Platzhalter für Profilbild

cebra

Lesejury Profi
offline

cebra ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit cebra über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.02.2022

Harte Kerle in Louisiana

Eine Zelle für Clete
0

Detective Dave Robicheaux und sein Freund Clete Purcel versuchen, Licht in das Dunkel um eine Mordserie an jungen Frauen zu bringen. Ausgerechnet mit einem der Hauptverdächtigen hat sich Daves Stieftochter ...

Detective Dave Robicheaux und sein Freund Clete Purcel versuchen, Licht in das Dunkel um eine Mordserie an jungen Frauen zu bringen. Ausgerechnet mit einem der Hauptverdächtigen hat sich Daves Stieftochter gerade angefreundet, was ihn in besondere Alarmbreitschaft versetzt.
James Lee Burke nimmt sich auch im 18. Band der Reihe die Zeit, als Grundlage eine intensive Südstaatenatmosphäre auszubreiten. Es gelingt ihm hervorragend, die besondere Stimmung der Region zu übermitteln. Die Historie der Bevölkerungsgruppe der Cajuns in Louisiana wirkt unaufdringlich präsent, Orts- und Naturbeschreibungen beschwören die Vorstellungskraft, politische und gesellschaftliche Machtverhältnisse zeigen ihre Einflüsse. Die Vergangenheit atmet aus jeder Zeile, auf eine irgendwie trostlose Weise, und wirkt sich besonders in der Diskriminierung farbiger Menschen bis ins Heute aus.
Auf der Suche nach Wahrheit erweisen sich nicht nur die kriminellen Personen als äußerst gewaltbereit. Auch Dave und besonders Clete versuchen in vielen Situationen erst gar nicht, die Kontrolle über ihre testosterongesteuerten Handlungsweisen zu behalten. Ein echtes Kerlsgetue, rüpelnd und provozierend mischen sie alles auf, was sich in den Weg stellt. Bereits bei einfachen Dialogen sorgen ständige Sticheleien für Eskalation. Da geht es schnell hart und blutig zu und die Anzahl der Toten steigt gefühlt von Seite zu Seite. Fast aus keiner Begegnung findet der alkoholaffine Clete ohne nennenswerten Konflikt wieder heraus. Der wenig schmeichelhafte Nickname „Abrissbirne“ trifft daher genau ins Schwarze.
Da ist so gar nichts Feines, Subtiles. Sobald die beiden im Gegenüber einen Gegner wittern, wird Schuld vorausgesetzt und im Wespennest herumgestochert.
Bei all den Problemen, die sie magisch anziehen, ist es wunderbar und überlebenswichtig, dass sie sich hundertprozentig aufeinander verlassen können.
Manchmal wird Bezug genommen auf ehemalige Erlebnisse, aber der Roman lässt sich ohne Weiteres ohne Kenntnis der Vorgängerbände lesen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.02.2022

Gefährliche Gemeinschaft

connect
0

Die 28-jährige Ava arbeitet in einer Werbeagentur. Sie fühlt sich überfordert und ausgelaugt. Durch die ehemaligen Kommilitonin Lina erfährt sie von einer Gruppe Menschen, die alternative Lebensvorstellungen ...

Die 28-jährige Ava arbeitet in einer Werbeagentur. Sie fühlt sich überfordert und ausgelaugt. Durch die ehemaligen Kommilitonin Lina erfährt sie von einer Gruppe Menschen, die alternative Lebensvorstellungen haben, und die sich Connect nennt. Bei den Treffen fühlt sie sich so wohl wie lange nicht mehr und lässt sich immer weiter ein.
Thea Mengelers Roman liest sich sehr ruhig, beinahe sachlich. Dabei ist das Thema hochemotional. Wir erhalten durch die Protagonistin, an deren Seite wir durch das Geschehen gehen, einen Einblick in die Mechanismen einer kleinen, von der Gesellschaft abgespaltenen Gemeinschaft.
Die Bereitschaft, das gewohnte Leben hinter sich zu lassen, steigt mit der Unzufriedenheit im Alltag. Connect setzt hier an und bietet eine Wohlfühlatmosphäre, schlüssige Ideale, Verständnis, angenehme Beschäftigung und vieles mehr. Es prangert die ausbeuterische Arbeitswelt, verkrustete Traditionen und den Austausch von realer Nähe durch digitale Medien an. Das alles wirkt auf den ersten Blick schlüssig und durchaus nicht unsympathisch.
Geleitet wird die Organisation von dem charismatischen Dev, der in einer täglichen Ansprache stets die richtigen Worte für die Ohren seiner Anhänger*innen findet, und sie bis zur Hörigkeit auf seine Ideologie einschwört.
Durch den kleinen vorangesetzten Abschnitt ist von Beginn an zu befürchten, dass es zu einer Eskalation kommen wird. Dies ist einer der Gründe, weshalb sich der Roman von Beginn an äußerst spannend anfühlt.
Sehr gekonnt übernimmt die Autorin die Rolle der Beobachterin und überlässt die Wertung dem Publikum. So ganz leicht wird es dem nicht gemacht, denn es erweist sich, dass die heile Welt, die Dev suggerieren möchte, weder diesseits noch jenseits von Connect zu finden ist.
Vielleicht ist Avas Entwicklung ein wenig vereinfacht dargestellt und von daher nicht für jeden bis auf den letzten Punkt nachvollziehbar. Doch für die Auseinandersetzung mit dem Thema gibt das Buch jede Menge Denkanstöße.
Von Aufmachung, Aufbau, Thema und Schreibstil her könnte man sich als Zielgruppe vorwiegend, aber keineswegs ausschließlich, Jugendliche oder junge Erwachsene vorstellen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.02.2022

Wunderbar cosy

Mrs Potts' Mordclub und der tote Nachbar
0

Als die 77-jährige Judith Potts in der Themse, die vor ihrem Haus entlang fließt, ein Bad nimmt, hört sie auf dem Nachbargrundstück Stimmen, dann einen Schuss. Für sie ist klar, dass sie gerade Zeugin ...

Als die 77-jährige Judith Potts in der Themse, die vor ihrem Haus entlang fließt, ein Bad nimmt, hört sie auf dem Nachbargrundstück Stimmen, dann einen Schuss. Für sie ist klar, dass sie gerade Zeugin eines Mordes geworden ist. Doch sie muss erleben, dass die junge DS Tanika Milik mit ihren Ermittlungen nicht weiter kommt, und beginnt, auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen.
Robert Thorogood stellt im ersten Band dieser Reihe eine schrullige, beherzte, äußerst sympathische Dame mit messerscharfem Verstand vor, die sich ungern an Regeln hält und auch schon mal gerne ein Gläschen Whisky zu sich nimmt. Wobei es durchaus vorkommt, dass sich am späten Abend der „Denkscotch“ in einen „Nichtdenkscotch“ verwandelt.
Bald schon hat sie sich im Dorf zwei Mitstreiterinnen gesucht, die Hundesitterin Suzie Harris und die Pfarrersgattin Becks, und zu dritt entwickeln sie Theorien und verrückte Pläne, nehmen Fährten auf, erobern Beweisstücke und verfolgen Verdächtige. Das ist wunderbar skurril, überwältigend liebenswert, ganz und gar cosy. Mit ironischem Unterton und einem Gespür für Situationskomik lässt uns der Autor gekonnt in eine Falle laufen. Denn vor lauter Behaglichkeit verliert man ein wenig den Blick für den eigentlichen Kriminalfall, der durchaus raffiniert und logisch konstruiert ist.
So wie unsere forsche Ermittlerin sich mit Hingabe ihrem Beruf widmet - sie ist Verfasserin um die Ecke gedachter Kreuzworträtsel - so war auch beim Schreiben des Romans offensichtlich ein Tüftler am Werk. Der Kriminalfall und ein Kreuzworträtsel: Bei beiden gibt es winzige Übereinstimmungen, die richtig gedeutet gehören. Erst wenn alles an die passende Stelle gerückt ist, ergibt sich ein Ganzes: die Lösung.
Es ist hier wirklich geglückt, einen anspruchsvollen Krimi mit der Behaglichkeit englischen Landhausflairs zu verknüpfen, so dass ein besonderes Lesevergnügen entstanden ist. Man darf sehr gespannt sein auf die weiteren Abenteuer von Mrs Potts´ Mordclub.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.02.2022

Ungewöhnlich und fesselnd

Im Auge des Zebras
0

In sechs Städten Deutschlands werden zeitgleich sieben Jungen entführt, wenig später ihre Eltern ermordet. Kommissarin Olivia Holzmann vom LKA Berlin versucht, ihren genialen ehemaligen Kollegen Boesherz ...

In sechs Städten Deutschlands werden zeitgleich sieben Jungen entführt, wenig später ihre Eltern ermordet. Kommissarin Olivia Holzmann vom LKA Berlin versucht, ihren genialen ehemaligen Kollegen Boesherz zur Mithilfe zu bitten, doch der verweigert sich.
Zunächst präsentiert Autor Vincent Kliesch in diesem ersten Teil der Bösherz-Reihe (die unterschiedliche Schreibart ist durchaus beabsichtigt!) ein Szenario, welches abseits des Falls abläuft: Der mutmaßliche Drogenboss Fjodor Sokolov fordert von seinem angehenden Mitarbeiter, dass der als Beweis seine Loyalität einen Mord begeht. Was sich daraufhin entwickelt, ist ein Feuerwerk an Ideen, Finten und unerwarteten Wendungen. Ein Einstieg, der auf das Buch einstimmt und eine Wundertüte an Überraschungen erwarten lässt. Gleich vorweg: Diese Erwartungen werden erfüllt. Ganz sicher gibt es wenige derart einfallsreiche Thriller wie diesen.
Vielleicht muss deshalb in Kauf genommen werden, dass auch die Charaktere teilweise extrem ausgestaltet sind. Das trifft keineswegs auf die taffe Ermittlerin zu, die sich durchaus als Identifikationsfigur anbietet. An ihr ist und bleibt man dicht dran und kann das meiste, was sie tut, gut nachvollziehen. Weitaus schwieriger ist das bei Sokolov, der sich als Zauberer inszeniert, und besonders bei Boesherz, der in überaus überlegener, sogar überheblicher Manier sich mit zweifelhaften Begründungen bei fast jeder Gelegenheit den Erwartungen anderer entzieht. Seine geheimnisvolle Aura und besondere Gaben entrücken ihn den Lesenden.
Ähnlich wie Sherlock Holmes ist er ein Ermittler mit genialer detektivischer Kombinationsgabe, der auf der Basis von Fakten seine Schlussfolgerungen zieht. Allerdings greift er selten auf handfestes Beweismaterial zurück, sondern analysiert vor allem die Verhaltensweisen und Äußerungen von Personen im Kontext mit den Geschehnissen.
Die Geschichte ist ausgefeilt, raffiniert und sorgt für fesselnde Unterhaltung. Leicht pathetische Momente oder das Überstrapazieren gewisser Elemente wie beispielsweise der Zauberkunst zu Beginn des Buches können die Lesefreude nur wenig dämpfen. Am Ende bleibt die Vorfreude auf den zweiten Band der Reihe.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.02.2022

Wie wichtig ist Stadt für unsere Zukunft

Stadt, Land, Klima
0

Gernot Wagners Buch „Stadt Land Klima“ ist eine Liebeserklärung an die Stadt. An das Leben darin. Und letztendlich auch an ihre (typischen) Bewohner.
Er belegt mit zahlreichen Beispielen und anhand vieler ...

Gernot Wagners Buch „Stadt Land Klima“ ist eine Liebeserklärung an die Stadt. An das Leben darin. Und letztendlich auch an ihre (typischen) Bewohner.
Er belegt mit zahlreichen Beispielen und anhand vieler Studien die Vorteile sowohl ökonomischer als auch ökologischer Art. Vernetzungen schaffen Möglichkeiten, die andernorts versagt bleiben. Als besonders offensichtliches Beispiel wählt er gerne den verkehrstechnischen Bereich, wo zugunsten von Bahn, Bus oder Fahrrad auf das Auto verzichtet werden kann. Doch Wagner geht viel weiter: Als Ort der Innovation ist die Stadt impulsgebend für die Zukunft. Änderungen und Verbesserungen finden von hier den Weg in die Zukunft, als Idee und Lebenseinstellung kann sie sogar unabhängig von realen Städten existieren.
Nicht alles lässt sich so ganz leicht verstehen. Manchmal ergibt sich der Eindruck, einen akademischen klimaökologischen Vortrag bewältigen zu müssen. Dann wieder schwenkt der Autor zum gefühlt hundertsten Mal auf die Vorzüge der siebzig Quadratmeter Wohnfläche um, die er mit seiner Familie in New York bewohnt. Doch zwischen Überforderung und Langeweile lassen sich viele spannende Thesen und Fakten entdecken.
Als Gegenstück zum urbanen Leben in ökologischer und soziologischer Hinsicht sieht er übrigens keineswegs das Leben auf dem Land, sondern das in den Vororten. Wegen der Notwendigkeit des Pendelns und der Erschwinglichkeit größerer Wohnflächen wird hier pro Kopf das meiste CO2 produziert. Immer noch sorgen falsche politische Entscheidungen dafür, dass diese Zonen weiter wachsen und für ständig fortschreitende Bodenversiegelung sorgen.
Sicherlich hat Wagner recht mit der Behauptung, dass das Stadtleben eine hohe Effizienz besitzt, dass auf Grund dieser Effizienz viel Energie gespart wird und somit die Ökobilanz signifikant besser ausfällt als im sogenannten Suburbia.
Ob es allerdings tatsächlich derart viele persönliche Vorteile bietet wie beschrieben, kann eigentlich auf Anhieb nur Beistimmung finden, wenn der Idealfall angenommen und sämtliche Nachteile, wie etwa Kriminalität, Lichtverschmutzung, Lärmbelästigung u.a., ausgeklammert werden.
Die Lektüre lohnt sich dennoch, insbesondere für Menschen, die interessante Denkanstöße zu schätzen wissen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung