Profilbild von _LeseZeit_

_LeseZeit_

Lesejury Profi
offline

_LeseZeit_ ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit _LeseZeit_ über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.05.2023

Wundervoll erzählt, aber leider zu wenig erlebbar

Babel
3

„Wörter haben keine Bedeutung, wenn niemand da ist, der sie versteht.“

- Rebecca F. Kuang, Babel -

~~~~~

Zum Inhalt:

1829. England gründet seinen Erfolg als stärkste Kolonialmacht auf der Magie des ...

„Wörter haben keine Bedeutung, wenn niemand da ist, der sie versteht.“

- Rebecca F. Kuang, Babel -

~~~~~

Zum Inhalt:

1829. England gründet seinen Erfolg als stärkste Kolonialmacht auf der Magie des Silberwerkens. Hierfür rekrutiert es bereits in jungen Jahren Muttersprachler aus den Kolonien, die es im Sinne des Empires aufzieht und zur Elite am Institut für Übersetzung – Babel – ausbildet. Doch England hat sie in vielerlei Hinsicht unterschätzt...


~~~~~

Meine Eindrücke:

Babel ist das erste Buch, das ich von Rebecca F. Kuang gelesen habe.

Von Beginn an war ich begeistert von ihrer einnehmenden Erzählstimme. Ähnlich wie bei einer angenehmen Vorlese-Stimme, der man ewig lauschen möchte. Es gelingt der Autorin leicht, große Zeitspannen zusammenzufassen, Gedankengänge mit Rückblenden zu verbinden und geschichtliche Ereignisse, wie aus dem Ärmel geschüttelt einfließen zu lassen.

Gleichzeitig liegt hier aber auch mein größter Kritikpunkt. Denn ich fand es unglaublich schade, dass sich die Autorin stellenweise im Erzählen verlor und es über den gesamten Roman hin nicht geschafft hat, das Erzählte durch mehr Dialoge und Interaktion ihrer Charaktere auch erlebbar zu machen. Ja, es gab definitiv actionreiche und spannende Szenen, auch Wortgefechte. Nein, ich war zu keiner Zeit emotional abgehängt. Aber es blieb immer eine gewisse Distanz.

Für mich wurde hier das Potenzial verspielt, den Roman herausragend zu machen. In vielerlei Hinsicht ist er besonders.

Er ist weniger ein Fantasy-Roman, sondern vielmehr ein „historischer“ Roman, der in der Magie des Silberwerkens Erklärungen für die Geschichte fand: Den technischen Fortschritt der industriellen Revolution zum Beispiel und den Einfluss Englands als Kolonialmacht. Dabei sind die historischen Fakten so sehr mit der Fiktion verwoben, dass eine einzigartige Symbiose entsteht, die die Grenzen verschwimmen und das Erzählte sehr realistisch werden lässt. Am Ende des Buchs hätte ich mir daher ein Nachwort gewünscht, das noch einmal die Grenzen zwischen Realität und Fiktion zieht.

Die Idee, dass die Magie aus der Kraft der Sprache, beziehungsweise der Unzulänglichkeit von Übersetzungen herrührt, ist ebenso originell wie faszinierend. Auch die ausführlichen Exkurse in die Sprachwissenschaft empfand ich als sehr interessant und lehrreich, aber auch herausfordernd. Babel ist kein Buch für „zwischendurch“, sondern eines, das ungeteilte Aufmerksamkeit erfordert.

Tatsächlich aber auch verdient, denn Rebecca F. Kuang thematisiert Rassismus und Kolonialisierung hart und unverblümt, öffnet die Augen und übt Gesellschaftskritik.

Besonders war für mich auch der Protagonist und seine sehr authentisch erzählte Entwicklung im Romanverlauf: Robin Swift umfängt von Beginn an eine ausgesprochene Tragik, die bis zuletzt anhält. Geprägt von dem Verlust seiner kantonesischen Identität sowie einem isolierten Aufwachsen, entwickelt er sich von einem zurückhaltenden, naiven Meister des Verdrängens, in einen selbstbewussten jungen Mann, der Missstände aufzeigt und für Gerechtigkeit und Frieden kämpft.

Viele gute Gründe also, die diesen Roman lesenswert machen…aber eben nicht herausragend.

~~~~~

Mein Fazit:

Babel ist ein „historischer“ Roman mit magischen Elementen, der wundervoll erzählt ist, bewegt und nachdenklich stimmt, indem er Rassismus und Kolonialismus unverblümt thematisiert.

Ich habe ihn gern und durchaus fasziniert gelesen, empfand das Erzählte aber leider zu wenig erlebbar, um ihn herausragend nennen zu können.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 26.04.2023

So unglaublich aktuell, dass es schon fast unheimlich ist

Going Zero
0

Gerade erst wird in den Nachrichten von der Forderung nach klaren Regeln für den Umgang mit KI, Künstlicher Intelligenz, berichtet:
„KI sei im Alltag angekommen und werde unser Leben grundlegend verändern“, ...

Gerade erst wird in den Nachrichten von der Forderung nach klaren Regeln für den Umgang mit KI, Künstlicher Intelligenz, berichtet:
„KI sei im Alltag angekommen und werde unser Leben grundlegend verändern“, hieß es in der Tagesschau vom 16.04.2023. Und auch die Sorge, „dass sich die Macht dieser KI-Systeme in zu wenigen Händen, von kommerziellen Interessen orientiert, bündelt“ (Holger Hoos, KI-Forscher RWTH Aachen), passt wie die Faust aufs Auge zu diesem Thriller.

~~~~

Zum Inhalt:
Ausnahmslos JEDEN ausfindig machen, in Echtzeit verfolgen und dessen nächste Schritte voraussagen – das ist das Ziel von Fusion, dem Projekt von Tech-Milliadär Cy Baxter.
Die CIA stellt ihm die erste Kooperation mit dem Privatsektor in Aussicht. Letzte Hürde ist das Bestehen des Betatests Going Zero: 10 ausgewählte Personen tauchen gleichzeitig ab. Nach zwei Stunden Vorsprung beginnt die Jagd durch Fusion. Innerhalb von 30 Tagen müssen sie alle Zeros festgesetzt haben.
Eine der Kandidatinnen ist die Bibliothekarin Kaitlyn Day: unscheinbar, gewöhnlich, ein potenziell leichtes Ziel! Doch sie verfolgt einen ausgeklügelten Plan, spielt Katz und Maus mit Fusion. Es winken drei Millionen Dollar Prämie.
Doch dies ist nicht ihre einzige Motivation…


~~~~

Meine Eindrücke:

Ich bin sehr froh, dass ich trotz des optisch wenig ansprechenden Covers auf dieses Buch und diesen Autor gestoßen bin. Eine fesselnde Geschichte, mit einem mehr als aktuellem Thema, interessanten Persönlichkeiten und Akteuren… und einem hohen erzählerischen Wert. Trotz teils 7 zeilenlangen Sätzen bleibt der Schreibstil klar und leicht, durch detaillierte Gedankengänge und viele Perspektivwechsel die Erzählung mitreißend, die Handlung durch den Countdown und die Jagd spannend bis zum Schluss. Noch dazu erzählt in kurzen Kapiteln, fiel es mir sehr schwer, das Buch aus der Hand zu legen!

Und ich kann mir nicht helfen: den Drehbuchautor in Anthony McCarten merkt man diesem Roman an. Die szenische Erzählweise, die detaillierten Beschreibungen von Bewegungen und Umgebung, den Sinn für Dramaturgie – sie werteten diesen Thriller noch einmal auf.

Geschickt werden die verschiedenen Standpunkte bezüglich des technologischen Fortschritts bei künstlicher Intelligenz in Form von verschiedenen Charakteren beleuchtet und das Hinterherhinken von Regierungsbehörden verglichen mit dem Privatsektor betont.
Durch Bezugnahme sowohl auf die Corona Pandemie als auch den Ukraine Krieg, erscheint die Handlung real und unmittelbar.

Man muss nicht paranoid sein, um beim Lesen dieses Romans nachdenklich zu werden. Schließlich betrifft er nicht nur jeden der Social Media nutzt, sondern auch alle, die neuere elektronische Geräte nutzen: Handy, Computer oder Laptop, aber auch Fernseher, Spielekonsole, ein Auto.
Welche der erwähnten Techniken existieren bereits? Wieviel gebe ich selbst im Internet preis? Wieviel Privatsphäre gibt es heutzutage noch? Und schlussendlich: Haben wir die Kontrolle bereits verloren?

Eines wird jedenfalls klar: der Aufwand, den man betreiben muss, um tatsächlich keine Spuren zu hinterlassen, ist bereits heute so hoch, dass man den resultierenden Zustand eigentlich nicht mehr ein „normales“ Leben nennen kann.

Leichte Abzüge in der B-Note gibt es für ein paar handlungs- und charakterbezogene Fragezeichen gegen Romanende.

~~~~

Mein Fazit:

Ein sehr lesenswerter Thriller, der aktueller nicht sein könnte und uns alle betrifft. Noch dazu mit hohem erzählerischem Wert, fesselnder Spannung und einer Anregung zur Selbstkritik.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.04.2023

Von dem Mut das Fürchten zu überwinden

Der kleine Beuteldachs
0

Wer kennt irgendwo knackt und raschelt es und man fragt sich...wer ist da? Wer beobachtet mich?

Genauso geht es dem kleinen Beuteldachs, der zusammen mit seinem Papa auf dem Weg zu seiner Oma durch den ...

Wer kennt irgendwo knackt und raschelt es und man fragt sich...wer ist da? Wer beobachtet mich?

Genauso geht es dem kleinen Beuteldachs, der zusammen mit seinem Papa auf dem Weg zu seiner Oma durch den dunklen Wald läuft.
Bei jedem Geräusch denkt er, dass sich dort jemand versteckt und sie beobachtet oder verfolgt. Hirsche? Bären? Füchse? Oder gar Wölfe?
Papa Beuteldachs lässt sich zu jedem Tier einen Grund einfallen, warum diese gerade auf gaaaaar keinen Fall im Wald sein können und reimt dabei sogar ein bisschen.

Ich hatte den Eindruck, er wollte damit nicht nur seinen Sohn, sondern vor allem auch sich selbst beruhigen.

Tatsächlich verstecken sich die Tiere im Wald vor den Beuteldachsen.....weil SIE sich vor ihnen fürchten.

Eine ganz liebevolle Geschichte über Furcht und Vorurteile, die sich nicht immer bewahrheiten. Gleichzeitig eine Anregung zum Mutigsein und für mehr Offenheit.

Die Illustrationen sind schön gestaltet und erinnern ein bisschen an Wimmelbilder: Viele Tiere verstecken sich im Wald und viele witzige kleine Szenen warten darauf entdeckt zu werden.

Die Schriftart gefällt mir sehr gut und die hervorgehobenen Worte helfen der Geschichte beim Vorlesen mehr Ausdruck zu verleihen.

Das Ende kommt etwas abrupt, allerdings wird die Geschichte im Vor- und Nachsatz des Buchs fortgeführt und bietet dort eine tolle Anregung weiter über die Geschichte zu sprechen. Denn statt der oft einfarbigen Doppelseiten, die den Buchdeckel vorne und hinten mit dem Buchblock verbinden, gibt es hier je ein großes Bild, dass die Vorgeschichte und den Schluss "erzählt".

Für mich ein sehr gelungenes Kinderbuch.


Schade: Obwohl das Setting im Wald so anmutet, als könnten wir dem kleinen Beuteldachs und seinem Papa jederzeit über den Weg laufen, werden wir ihm wohl doch nur begegnen, wenn wir eine weite Reise auf uns nehmen: nach Australien, Neuguinea oder einige östliche Inseln Indonesiens.

Ich finde es eine tolle Idee, sie in einem Kinderbuch zu verewigen. Gerade wenn 4 Arten dieser Ordnung bereits ausgestorben sind.


Mein Fazit:

Ein liebevolles Kinderbuch mit großen Bildern, die viel Raum zum Suchen und Entdecken bieten.
Und das mindestens die Erwachsenen schmunzeln lässt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.04.2023

Schöne Geschichte; für mich aber leider zu viel Drama

Die Bibliothek der Hoffnung
0

Dies ist ein Roman über Freundschaft und Zusammenhalt, Liebe und Verlust, über Verpflichtungen und Leidenschaft, Krieg – aber allem voran über Hoffnung.

~~~~

Zum Inhalt:
London, 1944. Nach Luftangriffen ...

Dies ist ein Roman über Freundschaft und Zusammenhalt, Liebe und Verlust, über Verpflichtungen und Leidenschaft, Krieg – aber allem voran über Hoffnung.

~~~~

Zum Inhalt:
London, 1944. Nach Luftangriffen der Deutschen wurde die im Bau befindliche U-Bahnstation Bethnal Green als Shelter eingerichtet, um den Menschen einen dauerhaften Zufluchtsort zu dienen. Als die örtliche Bibliothek bei einem Angriff beschädigt wird, rettet Bibliothekarin Clara was zu retten ist - und eröffnet im Bethnal Green Shelter eine einzigartige unterirdische Bibliothek.
Dabei hat sie ein großes Ziel: allen Londonern in der Umgebung durch ihre Bücher ein paar Stunden Frieden schenken, besonders den Kindern.
Doch ihr neuer Chef ist mit der Art und Weise ihrer Arbeit nicht zufrieden und droht mit der Schließung der Bibliothek. Gleichzeitig verlangt ihre Familie, dass sie das unsichere London verlässt. Was soll sie tun?


~~~~

Meine Eindrücke:

Die Geschichte beruht auf wahren Begebenheiten, die die Autorin mit dem Hintergrund vieler Zeitzeugengespräche, sehr lebendig erzählt. Allerdings hat Kate Thomson den Bibliothekar, der die unterirdische Bibliothek gegründet hat, in eine Frau verwandelt. So schenkt sie den Frauen, die während der Abwesenheit vieler Männer in Kriegszeiten ihre ganz eigenen Kämpfe führten, viel Aufmerksamkeit.

Der Schreibstil ist sehr fließend und leicht, wodurch ich nur so durch die Seiten geflogen bin. Allerdings muss ich zugeben, dass dies nur bis zur Hälfte des Romans der Fall war. Dort, wo sich der Fokus der Handlung weg von der Bibliothek und seinen Besuchern, hin zu den beiden Protagonistinnen und ihre Liebesgeschichten verschiebt, verlor die Handlung für mich etwas an Reiz.

Bereits früh empfand ich die Lebensumstände im unterirdischen Shelter und das Kriegsgeschehen zwar eindrucksvoll, aber eher nebenbei erzählt. Hatte den Eindruck, sobald eine Szene abgeschlossen war, etwas Ruhe einkehrte, musste dringend wieder etwas Unvorhergesehenes passieren. Ich arrangierte mich allerdings damit, da dem die unglaublich kraftvolle und innige Freundschaft der rationalen, hingebungsvollen, einfühlsamen Bibliothekarin Clara und ihrer lebenslustigen, aber traumatisierten, extrovertierten Assistentin Ruby gegenüberstand. Die lebhaften und liebenswürdigen Dialoge zwischen den beiden, ihrer beider Entschlossenheit im Kampf für ein bisschen (Seelen)Frieden mithilfe ihrer Bücher, ihr Wiederstand gegen die Männer, die sie nur als Lückenbüßerin ansahen bis der Krieg vorbei sei, darüber hinaus ihre bewegenden Schicksale – all das riss mich mit.

Auch zu Beginn der Liebesgeschichten, die sich bei beiden anbahnen, sah ich noch über die steigende Vorhersehbarkeit hinweg. Als Clara jedoch (der Dramatik halber?) eine gefühlte charakterliche Hundertachziggradwende vollzieht, ließ mein Verständnis nach.

Keine Frage: Der Autorin ist es mit vielseitigen Einblicken in die Kriegsdramatik in London und Jersey gelungen, ein bewegendes Bild der Schicksale von Kindern und Erwachsenen, Männern und Frauen, zu zeichnen. Zudem ein greifbares Gefühl von Gemeinschaft und Hoffnung auszustrahlen, nicht zuletzt dank der besonderen Dynamik zwischen Clara und Ruby.

Und doch hatte ich mir etwas mehr von der Tiefgründigkeit erhofft, die zu Beginn des Romans spürbar war.

~~~~

Mein Fazit:

Für mich war dieses Buch ein absoluter Wohlfühlroman. Die Hoffnung schien so viel stärker, als die Dunkelheit des Krieges und der luftig leichte Schreibstil, ließ mich nur so durch die Seiten fliegen. Allerdings hat er einiges an Potenzial verspielt.


Ich empfehle ihn allen, die Lust haben auf eine geballte Ladung Frauenpower in geschichtlichem Gewand und sich an einer guten Portion Vorhersehbarkeit und Drama nicht allzu sehr stören.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.04.2023

Atmosphärisch, vielschichtig und überraschend spannend!

Die Bahnhofsmission
0

"Überall auf der Welt waren Bahnhöfe Orte der Einsamkeit und der Sehnsucht. Orte, die nirgendwohin gehörten […]."
- Die Bahnhofsmission. Aller Tage Hoffnung -

~~~~

Zum Inhalt:

Berlin, 1908. Am Schlesischen ...

"Überall auf der Welt waren Bahnhöfe Orte der Einsamkeit und der Sehnsucht. Orte, die nirgendwohin gehörten […]."
- Die Bahnhofsmission. Aller Tage Hoffnung -

~~~~

Zum Inhalt:

Berlin, 1908. Am Schlesischen Bahnhof hat es sich die Bahnhofsmission zur Aufgabe gemacht, den in die Stadt zu reisenden Frauen und Mädchen Schutz vor Ausbeutung und Missbrauch zu bieten. Durch Zufall wird die junge Alice aus großbürgerlichem Hause auf die Arbeit der Bahnhofsmission aufmerksam. Bei ihrer heimlichen ehrenamtlichen Arbeit freundet sie sich mit Natalie an, die es geschafft hat, ihrem ärmlichen Leben zu entfliehen und ihr ganzes Herz in die Bahnhofsmission steckt.
Als diese bedroht wird und ein Mädchen aus ihrer Obhut verschwindet, versucht Natalie beide zu retten…und begibt sich dabei in große Gefahr.


~~~~

Meine Eindrücke:

Ich habe dieses Buch unglaublich gerne gelesen. Mir viel es sehr leicht, in das Berlin des frühen 20. Jahrhunderts abzutauchen. Denn es werden nicht nur die Kleidung, die Rollenbilder und die Umgebung sehr stimmungsvoll beschrieben. Auch die Sprache wurde wunderbar eingefangen, ohne dabei an Klarheit zu verlieren. Ergänzt durch einen regelmäßig eingestreuten Schuss Berlinerisch, ergibt sich eine sehr atmosphärische Mischung, die die Handlung umso authentischer macht.
Der Schreibstil ist angenehm leicht, klar und fesselnd. Es ist ein Roman mit Tiefe, der noch dazu unglaublich spannend erzählt wird.

Es war das erste Buch, das ich von Veronika Rusch gelesen habe. Daher wurde ich von dem historischen KRIMINALroman, den ich in den Händen hielt, positiv überrascht.
Die Bahnhofsmission dient dabei als Rahmen, ohne nur ein Schauplatz zu sein. Ihre Geschichte, ihre Arbeit, die Hilfesuchenden und die Probleme werden bewegend geschildert.
Ausgehend von ihr werden uns die verschiedenen Menschen nähergebracht, die im Berlin der 1900er Jahre lebten. Menschen aus einfachen Verhältnissen und Mittellose ebenso wie Wohlhabende, junge wie alte, starke wie schwache, Männer, aber vor allem Frauen. Sie stehen im Mittelpunkt dieses Romans, beeindrucken als Helferin oder Frauenrechtlerin durch ihre Stärke, ihren Zusammenhalt, ihren Willen zur Selbstbestimmung, die zur damaligen Zeit keine Regel war. Gleichzeitig bewegen sie durch ihre Einfühlsamkeit oder ihre Schicksale als Helferin oder Leidtragende.

All diese Charaktere sind mit sehr viel Liebe zum Detail erdacht. Einfühlsam wird ihre Vergangenheit erzählt, was ihr Handeln nachvollziehbar, die einzelnen Personen greifbarer werden lässt. Allen voran die Protagonistinnen Alice und Natalie.
Alice wächst behütet auf, ist jedoch überaus interessiert. Ihr Handeln ist geprägt von jugendlicher Naivität, doch durch ihre Arbeit in der Bahnhofsmission entwickelt sie sich zu einer selbstbewussten Frau. Natalie hingegen, ist stark und entschlossen, dominant und impulsiv, aber strauchelnd. Sie wird verfolgt von ihrer bewegten Vergangenheit und ihrer Liebe zu einem Mann, denen sie den Rücken gekehrt hat.
Was beide verbindet ist ihr Streben nach Unabhängigkeit und ihre Leidenschaft zu helfen.

Durch das Aufgreifen von vielen Facetten, von politischen Aspekten bis zu tragischen Schicksalen, erlangt der Roman eine Tiefe, die mich berührt hat. Die Kombination mit dem Kriminalfall, verleiht dem Roman zusätzliche Spannung und Dramatik.
Das recht abrupte Ende ist der einzige Kritikpunkt, den ich anbringen möchte. Hier verlor sich die von mir liebgewonnene Tiefe; für mich wichtige Handlungsstränge wurden nebenbei abgeschlossen…Das erzählte Ende passte jedoch perfekt zu dem Charakter von Natalie.

~~~~

Mein Fazit:

Dieser Roman war in vielerlei Hinsicht mehr als ich mir erhofft hatte:
Mehr ein historischer Krimi, als eine Chronik der Bahnhofsmission. Jedoch nicht ohne bewegend über deren Anfänge, Arbeit und Hilfesuchenden zu erzählen.
Dazu unglaublich atmosphärisch und mit Charakteren, die mit sehr viel Liebe zum Detail erdacht wurden.
Kurzum: Ein spannender Roman mit viel Tiefe, der sehr berührt.

~~~~

Die Bahnhofsmission feierte im Jahr 2019 ihr 125 jähriges Bestehen und hilft an derzeit mehr als hundert Orten in Deutschland jedem, sofort, gratis und ohne, dass vorher bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden müssen. (Quelle: www.bahnhofsmission.de)

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Atmosphäre