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Veröffentlicht am 08.10.2020

Faszinierender medizinhistorischer Krimi

Die Tinktur des Todes
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INHALT

1847: Eine brutale Mordserie an jungen Frauen erschüttert Edinburgh. Alle Opfer sind auf dieselbe grausame Weise gestorben. Zur gleichen Zeit tritt der Medizinstudent Will Raven seine Stelle bei ...

INHALT

1847: Eine brutale Mordserie an jungen Frauen erschüttert Edinburgh. Alle Opfer sind auf dieselbe grausame Weise gestorben. Zur gleichen Zeit tritt der Medizinstudent Will Raven seine Stelle bei dem brillanten und renommierten Geburtshelfer Dr. Simpson an, in dessen Haus regelmäßig bahnbrechende Experimente mit neu entdeckten Betäubungsmitteln stattfinden. Hier trifft Will auf das wissbegierige Hausmädchen Sarah, die jedoch einen großen Bogen um ihn macht und rasch erkennt, dass er ein dunkles Geheimnis mit sich herumträgt. Beide haben ganz persönliche Motive, die Morde aufklären zu wollen. Ihre Ermittlungen führen sie in die dunkelsten Ecken von Edinburghs Unterwelt und nur, wenn es ihnen gelingt, ihre gegenseitige Abneigung zu überwinden, haben sie eine Chance, lebend wieder herauszufinden.

(Quelle: Pendo)

MEINE MEINUNG

Mit ihrem Roman „Die Tinktur des Todes“ haben das unter dem gemeinsamen Pseudonym Ambrose Parry schreibende, britische Autoren-Ehepaar Christopher Brookmyre und Marisa Haetzman einen fesselnden, viel versprechenden Auftakt zu einer neuen historischen Krimireihe vorgelegt, die Mitte des 19. Jahrhunderts im viktorianischen Edinburgh angesiedelt ist.

Es ist eine sehr gelungene Mischung aus fesselnder Kriminalgeschichte und atmosphärisch dichtem historischen Roman mit faszinierenden Einblicken in die Medizinhistorie, vor allem in die damalige medizinische Praxis im Bereich der Geburtshilfe und Chirurgie sowie den Anfängen der Anästhesie. Äußerst informativ sind vor allem die vielen, sorgsam recherchierten historischen Hintergrundinformationen zu den damaligen Behandlungsmethoden, der aufkommenden Fotografie oder der chemisch-pharmazeutischen Manufaktur Duncan Flockhart & Co., die die Geschichte sehr lebendig und authentisch wirken lassen.

Der Schreibstil der Autoren liest sich sehr flüssig und angenehm, wobei die Sprache der damaligen Zeit entsprechend angepasst zu sein scheint.

Die Autoren haben sehr eindrücklich das historische Setting von Edinburgh Mitte des 19. Jahrhunderts eingefangen und lassen den Leser in eine faszinierende Stadt der Kontraste eintauchen mit seinen dreckigen kopfsteingepflasterten Gassen und düsteren Hinterhöfen der Old Town und den noblen Wohnvierteln der gutsituierten Gesellschaft in der New Town. Atmosphärisch dicht beschwören sie eine Zeit herauf, in der auch in der prosperierenden schottischen Universitätsstadt Elend und Armut in den verslumten Armenvierteln der Old Town vorherrschte und hohe Sterberaten, Prostitution und Gewaltverbrechen alltäglich waren.

Es war zugleich eine Zeit, in der ehrgeizige, skrupellose Ärzte oftmals medizinische Versuche an verzweifelten Patienten in Notlagen durchführten und deren Tod oftmals durchaus in Kauf genommen wurde.

Viele gut recherchierte, authentische Details zur medizinischen Forschung jener Zeit werden informativ und kurzweilig in die Handlung eingebaut. Zugleich erhält der Leser auch einige interessante und aufschlussreiche Einblicke in die gesellschaftlichen Zustände der viktorianischen Epoche.

Im Mittelpunkt des Romans stehen zwei außergewöhnliche und sehr interessante Hauptfiguren. Zum einen lernen wir den jungen, verschuldeten Medizinstudenten Will Raven kennen, den neuen Famulus von Professor Simpson, seines Zeichens eine anerkannte Kapazität in der Geburtshilfe, und zum anderen das aufgeweckte, wissbegierige Dienstmädchen Sarah, die neben ihrer Arbeit im Haushalt und gelegentlichen Botengängen auch in Dr. Simpsons Praxis mithilft und sich sehr für Heilkunde und medizinische Themen interessiert. Der rätselhafte, sehr qualvollen Tod seiner Freundin, der Prostituierten Evie, beschäftigt Will sehr und als er von einem weiterem verdächtigen Tod einer jungen Frau erfährt, beschließt er den Hintergründen für die grausamen Todesfälle auf die Spur zu kommen. Unerwartete Hilfe bekommt Will von der überaus cleveren, aber recht kratzbürstigen Sarah, der er anfangs möglichst auszuweichen versucht.

Hervorragend gelungen sind die beiden sympathischen Hauptfiguren Will und Sarah, die sehr lebendig und facettenreich ausgearbeitet sind. Auch ihre Handlungen und Beweggründe sind insgesamt sehr glaubhaft und nachvollziehbar dargestellt. Insbesondere mit dem jungen Will Raven, der manchmal etwas unbeholfen wirkt und seine problematischen Vergangenheit zu verbergen hat, haben die Autoren eine äußerst interessante, tiefgründige Figur geschaffen, in deren Gefühle und inneren Konflikte man sich gut hineinversetzen kann. Sehr gut gefallen hat mir auch die Figur von Sarah, die intelligent, schlagfertig und selbstbewusst ist, und sich einen Platz in der damaligen männerdominierten Welt der Medizin erkämpfen will.

Die verbalen scharfzüngigen Schlagabtausche zwischen den beiden Hauptfiguren sind zudem sehr amüsant und unterhaltsam, und verleihen der Geschichte zusätzliche Würze.

Fesselnd machen den Roman die vielen, lehrreichen Einblicke in die Medizingeschichte und die Beschreibungen der medizinischen Behandlungen sowie die Versuche mit diversen Anästhetika. Die eigentliche, verzwickte Kriminalhandlung entwickelt sich zwar recht interessant aber recht schleppend und etwas vorhersehbar. Recht spät nimmt die Geschichte dann aber enorm an Fahrt auf, und die Auflösung konnte mich schließlich doch überraschen.

Ich bin schon sehr neugierig auf eine Fortsetzung dieser historischen Krimi-Reine und gespannt, wie es mit Will und Sarah als Ermittlerpaar weitergehen wird.

FAZIT

„Die Tinktur des Todes“ ist eine unterhaltsame Mischung aus fesselnder Kriminalgeschichte und atmosphärisch dichtem historischen Roman mit interessanten Einblicken in die Medizinhistorie und viel viktorianischem Zeitkolorit.

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Veröffentlicht am 04.10.2020

Interessante Geschichte über eine der ersten Dirigentinnen der Welt

Die Dirigentin
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INHALT
New York, 1926:
Für Antonia Brico gibt es nur die Musik. Unermüdlich übt sie an dem alten Klavier, das ihr Vater, ein Müllmann, auf der Straße gefunden hat. Ihr großer Traum: Dirigentin zu werden. ...

INHALT
New York, 1926:
Für Antonia Brico gibt es nur die Musik. Unermüdlich übt sie an dem alten Klavier, das ihr Vater, ein Müllmann, auf der Straße gefunden hat. Ihr großer Traum: Dirigentin zu werden. Doch noch nie hat eine Frau in dieser Rolle auf der Bühne stehen dürfen. Als sie sich als junge Frau zu einem Konzert ihres Idols Willem Mengelberg schleicht, und sich auf einem Klappstuhl in den Mittelgang setzt, wird sie herausgeworfen und verliert dabei auch noch ihren Job im Konzerthaus. Sie steht vor dem Nichts. Doch sie gibt nicht auf und reist nach Europa, um für ihren Traum zu kämpfen. Sie verlässt sogar ihre große Liebe Frank, um nicht in dessen Schatten zu stehen. Unermüdlich klopft sie an die Türen der großen Musiker. Karl Muck, der legendäre Dirigent in Berlin, zerreißt vor ihren Augen ihr Empfehlungsschreiben. Antonia sieht letztlich nur einen Weg: Ein Orchester nur mit Frauen, von ihr selbst dirigiert. Mit dem Eröffnungskonzert ist klar: Es wird Antonia befreien – und die Musikwelt für immer verändern.
(Quelle: Atlantis Verlag)

MEINE MEINUNG
Neben dem gleichnamigen, im Jahr 2018 heraus gekommenen Film ist nun auch der Roman "Die Dirigentin" erschienen, in dem sich die niederländische Regisseurin, Drehbuchschreiberin und Autorin Maria Peters bedeutsamen Stationen aus dem faszinierenden Leben von Antonia Brico (1902-1989), eine der ersten erfolgreichen Dirigentinnen der Welt, widmet.
Die in den Niederlanden geborene und in den USA als Adoptivkind in einfachen Verhältnissen aufgewachsene Frau aus musste sich ihren großen Traum und ihren Weg zum Dirigentenpult gegen viele Widerstände hart erkämpfen. Als erste Frau gelang es ihr 1930 die Berliner Philharmoniker zu dirigieren und leitete für einige Zeit das von ihr 1934 geründete reine Frauenorchester New York Women’s Symphony Orchestra. Doch der wirkliche Durchbruch als weltweit gefeierte Dirigentin blieb der ehrgeizigen Pionierin in dieser bis heute fast reinen Männerdomäne verwehrt und so geriet schließlich diese faszinierende Frau, die ihr Leben der Musik verschrieben hatte, weitgehend in Vergessenheit.
Wie die Autorin in ihrem „Dank“ schildert, hat sie sich sehr intensiv mit der Lebensgeschichte von Antonia Brico beschäftigt, sorgsam viele Details recherchiert und konnte sich zudem auf den ausführlichen biografischen Bericht von Antonias Cousin Rex Brico stützen. Dennoch hat die Autorin in ihren Roman auch einige fiktive Geschehnisse und Figuren einfließen lassen. Am Ende des Buchs findet der interessierte Leser in „Quellen“ eine Zusammenstellung von weiterführender Literatur über Antonia Brico, Dokumentationen sowie Links zu interessanten Internetquellen.
Die Geschichte wird abwechselnd aus der Ich-Perspektive der Protagonistin Antonia sowie aus Sicht der beiden fiktiven männlichen Charaktere Frank und Robin erzählt, die in Antonias Leben eine bedeutsame Rolle spielen und exemplarisch für ihre verschiedenen Männerbekanntschaften stehen. Angesiedelt ist die Handlung in den Zwanziger- und Dreißigerjahren des letzten Jahrhunderts und führt uns von New York, über Amsterdam und nach Berlin.
Maria Peters ist es gut gelungen, bedeutsame Stationen im bewegten Leben dieser jungen, mutigen Frau voller Ambitionen, Willensstärke und Leidenschaft für die Musik einzufangen und diese zu einer fesselnden, abwechslungsreichen und stimmigen Geschichte mit schönem Zeitkolorit zusammen zu fügen. So schildert sie in sehr eindrucksvollen Episoden wie die Protagonistin zu Anfang in ihrem Job als Platzanweiserin sich in die Rolle der Dirigentin hineinträumt oder sie mit ihrem hölzernen, technisch perfekten aber ausdruckslosen Klaviervorspiel an der Aufnahmeprüfung scheitert, aber unbeirrt alles daran setzt, um ihren großen Traum Dirigentin zu werden zu realisieren. Sehr unterhaltsam waren auch die spannenden Einblicke in die Welt des Cabarets in New York, in dem Antonia sich als Pianobegleitung zusätzliches Geld verdient. Die Autorin hat Antonias steinigen, sehr frustrierenden Weg nach oben sehr mitreißend und anschaulich inszeniert und lässt uns teilhaben den Unterrichtsstunden und Proben mit dem frauenfeindlichen, herrischen Dirigenten Karl Muck, oder ihrem ersten Konzertauftritt in Berlin. Während die freundschaftliche Beziehung zwischen Antonia und Robin Jones mit seinem streng gehüteten Geheimnis sehr bewegend erzählt wird, empfand ich die fiktive Liebesgeschichte zwischen Antonia und dem wohlhabenden Musikmanager Frank Thomsen etwas zu melodramatisch und klischeehaft. Für meinen Geschmack wurde ihr ein etwas zu hohen Stellenwert in der Geschichte eingeräumt. Einen größeren Fokus hätte ich mir auf ihren ehrgeizigen Ambitionen gewünscht und hätte gerne noch viel mehr über ihr Innenleben, die Bedeutung der Musik für sie oder die alltäglichen Herausforderungen in ihrem Musikerinnenleben erfahren, wie beispielsweise ihren stetigen Kampf um Anerkennung ihrer Leistungen in der von Männern dominierten Welt der klassischen Musik und ihre Reaktionen auf Anfeindungen und Diskriminierung. Auch die Hintergründe von Antonias Familiengeschichte empfand ich als etwas zu rasch abgehandelt und hätte gerne noch mehr Details erfahren. Maria Peters ist es recht gut gelungen, mir die Persönlichkeit dieser starken, kämpferischen und überaus talentierten Frau näher zu bringen. Dennoch hätte ich mir doch etwas mehr Tiefgang und eine vielschichtigere Charakterisierung der Protagonistin gewünscht, die leider nicht für mich nicht richtig greifbar wurde.
Im Anhang des Romans gibt Peters schließlich noch einen knappen Einblick in Bricos weitere Biografie und ihren wenig glamourösen, weiteren Werdegang als Dirigentin. Denn trotz einiger Erfolge blieb ihr als eine der ersten Dirigentinnen der Welt der wirkliche Durchbruch verwehrt und musste ihren Lebensunterhalt als Klavierlehrerin bestreiten.

FAZIT
Ein interessanter Roman über die fast völlig in Vergessenheit geratene Antonia Brico - eine außergewöhnlich bemerkenswerte Frau, die sich zu einer der ersten Dirigentinnen der Welt hochgekämpft hat!
Eine abwechslungsreich angelegte und gut recherchierte Geschichte, der allerdings etwas mehr Tiefgang nicht geschadet hätte.

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Veröffentlicht am 29.09.2020

Neuer packender Fall für Kommissar Carl Edson

Spiele
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INHALT
Robert Lindström hütet ein Geheimnis: In einem Wutanfall tötete er seinen besten Freund. Aber war es wirklich so? Als Elfjähriger des Mordes beschuldigt, wurde er angesichts seines Alters nie verurteilt. ...

INHALT
Robert Lindström hütet ein Geheimnis: In einem Wutanfall tötete er seinen besten Freund. Aber war es wirklich so? Als Elfjähriger des Mordes beschuldigt, wurde er angesichts seines Alters nie verurteilt. Als Erwachsener lebt er zurückgezogen. Bis ihn Lexa kontaktiert. Sie ist Journalistin und schreibt ein Buch über den Fall. Ihre Theorie: Robert ist unschuldig.
Zur gleichen Zeit wird die Leiche eines jungen Mädchens gefunden. Im gleichen Stockholmer Vorort, in dem Robert aufwuchs. Und in dem er mit Lexa den Ereignissen von damals nachgeht. Zufall? Hauptkommissar Carl Edson von der Reichsmordkommission leitet die Ermittlungen, und seltsame Zwischenfälle führen ihn immer näher an die Wahrheit über Robert.
(Quelle: Rowohlt Taschenbuch Verlag)
MEINE MEINUNG
Nach seinem gelungenen Auftakt „Opfer“ ist nun mit „Spiele“ der zweite fesselnde Band der viel versprechenden, neuen Thriller-Reihe des schwedischen Autors Bo Svernström herausgekommen. Dieser in sich abgeschlossene Fall lässt sich übrigens problemlos als Stand alone lesen und setzt keine Vorkenntnisse aus dem ersten Teil voraus.
Diesmal muss sich Stockholms Ermittler Carl Edson und sein Team mit der brutalen Ermordung eines 11jährigen Mädchen beschäftigen. Rasch gerät Robert Lindström ins Visier der Polizei, der zur fraglichen Zeit in der Nähe des Tatorts gesehen wurde und vor 28 Jahren als Elfjähriger seinen Schulfreund Max mit einem Betonklotz erschlagen haben soll, aufgrund seines Alters damals aber nicht verurteilt werden konnte. Die junge Journalistin Lexa möchte gemeinsam mit Robert den alten Mordfall neu aufrollen und ein Buch über ihre gemeinsamen Nachforschungen und mit den verschiedenen Beteiligten geführten Interviews verfassen. Hierzu muss sie aber den zurückgezogen lebenden Robert dazu bewegen, seine Gedächtnislücken und verdrängten Erinnerungen an die verhängnisvollen Geschehnisse zu reaktivieren und sich seiner traumatischen Vergangenheit zu stellen
Die clever konstruierte, äußerst fesselnde Handlung ist auf verschiedenen, versetzt laufenden Zeitebenen in der Gegenwart angelegt und enthält immer wieder Einschübe, in denen wir teilweise aus der Ich-Perspektive Roberts immer mehr Details über die fatalen Geschehnisse vor 28 Jahren erfahren und so schrittweise an seinen subjektiven Erinnerungen teilhaben.
Geschickt verwoben mit den akribischen Ermittlungen der Mordkommission inklusiver vieler Irrwege und Trugschlüsse sind die von Lexa geführten Gespräche mit Roberts ehemaligen Mitschülern und Bekannten, der Schwester des Mordopfers oder dem damals ermittelnden Polizisten, die den Verdacht zunehmend verstärken, dass die Ermittlungen sehr eingleisig geführt wurden und sich einiges anders als dargestellt zugetragen haben muss. Bald gibt es mit der verwirrenden Vielzahl der aufgedeckten Verwicklungen zahlreiche Tatverdächtige im aktuellen Mordfall, doch mehren sich auch die Zweifel an der Darstellung der Ereignisse aus der Vergangenheit sowie an Roberts Glaubwürdigkeit. Der hochkomplexe Fall gewinnt zusehends an Spannung und Tiefe, überrascht mit vielen Wendungen und sorgt mit einigen Szenen auch für den notwendigen Thrill. Zudem ist er bestens zum vielfältigen Kombinieren und Miträtseln geeignet.
Die vielschichtigen, lebensnahen Charaktere sind insgesamt sehr überzeugend ausgearbeitet. Gefallen hat mir insbesondere der sympathische Ermittler Carl Edson, dessen Privatleben glücklicherweise nur einen geringen Raum einnimmt, und der mit Besonnenheit, Bauchgefühl und Durchblick den schwierigen Fall löst. Mit viel psychologischem Einfühlungsvermögen hat der Autor seine sehr faszinierende Hauptfigur Robert gezeichnet und als tiefgründige und gebrochene Persönlichkeit mit all seinen Schwächen und Traumata sehr differenziert und glaubwürdig charakterisiert.
Mit seinem mitreißenden Schreibstil und geschickt gesetzten Perspektivwechseln treibt der Autor seine packende Geschichte im letzten Teil rasant voran und lässt sie in einem fesselnden, hochdramatischen Showdown gipfeln. Die Auflösung des verwickelten Falls war zwar einerseits vorhersehbar für mich aber andererseits auch überraschend und ist durchaus nachvollziehbar dargestellt. Ganz zufriedenstellen konnten mich einige Erklärungen für die psychologischen Hintergründe der Motive allerdings nicht.
Ich freue ich schon sehr auf eine Fortsetzung mit dem sympathischen Ermittlungsteam und bin schon sehr gespannt was sich Bo Svernström für seinen nächsten, packenden Fall in Stockholm einfallen lässt!
FAZIT
Eine gelungene Fortsetzung der neuen skandinavischen Thriller-Reihe rund um Kommissar Carl Edson mit einem sehr packenden, hochkomplexen Fall und viel psychologischem Tiefgang! Lesenswert!

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Veröffentlicht am 29.09.2020

Gelungenes Krimi-Debüt

Der falsche Preuße
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INHALT

»Im Bier wie im Tod sind in Bayern alle gleich.«

München zur Jahrhundertwende. Es ist die Zeit der pferdegezogenen Trambahnen, der riesigen Bierpaläste und der gebratenen Kapaune. Und es ist ...

INHALT

»Im Bier wie im Tod sind in Bayern alle gleich.«

München zur Jahrhundertwende. Es ist die Zeit der pferdegezogenen Trambahnen, der riesigen Bierpaläste und der gebratenen Kapaune. Und es ist der Beginn einer jungen Wissenschaft namens Kriminalistik. Wilhelm Freiherr von Gryszinski zieht von Preußen nach Bayern, um als Sonderermittler für die Königlich Bayerische Polizeidirektion tätig zu werden und den Beamten Errungenschaften wie den Fingerabdruck und die Spurensicherung am Tatort näherzubringen. Sein erster Fall: Ein stadtbekannter Bierbeschauer wird tot an der Isar gefunden - eingehüllt in einen kostbaren Federumhang, daneben der Abdruck eines Elefantenfußes. Gryszinski kommt bald einer Verschwörung nationalen Ausmaßes auf die Spur, die ihn vor eine unsägliche Wahl stellt: Ist er eher bereit, seine Ehre als bayerischer Beamter zu verletzen oder als preußischer Offizier?

(Quelle: Harper Collins)



MEINE MEINUNG

Der fesselnde, historische Kriminalroman »Der falsche Preuße« ist das äußerst gelungene Debüt der deutschen Autorin Uta Seeburg und stellt den vielversprechenden Auftakt einer neuen Krimi-Reihe um den faszinierenden Ermittler Hauptmann Freiherr Wilhelm von Gryszinski dar.

Hierin entführt sie uns nach München in die Hauptstadt des Königreiches Bayern im Jahre 1894 – eine faszinierende Metropole im Wandel der Zeiten, an der Schwelle zwischen althergebrachten Traditionen und der alles verändernden Moderne. Der Wirtschaftsaufschwung und gesellschaftliche Wandel sorgen jedoch nicht nur für Wohlstand und aufblühende Münchner Bürgerkultur, sondern lassen ebenfalls Armut, Hunger und Kriminalität in der wachsenden Bevölkerung ansteigen. Auch im Königreich Bayern stellt sich vermehrt die soziale Frage.

Lebendig und atmosphärisch dicht portraitiert Seeburg das facettenreiche Alltagsleben Münchens und lässt uns am Leben der Menschen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten teilhaben. Hierbei benutzt sie eine ungewöhnlich anspruchsvolle, herrlich antiquiert wirkende Sprache, die uns auch sprachlich gekonnt ins 19. Jahrhundert zurückversetzt. Die Autorin vermittelt ein sehr stimmiges, authentisches Bild der damaligen Zeit, streut immer wieder historische Fakten ins Geschehen ein und vermittelt uns sogar spannende, sehr authentische Einblicke in die kriminalistische Ermittlungsarbeit. Die Kriminalistik war ebenfalls vom Fortschritt erfasst und die geschickt in die Handlung eingewobenen kriminalistischen Details zeigen, dass auch innovative Methoden bei der alltäglichen Aufklärung von Verbrechen Einzug hielten. So lässt es sich der Protagonist, Sonderermittler und Brigade-Kommandant des Königlich Bayrischen Gendameriekorps Gryszinski nicht nehmen, seinen neuen Tatortkoffer stets zu seinen Einsätzen mitzunehmen. Jedem Kapitel vorangestellt ist ein passendes Zitat aus dem 1893 erschienen “Handbuch für Untersuchungsrichter, Polizeibeamte, Gendarmen usw.“, des berühmten Strafrechtlers, Kriminologen und Begründer der Kriminalistik Hans Groß.

Der Krimi lebt neben den unglaublich anschaulich und lebendig geschilderten Schauplätzen vor allem von seinen teilweise recht skurrilen, vielschichtig angelegten Figuren, die mit viel Liebe zum Detail ausgearbeitet sind. Hervorragend gefallen hat mir der sympathische, erst kürzlich mit Frau und Kind von Berlin nach München übersiedelte Ermittler Wilhelm von Gryszinski, den die Autorin als faszinierenden, tiefgründigen Protagonisten mit interessanter Vergangenheit zeichnet. Geprägt von den preußischen Tugenden Gehorsam, Pünktlichkeit, Ordnung und Fleiß kann er auch der Wirthauskultur seiner neuen Wahlheimat mit bayerischer Gemütlichkeit und Geselligkeit sowie gutem Essen durchaus etwas abgewinnen und findet sich in die besondere bayerische Mentalität gut ein. Als bayerischer Ermittler bei seinem ersten, hochkomplexen Mordfall ist er ganz schön gefordert, doch als er sich ganz unverhofft auch noch als unfreiwilliger preußischer Spion betätigen soll, gerät er in gewaltige Gewissenskonflikte und weiß oft nicht, wem seine Loyalität gelten soll.

Wir begleiten Gryszinski bei seiner rastlosen und in jeglicher Hinsicht herausfordernder Ermittlungsarbeit zu seinem komplizierten Mordfall, bei dem sich erst per Zufall eine heiße Spur auftut. Gemeinsam mit ihm tauchen wir ein in die faszinierende und herrlich skurrile Welt des Hauptverdächtigen Eduard Lemke mit seiner protzigen Fantasievilla in Bogenhausen – seines Zeichens eine sehr suspekte Figur mit dekadentem Lebensstil, ein preußischer Emporkömmling höchst fragwürdigen Charakters, dessen mysteriöse Machenschaften Gryszinski für den Preußischen Gesandten in München aufdecken und ihn des Hochverrats soll. Nur gut, dass er bei seinen Ermittlungen nicht nur auf die tatkräftige Unterstützung seiner beiden aufrechten Wachtmeister und verschiedenen Spezln zurückgreifen kann, sondern auch seine mutige Haushälterin von unschätzbarer Hilfe ist.

Auch wenn die unglaublich opulente, abwechslungsreiche Geschichte bisweilen etwas bizarre Wendungen aufweist, konnte mich der gut konstruierte, sich immer rasanter entwickelnde Kriminalfall bestens unterhalten und durchgängig fesseln.

Ich freue mich schon sehr auf eine Fortsetzung dieser gelungenen historischen Krimi-Reihe mit einem neuen, fesselnden Fall und hoffe auf ein baldiges Wiedersehen mit Gryszinski und vielen liebgewonnenen Charakteren.

FAZIT

Ein fesselnder, atmosphärisch dichter historischer Kriminalroman mit faszinierenden Charakteren, der uns gekonnt ins München des 19. Jahrhunderts abtauchen lässt.
Sehr lesenswert für Fans von historischen Romanen und Krimis mit viel zeitgeschichtlichem Flair!

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Veröffentlicht am 06.09.2020

Berührender Roman

Kalmann
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INHALT
Er ist der selbsternannte Sheriff von Raufarhöfn. Er hat alles im Griff. Kein Grund zur Sorge. Tag für Tag wandert er über die weiten Ebene um das beinahe ausgestorbene Dorf, jagt Polarfüchse und ...

INHALT
Er ist der selbsternannte Sheriff von Raufarhöfn. Er hat alles im Griff. Kein Grund zur Sorge. Tag für Tag wandert er über die weiten Ebene um das beinahe ausgestorbene Dorf, jagt Polarfüchse und legt Haiköder im Meer aus, um den Fang zu Gammelhai zu verarbeiten. Doch in Kalmanns Kopf laufen die Räder manchmal rückwärts. Als er eines Winters eine Blutlache im Schnee entdeckt, überrollen ihn die Ereignisse. Mit seiner naiven Weisheit und dem Mut des reinen Herzens wendet er alles zum Guten. Kein Grund zur Sorge.



(Quelle: Diogenes – Erscheinungstermin: 26.08.2020 - ISBN: 978-3-257-07138-2)

MEINE MEINUNG
Mit «Kalmann» hat der in Island lebende Schweizer Autor Joachim B. Schmidt einen fesselnden und zugleich herzerwärmenden Roman vorgelegt, der mich sehr begeistern konnte.
Obwohl die Entdeckung einer großen Blutlache im Schnee und ein mysteriöser Vermisstenfall den Ausgangspunkt für polizeiliche Ermittlungen bilden in dessen weiteren Verlauf es zu allerlei spannenden Verwicklungen kommt, handelt es sich nicht um einen typischen Kriminalroman. Der Roman lebt vielmehr von seinem grandiosen Protagonisten Kalmann, der als Ich-Erzähler im Mittelpunkt der Ereignisse steht und vom Autor sehr liebevoll und facettenreich gezeichnet wird.
Angesiedelt ist die Geschichte in dem kleinen, schon etwas heruntergekommenen Fischerdorf Raufarhövn im Nordosten Islands gelegen. Da nach der ungünstigen Verteilung der Fangquoten der einst florierende Ort endgültig dem Niedergang geweiht ist, hofft man wenigstens noch Touristen anlocken zu können. Ohne Existenzgrundlage sind die meisten Jüngeren abgewandert und zurück bleiben schließlich nur noch die Alten. Das faszinierende winterliche Setting mit der einzigartigen, kargen isländischen Landschaft und seinem unwirtlichen wie unberechenbaren Wetter ist von Joachim B. Schmidt sehr stimmungsvoll eingefangen worden und bildet eine phantastische, atmosphärisch dichte Kulisse für diesen Roman. An den lebendigen Beschreibungen der verschiedenen Schauplätze merkt man deutlich, dass der Autor diese Gegend gut kennt und Land und Leute sehr schätzt.
Mit seinem recht einfach gehaltenen, aber abwechslungsreichen Schreibstil, einigen schönen poetischen Passagen und der außergewöhnlichen Erzählstimme des Ich-Erzählers ist es dem Autor gelungen, mich von Beginn an zu fesseln. Der knapp 34-jährige Außenseiter Kalmann ist eine wundervolle, sehr vielschichtig angelegte Figur, die einem rasch ans Herz wächst. Der grundehrlich, gutmütige, eigenbrötlerische und geistig etwas zurückgebliebene Kalmann wird zwar von einigen als „Dorftrottel“ verspottet, dennoch wird er als letzter Haifischfänger des Orts und bester Gammelhaiproduzent Islands von vielen geschätzt und ist in die Dorfgemeinschaft gut integriert. Allzu sehr in die Enge getrieben neigt er allerdings manchmal zu Blackouts und unkontrollierbaren Wutausbrüchen, die aber meist in selbstverletzendem Verhalten münden. Es macht großen Spaß, den selbsternannten Sheriff mit seinem Sheriffstern, Cowboyhut und der alten Mauser bei der Polarfuchsjagd, auf hoher See oder seinen Ausflügen zu seinem dementen Großvater zu begleiten. Die Handlung verfolgen wir stets ungefiltert durch seine Perspektive und lernen so auch seine ungewöhnliche Sicht der Dinge kennen. Kalmann sorgt so manches Mal mit seinem unkonventionellen, verschrobenen Verhalten für so manche humorvolle Episode. Zugleich konnte er mich mit seiner kindlichen Naivität, seiner Abgeklärtheit, guten Beobachtungsgabe und vor allem einer faszinierend scharfsinnigen Sicht auf das Leben beeindrucken. Der Autor versteht es hervorragend, den Spannungsbogen immer weiter anzuziehen. Inzwischen beginnt man zu ahnen, dass Kalmann in die ganze Sache doch mehr involviert ist, als es anfangs scheint und doch einige Details in der verwickelten Geschichte unbewusst zurückhält.
Zum Ende hin überschlagen sich die Ereignisse regelrecht und die fesselnde Handlung gipfelt in einem überraschenden und packenden Showdown, bei dem Kalmann schließlich doch noch zum verdienten und gefeierten Helden von Raufarhövn wird. Die in sich schlüssige, sehr erschütternde Auflösung des Vermisstenfalls geht unter die Haut und stimmt nachdenklich.

FAZIT
Ein herzerwärmender Roman mit einer fesselnden Geschichte vor einem grandiosen isländischen Setting und einem wundervollen Protagonisten! Sehr lesenswert!

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