir aber gut gefallen und für mich auch gut in die Tintenwelt gepasst.

Überrascht hat mich, dass man der Geschichte deutlich anmerkt, dass sie fast 20 Jahre später als "Tintenherz" geschrieben wurde. "Die Farbe der Rache" ist deutlich modernen in seiner Sprache, im Gesellschaftsbild und in seinen Themen, hat aber dennoch nicht ihren alten Zauber verloren. Auch wenn die Atmosphäre hier nochmal deutlich düsterer, blutiger und brutaler als in der Hauptreihe, bleibt Cornelia Funkes Schreibstil blumig, bildhaft und geradezu märchenhaft. Die Autorin hatte schon immer ein gutes Händchen dafür, die richtige Mischung aus wunderschön und unheimlich zu finden, sodass es Kinder aber auch Erwachsene beim Lesen angenehm gruselt. Die düstere, zum Teil gefährliche Tintenwelt übt auf junge wie alte Leser eine unheimliche Faszination aus und durch peppige Ideen, wird es nie langweilig, egal was auch passiert. Zwischen den Zeilen geht es hier um Fantasie, die Flucht vor der Realität, Verrat und Freundschaft, Rache und Zusammenhalt und der Wunsch, etwas Besonderes zu sein, seine Heimat zu finden und verlorene Lieben wieder zutreffen. So begleitet uns trotz der abenteuerlichen Atmosphäre eines düsteren Märchens immer das Gefühl von Wärme und Geborgenheit, sodass sich das Buch vor allem in der kalten Jahreszeit gut lesen lässt.

“Alle Kunst beginnt mit Liebe, und Jehan liebte, was der Schoß der Erde barg. Schon als Kind hatte er nach Steinen gesucht, die einen Schimmer bargen, und er lebte in einer Welt, in der nicht bloß Flammen antworteten, wenn man mit ihnen sprach. Jehan hörte, was Gold, Silber, Kupfer und Eisen flüsterten. Deshalb formten sie alles, worum er sie bat."


Ebenfalls überrascht hat mich, dass hier gar nicht so sehr Staubfinger im Vordergrund steht, sondern mehr eine Vielzahl an Figuren. Genau wie in der Hauptreihe erzählt Cornelia Funke auch hier wieder aus der personalen Erzählperspektive in dritter Person und wechselt munter zwischen Haupt- und Nebenfiguren, sodass jeder Mal zu Wort kommt. Die vielen Erzählperspektiven gemischt mit dem geringen Umfang der Geschichte und dem recht hohen Erzähltempo sorgte hier aber leider dafür, dass gerade Staubfinger und der Schwarze Prinz - auf welche ich mich beide riesig gefreut habe - nicht so sehr zur Geltung kommen, wie das vielleicht möglich gewesen wäre. Besonders auf die Umsetzung von Staubfinger als Hauptfigur war ich hier sehr gespannt gewesen, da er mir in den vorherigen Bänden als tragischer Held mit Ambivalenz und Tiefe einfach ans Herz gewachsen ist. Auch wenn ich mich gefreut habe, mehr von ihm zu lesen, erfahren wir von ihm hier nicht wirklich etwas Neues und zwischenzeitlich verschwindet er auch sogar für mehrere Kapitel aus der Erzählung. Das fand ich sehr schade, das gerade seine schwierige Beziehung zu seinem Stiefsohn Jehan, der hier ebenfalls zu einem wichtigen Akteur wird, noch viel Potenzial für Entwicklungen gehabt hätte.

Auch den Schwarzen Prinzen konnte ich nach diesem Teil leider nicht viel besser greifen als zuvor und hätte gerne noch mehr von ihm gelesen. Ebenso von den bekannten Figuren aus der Trilogie wie Mo, Meggie, Farid, Elinor, Darius, Fenoglio, Doria, Roxane und Briana. Diese kommen hier leider nur am Rande vor, da sie die meiste Zeit der Geschichte in dem Buch eingesperrt sind. Stattdessen stellt die Autorin hier eine Menge neue Figuren vor wie die im Wald lebende Lilia, die böse Schattenleserin oder den Auftragsmörder Rinaldi, zu denen wir in der Kürze allerdings kaum eine so starke Bindung aufbauen können wie zu den anderen Figuren. Auch Orpheus, der durchaus das Zeug dazu hatte, zum vielschichtigen Bösewicht zu werden, entwickelt sich in meinen Augen zu rasant und verpasst Potenzial in dieser Fortsetzung, die durch ihre Kürze und ihr Tempo deutlich zu wenig Raum für ihre Figuren lässt. Ich komme also immer wieder zu einem Knackpunkt zurück: Das Buch ist zu kurz! Mit etwas mehr Umfang hätte der Konflikt komplexer, die Auflösung runder und die Figuren tiefer sein können. Hätte es diesen Band also gebraucht? Eigentlich nicht. War es trotzdem schön, in die Tintenwelt zurückzukehren. DEFINITIV!

“Geschichten, mein Herz, sind wie unsere Zelte: ein Zuhause, das man mit sich tragen kann.”



Fazit:


"Die Farbe der Rache" ist ein gelungenes Spin-Off, das an die Atmosphäre und Magie der Tintenwelt-Trilogie anknüpfen kann. Allerdings war das Buch deutlich zu kurz: Mit etwas mehr Umfang hätte der Konflikt komplexer, die Auflösung runder und die Figuren tiefer sein können.

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Veröffentlicht am 06.11.2023

Ein gelungenes Spin-Off, das an die Atmosphäre und Magie der Tintenwelt-Trilogie anknüpfen kann

Tintenwelt 4. Die Farbe der Rache
0

Als ich gesehen habe, dass Cornelia Funke fast 20 Jahre nach Band 1 eine Fortsetzung ihrer Tintenwelt-Reihe angekündigt hat, war ich erstmal total euphorisch und habe die Leseprobe mit großer Begeisterung ...

Als ich gesehen habe, dass Cornelia Funke fast 20 Jahre nach Band 1 eine Fortsetzung ihrer Tintenwelt-Reihe angekündigt hat, war ich erstmal total euphorisch und habe die Leseprobe mit großer Begeisterung verschlungen. Hallo? Eine Fortsetzung einer Reihe, mit der ich so viele Kindheitserinnerungen verbinde? Einer Reihe, die mich erst zum Lesen gebracht hat? Und dann auch noch über meine Lieblingsfigur Staubfinger? Count me in!!!! Als dann erstmal für weitere drei Jahre nichts passiert ist, habe ich die Geschichte aber wieder aus den Augen verloren, sodass der Erscheinungstermin im Herbst 2023 für mich total überraschend kam. Nachdem ich geschwind einen Reread der dreibändigen Hauptreihe eingelegt habe, ging es dann im Urlaub leicht verspätet los mit "Die Farbe der Rache". 352 nostalgische Seiten später ziehe ich ein überwiegend positives Fazit.

Das Cover von "Die Farbe der Rache" ist ganz im Stil der Hauptreihe gehalten und passt optisch somit perfekt in die Reihe. Dass sich die Autorin vehement beim Verlag durchgesetzt und auf einen vom Reihenmuster abweichenden Titel bestanden hat, fand ich im Vorhinein etwas befremdlich (man hätte es ja auch "Tintenrache" oder "Tintenwelt" nennen können), im Nachhinein finde ich es aber sehr passend, dass der Titel sich etwas von der Reihe abhebt. Denn "Die Farbe der Rache" ist kein wirklicher Band 4 der Tintenweltreihe, sondern mehr ein Spin-Off, das sich liest wie ein stark verlängerter Epilog. Das ist allerdings überhaupt kein Problem, da ich aufgrund des Klapptextes und der eher geringen Seitenzahl sowieso genau damit gerechnet habe.

"Es hätte so gern von ihnen erzählt, das Buch, das so gut in einer Menschenhand passte. Denn dafür war es gemacht. Zu erzählen. Worte zu finden. Zu bewahren und zu erinnern, wenn das Vergessen kam. Aber das Grau hatte sie alle erstarren lassen wie farbloser Bernstein. Es hatte ihnen ihre Geschichten gestohlen und sie stumm gemacht."

Ich war ganz erschüttert, als ich erstmals gesehen habe, wie "kurz" die Geschichte ist. Mit ihren 352 Seiten hat sie beinahe halb so viele Seiten wie "Tintentod" und ist für Verhältnisse der Autorin sehr dünn. Wenn man bedenkt, dass Cornelia Funke eigentlich nur eine Kurzgeschichte für die Jubiläumsausgabe schreiben wollte, sich dann aber nicht von der Geschichte und ihren Helden trennen konnte, ist der Umfang eigentlich wieder im Rahmen. Nach wenigen Kapiteln habe ich dann aber bemerkt, dass die Endversion von "Die Farbe der Rache" deutlich weniger ausführlich und ausgeschmückt ist als die 2020 veröffentlichte Leseprobe und auch im weiteren Verlauf habe ich oftmals gedacht, dass die Geschichte meiner Meinung nach gerne noch einige zusätzliche Seiten vertragen könnte.

Doch beginnen wir am Anfang. Bevor die Geschichte ansetzt, hat die Autorin eine kurze Zusammenfassung der vorangegangenen Ereignisse aus der Tintenwelt-Trilogie angefügt. Diese ist allerdings wirklich sehr kurz und noch dazu aus Orpheus Sicht geschrieben, weshalb ich empfehle, die Reihe vorher nochmal zu lesen oder eine der vielen Zusammenfassungen im Netz zu lesen. Ich habe mich wie gesagt für den Reread entschieden und keine Sekunde davon bereut. Nach einer sehr kurzen Wiedereinfindungsphase bekommen wir schon den neuen Konflikt präsentiert: fünf Jahre nach dem Ende von "Tintentod" sinnt die Zauberzunge Orpheus nach Rache an denen, die seinen Plan durchkreuzt haben, aber vor allem an seinem Helden Staubfinger, der ihn so schändlich missachtet hat. Um ihm das Liebste zu nehmen und ihn leiden zu lassen, verbündet er sich mit einer dunklen Hexe und verbannt Mo, Meggie, Farid, Elinor, Darius, Fenoglio, Doria, Roxane und Briana mithilfe grauer Zaubertinte zwischen die Seiten eines kleinen Buches...

"Grau. Das war alles, was Meggie sah, hörte und fühlte. Grau. Es füllte ihr das Herz und die Augen, die Hände, die Ohren... Es war die Asche von allem, was sie je gewesen war. Meggie konnte nicht sagen, woher sie das wusste. Aber es war die Wahrheit. Ich habe alles verschlungen, wisperte das Grau. Es gibt nichts außer mir. Es hatte tausend Zungen und tausend Hände, die sie festhielten."


Mit neue Bedrohungen, einem altbekannten Bösewicht und liebgewonnenen Helden ausstaffiert konnte "Die Farbe der Rache" also eigentlich nur ein Lesevergnügen werden. Und das war es größtenteils auch. Die Rückkehr in die Tintenwelt nach so lange Zeit war großartig und allein um zu sehen, was unsere Hauptfiguren aus der Tintenwelt die letzten fünf Jahren seit dem Ende von "Tintentod" so getrieben haben, hat sich das Lesen definitiv gelohnt. Zudem wird hier das Setting wird hier erweitert durch einen Zauberwald und eine neue Stadt. Das täuscht alles sehr gelungen darüber hinweg, dass der Hauptkonflikt dieses Spin-Offs im Vergleich zur Trilogie eher etwas einfach gestrickt ist und gegen Ende auch etwas leicht und klischeehaft aufgelöst wird. Die Grundidee, Bilder und Worte gegenüberzustellen und diesmal eine Zaubertinte zum Ursprung allen Übels zu machen, hat mir aber gut gefallen und für mich auch gut in die Tintenwelt gepasst.

Überrascht hat mich, dass man der Geschichte deutlich anmerkt, dass sie fast 20 Jahre später als "Tintenherz" geschrieben wurde. "Die Farbe der Rache" ist deutlich modernen in seiner Sprache, im Gesellschaftsbild und in seinen Themen, hat aber dennoch nicht ihren alten Zauber verloren. Auch wenn die Atmosphäre hier nochmal deutlich düsterer, blutiger und brutaler als in der Hauptreihe, bleibt Cornelia Funkes Schreibstil blumig, bildhaft und geradezu märchenhaft. Die Autorin hatte schon immer ein gutes Händchen dafür, die richtige Mischung aus wunderschön und unheimlich zu finden, sodass es Kinder aber auch Erwachsene beim Lesen angenehm gruselt. Die düstere, zum Teil gefährliche Tintenwelt übt auf junge wie alte Leser eine unheimliche Faszination aus und durch peppige Ideen, wird es nie langweilig, egal was auch passiert. Zwischen den Zeilen geht es hier um Fantasie, die Flucht vor der Realität, Verrat und Freundschaft, Rache und Zusammenhalt und der Wunsch, etwas Besonderes zu sein, seine Heimat zu finden und verlorene Lieben wieder zutreffen. So begleitet uns trotz der abenteuerlichen Atmosphäre eines düsteren Märchens immer das Gefühl von Wärme und Geborgenheit, sodass sich das Buch vor allem in der kalten Jahreszeit gut lesen lässt.

“Alle Kunst beginnt mit Liebe, und Jehan liebte, was der Schoß der Erde barg. Schon als Kind hatte er nach Steinen gesucht, die einen Schimmer bargen, und er lebte in einer Welt, in der nicht bloß Flammen antworteten, wenn man mit ihnen sprach. Jehan hörte, was Gold, Silber, Kupfer und Eisen flüsterten. Deshalb formten sie alles, worum er sie bat."


Ebenfalls überrascht hat mich, dass hier gar nicht so sehr Staubfinger im Vordergrund steht, sondern mehr eine Vielzahl an Figuren. Genau wie in der Hauptreihe erzählt Cornelia Funke auch hier wieder aus der personalen Erzählperspektive in dritter Person und wechselt munter zwischen Haupt- und Nebenfiguren, sodass jeder Mal zu Wort kommt. Die vielen Erzählperspektiven gemischt mit dem geringen Umfang der Geschichte und dem recht hohen Erzähltempo sorgte hier aber leider dafür, dass gerade Staubfinger und der Schwarze Prinz - auf welche ich mich beide riesig gefreut habe - nicht so sehr zur Geltung kommen, wie das vielleicht möglich gewesen wäre. Besonders auf die Umsetzung von Staubfinger als Hauptfigur war ich hier sehr gespannt gewesen, da er mir in den vorherigen Bänden als tragischer Held mit Ambivalenz und Tiefe einfach ans Herz gewachsen ist. Auch wenn ich mich gefreut habe, mehr von ihm zu lesen, erfahren wir von ihm hier nicht wirklich etwas Neues und zwischenzeitlich verschwindet er auch sogar für mehrere Kapitel aus der Erzählung. Das fand ich sehr schade, das gerade seine schwierige Beziehung zu seinem Stiefsohn Jehan, der hier ebenfalls zu einem wichtigen Akteur wird, noch viel Potenzial für Entwicklungen gehabt hätte.

Auch den Schwarzen Prinzen konnte ich nach diesem Teil leider nicht viel besser greifen als zuvor und hätte gerne noch mehr von ihm gelesen. Ebenso von den bekannten Figuren aus der Trilogie wie Mo, Meggie, Farid, Elinor, Darius, Fenoglio, Doria, Roxane und Briana. Diese kommen hier leider nur am Rande vor, da sie die meiste Zeit der Geschichte in dem Buch eingesperrt sind. Stattdessen stellt die Autorin hier eine Menge neue Figuren vor wie die im Wald lebende Lilia, die böse Schattenleserin oder den Auftragsmörder Rinaldi, zu denen wir in der Kürze allerdings kaum eine so starke Bindung aufbauen können wie zu den anderen Figuren. Auch Orpheus, der durchaus das Zeug dazu hatte, zum vielschichtigen Bösewicht zu werden, entwickelt sich in meinen Augen zu rasant und verpasst Potenzial in dieser Fortsetzung, die durch ihre Kürze und ihr Tempo deutlich zu wenig Raum für ihre Figuren lässt. Ich komme also immer wieder zu einem Knackpunkt zurück: Das Buch ist zu kurz! Mit etwas mehr Umfang hätte der Konflikt komplexer, die Auflösung runder und die Figuren tiefer sein können. Hätte es diesen Band also gebraucht? Eigentlich nicht. War es trotzdem schön, in die Tintenwelt zurückzukehren. DEFINITIV!

“Geschichten, mein Herz, sind wie unsere Zelte: ein Zuhause, das man mit sich tragen kann.”



Fazit:


"Die Farbe der Rache" ist ein gelungenes Spin-Off, das an die Atmosphäre und Magie der Tintenwelt-Trilogie anknüpfen kann. Allerdings war das Buch deutlich zu kurz: Mit etwas mehr Umfang hätte der Konflikt komplexer, die Auflösung runder und die Figuren tiefer sein können.

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