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Veröffentlicht am 07.06.2025

Acker Rabeneck

Die Blumentochter
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Nachbarskind Johanna Eckstein ist eine der Ersten, die am Acker Rabeneck in Emsfeld eintreffen, nachdem Bauer Schulze auf seinem Grund eine Leiche gefunden hat. Es handelt sich um die junge Lydia, die ...

Nachbarskind Johanna Eckstein ist eine der Ersten, die am Acker Rabeneck in Emsfeld eintreffen, nachdem Bauer Schulze auf seinem Grund eine Leiche gefunden hat. Es handelt sich um die junge Lydia, die hier sorgfältig begraben liegt unter Rosen und Zauberschnee. Als Täter kann rasch der Gärtnerlehrling Adam Paczek ausgemacht werden. 31 Jahre später ist Johanna aufgrund dieses Erlebnisses Polizistin und kehrt nun nach einer langen Zeit in Berlin zurück in ihr Heimatdorf. Kaum hat sie ihren Platz im hiesigen Kommissariat gefunden, gibt es wieder eine Leiche am Rabenecker Acker, ebenfalls mit hübschen Blumen bedeckt. Hat der damalige Mörder nochmals zugeschlagen oder gibt es einen Nachahmungstäter?

Erst einmal geht es zurück ins Jahr 1984 und zu dem schrecklichen Vorfall, der sich dort im Münsterland ereignet hat. Bildhafte und lebendige Szenen sorgen sofort dafür, dass man sich mitten im Geschehen fühlt und beinahe selbst Teil der handelnden Personengruppe wird. Die Geschehnisse drei Jahrzehnte später stehen dem in nichts nach, der Mix aus Johannas Privatleben und akribischer Ermittlungsarbeit ist bestens gelungen. Spritzige Dialoge und interessante Rückblenden sorgen für Spannung und eigene kreative Überlegungen. Aber Fritzi Jäger platziert ihre Informationen geschickt und häppchenweise, sodass man nicht gleich die Lösung vor Augen hat. Bäuerliche Dorfstrukturen und lärmende Großstadt, schillernde Machos und zurückhaltende Verliebte, damals und heute eine Blumentochter, die Autorin verknüpft unterschiedliche Welten und Weltanschauungen mit Leichtigkeit zu einem runden Gesamtbild, welches bis zur letzten Seite fesselnde Lesestunden bietet.

Großartig gezeichnete Figuren und eine durchwegs schlüssige Handlung, garniert mit so manch humorvollem Vergleich, lassen diesen Krimi zum Vergnügen werden. Ich empfehle ihn sehr gerne weiter.

Veröffentlicht am 06.06.2025

Überlebende

Die Festung
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Als einzige Überlebende einer Realityshow gilt Bonnie Drake, die vor der Küste Englands angespült worden ist. Auf einer abgelegenen Festung mitten im Meer hat sie mit sieben weiteren Teilnehmern um den ...

Als einzige Überlebende einer Realityshow gilt Bonnie Drake, die vor der Küste Englands angespült worden ist. Auf einer abgelegenen Festung mitten im Meer hat sie mit sieben weiteren Teilnehmern um den Sieg gekämpft, damit sie sich nach dem Tod ihrer Mutter die Hypothek fürs Haus leisten kann. Nun versucht die junge Frau, sich zu erinnern, was geschehen sein könnte.

Ein packender Prolog mit blutigen Fußspuren eröffnet das Spiel, dann geht es voller Abwechslung weiter durchs Geschehen. Einerseits fährt man mit den Teilnehmern des Wettbewerbes zu der abgeschlossenen „Festung“, welche der Show auch ihren Namen gibt, andererseits hört man einen Podcast, der im Nachhinein die Vorkommnisse auf dem Fort in der Meerenge von Solent wiedergibt. Dazwischen werden Kommentare der Zuschauer der Realityshow eingestreut. So bekommt Bonnies Geschichte einen rundum gerichteten Blickwinkel, der für stete Kurzweil sorgt. Wer anfangs noch meint, es geht schlicht um eine Reihe von Rätseln, der denkt spätestens beim ersten toten Kandidaten, dass da doch etwas gehörig schief läuft. Aber was? Sollen sie weiter die Befehle befolgen und auf ein Entrinnen hoffen oder sich allen Aufgaben widersetzen, um damit einen Abbruch der Sendung zu erzwingen? Die ursprünglich halbwegs geeinte Gruppe bricht aufgrund verschiedener Meinungen auseinander.

In kurzen, flott lesbaren Kapiteln geht es spannend dahin. Besonders gut gelungen ist die Handlung deshalb, weil wir uns nicht ausschließlich im Fort aufhalten, sondern dazwischen dem Podcast lauschen oder den Polizisten über die Schultern sehen. So vergeht die Zeit wie im Fluge und die zweite Buchhälfte liefert noch einiges an Überraschungen. Mit dem Ende schließt sich der Kreis zu den blutigen Fußspuren und der Leser wird sich genauestens überlegen, ob der jemals an solch einem Wettbewerb teilnehmen möchte.

Ein gelungener Escape-Room-Thriller, der durch interessante Zusammenhänge und größtmögliche Abwechslung punktet. Mir hat‘s sehr gut gefallen.

Veröffentlicht am 06.06.2025

Mit den Wölfen singen

Der Tote am Fluss
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Psychoanalytikerin Camilla ist eigentlich schon im Urlaub, als ihr Lebensgefährte Ennio sie um Hilfe bei einem Mordfall ersucht: der Polizist ist am frühen Morgen zum Po-Ufer gerufen worden, wo ein junger ...

Psychoanalytikerin Camilla ist eigentlich schon im Urlaub, als ihr Lebensgefährte Ennio sie um Hilfe bei einem Mordfall ersucht: der Polizist ist am frühen Morgen zum Po-Ufer gerufen worden, wo ein junger Mann erschlagen daliegt, daneben dessen höchst verwirrte Freundin. Während eine hochrangige Kommissarin schnell die Freundin als Täterin identifiziert, zweifelt Camilla an dieser Theorie, stützt sich dabei aber mehr auf ihr Bauchgefühl als auf belastbare Fakten.

Völlig unaufgeregt, ja fast sachlich, erzählt Camilla in der Ich-Form vom aktuellen Geschehen in Turin, von heißen Julitagen, vom Ruderbewerb mit ihrer Busenfreundin Franca, von Urlaubsplänen am Strand. Da platzt ein Toter mitten in die Trägheit des Sommers. Rasch ist die Psychologin verstrickt in die Ermittlungen, da sie sich für die verwirrte junge Frau verantwortlich fühlt und verschiedenen Hinweisen nachgeht. Dabei stößt sie auf eine Gruppe von Naturschützern, die gegen eine Hochgeschwindigkeitszugtrasse protestiert und die vermehrt vorkommenden Wölfe in der Gegend verteidigt. Die zähe Hitze verwandelt sich sogleich in eine aufregende Suche nach der Wahrheit, geprägt von malerischen Plätzen in der Stadt Turin selbst und im Susatal und vielen wie selbstverständlich eingestreuten geschichtlichen Informationen zum schönen Piemont.

Mit ihrem leicht dahinfließenden Schreibstil versetzt Giulia Conti den Leser sofort an den Ort des Geschehens und verknüpft einen Kriminalfall ganz unkompliziert mit Camillas Alltag, sodass sich ein gelungener Mix aus Roman und Krimi zum Kriminalroman verdichtet. Erfrischend anders als bei üblichen Ermittlungen steht hier nicht das Polizeiteam im Vordergrund, sondern Camilla mit ihrem kleinen Kreis aus Freunden und Familie, sodass der Leser ganz andere Eindrücke erhält und die Blickwinkel eine eher persönliche Perspektive bekommen, nicht zuletzt deshalb, weil Camilla zuweilen auch auf ihre Vergangenheit zurückschaut.

Umweltschutz und Intrigen, Wölfe und deren Gesang, Psychoanalytikerin und Polizist, Rudern am Po und Wandern im Susatal – sehr vielfältige und abwechslungsreiche Szenen lassen die Seiten dieses Krimis rasch dahinschmelzen und die sommerliche Hitze vergessen. Ich mag die fast nüchternen Betrachtungen von Giulia Conti sehr gerne und bin jetzt wirklich neugierig auf einen Besuch in Turin, vielleicht auf einen Kaffee und ein Brioche mit Camilla, Franca und Ennio – aber bitte ohne Leiche!

Veröffentlicht am 03.06.2025

Seifensieden

Der Ruf des Horizonts
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Während Lian wieder einmal auf Walfang ist, versucht seine Frau Sventje auf der Ostfrieseninsel Borkum, sich und ihre Kinder mit Seifensieden und Kräuteranbau über die Runden zu bringen. Aber obwohl der ...

Während Lian wieder einmal auf Walfang ist, versucht seine Frau Sventje auf der Ostfrieseninsel Borkum, sich und ihre Kinder mit Seifensieden und Kräuteranbau über die Runden zu bringen. Aber obwohl der Glaube an Hexen und Teufelszeug im Jahre 1870 eigentlich schon überholt sein sollte, finden sich missgünstige Nachbarn, die darin Frevel und Gotteslästerei sehen und gegen Sventje hetzen. Zu allem Unheil bricht auch noch ein Krieg aus und ein Geheimnis rund um den Gutsherrn Valentin von Halversberg drängt ans Licht.

Ein wunderbares Wiedersehen mit liebgewonnen Figuren auf Borkum beschert uns Jaane Janssen mit diesem zweiten Teil der Ostfriesland-Saga. Leider das Leben seit damals nicht einfacher geworden, immer noch sorgen viele Frauen allein für ihre Kinder, während die Männer gen Grönland reisen, um Wale zu erlegen und Tran auszukochen, was eine der wenigen Einkommensquellen hier darstellt. Mit viel Geschick verbindet die Autorin eine fiktive, aber durchaus realistische Handlung mit der Geschichte Borkums, die sie genauestens recherchiert hat und somit ein überaus glaubwürdiges Abbild der damaligen Zeit zu erschaffen vermag. Armut und Not, die Angst um den Ehemann herrschen auf der Insel, Einsamkeit und Sehnsucht nach Daheim am Meer. Die Liebe zwischen Sventje und Lian hält beide aufrecht, auch wenn sie so oft voneinander getrennt sind und allein mit ihren Schicksalsschlägen zurechtkommen müssen. Und immer wieder taucht Valentin auf, dessen Rolle erst noch geklärt werden muss.

Gebannt verfolgt man Kapitel um Kapitel, die durch stete Perspektivwechsel abwechslungsreich gestaltet sind und höchst lebendig den Alltag auf der Insel, auf hoher See oder am Gutshof beschreiben. Durch Janssens ruhige und einfühlsame Erzählweise hat man nicht nur eindrucksvolle Bilder vor Augen, sondern verspürt auch eine ganze Fülle an Emotionen, welche Sventje, Lian, Valentin oder die Kinder beuteln, denn da geht es von echter Freude über einfache, aber von Herzen kommende Geburtstagsgeschenke bis hin zu blanker Angst während der Plünderungen oder der Jagd auf eine vermeintliche Hexe. Flott vergeht die Zeit mit großartigen Figuren, mit denen man so richtig mitfiebern kann, kaum ist eine Herausforderung bewältigt, wartet schon die nächste Aufregung um die Ecke. Selbst wenn die Zukunft von Sventje und Lian nicht auf Borkum liegen sollte, so würde ich mich gerne mit ihnen auf die Reise zum Ende des Horizonts begeben.

Der Ruf des Horizonts – eine wunderbare Fortsetzung nach „Die Spur der Sehnsucht“ und hoffentlich nicht das Ende einer lebendigen und abwechslungsreichen Saga, deren historische Grundlagen bestens recherchiert sind. Mir sind alle – vielleicht mit Ausnahme des nicht immer perfekt verständlichen, da meist im Friesischen daherbrummelnden Baders – schon sehr ans Herz gewachsen, weshalb ich mich sehr über einen weiteren Band freuen würde. Leseempfehlung!



Veröffentlicht am 02.06.2025

Frauen auf der Flucht

Killer Potential
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Mit Nachhilfe verdient Evie Gordon ihr Geld. Als sie zu ihrem nächsten Einsatzort, einer reichen Familie in Beverly Hills kommt, wird sie regelrecht aus der Bahn geworfen, denn der Vater liegt ertrunken ...

Mit Nachhilfe verdient Evie Gordon ihr Geld. Als sie zu ihrem nächsten Einsatzort, einer reichen Familie in Beverly Hills kommt, wird sie regelrecht aus der Bahn geworfen, denn der Vater liegt ertrunken im Teich, die Mutter erschlagen im Garten. Ein heiserer Schrei aus dem Raum unter der Treppe führt zu einer Gefesselten jungen Frau. Während Evie diese befreit, taucht die Tochter der Familie - die Nachhilfeschülerin selbst - auf und bekommt in der surrealen Situation eine schwere Vase auf den Kopf, geworfen von Evie in deren Panik. Als vermeintliche Täterin flieht Evie mit der Unbekannten vor der Polizei.

Was zwar aberwitzig, aber durchaus spannend klingt, entpuppt sich schnell als langatmiger Roadtrip zweier einander völlig fremden Frauen. Mit ausschweifenden Kindheits- und Jugenderinnerungen gespickt, geht es quer durch Amerika, schlagen die Beiden den Verfolgern stets ein Schnippchen. Nach wenigen Tagen kommen sich die Frauen nun auch noch körperlich näher, wodurch die Handlung immer weiter von einem fesselnden Thriller abdriftet. Die kurzen Kapitel lesen sich vom Schreibstil her locker und flott, die Handlung selbst bleibt jedoch deutlich hinter den Erwartungen zurück, auch die Auflösung der Morde an Mr. und Mrs. Victor kann am Ende den bisherigen eher schwachen Eindruck über das Buch nicht mehr aufwiegen.

Ein Thriller, der mit wenig Blutvergießen auskommt, dafür zwei raffinierte Frauen in den Mittelpunkt rückt. Wenn man offen und ohne bestimmte Erwartungen an dieses Buch herangeht, wird man auch mit der ungewöhnlichen Geschichte selbst unterhaltsame Stunden genießen können.