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Veröffentlicht am 25.03.2023

Ungewöhnliches Ermittlerduo

Mörderfinder – Die Spur der Mädchen
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Max Bischoff hat der Polizei den Rücken gekehrt und unterrichtet nun an der Polizeihochschule Köln. Sein Ruf als Fallanalytiker eilt ihm voraus, als der Vater von Leni Benz, welche sechs Jahre zuvor verschwunden ...

Max Bischoff hat der Polizei den Rücken gekehrt und unterrichtet nun an der Polizeihochschule Köln. Sein Ruf als Fallanalytiker eilt ihm voraus, als der Vater von Leni Benz, welche sechs Jahre zuvor verschwunden ist, sich an Bischoff wendet: er hat Lenis Rucksack und ihre Puppe im Haus gefunden. Ihre Sachen kann doch nur Leni selbst zurückgebracht haben, oder nicht? Bernd Menkhoff, dem Leiter der Ermittlungen, traut er nicht über den Weg, deshalb soll Bischoff Nachforschungen anstellen.

Flott und dynamisch beginnt dieser spannende Psychothriller, rasch fliegen die Seiten und Kapitel dahin, Arno Strobel versteht es auch diesmal meisterlich, den Leser mit seinen Zeilen ans Buch zu fesseln und keinen Moment der Langeweile aufkommen zu lassen. Max Bischoff und Bernd Menkhoff sind ein ungewöhnliches, aber perfektes Ermittlerduo, dem über die Schulter zu sehen, reine Freude ist, auch wenn es sich natürlich beim Thema Kindesentführung um ein dramatisches handelt. Die Handlung spielt sich überwiegend bei den Ermittlern ab, richtig unangenehme Szenen baut der Autor in diesen psychologisch angelegten Thriller zum Glück nicht ein, Andeutungen genügen, um dem Inhalt folgen zu können. Immer wieder streut Strobel kursiv gedruckte Szenen ein, die die Sicht der Betroffenen darstellen, und auch hier wird auf grausige Details verzichtet. Die gedrückte Atmosphäre in den Familien, die Absteckung der Kompetenzen zwischen Bischoff und Menkhoff sind sehr glaubwürdig umgesetzt, alles fügt sich zu einem stimmigen Ganzen.

Obwohl ich Bischoff bisher nicht gekannt habe, zeichnet sich rasch ein Bild seiner Person vor meinem geistigen Auge ab. Seine besondere Fähigkeit, sich in Täter hineinzuversetzen und deren Sichtweise einzunehmen ist beeindruckend, auch wenn er in diesem Fall gar nicht in Höchstform zu sein scheint. Jedenfalls ist der 33jährige sehr sympathisch und ich freue mich, dass er noch weitere Aufgaben vor sich hat.

Strobel schreibt in einem sehr einnehmenden Stil und behandelt aufwühlende Themen mit dem notwenigen Feingefühl. Dazu eine gewisse Prise an Wortwitz und Figuren mit Profil und Wiedererkennungswert – so macht Thriller Spaß. Ich empfehle Mörderfinder gerne weiter für all jene, die beim Lesen Nerven bewahren können.

Titel Mörderfinder, Auf der Spur der Mädchen
Autor Arno Strobel
ASIN B08LKGWNK8
Sprache Deutsch
Ausgabe ebook, ebenfalls erhältlich als Taschenbuch (352 Seiten)
Erscheinungsdatum 24. März 2021
Reihe Mörderfinder
Verlag Fischer

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.03.2023

Schrein der Vergangenheit

Das Geheimnis der Erbin
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Karen freut sich auf ihre Stelle als V.I.P.-Betreuerin im elegantesten Hotel von St. Moritz, doch wird ihr gleich zu Beginn eingebläut, dass sie nur bestimmte Bereiche des Hauses betreten darf. Durch diese ...

Karen freut sich auf ihre Stelle als V.I.P.-Betreuerin im elegantesten Hotel von St. Moritz, doch wird ihr gleich zu Beginn eingebläut, dass sie nur bestimmte Bereiche des Hauses betreten darf. Durch diese ungewöhnliche Ermahnung erst recht neugierig, entdeckt sie einen zusätzlichen neunten Stock im Hotel und lernt dort eine alte, völlig zurückgezogen lebende Dame kennen: Isobel Forster aus einer prominenten Familie. Nach und nach freunden sich die beiden so ungleichen Frauen an und Isobel erzählt stockend aus ihrer Vergangenheit.

Wie man unschwer erkennen kann, spielt dieser Roman in zwei verschiedenen Zeitebenen. Das Heute wird aus Karens Sicht geschildert, für die Zeit ab den 1950er-Jahren ist Isobels Erinnerung verantwortlich. Eher ruhig und unaufgeregt fließen Weischenbergs Zeilen dahin. Der Leser weiß nur, dass sich ein Geheimnis um Isobels Vergangenheit rankt, aber die Entdeckung der verschleierten Tatsachen braucht natürlich seine Zeit. Gerade in den erlesenen Kreisen, aus denen Isobel stammt, ist Diskretion ganz wesentlich, was nicht ins Bild passt, darf nicht sein. So ist es für Karen nicht gerade einfach, Isobels Wunsch zu erfüllen, ihre seit Jahrzehnten nicht mehr gesehene Nichte Margaret zu finden.

Die Geschichte rund um die Erbin ist in seinen Details sehr interessant und raffiniert aufgebaut, auch wenn eine Überraschung am Ende schon früher zu ahnen ist. Der teils fast nüchterne Schreibstil passt zwar sehr gut in die adlige Gesellschaft, ein wenig mehr an Emotionen wäre jedoch nicht falsch gewesen. Nichtsdestotrotz bietet dieses Buch unterhaltsame Stunden und einen Einblick in die Gesellschaft des Adels, bei der stets der Schein gewahrt werden muss, selbst wenn es auf Kosten von Familienmitgliedern geschieht.

Titel Das Geheimnis der Erbin
Autor Sibylle Weischenberg
ASIN B0BJ32LVGL
Sprache Deutsch
Ausgabe ebook, ebenfalls erhältlich als Taschenbuch (383 Seiten)
Erscheinungsdatum 14. März 2023
Verlag Tinte&Feder

Veröffentlicht am 23.03.2023

Wahrheit

Melody
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Alt-Nationalrat Dr. Peter Stotz hat höchstens noch ein Jahr zu leben. Also stellt er den Juristen Tom Elmer ein, um seinen Nachlass zu ordnen und zu gewichten, denn nicht alles aus seinem vielseitigen ...

Alt-Nationalrat Dr. Peter Stotz hat höchstens noch ein Jahr zu leben. Also stellt er den Juristen Tom Elmer ein, um seinen Nachlass zu ordnen und zu gewichten, denn nicht alles aus seinem vielseitigen Leben muss der Nachwelt erhalten bleiben. Während Stotz fast täglich von Melody erzählt - seiner Verlobten, die vor mehr als vierzig Jahren kurz vor der geplanten Hochzeit ganz plötzlich verschwunden ist - hegt Tom immer öfter Zweifel, dass er die volle Wahrheit erfährt. Verheimlicht der 84jährige etwas? Dichtet er etwas dazu?

Voller Hingabe verliert sich Martin Suter bei seinen Beschreibungen in vielfältigen Details, ohne ermüdend oder gar langweilig auf den Leser zu wirken. Im Gegenteil, hat man die Villa von Peter Stotz so eindrücklich vor Augen, als befände man sich selbst mit ihm und seinen Angestellten und Gästen mitten in den erlesenen Räumlichkeiten, mit bestem Cognac am Kaminfeuer und lauschte seinen fesselnden Erzählungen. Großartig verpackt der Autor Stotz‘ Suche nach Melody, seiner großen Liebe, zwischen die lähmende Tätigkeit des Aktensichtens. Worauf will er denn hinaus? Was will er uns mitteilen? Diese Fragen richtet der Leser an die Romanfigur Peter Stotz ebenso wie an den Autor Martin Suter.

Durch den sehr ansprechenden Schreibstil begibt man sich gerne auf die Suche nach der Wahrheit, die aber keine fixe Größe ist, sondern durchaus vom jeweiligen Blickwinkel abhängt. So führt Suter mit philosophischen Gedanken und Witz gleichermaßen durch diese raffiniert komponierte Geschichte und überrascht den Leser immer wieder, ja bis zum letzten Satz. Wofür leben wir? Was muss die Nachwelt von uns wissen? Was lassen wir besser beiseite – und ist es dann noch die rechte Wahrheit? Viele Fragen wirft Suter während seiner feinsinnigen Erzählung auf und antwortet alles und nichts. Wie wird Tom entscheiden, was nach dem Ableben von Stotz von ihm übrig bleibt?

Für mich ist Melody das erste Buch von Martin Suter. Sprachlich und inhaltlich kann dieser Roman rundum überzeugen, sodass ich jedenfalls noch andere Werke dieses Autors lesen möchte. Ich vergebe für Melody fünf Sterne und eine eindeutige Leseempfehlung!

Titel Melody
Autor Martin Suter
ASIN B0BSG1TRVV
Sprache Deutsch
Ausgabe ebook, ebenfalls erhältlich als Gebundenes Buch (336 Seiten) und Hörbuch
Erscheinungsdatum 22. März 2023
Verlag Diogenes

Veröffentlicht am 21.03.2023

An der Nordsee

Wo der Seewind flüstert. Die St.-Peter-Ording-Saga
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„Meistens passieren die schönen Dinge, wenn man es nicht erwartet.“ (kindle, Pos. 3894)

Gelsenkirchen, 1959: Die Frauenfachschule ist geschafft. Bevor sie in der Polizeikantine ihre erste Stelle antritt, ...

„Meistens passieren die schönen Dinge, wenn man es nicht erwartet.“ (kindle, Pos. 3894)

Gelsenkirchen, 1959: Die Frauenfachschule ist geschafft. Bevor sie in der Polizeikantine ihre erste Stelle antritt, möchte Sabine den Sommer mit Freunden am Gardasee verbringen. Doch familiäre Pflichten machen ihr einen Strich durch die Rechnung, denn ausgerechnet jetzt braucht Tante Ebba in St.-Peter-Ording Hilfe in ihrer Frühstückspension. Aber schnell erkennt die 17jährige, dass auch Nordfriesland schöne Seiten hat und bald kann sie sich im sympathischen Strandcafe sogar noch etwas dazuverdienen. Dazu arbeitet ein fescher junger Mann mit wunderschönen grünen Augen beim Strandkorbverleih …

Ruhrpott, Nordsee, Alltag und ein paar Träume für die Zukunft, das sind die passenden Zutaten für einen unterhaltsamen Roman, der die Leser für ein paar Stunden abschweifen lässt und für gelungene Entspannung sorgt. Tanja Janz zeichnet in diesem Serienauftakt ein glaubwürdiges Bild der Jahre 1959 und 1960 mit jungen Frauen, die schnell heiraten und Kinder bekommen sollen. So haben Sabines Eltern schon an deren Stelle den Postboten Berti mit sicherem Einkommen als Bräutigam ausgewählt. In Nordfriesland geht es noch einmal anders zu, da gibt es kein Fließwasser in den Häusern, schon gar nicht in den einfachen Nissenhütten, wo zu viele Menschen auf zu wenig Raum hausen müssen. Bescheiden, aber dennoch nicht unzufrieden lebt man auf dem Lande.

Janz‘ Schreibstil ist unkompliziert und einfach zu lesen, genau so, wie man es von solch einer Geschichte erwarten darf. Es gibt Höhen und Tiefen während des Jahres, durch das man Sabine und ihre Freundin Rita begleiten darf, wie im echten Leben. Dass sich im Roman für viele Schwierigkeiten eine Lösung findet, versteht sich von selbst.

„Wo der Seewind flüstert“ bildet einen sehr schönen Auftakt zur St.-Peter-Ornding-Saga, beschert einige erholsame Lesestunden und weckt Neugierde auf mehr. Bestimmt werde ich diese Reihe weiter verfolgen.

Titel Wo der Seewind flüstert
Autor Tanja Janz
ASIN B0BHTXFQ67
Sprache Deutsch
Ausgabe ebook, ebenfalls erhältlich als Taschenbuch (320 Seiten)
Erscheinungsdatum 21. Februar 2023
Reihe St.-Peter-Ording-Saga, Teil 1
Verlag HarperCollins

Veröffentlicht am 20.03.2023

Hebammenalltag ohne Ende

Storchenherzen
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Monika betreibt mit Helga eine kleine, aber feine Hebammenpraxis, das Storchennest. Allerdings nimmt sich die 42jährige Helga normalerweise kein Blatt vor den Mund und sagt geradeheraus, was sie sich ...

Monika betreibt mit Helga eine kleine, aber feine Hebammenpraxis, das Storchennest. Allerdings nimmt sich die 42jährige Helga normalerweise kein Blatt vor den Mund und sagt geradeheraus, was sie sich denkt – fachlich versiert, ehrlich und direkt, aber wenig einfühlsam, was sich immer öfter negativ auf die Bewertungen des Betriebs auswirkt. Da stößt die junge energiegeladene Madita, erst seit einem Jahr fertige Hebamme, zu den beiden und bringt frischen Schwung herein. Es dauert, bis die kurz angebundene Helga und Madita mit pastellrosa Haar und stetem Rededrang einander als Kolleginnen akzeptieren und halbwegs professionell miteinander umgehen können. Und während Helga in einer Ehekrise steckt, schlägt Madita einem charmanten Mann ihre Autotür vors Fahrrad.

Abwechselnd erzählen Madita und Helga in der Ich-Form ihre Erlebnisse aus dem Hebammenalltag. Detailliertes Fachwissen lässt das Autorenduo in diese Geschichte mit einfließen, was die Handlung sehr stimmig und abwechslungsreich werden lässt. Da werden allerlei Probleme und Ängste angesprochen und zu fast allen Fragen liefern die engagierten Damen eine passende Antwort. Der Einblick, den man beim Lesen in diesen Beruf gewinnt, der mehr Berufung zu sein scheint, ist hervorragend und es ist schön, dass es Menschen gibt, die sich ganz in den Dienst dieser Aufgabe stellen, zu jeder Tages- und Nachtzeit erreichbar sind und weder Sonn- noch Feiertag kennen.

Teicherts Schreibstil ist flüssig und versetzt mit Witz und Humor. So fährt beispielsweise Madita bei kirschgrüner Ampel über eine Kreuzung. Das passt perfekt zu der quirligen Mittzwanzigerin, die gerne erst spricht und dann überlegt, aber doch das Herz am rechten Fleck trägt. Manchmal sind ihre Extravaganzen aber schon fast ein bisschen zu viel des Guten. Die Gegensätze der beiden Hauptfiguren sind anschaulich herausgearbeitet und ihre Entwicklung schön mitzuverfolgen. Daneben gibt es noch reichlich andere Themen, die in das Leben der zwei Frauen vom Storchennest hineinspielen und für gute Unterhaltung sorgen, andererseits aber auch einiges an Sprunghaftigkeit mit sich bringen.

Bis zum letzten Kapitel erlebt der Leser also ein turbulentes Jahr gemeinsam mit Helga und Madita, begleitet sie in ihrem beruflichen und privaten Alltag und dann – hat man plötzlich den Eindruck, dass jemand die letzten Seiten aus dem Buch gerissen hat. Da fehlt doch noch etwas! Wo sind die Antworten auf all die offenen Fragen? Wo ist ein abschließender Gedanke zum bisherigen Geschehen? Der Leser bleibt verblüfft zurück mit dem Hinweis auf einen weiteren Band, der aber weder im Klappentext noch im Buchhandel erwähnt wird. Ob die Enttäuschung oder die Neugierde siegt, wird sich zeigen.

Titel Storchenherzen
Autor Fritzi Teichert
ASIN B0BK9WCW9Q
Sprache Deutsch
Ausgabe ebook, ebenfalls erhältlich als Taschenbuch (496 Seiten) und Hörbuch
Erscheinungsdatum 1. Februar 2023
Verlag dtv