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Veröffentlicht am 20.10.2023

Abschied von Schloss Liebenberg

Schloss Liebenberg. Hinter dem goldenen Schatten
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Im dritten Teil der Reihe um die den Haushalt von Philipp Fürst zu Eulenburg ist die Zeit der Folgen von Handlungen und Geheimnissen angebrochen: der Fürst wird verhaftet, Hedda hat ihren Job verloren ...

Im dritten Teil der Reihe um die den Haushalt von Philipp Fürst zu Eulenburg ist die Zeit der Folgen von Handlungen und Geheimnissen angebrochen: der Fürst wird verhaftet, Hedda hat ihren Job verloren und sucht nach einer neuen Anstellung, Viktor fiebert der Prüfung seines Bruders Leander entgegen und Adelheid beginnt zu spüren, dass ein Spion im Schloss vermutet wir. Und dann ist da natürlich noch Opitz, der allen Dienstboten nach wie vor das Leben erschwert…
Thematisch geht es neben den in den ersten zwei Bänden begonnenen Intrigen und Geheimnissen vermehrt um Rache und Vergebung. Figuren, die zuvor unter Zugzwang standen, sehen sich nun mit Domino-Effekten ihrer Entscheidungen konfrontiert. Spannungsfelder von persönlichem Wohlergehen, Moral und politischen Auswirkungen tun sich auf und einfache, folgenlose Entscheidungen gibt wie auch im echten Leben nicht. Und selbst in vertraute Allianzen schleicht sich mehr und mehr Ungesagtes ein.
Ohne zu viel zu verraten, die diversen Handlungsstränge werden alle gut zum Abschluss gebracht und die jeweiligen Enden fühlen sich nicht erzwungen an, sondern eher wie das Ende eines Lebensabschnittes der Charakter. Besonders überrascht hat mich dabei Adelheids weiterer Lebensweg, das habe ich so nicht kommen sehen. (Und seien wir ehrlich, für Opitz haben wir uns alle etwas mehr gewünscht)
Wie für Hanna Caspian typisch findet sich auch hier eine gelungene Mischung aus Fakt und Fiktion, besonders schön sind dabei das ein oder andere Alltagsdetail, das auch häufige Leser historischer Romane überrascht. Ein Nachwort, in dem u.a. das spätere Schicksal des historischen Eulenburgs zusammengefasst wird, schließt das Ganze gut ab.
Alles in allem ein sehr fesselnder Abschluss einer spannenden Trilogie. Klare Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 18.09.2023

Ein Buch für angehende Wikinger

Wikinger
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Wohl jeder der jüngeren Generationen hat sich heutzutage irgendwo (seien wir ehrlich, zumeist online) Berufsberatung oder Karrierebibeln angesehen. Überaus passend also, dass nun endlich auch ein Karriereführer ...

Wohl jeder der jüngeren Generationen hat sich heutzutage irgendwo (seien wir ehrlich, zumeist online) Berufsberatung oder Karrierebibeln angesehen. Überaus passend also, dass nun endlich auch ein Karriereführer zur berühmtberüchtigen Wikingertätigkeit erscheint. Von A bis Z wird hier nicht nur das blutige Handwerk, sondern auch der dahinterstehende Alltag, von Wiege bis zur Bahre (und darüber hinaus) thematisiert. Detaillierte Übersichten von u.a. lohnender Dienstreiseziele bieten konkrete Hilfestellung für ehrgeizigen Wikingernachwuchs.
Haptisch und optisch macht dieses humorvoll als Karriereführer gestaltetes Sachbuch einen guten Eindruck. Die Kapitel sind mit Sinn und Verstand gegliedert und verweisen locker aufeinander. Zugegeben, mir persönlich erschien die Kombination aus salopp-sarkastischen Kommentaren und gleichzeitigem Siezen des Lesers etwas sperrig, doch man gewöhnt sich daran. Ein besonderes Highlight bilden oftmals die Beschreibungen von eingefügten Bildern (z.B. von historischen Stätten oder dem, was wir heute Artefakte nennen) und vielfältige Zitate aus Chroniken und anderen zeitgenössischen Texten.
Leider gibt es einige technische Mängel: Neben Trennungs- und Rechtschreibefehlern und Dopplungen sind die fehlenden Bilder am Schwersten zu verkraften. Die zugehörigen Beschreibungen sind vorhanden, wecken Interesse – und dann fehlt die Abbildung. Vermutlich ist dies auf die Änderung des Formates von der ursprünglichen gebundenen Fassung hin zur Taschenbuchausgabe zurückzuführen, aber letztendlich spielt der Grund keine Rolle. Was bleibt, ist ein unschöner, unfertiger Eindruck.
Dem gegenüber fällt meine inhaltliche Kritik geringer aus. Zum einen wird relativ am Anfang erwähnt, dass man zum Thema Berufe für Frauen ein späteres Kapitel zu Rate ziehen solle – doch dort wird dies kaum angesprochen und wenn, dann indirekt aus der Perspektive der Männerwelt. Da hätte man sich den fadenscheinigen Verweis auch sparen können. Zum anderen missfällt mir bei der Methodik des Erzählers, wie stark er bei dem Wert, den er erzählenden historischen Texten, insbesondere Sagas, für die Realität der Wikinger zuschreibt, schwankt. Mal entsprechen sie klar nicht der Wirklichkeit, dann doch wieder, oder sind sie vielleicht doch eher nur unerreichbare Inspirationsquellen? Entweder wird ein angehender Wikinger hier haltlos verwirrt, oder aber die Illusion des Karriereführers wird durchbrochen. In letztem Fall wären wir bei Ansätzen geschichtswissenschaftlicher Quellenkritik, dann aber ist es wohl legitim zu bemängeln, dass das Buch inhaltlich nicht auf dem aktuellen Stand der Forschung ist bzw. an vielen Stellen veraltete Konzepte rezipiert.
Alles in allem ein spannend aufgemachtes Sachbuch, das für Laien geeignet ist, aber durch Abbildungen und zitierter Textpassagen auch über interessante Impulse für Kenner verfügt. Es sollte allerdings noch einmal überarbeitet werden.

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Veröffentlicht am 18.06.2023

Familie, Pflicht, Liebe und der Dreißigjährige Krieg

Das Erbe derer von Thurn und Taxis
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Der Krieg ist schon seit Jahren im Gange als der Zufall Gräfin Alexandrine von Taxis und Silas von Maringer, Sohn des Oberstallmeisters des Mainzer Kurfürstens, zusammenführt. Es funkt gehörig zwischen ...

Der Krieg ist schon seit Jahren im Gange als der Zufall Gräfin Alexandrine von Taxis und Silas von Maringer, Sohn des Oberstallmeisters des Mainzer Kurfürstens, zusammenführt. Es funkt gehörig zwischen den Beiden, doch Anstand und Erbregeln machen eine Verbindung unmöglich. Und so bahnen sich Alexandrine und Silas getrennt doch nie fernab voneinander einen Weg durch die Wirren des Dreißigjährigen Krieges.
Alexandrine von Taxis und ihre Kinder, deren Erbe sie tatkräftig verteidigt und erweitert, gab es wirklich, Silas ist der künstlerischen Freiheit der Autorin entsprungen. Beide seien hier als Beispiel für ein Phänomen angeführt, dass sich durch den gesamten Roman zieht: die gelungene Vermischung von Fakt und Fiktion. Das historische Gerüst wird mit bildlichen Alltagsdetails angereichert und vermittelt so das Gefühl einer realistischen, belebten Welt. Hierzu tragen nicht zuletzt die Nebencharaktere bei, die, egal ob sie wiederkehrten oder nur einmalig vorkamen, allesamt lebendig gestaltet waren. Bei den meisten der Hauptpersonen besteht eine eher realpolitische Einstellung was Konfessionen angeht.
Gelegentlich hatte ich den Eindruck, dass Silas Perspektive sich zu sehr um Alexandrine drehte bzw. sie zu seinem alleinigen Lebensmittelpunkt geworden ist, worüber er sich kaum um seine Familie kümmerte. Oder vielmehr nur, wenn diese ihn dazu aufforderte. Ansonsten galt ihm aus den Augen aus dem Sinn.
Auf die Gefahr hin zu spoilern, fast der gesamte Zeitraum des Dreißigjährigen Krieges wird hier erzählerisch abgedeckt, wobei Zeitsprünge und -raffungen natürlich unvermeidlich sind. Trotzdem entsteht nicht der Eindruck, dass man als Leser etwas Wichtiges „verpasst“ habe.
Zu Beginn findet sich ein Namensverzeichnis und am Ende des Romans ein hilfreicher Zeitstrahl mit den „Kernevents“ des Kriegs.
Alles in allem ein unterhaltsamer und bemerkenswert gut recherchierter historischer Roman, den in gerne weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 23.05.2023

Philosophische Abhandlung über das Übersetzen meets Sachbuch über Kolonialismus

Babel
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Das neuhochdeutsche Wort „verraten“ bedeutete ursprünglich „durch falschen Rat irreleiten“, und damit mir das keiner vorwerfen kann, sei hier vorneweg gesagt, dass das Buch wirklich gut geschrieben ist, ...

Das neuhochdeutsche Wort „verraten“ bedeutete ursprünglich „durch falschen Rat irreleiten“, und damit mir das keiner vorwerfen kann, sei hier vorneweg gesagt, dass das Buch wirklich gut geschrieben ist, mit einem schönen, bildlichen Schreibstil und vielschichtigen Charakteren. Mit dem Silberwerkt, das aus irgendeinem unerfindlichen Grund nicht im Klappentext erwähnt wird, schafft Kuang ein interessantes pseudo-wissenschaftliches Magiesystem, welches auf Sprachwissenschaft fußt.
Die Einführung in das alternative Oxford der späten 1830er und die Handlung an sich ist verständlich geschrieben. Tatsächlich ist dies einer der wenigen Romane, die zu Recht „dark academia“ genannt wird, da die Etymologie und Übersetzungstheorie einen großen Bestandteil ausmachen. Es ist definitiv keins der Bücher, die willkürlich eine Uni als setting verwenden, das Studium des Protagonisten Robin Swift ist gewissermaßen Dreh- und Angelpunkt der Handlung. Allerdings wirken die Passagen, die sein Leben und seine Beziehung zu seinen Freunden während der Studienzeit erzählen seltsam gerafft. Es finden Zeitsprünge statt, aber das entschuldigt nicht, dass Vieles lediglich zusammengefasst und dem Leser zu oft die Möglichkeit des Miterlebens genommen wird. Beispielsweise hätten konkrete Szenen, in denen der Zusammenhalt und eventuell ein gemeinsames Problemlösen der vier Hauptcharakter zum Ausdruck kommt einiges dazu beigetragen, die Freundschaft glaubwürdiger und plastischer zu machen. Aus den Figuren und Figurenkonstellationen hätte man deutlich mehr herausholen können. Richtige Spannung kam für mich erst im letzten Drittel auf.
Vielleicht aber ist genau das mein Problem mit dem Roman: im Mittelpunkt stehen nicht die Figuren oder das Silberwerk sondern die Themen Imperialismus und Rassismus (mit Spuren von Feminismus). Ein Fan historischer Fantasy kommt nicht auf seine Kosten, aber eine alternative Geschichte ist es auch nicht und erst recht kein historischer Roman. Tatsächlich sind historische Sachverhalte stark vereinfacht und dadurch öfters fehlleitend verzerrt. Gleichzeitig werden bspw. rassistische Mikro- und Makroaggressionen mit nur dargestellt, sondern so ausgiebig reflektiert dass man sich fragt, ob die Autorin die Leserschaft für begriffsstutzig hält. Da hätte ich mir etwas mehr Subtilität gewünscht.

Alles in allem ein durchaus lesenswerter Genremix, der mich allerdings nicht überzeugen konnte.

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Veröffentlicht am 23.05.2023

Einblick in bürgerliche Alltagsärgernisse vor über 100 Jahren

Ein bisserl schimpfen ein bisserl räsonieren
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In „Ein bisserl schimpfen, ein bisserl räsonieren“ hat Stefan Franke eine Auswahl an Lese/Beschwerdebriefen von 1909-1915 aus einer österreichischen Zeitung, der „Wiener Hausfrau“, zusammengestellt. Die ...

In „Ein bisserl schimpfen, ein bisserl räsonieren“ hat Stefan Franke eine Auswahl an Lese/Beschwerdebriefen von 1909-1915 aus einer österreichischen Zeitung, der „Wiener Hausfrau“, zusammengestellt. Die Briefe sind in 11 thematische Kategorien eingeteilt und zeichnen sich allesamt durch eine sehr höfliche Form des Beschwerens aus. Im Mittelpunkt stehen oftmals Aspekte, die auch heute immer wieder Konflikte aufkommen lassen, von der mangelhaften Hygiene anderer Personen, fehlerzogenen Kindern (und Ehemännern), Mode bis hin zu öffentlichen Verkehrsmitteln.
Manche Klagen könnten der Gegenwart entstammen, andere hingegen offenbaren Missstände des historischen Alltags, die wir glücklicherweise hinter uns gelassen haben. Der eine oder andere Leserbrief sprüht geradezu vor Tatendrang, nicht selten werden konstruktive Vorschläge vorgestellt und argumentiert, wie ich es in heutigen Leserbriefen vermisse.
Mit Farbschnitt, geringer Größe, festem Einband und den kurzen Lese-Etappen ist das Buch ein hübscher und amüsanter Reisegefährte.
Alles in allem eine sehr kurzweilige Lektüre, perfekt zum Lesen „zwischendurch“ und durch die schöne Optik sicher auch ein gutes Geschenk.

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