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Veröffentlicht am 03.12.2025

Nicht perfekt, aber nah dran!

Blood and Steel
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Hui, hat mich dieses Buch überrascht!

Ich hatte Blood and Steel überhaupt nicht auf dem Schirm, bevor ein NetGalley-Newsletter in den Posteingang flatterte. Joa, klingt ganz interessant, dachte ich mir. ...

Hui, hat mich dieses Buch überrascht!

Ich hatte Blood and Steel überhaupt nicht auf dem Schirm, bevor ein NetGalley-Newsletter in den Posteingang flatterte. Joa, klingt ganz interessant, dachte ich mir. Das Cover sah irgendwie unfertig aus, wie ein nicht beendeter Entwurf (zu diesem Thema kommt bald ein eigener Artikel), aber der Inhalt schien genau nach meinem Geschmack zu sein. Kann man ja mal ausprobieren. Und jetzt, 2 Tage später, ist das Buch durchgelesen und ich habe ein paar Stunden Schlaf verloren, weil ich einfach nicht mittendrin abbrechen konnte.

Es ist nicht perfekt, dieses Szenario aus Menschen, Monstern und Magie. Manches ist etwas zu dick aufgetragen oder ein kleines bisschen zu vorhersehbar. Aber es gibt viele Elemente, die mir richtig gut gefallen und super umgesetzt sind, und auch bemerkenswert viele Wendungen, die für mich tatsächlich überraschend kamen.

Feminismus ist ein sehr grundlegender Bestandteil der Handlung: Es gab eine Prophezeiung, nach der Frauen keine Waffen mehr tragen, geschweige denn wie früher zu Kriegerinnen ausgebildet werden dürfen. Freiheiten wie eigene Entscheidungen zu treffen wurden den Mädchen und Frauen weitestgehend entzogen. Die Männer – besonders die, die Krieger werden wollen – fanden Gefallen an diesem Machtverhältnis und tun nun alles dafür, dass sich daran nichts mehr ändert. Und dann spaziert eine junge (erwachsene, das finde ich wichtig für die „spicy“ Szenen) Frau herein, die seit Jahren heimlich mit einem Dolch trainiert, den sie eigentlich gar nicht haben dürfte, und mit einer Mischung aus Hochmut, Sturheit und Naivität verlangt, ausgebildet zu werden. Nicht zur Alchemistin wie ihre Schwester, sondern zur Kriegerin.

Ich habe eine Schwäche für Frauenfiguren in Büchern, die nicht auf den Mund gefallen sind und die wissen, was sie wollen. Deshalb mag ich die Reihe um Mercy Thompson von Patricia Briggs oder die Guild Codex-Reihen von Annette Marie so gern.

In Blood and Steel ist Thea aber angenehmerweise nicht die einzige Frau, die sich trotz dieses extrem patriarchalischen und für sie lebensfeindlichen Umfelds zu behaupten weiß. Auch ihre Schwester, Freundinnen und ihre Vorgesetzte halten mal mehr, mal weniger heimlich gegen diese Strukturen an. Wegen dieses Grundverständnisses von „unsere Welt wird von Männern regiert, aber das ist nicht unbedingt gut, es war längst nicht immer so und das kann sich auch wieder ändern“ hat es mir großen Spaß gemacht, Blood and Steel zu lesen.

Denn es wurde kein massiver Fokus auf romantisierte Details gelegt, die in mittelalterlich angehauchter Fantasy viel zu gern gerechtfertigt werden mit „das war damals eben so“ (In einer Fantasy-Welt? Bitte.), „Frauen können das einfach nicht“ oder „ja, ist nicht schön, aber das gehört irgendwie dazu“, wie wir sie in Game of Thrones zum Beispiel zu Genüge gesehen haben. Keine übertriebene und unnötige Nacktheit von Frauen, keine scheinbar selbstverständliche Aufgabenverteilung, ohne dass die betroffene Frau innerlich oder auch lauthals protestiert, keine Grenzüberschreitungen ohne zumindest eine Andeutung von Konsequenzen.

Stattdessen haben wir Verwundbarkeit auf allen Seiten, auch mal sensible Männer, Frauen, denen der Kragen platzt, und Männer, die den Kopf gewaschen bekommen, wenn sie sich unmöglich verhalten. Und das beste? Trotz alledem dreht sich Blood and Steel um starke Krieger, deren Muskeln bewundert, und starke Frauen, die für das geschätzt werden, was in ihren Köpfen passiert und nicht (nur) für ihre Körper. Es geht doch! (Ich würde sogar so weit gehen zu sagen: Es geht doch, wenn eine Frau schreibt.)

Blood and Steel wird beworben als „spicy Romantasy“. Spicy könnte man meiner Meinung nach weglassen, denn es gibt nur eine einzige explizite Szene. Dieses Label zu verwenden sorgt nur dafür, dass die eine Hälfte des Zielpublikums mehr erwartet und dann enttäuscht werden könnte, und die andere Hälfte das Buch gar nicht erst in die Hand nimmt, in der Erwartung, mit mehr Sex als erwünscht konfrontiert zu werden.

Was Blood and Steel stattdessen hat, ist eine tolle Slow Burn Romance mit jeder Menge Spannung: Will they, won’t they? Wie lange wird es bis dahin dauern? Wer macht den ersten Schritt? Und so viele kleine Momente, kleine Berührungen, die den Charakteren tagelang in Erinnerung bleiben und hinterfragt werden. Diese Spannung ist genau das, was den Reiz für mich ausmacht, und deshalb trifft Blood and Steel den Nagel genau auf den Kopf.

Auch andere Tropes werden bedient, die der Verlag ganz korrekt auflistet: Enemies to Lovers, Found Family, Who did this to you? und Forbidden Love. Besonders der Moment, in dem buchstäblich „Who did this to you?!“ (auf Deutsch: „Wer hat dir das angetan?!“) gefragt wird, ist sehr gut gelungen und bescherte mir Gänsehaut und ein breites Grinsen voller Vorfreude!

Die Idee, dass Dämonen in eine Welt einfallen und die Menschen händeringend versuchen, einen scheinbar ausweglosen Krieg doch noch in die richtige Richtung zu lenken, ist nicht neu. Spontan fallen mir hierzu die Dämonentochter-Reihe von Jennifer L. Armentrout, Ein Käfig aus Rache und Blut von Laura Labas oder Kingdoms of Smoke von Sally Green ein. Auch die Aufteilung der Königreiche (und teilweise ihre Namen, das war schon etwas auffällig nah an beispielsweise Fourth Wing von Rebecca Yarros) und einige Charaktere kamen mir bekannt vor. Einer erinnerte mich mehr als einmal an Gabriel aus Jay Kristoffs Das Reich der Vampire.

Trotz all dieser kaum verschleierten Ähnlichkeiten zu anderen Büchern ist Blood and Steel keine einfache Kopie. Ja, das Buch erfindet das Rad nicht neu, aber durch dieses starke Basiselement um Frauenrechte, auf dem alles andere aufbaut – das Worldbuilding genau wie die Charakterentwicklung -, ist es eben doch eine ganz eigene Geschichte. Es macht eben einen großen Unterschied, wenn ganz offen gezeigt wird, dass ein großer Teil der Bevölkerung zwar kämpfen könnte und es zum Teil auch unbedingt will, aber dem bewusst ein Riegel vorgeschoben wird – einfach nur, weil es Frauen sind. Dass Männer dem eigenen Überleben ganz bewusst Stolpersteine in den Weg legen, nur um an der Macht zu bleiben.

Ich hatte vorher 3 Bücher aus dem neuen Imprint Bramble von Droemer Knaur gelesen und alle waren okay: Nicht total schlecht, aber auch nicht überwältigend gut. Deshalb war ich vorsichtig skeptisch, als mir auffiel, aus welchem Verlag Blood and Steel stammt. Ich muss gestehen, dass ich innerlich schon fast mit Bramble abgeschlossen hatte, obwohl ich vorab so große Hoffnungen hatte – das Programm las sich wie für mich persönlich gemacht. Die Umsetzung war bei allen 3 Büchern das Problem für mich: sie waren inhaltlich interessant, doch das WIE hat mich zu sehr gestört, um wirklich Gefallen an den anderen Büchern zu finden.

Aber Blood and Steel lässt mich wieder auf richtig gute Bücher aus diesem Imprint hoffen – und das sagt wahrscheinlich mehr aus als der ganze Rest meiner Rezension. 🙂

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Veröffentlicht am 21.09.2025

Extrem zäh

We hunt the Flame
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Epische Fantasy, ein magisches Abenteuer, Slow Burn Romance und das Ganze in einer Welt, die von der arabischen Kultur inspiriert ist? Sign me up! Leider habe ich wirklich sehr viel Geduld gebraucht, um ...

Epische Fantasy, ein magisches Abenteuer, Slow Burn Romance und das Ganze in einer Welt, die von der arabischen Kultur inspiriert ist? Sign me up! Leider habe ich wirklich sehr viel Geduld gebraucht, um bei We hunt the Flame am Ball zu bleiben, und richtig überzeugen konnte mich die Story auch nicht.

Wie bei vielen charakterbasierten Geschichten beginnt die Handlung langsam, mit dem alltäglichen Leben der Figuren, die wir kennenlernen sollen. Aber es häuften sich zunehmend Charaktere (besonders Nasirs "bester Feind" Altair hat es mir angetan) mit leider nur oberflächlichen Hintergrundgeschichten, während einfach noch nichts passiert ist. Ich war zwischendurch ziemlich verwirrt, dass ich schon fast die Hälfte des Buches erreicht hatte, ohne, dass sich wirklich etwas Nennenswertes abgespielt hätte. Und auch die zweite Hälfte war echt zäh, obwohl es dann hoch her ging und eine Actionszene auf die nächste folgte.

Das Worldbuilding ist einerseits gut, mit poetischer Sprache geschrieben, sodass ich beim Lesen und auch jetzt noch beim Schreiben der Rezension Bilder von einigen Stellen vor Augen habe, als hätte ich eine Filmszene gesehen. Es hat mir auch ganz gut gefallen, dass manche Aspekte der Welt erst nach und nach ans Licht kommen. Ich hatte allerdings große Schwierigkeiten dabei, dem Inhalt zu folgen, weil meine Gedanken aufgrund des langsamen Tempos und des manchmal umständlichen Schreibstils so oft abschweiften. Ich bin mehrfach einige Seiten zurückgesprungen, um eine Szene oder in einem Fall sogar ein ganzes Kapitel noch einmal zu lesen, weil ich nicht mehr wusste, wie die Figuren in eine Situation geraten waren oder wer gerade anwesend ist. Ich hatte also Bilder im Kopf, besonders im letzten Teil auf der eigentümlichen Insel Sharr, aber wer warum wo war und wer wie was aus welchen Gründen tat, das ist irgendwie undurchsichtig geblieben.

Gut gefallen hat mir, dass bestimmte arabische Begriffe und Namen nicht übersetzt wurden und man diese, wenn man wollte, im Glossar nachschlagen musste (das war beim eBook natürlich etwas umständlich, aber anhand des Inhaltsverzeichnisses möglich). Wenn man das aber nicht prüfen wollte, konnte man trotzdem alles aus dem Zusammenhang interpretieren. Auch die feministischen Ansätze, mit denen Zafira und ihr Familien- und Freundeskreis das frauenverachtende System ihres Kalifats nicht nur hinterfragen, sondern auch heimlich dagegen angehen, hat mir gefallen. Da hätte es meiner Meinung nach noch mehr geben können als nur Zafiras geheime Identität als Jägerin und die damit zusammenhängenden Szenen, in denen ihr zum Beispiel Unterstützung und Respekt ausgesprochen werden.

Außerdem wurde We hunt the Flame zwar als Slow Burn Romance beworben, aber die Liebesgeschichte spielt eigentlich überhaupt keine Rolle. Ja, Zafira und Nasir entwickeln schon sehr früh Interesse aneinander, geben diesem jedoch kaum bis gar nicht nach. Was für mich den Reiz bei Slow Burn ausmacht, ist eine ständig präsente unterschwellige Spannung, die mit der Zeit zunimmt, und die Frage, wann wohl jemand den ersten Schritt unternimmt, und wer das sein wird. Hier habe ich mich stattdessen gefragt, ob da überhaupt ernsthaftes Interesse besteht, das über Freundschaft oder Neugier hinausgeht. Das ist ja auch erst einmal nichts Schlechtes, nicht jeder Roman und nicht jede Fantasy braucht unbedingt eine Liebesgeschichte. Ich habe aufgrund des Marketings einfach etwas anderes erwartet.

Apropos Erwartungen. Von einem Buch, das laut Verlag vom Times Magazine auf die Liste der "100 besten Fantasy-Bücher aller Zeiten" gesetzt wurde, habe ich mehr erwartet. Ja, die Sprache ist poetisch, die Welt recht interessant und die Charaktere sind ein Paradebeispiel für Persönlichkeitsentwicklung. Aber es hätten mehr Details sein müssen, mehr spannende Handlungselemente und irgendwie auch mehr Story, um mich mitreißen zu können. Dass man erst 50-65 Prozent des Buches durchhalten muss, bevor es annähernd spannend wird, macht es mir sehr schwer, We hunt the Flame zu mögen.

Ich habe We hunt the Flame innerhalb von etwa eineinhalb Wochen gelesen, habe mich oft abends motivieren müssen, noch einmal ein paar Kapitel zu lesen. Zwischendurch habe ich ein anderes komplettes Buch innerhalb weniger Stunden inhaliert, weil dort die Handlung einfach schneller voranging und es dadurch sehr viel einfacher war, konzentriert und interessiert zu bleiben. In diesem direkten Vergleich steht We hunt the Flame wirklich nicht besonders gut da, allerdings sind diese beiden Bücher inhaltlich völlig verschieden (das andere war Urban Fantasy). Deshalb stelle ich diesen Vergleich ausschließlich in Bezug auf den Schreibstil an.

Gegen Ende gibt es Andeutungen, dass sich die Fortsetzung, mit dem diese Dilogie abgeschlossen wird, mehr mit Altair und vielleicht mit Zafiras bester Freundin beschäftigen wird - ob als Paar oder separat wird nicht benannt, das ist hier nur meine Interpretation. Aus dem Klappentext zu Band 2 geht allerdings nichts dergleichen hervor.

Fazit

So oder so, ich werde die Fortsetzung sehr wahrscheinlich nicht lesen. Ich habe mich auf die arabisch inspirierte Welt gefreut und mir hat gefallen, dass es mal nicht um Werwölfe und Vampire geht, sondern es stattdessen beispielsweise Ifrits gibt und diese nicht romantisiert, sondern als Monster behandelt werden. Aber dass das Buch so langsam und zäh ist, dass so wenig passiert und es so lange dauert, bis die Handlung auch nur im Geringsten in Gang kommt, lässt mich leider eher negativ auf We hunt the Flame zurückblicken.

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Veröffentlicht am 19.09.2025

Viel Heimatgefühl und berechtigte Gesellschaftskritik - aber dann wollte der Autor wohl zu viel?

Von Norden rollt ein Donner
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Von Norden rollt ein Donner: Ein Buch, das mir irgendwie schwer im Magen liegt. Ich habe die Leseprobe zur Zeit der Frankfurter Buchmesse 2024 gelesen und ich fand sie nicht schlecht. Aber das Buch hat ...

Von Norden rollt ein Donner: Ein Buch, das mir irgendwie schwer im Magen liegt. Ich habe die Leseprobe zur Zeit der Frankfurter Buchmesse 2024 gelesen und ich fand sie nicht schlecht. Aber das Buch hat sich nach einigen Kapiteln in eine Richtung entwickelt, die mir nicht recht gefallen will.

Einerseits hat es mir großen Spaß gemacht, die detailreichen Beschreibungen der Heidegegend zu lesen, in der ich selbst groß geworden bin. Namen von Orten, von Geschäften, Sitten und Gebräuche und die Wortwahl der Erzählstimme haben viele Erinnerungen geweckt - nicht nur gute, aber Erinnerungen. Es werden viele Probleme mal mehr, mal weniger deutlich angesprochen - dazu später mehr -, die mich an meine Zeit in der Heimat zurückdenken lassen. Andererseits gibt es Elemente in der Erzählweise und auch in der Handlung selbst, aus denen ich irgendwie nicht schlau werde. Je weiter ich las, desto weniger verstand ich, was das Buch mir sagen möchte, und nach dem Epilog war ich einfach nur noch verwirrt. Vielleicht will das Buch zu viel?

Es geht gut los, mit dem jungen Schäfer Jannes, der zunehmend das Gefühl bekommt, mit seiner Berufswahl eine falsche Entscheidung getroffen zu haben und festzustecken, obwohl ihm sein Alltag in der Natur und mit den Tieren eigentlich ganz gut gefällt. Der sich um seine alternden Eltern und deren Gesundheitsprobleme sorgt, während er seine in die Stadt gezogenen Freunde und das gemeinsame Besäufnis vermisst. Der in Politikverdrossenheit abzurutschen droht und als Vermittler zwischen seinem im Eigensinn festgefahrenen Großvater und seinem optimistischeren, aber etwas zu verbissenen und gesundheitlich angeschlagenen Vater dient, während er nur spät realisiert, wie sehr seine Mutter doch den Laden am laufen hält - sowohl den Schäferhof, als auch die Familie.

Es geht um Landflucht der "jungen Leute", um Unsichtbarkeit der eigenen Probleme gegenüber der Politik und das starke Gefühl von Machtlosigkeit auch Krankheiten gegenüber, es geht um die Rückkehr des Wolfes und um Anzeichen von Radikalisierung und Extremen im Zusammenhang mit Tradition und Rückschrittlichkeit. Es geht um die Kriegsgeschichte der Region. So weit, so verständlich und gut.

Aber dann gibt es zunehmend Elemente, die mir das Lesen phasenweise vermiest haben. Ich störe mich nicht an der Erwähnung von regionaler Geschichte im Zusammenhang mit den Schrecken des Nationalsozialismus, mit dem nahegelegenen Konzentrationslager Bergen-Belsen oder den Fragen nach Verantwortung und Schuld, die junge Menschen gern ihren Großeltern stellen würden, die aber gern ignoriert, totgeschwiegen oder unwahr beantwortet werden. Es ist wichtig, solche Themen aufzuarbeiten, und das nicht nur in Sachbüchern. Auch die Schwierigkeiten innerhalb der Familie, mit mentaler Gesundheit, mit dem Abnehmen der körperlichen Fähigkeiten und dem schleichenden Verschieben von Verantwortlichkeiten - das sind wichtige Dinge, über die man sprechen sollte. Was mich stört ist ein einzelnes Kernelement, das grundlegend beeinflusst, WIE Thielemann diese Themen erzählt.

Der nächste Abschnitt beinhaltet kleinere Spoiler. Danach geht es wieder spoilerfrei weiter.

:spoiler:










Die Krankheit der Großmutter (ich lese ihre Symptome als Demenz, weil mich viele Beschreibungen an die Erkrankung eines eigenen Familienmitglieds erinnern, ich kann allerdings auch falsch liegen) wird als Wahnsinn beschrieben. Jannes, die Hauptfigur, beginnt selbst aus dem Nichts zu halluzinieren. Er scheint sich an etwas zu erinnern, woran er sich nicht erinnern dürfte; an etwas, das lange vor seiner Geburt passiert ist. Er stückelt sich die Vergangenheit aus diesen Halluzinationen zusammen, die übrigens nie erklärt werden. Am Ende gibt es eine große Offenbarung, mit der scheinbar alles abgeschlossen werden soll, aber für mich bleibt viel zu viel offen. Woher kommen Jannes Aussetzer? Hat er einmal etwas gehört oder gesehen, sodass er quasi sein Langzeitgedächtnis anzapft und Informationen ausgräbt, die einfach nur lange vergessen waren? Anders ergibt es für mich keinen Sinn, aber es wird nicht aufgelöst.










:spoiler:

Ab hier ist meine Rezension wieder spoilerfrei!

Manche Szenen lesen sich wie ein Horrorfilm. Es hat mir nicht gefallen, diese Momente zu verfolgen, aber ich ziehe meinen Hut vor dem Autor und seinem Handwerk, denn die Übergänge sind fließend und mit den kurzen Sätzen, in denen der ganze Roman geschrieben ist, ist da durchgehend eine gewisse Spannung und Hektik trotz der Langsamkeit und Einfachheit des Großteils des Buches. Der Schnack, den die Figuren sprechen und denken und leben, war ziemlich nah an dem, was ich als Alltag und Lebensrealität daheim kenne. Der Ton ist also ziemlich gut getroffen und nicht so aufgetragen, wie es leider oft der Fall ist, wenn jemand über die Heide und ihre Menschen schreibt.

Das Gesamtbild ist wirklich sehr stimmig und ich glaube, wenn der Autor dabei geblieben wäre, dann hätte mir Von Norden rollt ein Donner sehr viel besser gefallen: Einfache Menschen mit einem einfachen Leben, einem harten Beruf und vielen Hindernissen, die sie nicht selten der Raffgier von Politikern zu verdanken haben; Radikalisierung und Gewaltbereitschaft aus Machtlosigkeit und Nostalgie; Vergangenheitsbewältigung durch Schweigen, während man gleichzeitig auf andere Aspekte der Vergangenheit das Scheinwerferlicht richtet; Kontrollverlust durch Krankheit und Alter und die Machtlosigkeit, der eigenen Familie dabei zuschauen zu müssen; Selbstzweifel und Sorge vor dem Urteil anderer; die Gratwanderung zwischen Tradition und Moderne; und schließlich die Rückkehr des Wolfes und der Probleme, die er für diese einfachen Menschen und ihre Viehbetriebe mit sich bringt - es gibt so vieles, was hier gut erzählt oder zumindest angekratzt wird. Warum nun dieses eine Element, das oben im Spoilerabsatz konkret benannt wird, unbedingt nötig war: Ich weiß es wirklich nicht.

Jannes hätte die Informationen, die er auf die oben beschriebene Weise erhält, auch anderweitig finden können. Es gibt sogar eine Szene, in der er eine alte Zeitung in einem Fotoalbum findet. Warum diese Art von Entdeckung der Vergangenheit nicht ausbauen? Warum musste der Autor Jannes Suche nach Erklärungen auf diese Weise darstellen? Es ergibt für mich keinen Sinn. Ja, natürlich macht dieses Element die Handlung spannend. Wie ich schon sagte, ich hatte stellenweise wirklich Horror-Vibes. Aber war das wirklich nötig, um diese Geschichte zu erzählen? Ich habe ständig versucht herauszufinden, ob es nun rational erklärbar ist oder ob wir es mit etwas Übernatürlichem zu tun haben. Und die fehlende Auflösung, woher das alles kam, ärgert mich wirklich. Genauso, dass es wieder verschwindet, so schnell wie es aufgetaucht ist - wieder ohne Erklärung.

Ihr merkt, diese eine Sache, die ich nicht ohne Spoiler benennen kann, hat mich enorm gestört. Sie ist auch eigentlich das einzige, was mich richtig ärgert. Ja, der knappe und sprunghafte Schreibstil, der trotzdem voller Details und genauer Beschreibungen steckt, ist nicht unbedingt das, was ich gern und viel lese. Aber es passt zur Geschichte und zur Region. Beispielsweise die Beschreibungen der Schützenvereinsscheiben an der Hausfassade der ehemaligen Schützenkönige; die Fahrtroute über Kreuzungen und Landstraßen durch kahle Kiefernwälder; die gegenseitige Abneigung zwischen Forstwirten und Jägern; ein selbst gemaltes Plakat für die gemeinschaftliche Erniedrigung eines unverheirateten Dreißigjährigen durch Fegen; das Gefühl von undichten Regenstiefeln im Matsch - ich habe so viele eigene Eindrücke allein in der Sprache und den Beschreibungen des Autors wiedererkannt, und diese Szenen habe ich sehr gern gelesen. Wenn es nur dabei geblieben wäre ...

Es gefällt mir, dass in Von Norden rollt ein Donner die karge Heidelandschaft und ihre ebenso direkten Menschen nicht romantisiert werden. Der Verlag nennt das Buch bewusst einen Anti-Heimatroman (obwohl ich das gar nicht unbedingt so unterschreiben würde). Hermann Löns wird zusammen mit seinem Mythos kritisiert, Traditionen infrage gestellt, das immer gleiche Gerede und Prahlerei werden als solche bezeichnet und ja, auch die Beteiligung der Menschen aus der Heimat an Kriegsgräueln wird nicht schöngeredet, ganz im Gegenteil.

Und doch fühlte es sich an wie nach Hause kommen, Von Norden rollt ein Donner zu lesen.

Fazit

Ich bin froh, dass ich über meinen Schatten gesprungen bin und nach langer Zeit mal wieder einen Roman gelesen habe, der im deutschen Feuilleton gut ankam (normalerweise ist das ein Signal dafür, dass es mir unmöglich gefallen kann). Ich hatte Freude daran, literarisch in meiner Heimat und Kindheit unterwegs zu sein. Es hat mir gefallen, wie viele verschiedene Probleme, die gern unter einer dicken Schicht Idylle verborgen werden, hier zutage traten. Aber dann wollte der Autor ein bisschen zu viel, und dieses "zu viel" hat für mich viele der positiven Bestandteile so negativ beeinflusst, dass ich insgesamt mit einem mulmigen Gefühl auf Von Norden rollt ein Donner zurückblicke.
Vielleicht muss ich es noch einmal lesen um zu verstehen, was der Autor sagen möchte; jetzt, da ich weiß, wie die Geschichte ausgeht. Ein gutes Buch muss für mich jedoch auch nach einem einzigen Lese-Durchgang bestehen können, und das sehe ich hier leider nicht.

Veröffentlicht am 19.09.2025

Gute Unterhaltung, etwas zu lang gestreckt

You Are My Hurricane
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Ich wollte dieses Buch so sehr mögen! Leider trifft es nicht ganz meinen Geschmack. Es gibt ein paar Szenen, die mir richtig, richtig gut gefallen haben und mir auch die Tränen in die Augen treiben konnten, ...

Ich wollte dieses Buch so sehr mögen! Leider trifft es nicht ganz meinen Geschmack. Es gibt ein paar Szenen, die mir richtig, richtig gut gefallen haben und mir auch die Tränen in die Augen treiben konnten, aber als Ganzes betrachtet ist You are my Hurricane leider nur guter Durchschnitt für mich.

Das liegt einerseits an der Schreibweise, dazu später mehr. Wichtiger und in diesem Zusammenhang noch störender war für mich jedoch die fehlende Nachvollziehbarkeit der Chemie zwischen den beiden Hauptcharakteren. Es war, als wäre von jetzt auf gleich ein Schalter umgelegt worden und für "sie geht mir nicht mehr aus dem Kopf" oder "ich liebe dich" gab es aus meiner Perspektive kaum eine Grundlage. Mir hat gefehlt, die sich langsam aufbauende Zuneigung zu sehen oder zumindest nach dem ersten Zusammenstoß einen allmählichen Wechsel von Feindschaft über Waffenstillstand zu Freundschaft. Nein, stattdessen fing Maeve schon beim ersten richtigen Treffen, bei dem sie eigentlich noch panisch und sauer ist, ohne erkenntlichen Grund bei jeder Kleinigkeit an zu kichern und fängt an zu verstehen, warum alle Frauen des Colleges auf Carter stehen, obwohl vorher ihr temperamentvolles und aufgebrachtes Verhalten Carter gegenüber beschrieben wurde.

Maeve hätte eigentlich eine meiner Lieblingsfiguren werden können, da ich mich oft auf die Seite der unterschätzten stillen Mädchen schlage, die in eine ungewohnte Situation stolpern und über sich hinauswachsen (müssen). Aber trotz des Traumas, das sie auf der High School erlitten und bis heute mit sich getragen hat, das ihren gesamten Alltag bestimmt und ihr besondere Verhaltensweisen antrainiert hat - trotz alledem findet sie sich enorm schnell in ihrer neuen Realität mit Carter an ihrer Seite und im Rampenlicht der Uni zurecht. Ich meine, schön, dass es ihr nach ein, zwei Panikattacken so leicht fällt, aber realitätsnah ist das meiner Meinung nach nicht unbedingt.

Gefühlt von einem Kapitel aufs nächste switcht Maeves Grundeinstellung von "oh Gott, es darf von mir keine Spur im Internet geben und niemand am College soll auch nur wissen, dass ich existiere, sonst breche ich panisch in Tränen aus" hin zu "ja, ich lasse mich auf einer Footballmannschaft-Verbindungsparty volllaufen, tanze mit dem begehrtesten Typen der Uni vor aller Augen und lasse mich für große Ansprachen auf einen Beerpong-Tisch ziehen, bevor ich einer Social-Media-Kampagne zustimme, die mich ins Rampenlicht befördern wird".

Carter dagegen hat es mir sehr viel mehr angetan - und das ist eine Seltenheit, denn die männlichen Hauptfiguren in Sport-Romances sind selten so richtig mein Fall. Am liebsten mag ich jedoch Isaac und Oliver, was mich dagegen wenig überrascht. Das Beste-Freunde-Paar, sozusagen die zweite Reihe hinter dem Hauptpaar, ist oft eines meiner Favoriten.

Aber zurück zum Schreibstil, mit dem ich mich bis zum Ende nicht recht anfreunden konnte. Besonders gestört haben mich die vielen Wiederholungen (du bist mein Hurricane hier, er hat mich umgeworfen wie ein Hurricane da, zur Abwechslung gab es auch mal ein "wie ein Wirbelsturm", sie war mein Hurricane (ausnahmsweise in der Vergangenheitsform), die Football-Mannschaft heißt Hurricanes, und zum Ende hin gibt es dann tatsächlich auch einen echten Sturm, den unser Hauptpaar - natürlich - im Station der Hurricanes verbringen, - ich könnte diese Liste noch eine ganze Weile weiter fortsetzen). Irgendwann haben es auch die unaufmerksamsten Leser:innen verstanden, dass der Titel des Buches aufgegriffen wird...

Schwach fand ich auch einige Momente, die scheinbar als überraschende Wendungen geplant, aber sehr vorhersehbar umgesetzt waren. Zum Beispiel ist die Person, die die Klatschseite der Uni betreibt, wie in der Serie Gossip Girl ein Geheimnis - aber als dieses endlich gelüftet wird, wird es total unspektakulär in zwei Sätzen abgehandelt, weil man es schon früh erahnen konnte. Oder es gibt plot holes, wie zum Beispiel die Sache mit Carters Vater: obwohl sein Vater eine solche Legende in dem Sport war, in dem Carter jetzt selbst aktiv ist, erkennt niemand seiner Teamkameraden den älteren Mann auf ihrem Sofa als einen der eigenen Kindheitshelden?

Insgesamt habe ich mich von You are my Hurricane nicht schlecht unterhalten gefühlt, allerdings gab es so einige Durchhänger sowohl auf inhaltlicher als auch auf stilistischer Ebene, die mir die Freude am Lesen etwas vermiest haben. Ich glaube, 100 Seiten weniger hätten dieser College-Romance gut getan.

Ein letzter Satz zum Cover: Das passt ziemlich gut, denn Carter schleppt Maeve tatsächlich öfter mal über seine Schulter geworfen herum. Meistens übrigens gegen ihren Willen.

Veröffentlicht am 19.09.2025

Interessante Fortsetzung, aber viel zu zäh und langsam erzählt

Das Reich der Verdammten
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Genau wie in Band 1 ist die Welt von Gabriel de Leon und seinen Verbündeten von Gewalt, Schmerz und Verzweiflung geprägt. Es gibt ab und zu kleine, zarte Hoffnungsmomente, die uns nur wenige Kapitel später ...

Genau wie in Band 1 ist die Welt von Gabriel de Leon und seinen Verbündeten von Gewalt, Schmerz und Verzweiflung geprägt. Es gibt ab und zu kleine, zarte Hoffnungsmomente, die uns nur wenige Kapitel später wieder schmerzlich entrissen werden. Der Untertitel "A Tale of Pain and Hope" passt also wie die Faust aufs Auge. Auch der Titel selbst, Das Reich der Verdammten, findet seine Berechtigung, denn Gabriel muss anscheinend immer wieder aufs Neue lernen, dass die Herrschaft eben nicht mehr bei den Menschen liegt, sondern dass die Verdammten und Vampire das Sagen und damit einen gewaltigen Machtvorteil haben.

Diors Entwicklung hat mir gut gefallen. Sie wächst oft über sich selbst hinaus, übernimmt Verantwortung und hilft, wo sie nur kann. Gabriel wird mir dagegen immer unsympathischer, und ich bin fast überzeugt, dass der Autor genau das erreichen wollte. Phoebe mausert sich zu einer Favoritin und überraschend steigt auch die Person, die im Klappentext Liathe genannt wird, in meiner Achtung. Und sogar der Chronist, der diese ganze Geschichte in Form einer Rahmenerzählung niederschreibt und einhakt, wenn sein Interviewpartner zu sehr abschweift oder Details auslässt, wird in diesem zweiten Band der Trilogie zu einer interessanten Figur, dessen Rolle mich mehr und mehr interessiert.

Jay Kristoff ist gut darin, Sympathien zu Personen aufzubauen, die dann kurz darauf niedergemetzelt werden, oder Hoffnung zu erzeugen, damit der niederschmetternde Verlust nur noch furchtbarer erscheint. Verrat wird in dieser Geschichte spärlich, aber umso herzzerreißender eingesetzt. Vor diesem Autor und seinem handwerklichen Geschick muss man daher wirklich den Hut ziehen.

Aber wie auch schon im ersten Teil hat es meine Lesefreude enorm beeinträchtigt, wie lang Das Reich der Verdammten wurde (und dass, obwohl ich eigentlich sehr gern sehr lange Bücher lese). Ich habe nicht nur das Buch gelesen, sondern zwischenzeitlich sogar das Hörbuch (mit erhöhter Geschwindigkeit) gehört, um möglichst viel Zeit auch unterwegs oder bei Tätigkeiten, die nur meine Hände, nicht aber meinen Kopf erforderten, mit dieser Geschichte zu verbringen und endlich in der Handlung voranzukommen. Ich kann, ebenfalls wie in meiner Rezension zum ersten Band, nicht einmal über Leerlauf klagen, der durch die schiere Länge des Buches entstanden wäre, denn es passiert ja immer etwas. Bis auf einige Szenen voller Begehren und Körperlichkeit, die man sich auch hätte sparen oder deren Anzahl man zumindest hätte reduzieren können, gab es nichts, was ich wirklich überflüssig fand.

Und trotzdem ist diese Geschichte viel zu oft zäh und langsam, weshalb ich selten mehr als nur ein paar Kapitel am Stück lesen konnte, ohne die Lust zu verlieren.

Rückblickend habe ich vor dem Schreiben dieses Beitrags versucht aufzuzählen, welche wichtigen Etappen Gabriel, Dior und ihre wechselnden Gefährten in diesem Band geschafft haben - und es fiel mir schwer, mich an alle zu erinnern, so sehr gingen sie unter in dem immer gleichen Gemetzel, in Schlachten, vulgären Ausschweifungen und alkoholisierten Gewaltfantasien des arroganten Erzählers. Ja, das entspricht dem Charakter des Antihelden, unserer Hauptfigur. Ja, es gehört auch generell irgendwie zu Kristoffs Büchern. Aber es hat mich noch nie so sehr genervt wie hier.

Die Szenen, die mir am besten gefallen haben, die mir am lebendigsten in Erinnerungen geblieben sind, waren diejenigen, in denen die Handlung überraschte, zum Beispiel durch die Offenbarung eines furchtbaren Verrats oder die Erkenntnis, einen grauenhaften Fehler begangen zu haben. Viel häufiger kam diese angenehme Überraschung aber durch kurzweilige Unterbrechungen des altbekannten Musters: Momente des Vertrauens, das Entdecken fremder Kulturen, die Erkenntnis von unerwarteten Verbündeten, das Aufdecken eines neuen Geheimnisses.

Natürlich gibt es auch hier wieder einen fiesen Cliffhanger, weshalb ich neugierig bin, was nun wirklich die Wahrheit ist, wer auf wessen Seite steht, welche Geheimnisse und Intrigen noch unaufgedeckt geblieben sind. Aber ich fürchte, mit dieser Fortsetzung hat Kristoff meinen persönlichen Geduldsfaden etwas überspannt. Vielleicht wird es mir reichen, eine Zusammenfassung von Band 3 oder die Rezensionen anderer Lesenden zu verfolgen, um mit dieser Trilogie abzuschließen. Ob ich zum Erscheinen des finalen Bandes noch einmal 1000 Seiten voller Gewalt und Düsternis lesen möchte, nur um mich an immer weniger Lichtblick-Momenten entlang zum Ende zu hangeln, bezweifle ich.