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Veröffentlicht am 12.09.2023

Persönliche Details zum Holocaust

Gebranntes Kind sucht das Feuer
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Cordelia, die Autorin und auch Hauptperson des Romans, ist eine faszinierende Persönlichkeit. Schon als sehr kleines Kind erfährt sie Ausgrenzung und Ablehnung, bleibt die ganze Zeit aufrecht. Gebrochen ...

Cordelia, die Autorin und auch Hauptperson des Romans, ist eine faszinierende Persönlichkeit. Schon als sehr kleines Kind erfährt sie Ausgrenzung und Ablehnung, bleibt die ganze Zeit aufrecht. Gebrochen wirkt sie erst in der Lagerwelt, weil sie immer wieder erkennt, dass ihr Überleben nur Zufällen zu verdanken ist.

Die Geschichte beginnt in der frühen Kindheit. Wir begleiten Cordelia in die Schule bis sie diese nicht mehr besuchen darf. Sie wird von ihrer Mutter unterschiedlichst untergebracht, sogar eine neue Nationalität wird angenommen, um die Deutschen Rassengesetze zu umgehen. Doch alle Mühen können das Grauen lediglich verschieben, aber leider nicht verhindern. Cordelia wird über Theresienstadt nach Auschwitz deportiert, überlebt nur knapp.

Der Schreibstil wirkt auf mich durch die geschaffene Distanz etwas trocken, doch anders als sonst stört mich das nicht. Es passt zum Inhalt. Hier wäre ein reißerischer Stil unangebracht. So können wir uns in selbst gewählten Schritten, in einer Geschwindigkeit, die das Gelesene verarbeiten lässt, mit dem dunkelsten Kapitel unserer Geschichte auseinander setzen.

Besonders bedrückend ist für mich die Tatsache, dass für die überlebenden Opfer dieser grauenhafte Krieg nie zu Ende war. In ihnen tobt er weiter, die schrecklichen Erlebnisse lassen sich nicht verdrängen und schon gar nicht vergessen. Es ist angebracht, sich das immer mal wieder bewusst zu machen.

Das Nachwort von Daniel Kehlmann macht nochmals deutlich, was die entscheidenden Fakten sind. Manche grausame Tatsache wird von der Autorin nur indirekt benannt, Kehlmann bestätigt hier meinen gewonnenen Eindruck.

Insgesamt ein lesenswerter Roman, den ich uneingeschränkt weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 07.09.2023

Ein toller Start, hinten raus fehlt mir die literarische Ausdauer

Gewässer im Ziplock
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Die Eltern der Hauptfigur Margarita leben getrennt. Masha, die Mutter, lebt in Chicago, der Vater, Avi mit Margarita in Berlin. Avi ist Chasan in einer jüdischen Gemeinde. Margarita besucht das jüdische ...

Die Eltern der Hauptfigur Margarita leben getrennt. Masha, die Mutter, lebt in Chicago, der Vater, Avi mit Margarita in Berlin. Avi ist Chasan in einer jüdischen Gemeinde. Margarita besucht das jüdische Gymnasium. Die beiden führen ein bescheidenes Leben. Wie viele 15-jährige Mädchen denkt Margarita nur an Jungs, insbesondere an Nico. Sie verbringt den Sommer wie zuvor in Amerika bei den Großeltern, langweilt sich, nimmt an Sommerkursen teil. Langsam ist sie zu alt für die Großelternbesuche. Doch plötzlich soll Margarita aus ihrer Lethargie gerissen werden und mit ihrer Mutter, die sie kaum kennt, nach Israel reisen.

Gefallen hat mir vor Allem der Anfang des Romans. Es wird das Leben von Avi und Margarita beschrieben. Ich mochte die Passagen über das Vorbeten bzw. das Singen sehr gern. Ich konnte mich der schönen Atmosphäre regelrecht hingeben. Avis begleitende Gedanken waren sehr angenehm zu lesen. Ich dachte so bei mir: „Welch ansprechender Glaube?“ Dabei ist sogar das Warten mit dem Gebet bis 10 Herren anwesend sind zu verschmerzen.

Die Darstellung von Margarita als trotzköpfige Teenagerin war ebenfalls gelungen wie auch das Zusammenspiel mit Avi. Glaubwürdig kommen mir darüberhinaus die Anzahl der jugendlichen sexuellen Handlungen und die Lügen in diesem Kontext vor. Das Miteinander von Großeltern und Margarita war mit einer ordentlichen Portion Humor gespickt. Die Ausführungen zu vorherrschenden Lautstärken sowie zu sämtlichen Kochaktivitäten waren einfach nur köstlich.

Ins Kippen kam mein Wohlwollen dem Roman gegenüber erst mit der Reise nach Israel. Wie die Reise selbst, wirkt wie Vieles erzwungen. Ich habe nicht unbedingt verstanden, warum der Familienrat Margarita mit ihrer Mutter zusammen bringt. Wer ist in diesem Sinne der Familienrat? Ob Avi von der Richtigkeit der Reise überzeugt war, blieb mir ebenfalls verbogen. Dieses Konstrukt mit der Reise hat mich irgendwie abgehängt. Deshalb habe ich einen Klemmer damit. Weniger gefallen haben mir darüberhinaus die vielen Streitereien. Zwischen Margarita und den Erwachsenen erschien es noch halbwegs normal, aber Masha und Avi, das war zu viel und zu kindisch. Ich konnte lange nicht mehr erkennen, wo das Alles hinführen soll. Deshalb hat mich die zweite Hälfte nicht überzeugt. Der literarische Wert hatte zu diesem Zeitpunkt leider ebenfalls stark abgenommen.

Ingesamt wirkt es, als wäre dem Roman irgendwann die Luft ausgegangen. Das anfänglich hohe Niveau konnte leider nicht gehalten werden.

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Veröffentlicht am 24.08.2023

Beeindruckende Stimme zu Armut, Gewalt und Rassismus

Sekunden der Gnade
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Im Bosten von 1974 wohnt Mary Pat Fennessy mit ihrer Tochter Jules in Southie, einem überwiegend irisch geprägten Stadtteil. Als die Proteste gegen das Busing - schwarze Kinder sollen mit Bussen in weiße ...

Im Bosten von 1974 wohnt Mary Pat Fennessy mit ihrer Tochter Jules in Southie, einem überwiegend irisch geprägten Stadtteil. Als die Proteste gegen das Busing - schwarze Kinder sollen mit Bussen in weiße Schulen gebracht werden und weiße Kinder in schwarze Schulen - losgehen, kommt Jules eines Abends nicht nach Hause. In größter Sorge beginnt Mary Pat die Suche nach der Tochter. Einzige Unterstützung findet sie bei Detective Bobby Coyne, der seinerseits nach Jules fahndet, weil er glaubt, dass sie in den Mordfall an Augie Williamson verwickelt ist.

Dieser Roman ist eine Wucht. Mit Mary Pat Fennessy als tragender Figur werden die durch Gewalt und Armut gekennzeichneten Lebensumstände in Southie gekonnt rübergebracht. Sie transportiert mit ihrer derben Sprache den Sound des Viertels direkt ins Herz der Lesenden, eine Gegend mit eingeschränkten Bildungsmöglichkeiten, die sich fest im Griff einer Mafia befindet, wo Schutzgeldzahlungen und Drogenhandel an der Tagesordnung sind.

Dennis Lehane hat mich regelrecht reingezogen in seinen Roman, ich konnte nicht entkommen. Obwohl Mary Pat Fennessy überhaupt nicht meinen Vorstellungen, wie man sein Leben angeht bzw. wie man sich grundsätzlich verhält, entspricht, mochte ich diese mutige Frau sehr gern. Es ist nicht mal Mitleid, was da mitschwingt, sondern vielmehr Bewunderung für einen Gerechtigkeitssinn, der von Staats wegen nicht gewährleistet wird. Selbst die damit einhergehende Gewalt, die ich im hier und jetzt ablehne, konnte ich schon irgendwie nachvollziehen. Nach meinem Empfinden werden Urinstinkte bei der Leserschaft angesprochen, wodurch das Mitfiebern mit der Protagonistin entsteht.

Der einnehmende Schreibstil des Autors lies mich den Roman locker weg lesen. Leicht ist der Roman trotzdem nicht, sondern teilweise wirklich schwer auszuhalten. Es ist eben keine reine Fiktion, sondern Teil der Wahrheit im 74er Boston. Man sollte also nicht zu zart besaitet sein. Besonders schwer zu ertragen, war für mich die Aufklärung des Titels.

Ingesamt bin ich schwer begeistert und kann den Roman nur empfehlen.

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Veröffentlicht am 08.08.2023

Rom - Stadt, die einen verschlingt - ein Moloch

Die Stadt der Lebenden
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In Rom wird im März 2016 ein jener Mann zu Tode gequält. Täter sind Marco Prato und Manuel Foffo, zwei junge Männer, denen man diese Abscheulichkeit eigentlich nicht zutraut. Der Roman rekonstruiert die ...

In Rom wird im März 2016 ein jener Mann zu Tode gequält. Täter sind Marco Prato und Manuel Foffo, zwei junge Männer, denen man diese Abscheulichkeit eigentlich nicht zutraut. Der Roman rekonstruiert die persönliche Entwicklung der Beiden, nimmt insbesondere die Tage vor dem Mord unter die Lupe und wagt einen Erklärungsversuch, wie es dazu kommen konnte.

Die Geschichte um den Mord trägt den Roman, doch gleichzeitig vollzieht Nicola Lagioia eine umfassende Gesellschaftsanalyse der ewigen Stadt. Für eingefleischte Fans von Spannungsliteratur wirkt dieses Konstrukt maximal aufgeblasen, mit Nichtigkeiten überschwemmt. Für mich ist es durch das Kennenlernen unzähliger Bewohner sowie Orte der Stadt ein geschärfter Blick in ein Moloch. Die hinreißende Touristenattraktion Rom ist vollgestopft mit Müll und Schmutz, verlangt ihren Bewohnern viel ab, um überhaupt in ihr Überleben zu können. Gleichzeitig bietet Rom dermaßen viele Verlockungen, dass es schwer ist, ihnen nicht zu erliegen. Schillernd wie in der touristischen Wahrnehmung ist Rom eigentlich nirgends.

Nicola Lagioia skizziert das Zusammenspiel von zufälligen Begegnungen sowie Lebensumständen, die letztendlich in einem grausamen Mord enden. Zugegeben, man versteht trotzdem nicht, wie zwei intelligente Männer dermaßen gewalttätig sein können. Somit ist der Roman ein Zeugnis, dass Mörder sich jederzeit mitten unter uns entwickeln können. Der Autor lässt uns ausführlich an seinen Gedanken über den Fall teilhaben. Dazu bedient er sich interessanter Mittel. Neben der reinen Prosa finden wir WhatsApp-Chats, Zeugenaussagen sowie unzählige Medieninhalte im Roman. Nicola Lagioia fügt eigene Reflexionen über sein Leben, aber auch zu Gesprächen, die er im Zusammenhang mit dem Fall geführt hat, mit ein. Am besten gefallen hat mir sein Konstrukt der Gegenüberstellung der Aussagen von Marco Prato und Manuel Foffo, die sie in getrennten Verhören gemacht haben. So wird die verschobene Wahrnehmung der beiden Täter besonders deutlich.

Die damit erzeugte Komplexität ist eine Herausforderung beim Lesen. Bis ich verstanden hatte, dass es um die Vermittlung eines Gesamteindrucks geht, hatte ich Bedenken überhaupt Alles erfassen zu können. Gleichzeitig wird die eigentliche Handlung ausgebremst. Das kann mitunter anstrengend, vielleicht auch frustrierend sein. Wer einen Thriller erwartet, wird enttäuscht sein. Wer Lust auf eine intensive Auseinandersetzung mit Rom und den Menschen darin hat, wird wie ich ein gewisses Vergnügen beim Lesen empfinden. Durch die auf gesunde Distanz gehaltenen Protagonisten ist es keine klassische Lesefreude, wo man mitfiebert, sondern eher eine analytische, beängstigend interessante Auseinandersetzung.

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Veröffentlicht am 02.08.2023

Überfordert mich

Der Verjüngungs-Plan
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Es war sehr interessant zu lesen, welchen Beitrag die sekundären Pflanzenstoffe für unsere Gesundheit leisten. Es erscheint mir glaubwürdig und nachvollziehbar. Mit dem erfrischenden Sprachgebrauch von ...

Es war sehr interessant zu lesen, welchen Beitrag die sekundären Pflanzenstoffe für unsere Gesundheit leisten. Es erscheint mir glaubwürdig und nachvollziehbar. Mit dem erfrischenden Sprachgebrauch von Nina Ruge habe ich mir auch gern die ca. 50 Seiten Theorie gegönnt. Gefallen haben mir darüberhinaus die Verjüngungs-Hitlisten.

Dennoch überfordert mich der Gedanke an eine derartige Ernährungsumstellung. Ich bin schon ordentlich dabei, viel mehr Gemüse und echtes Getreide in meine Ernährungsgewohnheiten zu integrieren. Ich kann durchaus auch ganz ohne Wurst sein und mehrere Tage ohne Fleisch. Ganz darauf verzichten möchte ich allerdings nicht.

Die im Verlauf vorgestellten Rezepte sprechen mich auch nur teilweise an. Mit den Salatvarianten tue ich mich am schwersten. Lediglich die Rote Bete mit Kümmel und die Gurken-Granité sprechen mich sofort an. Bei den Suppen fühle ich mich tatsächlich abgeholt, weil mit den neuen Rezepten mehr Vielfalt in meinen Speiseplan gelangt. Die Hauptgerichte wirken teilweise wie Beilagen oder wie etwas aufwendigere Salate. Hier habe ich gedanklich noch Probleme, wie ich damit, auch wenn ich die abgebildeten Mengen sehe, zufrieden sein soll. Die ausgewiesenen Beilagen gefallen mir wieder gut und auch bei den wenigen Desserts bin ich fündig geworden.

Was mir fehlt, ist die beispielhafte Kombination der einzelnen Bestandteile zu einem Menü. Was von den Rezepten kann man gut zusammen essen? Welche Kombination ist besonders gesundheitsfördernd? Lediglich dazuzuschreiben: Passt zu Couscous, zu Salat oder Gegrilltem ist mir zu wenig, denn mit Gegrilltem ist bestimmt keine Rostbratwurst oder ein Steak gemeint. Hier hätte ich mir mehr Hilfestellung erhofft. In der vorliegenden Aufbereitung erscheint mir das Monster der Überwindung riesengroß und Limbi ist geneigt zu übernehmen. Ich werde trotzdem versuchen, mit dem was mir gefällt, einzusteigen.

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