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Veröffentlicht am 22.02.2020

Erwartungen

Was wir sind
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Im Mittelpunkt von “Was wir sind“, Anna Hopes drittem Roman, stehen die Freundinnen Hannah, Cate und Lissa. Hannah und Cate kennen sich seit der Schulzeit. Mit Lissa leben sie als Studentinnen in einer ...

Im Mittelpunkt von “Was wir sind“, Anna Hopes drittem Roman, stehen die Freundinnen Hannah, Cate und Lissa. Hannah und Cate kennen sich seit der Schulzeit. Mit Lissa leben sie als Studentinnen in einer WG in einer schönen alten Villa in London zusammen. Sie sind jung, und alles scheint möglich. Einige Jahre später hat Hannah eine gute Stellung in einer Stiftung und ist mit dem Universitätsdozenten Nathan verheiratet. Der einzige Wermutstropfen in ihrem Glück ist ihre Kinderlosigkeit. Irgendwann gerät die Ehe in eine Krise, weil Nathan sich Hannahs verbissenen Versuchen, durch künstliche Befruchtung schwanger zu werden, widersetzt. Cate ist mit dem Koch Sam verheiratet und mit ihrem sehr fordernden Baby Tom mehr als ausgelastet. Schlafmangel und ständige Überforderung treiben sie in eine Depression. Lissa, Tochter einer feministischen Aktivistin und Künstlerin, die immer unbeirrt ihren Weg ging und der Tochter oft das Gefühl gab, im Weg zu sein, erhofft sich eine Karriere als Schauspielerin, lange Zeit weitgehend vergeblich. Sie hält sich mit mehreren Nebenjobs über Wasser, um die Miete bezahlen zu können.
Hope erzählt die Geschichte der drei Freundinnen mit ständig wechselnder Perspektive und vielen Zeitsprüngen, wobei der Schwerpunkt auf dem Jahr 2010 liegt, als sich die Mittdreißigerinnen in ihren jeweiligen Krisen neu orientieren müssen. Mit großem Einfühlungsvermögen macht die Autorin die typische Entwicklung der jungen Frauen deutlich: Wenn wir jung sind, haben wir große Pläne für unser Leben und gehen davon aus, dass wir unsere hochgesteckten Ziele auch erreichen. Dann müssen wir zunehmend erkennen, dass die Jahre verstreichen und es einen erheblichen Unterschied zwischen unseren Erwartungen und unserem realen Leben gibt. Die Freundinnen erleben Krisen in ihren Beziehungen, und auch ihre Freundschaft, auf die sie so unbedingt gesetzt hatten, verändert sich. Es gibt auch dort Rivalität und Verrat, die alte Vertrautheit verschwindet. Am Ende begreifen sie und mit ihnen der Leser, dass wir demütig und mit dem zufrieden sein müssen, was wir haben. Ohnehin dauert es nicht lange, und alles ist vorbei.
Mir hat dieses einfühlsame, weise und auch sprachlich hervorragende Buch sehr gut gefallen.

Veröffentlicht am 22.02.2020

Die zerstörerische Kraft familiärer Beziehungen

Je tiefer das Wasser
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Im Debütroman “Je tiefer das Wasser“ von Katya Apekina, einer amerikanischen Autorin mit russischen Wurzeln, geht es einmal mehr um eine nicht funktionierende Familie. Edie, 16 und Mae, 14 sind bei der ...

Im Debütroman “Je tiefer das Wasser“ von Katya Apekina, einer amerikanischen Autorin mit russischen Wurzeln, geht es einmal mehr um eine nicht funktionierende Familie. Edie, 16 und Mae, 14 sind bei der Mutter Marianne in einem Vorort von New Orleans aufgewachsen, nachdem der Vater, der berühmte Schriftsteller Dennis Lomack, die Familie 12 Jahre zuvor verlassen hatte. Nach dem Selbstmordversuch der Mutter holt der Vater seine Töchter zu sich nach New York. Edie, die sich immer um die psychisch kranke Mutter gekümmert hat, hasst den Vater und nutzt die erste Gelegenheit, um mit Hilfe eines jungen Nachbarn ihres Vaters nach Louisiana zurückzukehren. Sie will in der Nähe der Mutter sein, sie aus der Psychiatrie befreien. Mae dagegen sucht die Aufmerksamkeit und Liebe ihres Vaters und wird zu seiner besessenen Muse, als dieser wegen seiner Schreibblockade kurz vor dem Abgabetermin eines Manuskripts nichts vorzuweisen hat. In einer Reihe von Inszenierungen spielt sie die Rolle ihrer Mutter, der sie wie aus dem Gesicht geschnitten ist und treibt dieses Spiel bis an den Rand des Inzests. Alles steuert unaufhaltsam auf eine Katastrophe zu. Wird die enge Beziehung der sehr unterschiedlichen Schwestern all den Belastungen standhalten?
Erzählt wird in unzähligen kurzen Kapiteln aus ständig wechselnder Perspektive - meist aus der Sicht der Schwestern, aber es kommen auch eine Reihe anderer Figuren zu Wort, wie z.B. Dennis´ Schwester Rose, sein Freund Fred aus seiner Zeit als Aktivist in der Bürgerrechtsbewegung, die Studentin Amanda, die ihn bewundert und liebt. Briefe, Arztberichte und die Besprechung eines Romans von Dennis Lomack ergänzen den Blick auf diese Familie. Im Mittelpunkt steht das Jahr des Selbstmordversuchs – 1997 -, aber die Erzählung geht zurück bis 1968 und berichtet am Ende über die Situation der Schwestern im Jahr 2012.
Der Roman beeindruckt durch die Schilderung von kaputten, kranken Beziehungen zwischen den Mitgliedern einer Familie, wobei nicht nur die Krankheit der Mutter die Töchter fast zerstört, sondern auch die Art und Weise, wie der Vater beim Schreiben seiner Romane alle Menschen um sich herum förmlich aussaugt und Privates öffentlich macht. Es ist eine sprachlich sehr gelungene, wenn auch teilweise fast unerträglich düstere Geschichte.

Veröffentlicht am 16.02.2020

Auf der Suche nach der perfekten Welt

Eine fast perfekte Welt
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In “Eine fast perfekte Welt“, ihrem neuen Roman, stellt Milena Agus vier Generationen einer sardischen Familie vor. Esters Mutter, eine verbitterte Witwe, die ihren Sohn Felice so lange demütigt, bis er ...

In “Eine fast perfekte Welt“, ihrem neuen Roman, stellt Milena Agus vier Generationen einer sardischen Familie vor. Esters Mutter, eine verbitterte Witwe, die ihren Sohn Felice so lange demütigt, bis er Selbstmord begeht, Tochter Ester, die fünf Jahre auf ihren Verlobten Raffaele wartet, der nach Krieg und Gefangenschaftaus völlig verändert zurückkehrt und sich im Hafen von Genua Arbeit sucht. Irgendwann viel später heiraten Raffaele und Ester und gehen nach Genua, danach nach Mailand. Die Ortsveränderungen bringen Ester nicht das erhoffte Glück, und die Eheleute kehren mit Tochter Felicita in das sardische Dorf zurück, als Ester vor Heimweh krank wird. Felicita verliebt sich in den reichen jungen Adligen Sisternes. Mit ihm hat sie jahrelang eine Beziehung, heiratet ihn aber nicht, weil er sie nicht liebt. Felicita bekommt von ihm den Sohn Gregorio, den sie in Cagliari aufzieht, ohne Sisternes über seine Vaterschaft zu informieren. In Cagliari freundet sie sich mit ihrer Vermieterin Marianna an, einer magersüchtigen Frau mit schmerzlichen Kindheitserfahrungen und einer extrem pessimistischen Lebenseinstellung. Am Strand lernt sie mit Gabriele einen unglücklichen Mann kennen, der sich selbst als Wrack betrachtet. In kurzen Momentaufnahmen beleuchtet die Autorin das Leben all dieser Figuren, die nicht glücklich sind, immer auf der Suche nach der perfekten Welt, dem gelobten Land, bis einige von ihnen erkennen, dass das gelobte Land nichts Äußerliches ist, kein Ort, den man einfach nur aufsuchen muss, um glücklich zu sein. Jeder trägt die Möglichkeit, das Glück zu finden, in sich.
Über dem in drei große Abschnitte – Das Festland – Sardinien – Amerika – und 50 kurze Kapitel unterteilte Roman liegt eine melancholische Stimmung, aber er vermittelt letztlich nicht Hoffnungslosigkeit, sondern in der exzentrischen, aber sehr sympathischen Figur der Felicita eine optimistische Lebenseinstellung. Mir haben schon die früheren Bücher der Autorin gut gefallen. Der neue Roman macht da keine Ausnahme.

Veröffentlicht am 29.12.2019

Die Wunden der Vergangenheit sind nicht vernarbt

Das Ritual des Wassers
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Mit “Das Ritual des Wassers“ liegt der zweite Band von Eva García Sáenz´ erfolgreicher, in ihrer baskischen Heimat spielenden Trilogie um Inspektor Ayala, genannt Kraken, seine Kollegin Estíbaliz genannt ...

Mit “Das Ritual des Wassers“ liegt der zweite Band von Eva García Sáenz´ erfolgreicher, in ihrer baskischen Heimat spielenden Trilogie um Inspektor Ayala, genannt Kraken, seine Kollegin Estíbaliz genannt Esti und seine Vorgesetzte Alba, mit der er seit einiger Zeit eine Beziehung hat. Wenn man den ersten Band -“ Die Stille des Todes“ - gelesen hat, ist die Thrillerhandlung vor dem Hintergrund eines baskischen Ambientes und keltiberischer Rituale und Opferstätten nicht mehr neu und überraschend. Der Thriller liest sich dennoch sehr gut, auch wenn sich manches wiederholt. Da sind Mythen und Legenden aus einer längst vergangenen Zeit, hier vor allem Fruchtbarkeits- und Bestrafungsrituale, die werdende Eltern betreffen. Wenn diese es nicht wert sind, Eltern zu werden, werden sie getötet. Dann muss das ungeborene Kind der Göttin geopfert werden. Wie schon im ersten Band liegen die Gründe für eine Serie von Morden und Mordversuchen in der Vergangenheit, und Ayala und die schwangere Alba geraten erneut ins Visier eines Täters oder einer Täterin. Bei der Darstellung der komplizierten Zusammenhänge kommt die Autorin oft vom Hundertsten ins Tausendste, worunter die Spannung streckenweise etwas leidet. Die raffiniert konstruierte Handlung ist auch deshalb weitgehend undurchschaubar, weil falsche Identitäten den Leser in die Irre führen. Die Auflösung zeigt, dass die Vergangenheit nicht tot ist und Schuld, die jemand auf sich geladen hat, in der Gegenwart bezahlt werden muss. Insgesamt ist der Thriller so packend und überzeugend, dass ich den dritten Band auf jeden Fall auch noch lesen werde.

Veröffentlicht am 29.12.2019

Kraken und Esti ermitteln in einer skurrilen Mordserie

Die Stille des Todes
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“Die Stille des Todes“ von Eva María Sáenz de Urturi ist der Auftakt einer Serie um den Ermittler und Fallanalytiker Unai López de Ayala, genannt Kraken, ein Spitzname den ihn seine Clique in der Jugend ...

“Die Stille des Todes“ von Eva María Sáenz de Urturi ist der Auftakt einer Serie um den Ermittler und Fallanalytiker Unai López de Ayala, genannt Kraken, ein Spitzname den ihn seine Clique in der Jugend gab. Die Handlung spielt in Vitoria im Baskenland.
In der Kathedrale von Vitoria werden die nackten Leichen eines Mannes und einer Frau gefunden, die sich nicht kannten. Sie sind genauso gestorben und arrangiert wie die Opfer einer Serie von vier Doppelmorden zwanzig Jahre zuvor. Wie kann das sein? Der Mörder sitzt seit 20 Jahren im Gefängnis. Der Polizist Ignacio hat damals seinen Zwillingsbruder Tasio de Ortiz de Zorate, einen renommierten Archäologen, verhaften lassen, weil alle Indizien auf ihn als Täter verwiesen. Hat man einen Unschuldigen bestraft, oder gibt es jetzt einen Nachahmungstäter? Inspektor Ayala und seine Kollegin Esibaliz Ruiz de Gauna, genannt Esti ermitteln fieberhaft und können doch nicht verhindern, dass die Mordserie ausgerechnet während der Fiesta de la Virgen Blanca weitergeht.
Die Handlung ist kompliziert angelegt, zumal es auch Rückblenden in die 70er Jahre und das Jahr 1989 gibt. Eine Frau, die von ihrem brutalen Mann immer wieder verletzt wird, vertraut sich ihrem Arzt an und stirbt 18 Jahre später, ohne dass sie ihre Angelegenheiten abschließend regeln kann. Hier liegt der Schlüssel zu den Ereignissen, die der Leser aber nur zum Teil erraten kann. Wenn man sich erst einmal eingelesen hat, ist das ein sehr spannender Thriller, der ohne oberflächliche, reißerische Spannung auskommt und stattdessen auf das baskische Ambiente setzt. Die Verbrechen geschehen vor dem Hintergrund und in enger Verbindung mit baskischen Mythen und Legenden und religiösem Brauchtum. Das ist kenntnisreich und sehr authentisch umgesetzt. Mich hat der hervorragende Thriller gefesselt und stark beeindruckt.