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Veröffentlicht am 22.11.2025

Willkommen in der Telemark

Kalt wie die Nacht
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Vom Ehemann zum Witwer, vom Polizisten zum Privatdetektiv, von Oslo nach Bø – so geht der Weg von Wolf Larsen, der laut Pass eigentlich Rolf heißt. In der Telemark angekommen, ergibt sich rasch ein Fall, ...

Vom Ehemann zum Witwer, vom Polizisten zum Privatdetektiv, von Oslo nach Bø – so geht der Weg von Wolf Larsen, der laut Pass eigentlich Rolf heißt. In der Telemark angekommen, ergibt sich rasch ein Fall, Wolf soll einen untreuen Ehegatten überführen. Was als harmloser Routinefall aussieht, entpuppt sich bald als aufregende Verfolgungsjagd.

Ein Kunststudent und ein Juwelenraub beherrschen im Prolog die Szene, vierzehn Jahre später geht es weiter im Geschehen. Eine größere Zahl an Figuren fordert die Aufmerksamkeit der Leser, um Beziehungen und Zusammenhänge zu durchschauen. Die Handlungsstränge wirken anfangs mitunter verwirrend, da nicht nur Wolf mit psychischen Problemen zu kämpfen hat und sich schwer tut, den Tod seiner geliebten Anne zu verkraften. Auch die Journalistin Sanna Bjørnstad (Bär) trägt ihre persönliche Last tapfer und ohne Wehklagen. Ein überaus einnehmender Schreibstil und die düstere Atmosphäre im dicht bewaldeten Landschaftsstrich zeichnen den Auftakt dieser Krimireihe aus, interessante, teils „spezielle“ Charaktere wecken Neugierde auf „mehr“ von Wolf und Bär.

Packende Lesestunden, eine wunderbare Kulisse und Figuren, deren Handlungsweise zwar nicht immer vorschriftsmäßig, aber nachvollziehbar ist, beeindrucken von der ersten bis zur letzten Seite.

Veröffentlicht am 20.11.2025

Chan oder Chan

Belladonnas
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Die Zwillingsschwestern Julie Chan und Chloe Chan werden nach dem Unfalltod der Eltern getrennt. Während Chloe in eine reiche Adoptivfamilie kommt, muss Julie bei ihrer geizigen Tante und dem unliebsamen ...

Die Zwillingsschwestern Julie Chan und Chloe Chan werden nach dem Unfalltod der Eltern getrennt. Während Chloe in eine reiche Adoptivfamilie kommt, muss Julie bei ihrer geizigen Tante und dem unliebsamen Cousin aufwachsen. Als Chloe, die sich zu einer bekannten Influencerin entwickelt hat, plötzlich nicht mehr erreichbar ist, fliegt Julie aus ihrem kanadischen Dorf nach New York – und verwickelt sich in ein Netz von wirren Geschehnissen. Kann sie nahtlos in das Leben ihrer Schwester wechseln?

Liann Zhang schafft es immer wieder, unterschiedliche Welten aufeinanderprallen zu lassen, so sind es zu Beginn die Gruppe der Influencerinnen rund um Chloe und das harte Arbeitsleben von Julie an der Supermarktkassa, später die Welt der „Normalsterblichen“ versus der eingeschworenen Gruppe von Belladonnas auf einer Privatinsel. Bemerkenswert ist, wie sich die Atmosphäre im Buch im Laufe der Zeit wandelt, von einer verführerischen Illusion in eine dunkle Phase von Gruppenzwang und Machtausübung. Während ich vom Beginn der Geschichte durchwegs gefesselt war, ist mir das Ende aber dann doch ein wenig zu stark in eine sektenähnliche Stimmung abgedriftet. Aber wer weiß, unter dem Einfluss von allen möglichen Drogen empfindet und tut man vielleicht wirklich so verstörende Dinge. Die Auflösung kommt kurz und bündig daher, lässt den Leser verwundert den Kopf schütteln und das Buch dennoch zufrieden zur Seite legen.

Außergewöhnliche Szenen, ein mitnehmender Schreibstil und gelungene Charakterstudien verleihen dem spannenden Roman seine Besonderheit.


Veröffentlicht am 19.11.2025

Trauriger Tagträumer

Königin Esther
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James Winslow wächst unter ungewöhnlichen Umständen auf, denn er hat zwei Mütter, eine leibliche, Esther, und eine Ziehmutter, Honor. Mit zweiundzwanzig Jahren reist er von New Hampshire nach Wien, ein ...

James Winslow wächst unter ungewöhnlichen Umständen auf, denn er hat zwei Mütter, eine leibliche, Esther, und eine Ziehmutter, Honor. Mit zweiundzwanzig Jahren reist er von New Hampshire nach Wien, ein spektakulärer Auftrag soll ihn vor einer Einberufung in den Vietnamkrieg schützen. Außerdem möchte er hier endlich seiner Königin Esther begegnen.

Es wäre wohl nicht John Irving, würde die Geschichte tatsächlich mit James, genannt Jimmy, beginnen. Nein, die Handlung setzt ein mit den Großeltern, Jimmy betritt erst etwa nach einem Viertel des Geschehens die Bühne. Von einem Thema ins nächste stürzend, erfahren wir von einem Krankenhaus und einem Waisenhaus, welche bereits in einem anderen Roman Irvings eine Rolle spielen, wird erörtert, ob beschnittene oder unbeschnittene Penisse empfehlenswerter sind und wie man wohl am besten zu einer Bescheinigung „nicht wehrdienstfähig“ kommt. James als „Honors Kind – ein trauriger Tagträumer“ [kindle Pos. 8476] steht dann doch im Mittelpunkt, denn schon vor seiner Geburt entspinnt sich ein abenteuerliches Schauspiel über seine geplante Entstehung, welche wohl nicht nur mir eine erstaunte Miene entlockt. Die Kindheit wird kurz gestreift, ausführlicher geht es dann wieder in Wien zu, wo unter anderem bekannte Lokale wie der Augustinerkeller oder das legendäre Café Hawelka erwähnt werden und das Experiment „Wehrdienstunfähig“ starten kann.

Ein detailverliebter Schreibstil, ausgesprochen ungewöhnliche Szenen und eine bisweilen derbe Ausdrucksweise kennzeichnen diesen Roman, Motive wie Verlust – einer Mutter, eines Kniegelenkes oder eines Armes –, ungewöhnliche Sexualbeziehungen und der Einfluss Charles Dickens‘ fallen ins Auge, die Charakteristik der Figuren ist bemerkenswert. Es ist durchaus interessant, einmal „einen Irving“ zu lesen, dennoch werde ich wohl kein erklärter Freund dieser Art von Literatur werden.

Veröffentlicht am 18.11.2025

Erwachen

Die Tote in meinem Bett
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Selenes Erwachen am Morgen bringt einen Schock mit sich, denn anstatt des warmen Körpers ihres Verlobten liegt eine kalte Leiche neben ihr, eine Fremde, von Blut überströmt. Da ihr jegliche Erinnerung ...

Selenes Erwachen am Morgen bringt einen Schock mit sich, denn anstatt des warmen Körpers ihres Verlobten liegt eine kalte Leiche neben ihr, eine Fremde, von Blut überströmt. Da ihr jegliche Erinnerung fehlt, beschleicht sie der Verdacht, dass sie vielleicht selbst mit dem Verbrechen zu tun haben könnte, ein Messer mit ihren Fingerabdrücken liegt schließlich neben ihr.

Drei größere Abschnitte mit steigendem Tempo beschwören nicht nur bei Selene einen Alptraum herauf, auch der Leser ist hin- und hergerissen zwischen den unerwarteten Ereignissen und kann sich nur schemenhaft ein Bild davon zusammenreimen, was die junge Frau tatsächlich verfolgt. Wenige Charaktere beherrschen die Handlung, sodass man sich aufs Wesentliche konzentrieren kann, der flotte Schreibstil verführt dazu, den Psychothriller ohne Pause durchzulesen. Aus Sicht der Hauptfigur in der Ich-Form geht es durch wenige Wochen in Selenes Leben, wobei aber durchaus auch frühere Momente eingefangen werden, welche das aktuelle Geschehen beeinflussen. Auch wenn ich mir an manchen Stellen noch mehr Spannung und Dramatik vorstellen kann, hat mir „Die Tote in meinem Bett“ packende Lesestunden beschert.

Eine Achterbahn der Gefühle, ein mehrfaches Erwachen, das am Ende hoffentlich auch Selene die Augen öffnet. Aber wer weiß? Leseempfehlung für Freunde von perfiden Psychodramen.

Veröffentlicht am 17.11.2025

Erinnerungen spüren

Weil wir es uns versprochen haben
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Gabriel Sinclair wird als Architekt vom Technikunternehmer Henry Hughes engagiert, er soll einen prächtigen Neubau errichten. Bei einer schwungvollen Party auf dem Anwesen der Hughes steht Gabriel plötzlich ...

Gabriel Sinclair wird als Architekt vom Technikunternehmer Henry Hughes engagiert, er soll einen prächtigen Neubau errichten. Bei einer schwungvollen Party auf dem Anwesen der Hughes steht Gabriel plötzlich der Dame des Hauses gegenüber und verspürt diffuse Erinnerungen, welche er nicht einordnen kann. Im Gegensatz zu ihm weiß Kierra ganz genau, welches Schicksal sie verbindet und dass Gabriel in einer verhängnisvollen Nacht zwanzig Jahre zuvor sein Gedächtnis verloren hat.

Ein aufregender Roman mit vielen nahegehenden Themen (im Bedarfsfall Triggerwarnungen lesen!) beginnt mit der neunzehnjährigen Kierra, um alsbald in die Gegenwart - etwa zwei Jahrzehnte später - umzuschwenken. Kierra Hughes steckt in einer unglücklichen Ehe fest, da sie bei einer Scheidung ihre Stieftochter verlieren würde, Gabriel hat sich nach seinem Gedächtnisverlust mühsam ins Leben zurückgekämpft und vergräbt sich buchstäblich in seiner Arbeit. Um dieses Grundgerüst herum baut Brittainy C. Cherry allerlei Gefühlvolles und Tragisches auf und ist damit mindestens ebenso erfolgreich wie der Architekt im Buche. Ein einehmender Schreibstil, sowie eine Handlung mit durchaus realistischen Szenen beeindrucken den Leser quer durch den Roman, der mit einigen nicht chronologisch eingestreuten Rückblenden wesentliche Informationen aus der Vergangenheit preisgibt. Die Spannung steigt von Kapitel zu Kapitel, die Situation spitzt sich immer mehr zu, genau so, wie man es von einem fesselnden Roman erwartet.

Brittainy C. Cherry erzählt eine bewegende Geschichte, die gar nicht so fern der Realität angesiedelt ist. Ich habe sie sehr gerne gelesen und lege sie all jenen ans Herz, die tiefgreifende emotionale Themen suchen.

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