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Veröffentlicht am 09.09.2024

Ein wilder Ritt durch Witz, Humor und ein Berlin der Zukunft

Lieferdienst
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Die Geschichte ist rasant. Hat Tempo und gibt ordentlich Gas.
Und das hat sie gemein mit den Bringern der großen Lieferdienste in einem neuen Berlin der Zukunft. Denn flink, findig und mit Blick auf die ...

Die Geschichte ist rasant. Hat Tempo und gibt ordentlich Gas.
Und das hat sie gemein mit den Bringern der großen Lieferdienste in einem neuen Berlin der Zukunft. Denn flink, findig und mit Blick auf die Konkurrenz gnadenlos müssen auch diese sein, bricht doch mit jeder Bestellung, die aufgegeben wird, ein gnadenloses Wettrennen um die schnellste Zustellung los. Und die eigens aus dem 3D-Drucker produzierte Ware droht bei Niederlage wertlos zu werden.
So weit, so erschreckend. Und ein Albtraum des Kapitalismus. Und für all diejenigen, die wissen, dass auch die neuste GameStation – so die Konsole der Zukunft – Ressourcen zieht. Von Arkadis, einem „Vollblut-Bringer“ des Unternehmens Rio, sind jedoch vor allem Kraft und Nerven gefordert, als er nicht nur Zeuge der Ermordung seines legendären Kollegen Airbox sondern in dessen Folge auch in Geheimnisse und Abgründe hineingezogen wird, welche den Fortbestand des bisherigen Liefersystems in Frage zu stellen drohen.
Es ist also dramatisch. Mysteriös. Und hoch spannend! Denn Airbox‘ Mission ist mit Lug und Trug, Fallstricken und Sackgassen, Explosionen und vor allem der schärfsten Currybulette Neu-Berlins gepflastert. Und auch die Leser*innen sind gefragt, wenn sie in ein Feuerwerk an kreativen Einfällen und originellen Wortschöpfungen eintauchen, die auf den ersten Seiten noch ins Auge springen mögen – dann jedoch Teil des stimmigen Settings und eines runden Gesamtbildes werden. Und einfach jede Menge Spaß machen!
Hillenbrand kanns! Mich maßlos unterhalten. Mich zum Lachen bringen. Und mich immer wieder mit einem „Das musst Du hören!“ Sätze und Passagen meinem Mann laut vorlesen lassen. Dem es wohl ebenfalls gefällt – zumindest ist das Buch nun direkt in seine begierigen Hände gewandert.

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Veröffentlicht am 01.09.2024

Postkartenidylle und ein Mord, so raffiniert wie rätselhaft

Feuerjagd
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Den Geruch von Moos und Torf in der Nase, die irische Sonne auf der Haut und Intrigen, Blut und Verschwörung vor Augen – der neue Tana French ist wieder ein Volltreffer! Für all diejenigen, die einen raffiniert ...

Den Geruch von Moos und Torf in der Nase, die irische Sonne auf der Haut und Intrigen, Blut und Verschwörung vor Augen – der neue Tana French ist wieder ein Volltreffer! Für all diejenigen, die einen raffiniert konstruierten, äußerst spannenden Kriminalroman zu schätzen wissen. Und für die Freund*innen der irischen Kultur, der grünen Weiten und eines Landes, das viel mehr als Guinness, Livemusik und das sprichwörtliche Gold am Ende des Regenbogens zu bieten hat.
Und was „Feuerjagd“ für mich darüber hinaus zu einem Wurf in das Bulleye der obligatorischen Dartscheibe in einem Irish Pub macht: Cal ist wieder mit dabei! Der eigenbrötlerische und tiefgründige Ex-Ermittler aus den Staaten, nun Einwohner und von den Nachbarn misstrauisch beäugter Zugezogener in dem kleinen, fiktiven Dorf im Westen Irlands. Und auch seine Partnerin Lena und Trey, Mädchen und inzwischen Teenager, das er vor der Verwahrlosung und Einsamkeit bewahrt hat, sind Teil der Geschehnisse rund um Johnny Reddy, Treys Vater.
Doch nach Jahren der Abwesenheit kehren mit Johnny nicht nur Unfrieden und eine dubiose, zwielichtige Gestalt nach Ardnakelty zurück, sondern auch der Goldrausch hält Einzug in das Dorf – und dies zu einer Zeit, in welcher größte Geldnot und Zukunftssorgen die Farmer plagen. Und noch jemand sät Misstrauen und Zwietracht zwischen den Menschen und in den Böden, die durch den ungewöhnlich heißen Sommer ausgetrocknet sind und nach Erlösung ächzen. Mit Rushborough, einem wortgewandten Geschäftsmann aus London, ist das Versprechen nach Reichtum, Ruhm und die Erfüllung aller materiellen Wünsche und einem Ende der Plackerei verbunden.
Und was sich dann mit viel Atmosphäre, Feinsinn und einem Gespür für Stimmungen und Details so nach und nach entrollt, ist nicht nur ein spannender Kriminalfall sondern auch die Sozialstudie einer Gemeinschaft, deren Mitglieder eng miteinander verflochten und vom gleichen Blut sind – und bis zum Tod zusammenstehen.
Nicht nur, weil ich gerade erst aus meinem mehrwöchigen Irlandurlaub nach Hause zurückgekehrt bin – schweren Herzens –, hat mir „Feuerjagd“ den Kopf verdreht und mir schlaflose Nächte mit wunderbarem Lesevergnügen bereitet. Und ich kann es kaum erwarten: wieder meinen Koffer für die grüne Insel zu packen und die Fortsetzung der West-Irland-Reihe in der Hand zu halten!

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Veröffentlicht am 16.08.2024

Dystopie und Ungleichheit: Gladiatoren in einer nahen Zukunft

Chain-Gang All-Stars
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Gewaltig, eindringlich und mit einer Kraft und Stärke, die Kopf und Gedanken sprengen – „Chaing Gang All-Stars“ lässt Dich nicht mehr los!
Und damit meine ich zum einen das Leseerlebnis selbst: Die Sprache ...

Gewaltig, eindringlich und mit einer Kraft und Stärke, die Kopf und Gedanken sprengen – „Chaing Gang All-Stars“ lässt Dich nicht mehr los!
Und damit meine ich zum einen das Leseerlebnis selbst: Die Sprache ist intensiv, reich an Bildern und Schönheit, literarisch. Sie nimmt einen gefangen, trägt einen durch die Zeilen und den Fortgang einer Geschichte, die reich an Fantasie, Spannung und actiongeladenen Elementen und Wendungen ist.
Doch neben all dem, was den Roman zu einem aufregenden und fesselnden Leseerlebnis werden lässt, ist da auch eine Tiefe, Schwere, ein Erschrecken im Erkennen dessen, was uns hier auf einem so verlockenden Silbertablett präsentiert wird. Denn die Welt, die Adjei-Brenyah zeichnet, ist grausam, menschenverachtend, rassistisch – und nicht weit entfernt von dem, was wir uns vorstellen können. Was realistisch ist. Und real und existent.
Brot und Spiele für das Volk! Das sind die Gladiatorenkämpfe der Chaing Gang All-Stars – blutige und ausschließlich tödliche Auseinandersetzung verurteilter Straftäter, bewaffnet mit martialischen und archaisch anmutenden Waffen, ausgetragen in großen Arenen und vor einem Millionenpublikum. Und zugleich sind diese barbarischen Schlachten Ausdruck einer Gesellschaft, in welcher die Würde und das Leben des Einzelnen einen jeden Wert verloren hat. In welcher die Mehrzahl der Gefangenen einen Migrationshintergrund und eine dunkle Hautfarbe hat.
Thurwar und Hurricane Staxxx sind die gefeierten Sterne an diesem blutroten Himmel der Grausamkeiten. Ihre Siege sind zahlreich und legendär, ihre Gegner vernichtet. Und zugleich sind sie ein Liebespaar auf ihrem blutigen Weg in eine als hypothetisch zu betrachtende Freiheit, welcher der Siegerin als Licht am dunklen Horizont winkt. Doch die Gamemaster sind erbarmungslos. Und wittern die ganz große Show.
Wenn Du es Dir heimelig und bequem in Deinem Denken, Deinen Ansichten und der Vorstellung von einer gerechten, fairen Welt machen möchtest: Das ist nicht das richtige Buch für Dich! Wenn Du allerdings bereit bist, Strukturen kritisch zu hinterfragen, Ungleichheiten zu erkennen und Dich zudem in einem spannungsreichen Pageturner zu verlieren: „Chaing Gang All-Stars“ ist das Buch für Dich – das Dich begeistert, berührt, Dir lange bleibt!

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Veröffentlicht am 22.07.2024

Mein neues Lieblingsbuch!

Am Himmel die Flüsse
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Wie Flüsse, die sich durch Länder und Zeiten ziehen, ineinander münden und zusammen einen reißenden Strom ergeben – Elif Shafak vermag es, aus drei scheinbar ganz unterschiedlichen Erzählfäden ein großes ...

Wie Flüsse, die sich durch Länder und Zeiten ziehen, ineinander münden und zusammen einen reißenden Strom ergeben – Elif Shafak vermag es, aus drei scheinbar ganz unterschiedlichen Erzählfäden ein großes Ganzes und eine fesselnde und mitreißende Geschichte zu erschaffen. Und das Gesamtbild beleuchtet die Länder des ehemaligen Mesopotamiens gleich einem Kaleidoskop in seiner Historie und in Grausamkeiten, Verletzungen und Traumata, die über Grenzen hinweg bis in die Gegenwart und auf den europäischen Kontinent reichen.
Arthur ist ein Kind der Armut, des Elends und der Vereinsamung. Geboren im ausgehenden 19. Jahrhundert in einem London, das nur die Starken und Einfallsreichen den Kampf gegen Krankheit, Kriminalität und Verwahrlosung gewinnen lässt, erweist er sich dank seines herausragenden Intellekts als Überlebenskünstler. Und als Wunderkind. Denn allein durch autodidaktische Schulung gelingt ihm das, woran zahlreiche Wissenschaftler und Experten seiner Zeit verzweifeln: Er vermag es, die Keilschrift der alten assyrischen Kultur auf ihren überlieferten Tontafeln zu entziffern. Ist hiervon geradezu besessen. Und macht dabei eine Entdeckung, die sein Leben für immer verändern und weltweite Aufmerksamkeit erregen wird.
Narin ist ein junges ezidisches Mädchen, das gemeinsam mit ihrer Familie in ihrem Heimatdorf im Südosten der Türkei lebt. Der Bau des Ilisu-Staudamms bedroht nicht nur ihr Zuhause sondern auch die ezidische Gemeinschaft, Bräuche und Kultur, so dass ihre Familie beschließt, sie im Land ihrer Vorfahren, im heiligen Lalisch-Tal taufen zu lassen. Doch es ist das Jahr 2014, und Narin, ihr Vater und ihre über alles geliebte Großmutter werden Zeugen und Opfer des furchtbaren Genozids an den Eziden, der sich vor den Augen der Welt in aller Öffentlichkeit vollzieht.
Und schließlich ist da Zaleekah, Tochter einer Einwanderin aus dem Nahen Osten und aufgrund ihrer Herkunft, des frühen Todes ihrer Eltern und ihrer Kindheit und Jugend im Hause ihres dominanten Onkels in London verwundet und schwer traumatisiert. Die Begegnung mit Nen, einer Tätowiererin, Historikerin und bald einzigen Vertrauten Zaleekahs ändert für die junge Frau alles. Und gibt ihr die Stärke und Mut, welche sie all die Jahre nicht spüren konnte.
Die Figuren dieser Geschichten sind miteinander verbunden wie Tautropfen auf einem Spinnennetz. Es ist das Wasser als das Jahrhunderte und Jahrtausende überdauernde Element, das diese Brücken durch Zeit und Raum schlägt. Und es ist ein Gedicht, dessen Ursprung in Mesopotamien liegt. Und bis heute Menschen aller Herkunft und Länder in seinen Bann zieht.
Was daraus wird: etwas Großes! Ein Sog, der einen beim Lesen nicht mehr loslässt. Und ein Strudel, der in die erzählerischen Tiefen zieht. Und die Wellen über Dir zusammenschlagen lässt. Der Roman hat mir so viel gegeben. Und Elif Shafak mir ein neues Lieblingsbuch.

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Veröffentlicht am 09.07.2024

Erschreckend realistisch und so wichtig

Das Lied des Propheten
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Beeindruckend, erschreckend, hochaktuell – und ein Spiegel und Ausblick dessen, was geschehen kann und wird, wenn wir nicht wachsam sind. Und uns nicht einsetzen und kämpfen für unsere Demokratie. Unsere ...

Beeindruckend, erschreckend, hochaktuell – und ein Spiegel und Ausblick dessen, was geschehen kann und wird, wenn wir nicht wachsam sind. Und uns nicht einsetzen und kämpfen für unsere Demokratie. Unsere Werte. Für die Menschlichkeit.
Irland wird zum totalitären Staat! Erst langsam, schleichend, sich zunehmend überschlagend in Geschwindigkeit, Grenz- und Rechtsüberschreitungen, in Morden, Verschleppungen und Folter. Und Eilish ist mit ihrer Familie mittendrin – in Dublin, in dem Schrecken, Grauen und der Unmöglichkeit des Begreifens, Verstehens. Zu gewaltig ist das, was geschieht, zu absurd scheinen allein die Gedanken an das, was sich gerade vor den eigenen Augen vollzieht.
Eilishs persönlicher Albtraum, der Krieg in ihrem Inneren und Außen, beginnt mit der Verhaftung ihres Mannes Larry, eines Gewerkschafters, seinem spurlosen Verschwinden. Und dann geht es Schlag auf Schlag, Einschlag folgt auf Einschlag, auf Erschütterung, Detonation. Ihr ältester Sohn Mark soll zum Militärdienst eingezogen werden, Schule und Studienpläne werden zerstört – und schon ist Eilish mitten im Kampf um ihre Familie, deren Zukunft, ihr gemeinsames Überleben. Doch wird sie zunehmend machtlos, Willkür und Terror, Entsetzen und Trauer schutzlos ausgesetzt – bis auf einmal ihr gesamtes Leben in Trümmern liegt, im Staub des Zements, in den Überresten und der Zerstörung von Bombardement und Entmenschlichung.
Die Handlung, der Fortgang der Geschichte ist teils kaum zu ertragen. Und das ist gut so! Denn bei aller Fiktion ist der Roman so erschreckend, da erschreckend realistisch und zunehmend vorstellbar. Und er rührt an unseren Urängsten: dem Verlust des Zuhauses, dem Tode unserer Liebsten, dem Ausgeliefertsein der Gewalt, Willkür und Gesetzlosigkeit.
„Das Lied des Propheten“ ist so wichtig, gerade jetzt!

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