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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.01.2024

Eine Familiengeschichte über Schweigen, Schuld und Herkunft

Saubere Zeiten
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Jakob macht sich auf den Weg in die Heimat, als er von der Krankheit seines Vaters erfährt. Dort taucht er ein in die Geschichte seiner Familie, deren Aufstieg und Fall in Zeiten des Wirtschaftswunders ...

Jakob macht sich auf den Weg in die Heimat, als er von der Krankheit seines Vaters erfährt. Dort taucht er ein in die Geschichte seiner Familie, deren Aufstieg und Fall in Zeiten des Wirtschaftswunders und muss sich gleichzeitig mit seinen eigenen Lebensentscheidungen auseinandersetzen.

Die Geschichte teilt sich auf in die Gegenwartserzählung, die hauptsächlich Jakobs Leben zum Mittelpunkt hat und die Aufarbeitung der Familiengeschichte seiner Eltern- und Großelterngeneration. Trotz der zwei Erzählstränge liegt der Fokus auf der Gegenwart, bis sich diese im Laufe des Buches mit den Einflüssen der Vergangenheit vermischt. Dabei stehen vor allem die Familienverhältnisse im Vordergrund, die geprägt sind durch emotionale Kälte und das Totschweigen wichtiger Themen, was zu Distanz und Sprachlosigkeit untereinander führt. Der Einstieg fällt durch den flüssigen und nahbaren Schreibstil leicht und man ist schnell in der Geschichte gefangen. Die Sätze sind kurz und auf den Punkt gebracht, ohne dass die Emotionalität verloren geht. Dadurch habe ich das Buch recht schnell lesen können.

Insgesamt hat es mir gut gefallen, mich jedoch nicht länger gefesselt. Die Thematik war spannend, gerade vor dem persönlichen Hintergrund des Autors, welcher laut Nachwort die Inspiration aus der eigenen Familiengeschichte nahm. Die Verknüpfung nach Rio war mir dann etwas zu ‚weit weg‘, geographisch und inhaltlich gesehen, wenn es auch die Geschichte letztendlich rund gemacht hat. Auch das Privatleben des Protagonisten war mir zu unrealistisch, es ähnelte dem eines Teenagers, der weder finanzielle Grenzen noch berufliche Verpflichtungen kennt. Dennoch war die Geschichte im Großen und Ganzen stimmig und spannend erzählt, sodass ich mir vorstellen kann, dass es vielen gefallen wird, die mal wieder einen schönen Roman lesen möchten.

Veröffentlicht am 22.01.2024

Schein und sein

Die Perfektionen
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Die Protagonisten Anna und Tom sind nach Berlin gezogen und führen dort ein Leben, welches sich als lebensechtes Pinterest-Board eines jeden Millennials beschreiben lässt. Zwischen Frühstücksbowls und ...

Die Protagonisten Anna und Tom sind nach Berlin gezogen und führen dort ein Leben, welches sich als lebensechtes Pinterest-Board eines jeden Millennials beschreiben lässt. Zwischen Frühstücksbowls und Galerieeröffnungen stellt sich ihnen irgendwann die Frage, ob das jetzt alles gewesen ist.

Durch den beschreibenden Erzählstil lässt der Autor vor dem inneren Auge sofort eine Welt entstehen, in die man detailgetreu eintauchen kann. Er entwickelt eine realistische Momentaufnahme des Lebens in Berlin, wodurch das Buch nicht so sehr von Anna und Tom im speziellen handelt, sondern eher den Lifestyle einer Generation im Gesamten portraitiert. Besonders viel erfährt man nicht über die beiden, eher sind sie Stellvertreter einer Kultur des sich-treiben-lassen, alles ausprobieren wollen, etwas links und grün sein, jedoch die Annehmlichkeiten des schönen Lebens nicht missen möchten, individuell sein, aber dennoch mit dem Trend gehen. Wenn auch die Protagonisten auf der Suche nach dem tieferen Sinn sind, ist der Stil nicht rastlos, er beschreibt eine Lebensweise auf das genaueste, ja seziert sie fast in ihren kleinsten Bestandteilen. Dies macht das Buch aus und man findet sich in einer Welt wieder, die man als regelmäßige:r Social Media Nutzer:in bereits zu kennen scheint, aber nie auf diese Weise analysiert und hinterfragt hat. Dabei ist die Erzählung weder wertend noch lebensverändernd, aber eröffnet doch neue Perspektiven. Zusätzlich ist es eine Ode an das Stadtleben mit seinen unbegrenzten Möglichkeiten, offenen Galerien, Cafés, lockeren Bekanntschaften und spontanen Einfällen, wie man sie nur in jungen, ungezwungenen Jahren erleben kann.
Trotz des kurzen Lesevergnügens (125 Seiten) eine abwechslungsreiche, tiefgründige Erzählung, für Menschen in ihren 20ern und 30ern geeignet und für jene, die ganz in das Lebensgefühl einer anderen Generation eintauchen möchten.

Veröffentlicht am 22.01.2024

Über die Inspirationssuche, Spaziergänge und das Leben als Schriftsteller

Das glückliche Geheimnis
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Von carowbr
Arno Geiger erzählt in diesem Buch von seinem Leben als Schriftsteller, seinen Anfängen und seinem Durchbruch und vor allem von seinen jahrelangen Streifzügen durch die Straßen und den Papiermüll ...

Von carowbr
Arno Geiger erzählt in diesem Buch von seinem Leben als Schriftsteller, seinen Anfängen und seinem Durchbruch und vor allem von seinen jahrelangen Streifzügen durch die Straßen und den Papiermüll anderer Leute, der sein Leben und sein schriftstellerisches Werk maßgeblich beeinflusst hat.
Zuallererst muss ich anmerken, dass ich aufgrund des Klappentextes ein anderes Buch erwartet hatte, da der Begriff des ‚Doppellebens‘ in eine andere Richtung wies. Im Grunde genommen ist jedoch der rote Faden des Buches das ‚Geheimnis‘ des Autors, dass er im Altpapier der Menschen nach Büchern, Briefen und sonstigen Schriftstücken Ausschau hält, die ihm zur Inspiration dienen und seine Sichtweise auf die Welt und die Menschen prägt. Das Buch ist keine chronologische Aufarbeitung seines Lebens, eher ein Einblick in seine Gedankenwelt, persönlichen Lebensumstände und seinen Entwicklungsprozess als Mensch und Schriftsteller. Die Beschreibungen sind präzise und eigenwillig, er stellt philosophische Überlegungen an und untersucht das alltägliche Leben. Besonders spannend empfand ich den Einblick in sein Leben und seine Gedanken als Schriftsteller, die Zeit vor seinem Durchbruch, den Medienrummel und die damit verbundene Aufwertung seines ‚Geheimnisses‘.
Insgesamt fällt es mir schwer, ein Bewertung abzugeben, da ich einerseits immer wieder Gedankengänge treffend beschrieben und als literarisch exquisit empfand und dann wieder Passagen nichtssagend und unsympathisch rüberkamen. Ich kann mir vorstellen, dass mir seine Romane entweder sehr gut oder gar nicht gefallen könnten. Ich würde das Buch daher besonders an diejenigen empfehlen, die das Werk des Autors bereits kennen und schätzen, da man noch einiges an Hintergrundwissen erhält.

Veröffentlicht am 22.01.2024

Die Ehe als Ausdruck patriarchaler Machtstrukturen

Das Ende der Ehe
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Die Autorin untersucht in ihrem Werk die gesellschaftliche Bedeutung der Ehe, verdeutlicht die Machtstrukturen und die Ungleichheit, welche durch die Bevorzugung von heterosexuellen Ehepaaren in unserer ...

Die Autorin untersucht in ihrem Werk die gesellschaftliche Bedeutung der Ehe, verdeutlicht die Machtstrukturen und die Ungleichheit, welche durch die Bevorzugung von heterosexuellen Ehepaaren in unserer Gesellschaft entstehen und zeigt auf, wie dieses Konstrukt Frauen unterdrückt und ein Hindernis für echte Gleichberechtigung darstellt.
Wissenschaftlich untermauert und dennoch in leicht zugänglicher Sprache geschrieben, führt die Autorin durch dieses Buch, welches augenöffnend und manchmal schmerzhaft ist. Dabei geht sie sowohl auf den historischen Kontext, die Auswirkungen unserer patriarchalen Gesellschaft als auch auf die individuellen Paarbeziehungen ein. Besonders erkenntnisreich fand ich das Kapitel „Wie wir lernen, uns nach der Ehe zu sehnen“, in welchem dargestellt wird, wie wir politisch, medial und gesellschaftlich einen Lebensweg vorgegeben bekommen, der für jeden Menschen die ultimative Erfüllung darstellen soll. Die weiteren Kapitel beleuchten immer andere Aspekte von Paarbeziehungen, wie emotionale Rollenverteilung, Care-Arbeit, Geld und Karriere, auch die binäre Geschlechterteilung und deren Sinnhaftigkeit wird hinterfragt. Manche Ansichten sind radikal, andere bereits im gängigen feministischen Diskurs angekommen. Wer sich auf neue Sichtweisen und Gedankenanstöße einlassen kann, dem wird dieses Buch einiges bieten können, da man viel für sich selbst und für Diskussionen mit Anderen mitnehmen kann. Mich hat das Buch wirklich beeindruckt und ich kann es uneingeschränkt weiterempfehlen.

Veröffentlicht am 22.01.2024

Einfühlsame Teeniegeschichte

Girls like girls – Sag mir nicht, wie ich mich fühle
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Coley zieht nach dem Verlust ihrer Mutter zu ihrem Vater, den sie kaum kennt. Neu in der Stadt verliebt sie sich in das beliebte Mädchen Sonya, die aber nicht zu ihren Gefühlen für sie stehen kann.
Der ...

Coley zieht nach dem Verlust ihrer Mutter zu ihrem Vater, den sie kaum kennt. Neu in der Stadt verliebt sie sich in das beliebte Mädchen Sonya, die aber nicht zu ihren Gefühlen für sie stehen kann.
Der Schreibstil ist eingängig, man kommt schnell in die Geschichte rein und kann sich in die Protagonistin einfühlen, da ihre Gefühlswelt als junges Mädchen nachvollziehbar und treffend beschrieben wird. Sie empfindet sehr intensiv, kann aber auch gut reflektieren und sich und andere hinterfragen und durchschauen. Coley empfand ich dadurch beim lesen als sympathisch und man fiebert mit ihr mit. Neben der Ich-Erzählerin wird auch Sonya’s Perspektive durch ihre Online-Tagebucheinträge eingebaut, was sie zugänglicher macht und wodurch man ihre Handlungen und Gefühle besser verstehen kann. Die (queere) Liebesgeschichte hat einen stimmigen Aufbau und viele Komponenten wie Coming-Out, zu sich selbst stehen, erste Erfahrungen, wie geht der Freundeskreis oder die Eltern damit um und es werden ganz unterschiedliche Blickwinkel und Herangehensweisen eingebaut.
Insgesamt hat es mir wirklich gut gefallen, da es spannend und unterhaltsam war, das Gefühl von Sommer und Teeniejahren erweckt hat und einen einfühlsamen Einblick in die Gedankenwelt eines jungen Mädchens gegeben hat, welche geprägt ist von Trauer und deren Verarbeitung und die nun herausfinden möchte, was das Leben für sie bereithält.
Kritisch anzumerken ist der übermäßige Drogenkonsum, der bei jeder Gelegenheit in Form von Alkohol oder Gras zelebriert wird.