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Veröffentlicht am 31.05.2021

Flammen der Verzweiflung, Wut und des Hasses

Drei Kameradinnen
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Emotional anstrengend, fordernd und eine große Bereicherung – die „Drei Kameradinnen“ haben mir viel abverlangt aber auch viel gegeben.
Mit Saya, Kasih und Hani lernen wir nicht nur drei junge Frauen und ...

Emotional anstrengend, fordernd und eine große Bereicherung – die „Drei Kameradinnen“ haben mir viel abverlangt aber auch viel gegeben.
Mit Saya, Kasih und Hani lernen wir nicht nur drei junge Frauen und Freundinnen sondern auch drei Stimmen, drei Leben und unzählige Erfahrungen in einer Gesellschaft kennen, in welcher Herkunft und das vermeintlich Fremde und Andere immer noch nicht Norm sondern Anlass für Ablehnung, Ausgrenzung und Diskriminierung sind. Doch so sehr sich ihre Leben, ihre Startbedingungen, ihre Erlebnisse mit der „Mehrheitsgesellschaft“ in vielem gleichen, so unterschiedlich ist auch ihr Umgang mit diesen. Während Saya die Kämpferische ist, diejenige, die Benachteiligung nicht länger wortlos hinnehmen möchte, laut und offensiv gegen diese vorgeht, ist Hani für mich ihr Gegenpol, in gewisser Weise ähnlich extrem in ihren Einstellungen wie Saya: Probleme, die Hani nicht wahrnimmt, existieren für sie nicht, ihre Augen sind fest verschlossen. Kasih, die Ich-Erzählerin, nimmt dagegen eine Position zwischen den beiden ein. Sie erscheint mir in ihren Ansichten deutlich reflektierter, in ihren Themen und ihrem Blickwinkel deutlich weiter als Saya.
Gerade diese „Dreiteilung“ ist es, die den Roman für mich so spannend, ihn zu Zündstoff werden lässt. Denn die Autorin umgeht so eine Festlegung in Position, Meinung, Wertung und regt zum Nachdenken, zu einer Positionierung des Lesers oder der Leserin und vor allem zum Diskutieren an – nicht zuletzt auch durch die provokative Ansprache durch die Ich-Erzählerin, die emotionale Reaktionen einfordert.
Eben diese habe ich auch bei mir wahrgenommen, während ich mich rückwärtig durch die Geschichte zu deren Anfang, Anlass, der Aufdeckung des Verwirrspiels bewegt habe. Wenig habe ich dabei ausgelassen: von Wut, Ablehnung bis Empörung war wohl alles dabei – aber wer wird auch schon gerne mit seinen eigenen Vorurteilen, den Klischees und Bildern in seinem Kopf konfrontiert?! Das kann schmerzhaft sein, und auch von Scham kann ich mich nicht freisprechen, wenn das, was in die Ebene der Bewusstwerdung häufig nicht vordringt, plötzlich ins Tageslicht gezerrt wird – und dort grelle, heiße Flammen schlägt.
Und diese Flammen brennen weiter – noch lange nachdem der letzte Satz verklungen ist. Sie werden die Diskussionen erhitzen, Meinungen befeuern, und vielleicht, vielleicht werden sie ja auch Klischees und gängige Vorurteile zum Einsturz bringen.

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Veröffentlicht am 13.05.2021

Ganz schön unheimlich, unheimlich gut – wenn Lynch Australier wäre

Der Junge, der das Universum verschlang
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Was für eine wunderbare Überraschung! Genau das ist dieses Buch für mich – und zwar in vielerlei Hinsicht.
Denn viel zu selten lese ich Literatur (ja, dieser Roman ist Literatur!) australischer Autorinnen ...

Was für eine wunderbare Überraschung! Genau das ist dieses Buch für mich – und zwar in vielerlei Hinsicht.
Denn viel zu selten lese ich Literatur (ja, dieser Roman ist Literatur!) australischer Autorinnen und Autoren, um einen Einblick in einen mir fremden Kulturkreis, Lebensart und eine Erzählweise zu erhalten, die – schon aufgrund des journalistischen Hintergrunds Daltons – von den Lesegewohnheiten des fernen Kontingents geprägt sein dürfte, so dass mir dieses Buch ein Tor in eine neue Welt geöffnet hat.
Und dann erst diese große, Jahre und – vielleicht nicht nur gefühlt – viele verschiedene Leben umfassende Geschichte der beiden Brüder August und Eli, die ebenso besonders ist wie es die beiden Jungs selbst sind. In prekären Verhältnissen geboren und aufgewachsen, sind die beiden für einander der größte Halt, und ihr gemeinsamer Umgang mit den erlittenen Benachteiligungen, Verletzungen und Traumata erlaubt es ihnen, eben nicht an diesen zu zerbrechen sondern einen positiv gerichteten Weg in und durch das Leben zu finden.
Doch das, was dieses Buch für mich zu einem ganz einzigartigen Fundstück macht, ist die zweite Ebene, die geradezu „klammheimlich“ über die Realität und das Faktische gelegt wird. Als hätte David Lynch – der Meister des Verstörenden, der Vieldeutigkeit und einer Gänsehaut, die nach und nach vom gesamten Körper Besitz ergreift – die Feder geführt, klingelt auf unerklärliche Weise ein mysteriöses rotes Telefon, stirbt und lebt ein blauer Zaunkönig, und plötzlich ergibt alles einen Sinn, greifen sämtliche Zahnräder ineinander, erklärt sich alles, wirklich alles – oder eben gerade auch nicht.
Insbesondere die letzten 100 Seiten waren ein so intensives, überwältigendes Leseerlebnis für mich, dass ich erst sprach- und fassungslos ob der Fügungen und Wendungen war und nun so begeistert, beglückt und erstaunt bin über dieses großartige, für mich einzigartige Werk.
„Dein Ende ist ein toter blauer Zaunkönig“ – für mich ist es der Anfang von etwas ganz Großem und eines begnadeten Schriftstellers.

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Veröffentlicht am 04.05.2021

Fesselnd, packend, außergewöhnlich – Climate Fiction zwischen Deutschland und Indien

Exit this City
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Klimawandel, Killerbienen und eine Geschichte voll Spannung und Fantasie, welche die Kilometer zwischen Indien und Deutschland klein werden lässt – und uns zugleich die Auswirkungen der Globalisierung ...

Klimawandel, Killerbienen und eine Geschichte voll Spannung und Fantasie, welche die Kilometer zwischen Indien und Deutschland klein werden lässt – und uns zugleich die Auswirkungen der Globalisierung groß und bildgewaltig vor Augen führt.
Deutschland versinkt im Schlamm und hat seine Vormachtstellung in der Welt schon lange verloren. Die Menschen werden als Lehnarbeiter auf den Feldern ausgebeutet, sind verarmt, haben ihre Kultur und Traditionen abgelegt. Der Kampf ums tägliche Leben und Überleben überlagert alles. Und dann Indien: hochtechnologisiert, gereift von den Früchten und Erträgen Deutschlands und mit Delhi als urbanem Zentrum und Pulsgeber des internationalen Warenstroms. Vieles hat sich im Vergleich zu heute verändert, wirkt wie auf den Kopf gestellt und zeigt uns doch zugleich, die menschlichen Nöte und Bedürfnisse sind die gleichen geblieben – nur die Verteilung von Macht und Einfluss ist veränderbar.
Mit Veeru hat die Not und Verzweiflung in Deutschland ein Gesicht erhalten – und zwar das Gesicht einer indischen Göttin, asketisch, aschfahl, unnahbar. Ihrer Mission, die Menschen aus der Ausbeutung und Unterdrückung zu führen, hat sie alles untergeordnet, auch ihr eigenes Leben, ein mögliches Glück. Marti, auf der anderen Seite der Welt, in Indien, versucht derweil seinen eigenen Weg zu finden, zurück zu seinem fernen Planeten oder doch erstmal in sein Gedächtnis, seine Erinnerungen, die ihm verschlossen bleiben. Ein sprechender Hund ist ihm dabei Gefährte, Wegbegleiter und auch Lotse durch den gigantischen Großstadtdschungel.
Dieses Setting ist so wunderbar abgedreht, rasant, so reich an Ideen, Einfallstum und mit einer Energie, welche die Leserin und den Leser tief in die Geschichte hineinzieht – und mit der Geschwindigkeit eines Autocopters über die Seite fliegen lässt. Das macht großen Spaß und für mich persönlich auch schon mal die Nacht zum Tag. Und nicht nur das: Es macht mich auch neugierig auf Indien, seine Geschichte, Kultur, seine Menschen. Und vor allem macht es mich neugierig auf alles, was die Autorin sicherlich auch zukünftig für uns bereithalten wird – in Indien, Deutschland oder einer Welt voll Fantasie und Abenteuer.

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Veröffentlicht am 14.04.2021

Eine spannungsreiche Jagd durch die Welt der Kryptowährungen

Montecrypto
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Ich bin ein Fan! Aber nicht von Krimis und Thrillern im Allgemeinen, jedoch davon, wie es Hillenbrand schier meisterlich gelingt, vor dem Hintergrund der Geld- und Finanzwirtschaft und insbesondere der ...

Ich bin ein Fan! Aber nicht von Krimis und Thrillern im Allgemeinen, jedoch davon, wie es Hillenbrand schier meisterlich gelingt, vor dem Hintergrund der Geld- und Finanzwirtschaft und insbesondere der für viele noch geheimnisvoll anmutenden Welt der Kryptowährungen eine Geschichte voller Spannung, überraschenden Wendungen und mit nerdigen Typen und schrägem Humor zu entwickeln. Großartig! Ich wurde wunderbar unterhalten, war fasziniert von der gut konstruierten und mit Bonmonts, Pointen und Cliffhangern gewürzten Story und musste dank Wortwitz und einer gewissen unkonventionellen sprachlichen Heftig- und Deftigkeit mit Blick auf die Hauptfigur immer wieder laut und gerne lachen.
Und ganz nebenbei, quasi als Zusatz und didaktisches Meisterstück habe ich es verstanden – verstanden, welche Faszination Bitcoins & Co. auszuüben vermögen, und dass es sich hierbei nicht etwa um ein Ideenkonstrukt oder theoretisches Gebilde einzelner sondern möglicherweise gar um die Zukunft unseres Währungssystems handelt. Beeindruckend – und in diesem Fall Grundlage, Kulisse und Motivation einer Schnitzeljagd, die uns durch Länder und über Kontinente führt und gerade in Zeiten einer scheinbar nicht endenwollenden Pandemie Vielfältiges auszulösen vermag: Spannung, Sehnsucht, surrealistisches Staunen.
Ich war Dantes Quatermain, seine getreue Weggefährtin auf dem Weg zum großen Schatz und bereit, mir für die Auflösung der trickigen Rätselaufgaben die eine oder andere Nacht um die Ohren zu schlagen. Und nicht nur das: Hätte meine Hausbar es hergegeben, hätte ich mich zu gerne auch dem Barkeeper in Dante anvertraut und seiner Vorliebe für Cocktails nicht nur eine gewisse Offenheit entgegengebracht. So aber blieb mir nur, mit kühlem Kopf Puzzlestein für Puzzlestein aneinanderzufügen – und das Bild das entstand, zeigte einen Thriller, der so außergewöhnlich wie hochkarätig war.

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Veröffentlicht am 30.03.2021

Durch kalte, tiefe Wasser – Zweifel und Suche des jungen Mönchs Lukas

Aus der Mitte des Sees
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Auf dem ruhigen See seiner Gedanken bin ich mit Lukas geschwommen. Habe mich tragen lassen von seinen Erinnerungen, Reflexionen, Sehnsüchten, mich mit ihm auf eine Sinnsuche begeben, die zu einer Suche ...

Auf dem ruhigen See seiner Gedanken bin ich mit Lukas geschwommen. Habe mich tragen lassen von seinen Erinnerungen, Reflexionen, Sehnsüchten, mich mit ihm auf eine Sinnsuche begeben, die zu einer Suche nach seinem Ich, seinem künftigen Leben wurde – und dabei auch so manche Untiefe und Länge in der Handlung umschifft. Und doch habe ich die einzelnen Schwimmzüge genossen, gerne Strecke mit Lukas gemacht und Seemarken mit ihm gemeinsam erreicht und auf diese zurückgeblickt. Verloren hat er mich dabei zu keiner Zeit.
Heger ist es mit seiner ruhigen, langsam fließenden Erzählung gelungen, intime Einblicke in das Leben des jungen Mönches Lukas zu gewähren und den Leser und die Leserin in seiner unaufdringlichen Art mit den großen Fragen des Lebens zu konfrontieren – Fragen, denen auch Lukas sich mit Blick auf seine Begegnung mit Sarah stellen muss und die ihm Entscheidungen und Konsequenzen abverlangen. In diesem Prozess gewinnt in Lukas die Erkenntnis Raum, dass neben der Liebe zu Gott auch die Liebe zu einer Frau in ihm bestehen kann und keine Ausschließlichkeiten darstellen – anders als mit Blick auf die konkrete Ausgestaltung seines Lebens. Das Ende der Handlung schwankt dann auch zwischen Vorhersehbarkeit und Unglaubwürdigkeit und bricht für mich in puncto Sinnhaftigkeit und Kraft seiner Bedeutung.
Die Worte, die Heger für die Suche des jungen Lukas wählt, stehen hierzu für mich im klaren Gegensatz. Sie sind häufig geprägt von eben dieser Liebe zu Bild und Botschaft und erinnern in ihrer Prägnanz an Aphorismen und Sinnsprüche. Sie bleiben im Kopf, Lukas Weg durch tiefe Gewässer kann dies auch.

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