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Veröffentlicht am 06.05.2024

Lustig verpackte Direktheit

Komm schon, Baby!
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Komm schon Baby! von Ellen Berg (atb)

Das passt doch alles nicht zusammen. Vielleicht ein Fall von Persönlichkeitsspaltung? Erotisch motivierte Schizophrenie? Dr. Jekyll und Mr. Hyde in Gestalt eines ...

Komm schon Baby! von Ellen Berg (atb)

Das passt doch alles nicht zusammen. Vielleicht ein Fall von Persönlichkeitsspaltung? Erotisch motivierte Schizophrenie? Dr. Jekyll und Mr. Hyde in Gestalt eines smarten Allergologen?
Ja, genau, undThermomix ist der Heizungsmonteur von Asterix und Obelix, flüstert eine fiese kleine Stimme in meinem Ohr. Man nennt es Seitensprung, Juli. S.58

Juli rutscht mit ihren 38 Jahren in eine ziemlich verzwickte Situation. Als Hebamme steht sie mit beiden Beinen fest im Leben. Eigentlich müsste sie sich mit Schwangerschaftsverhütung bestens auskennen. Doch sie fordert das Schicksal heraus und nun zieht es ihr und ihren Gefühle den Boden unter den Füßen weg. Wie so oft spielen die Männer eine tragende Rolle, werden gebauchpinselt oder bekommen ihr Fett weg.

Dieses Mal geht es rund ums Kinderkriegen in Ellen Bergs „Komm schon, Baby!“. Natürlich verhilft sie ihrer sympathischen Protagonistin Juli in die ein oder andere problematische Situation. Dabei bringt sie die Thematik mit Witz und Spontanität auf den Punk. Alltäglichkeiten werden aufgebauscht, klischeehafte Figuren kreiert, Wortspiele zur höchsten Kunst getrieben sowie überspitzte Dialoge geführt. Dies alles in einem Tempo, welches jeder Zeile höchstes Vergnügen entlockt. Gepaart mit dem lustigen Cover entspricht dieser Roman meinen Vorstellungen von einem gelungenen Gesamtpaket. Ellen Berg versteht es glänzend zu unterhalten. Die Texte lesen sich mit einer zielstrebigen Leichtigkeit, die ihresgleichen sucht.

Immer wieder ein Genuss und einen Lacher wert!

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Veröffentlicht am 06.05.2024

Schwierig meine Gedanken in Worte zu fassen

Windstärke 17
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Windtärke 17 ein Roman von Caroline Wahl (Dumont Verlag)

Ida lebt keineswegs in einer heilen Welt. Ihr junges Leben ist durchzogen von Schwierigkeiten, ausgehend von einer alkoholkranken Mutter. Diese ...

Windtärke 17 ein Roman von Caroline Wahl (Dumont Verlag)

Ida lebt keineswegs in einer heilen Welt. Ihr junges Leben ist durchzogen von Schwierigkeiten, ausgehend von einer alkoholkranken Mutter. Diese stirbt. In Folge dieses Schicksalschlags muss sich Ida mir ihren Gefühlen und Emfindungen auseinander setzen. Da ist jede Menge Trauer gekoppelt mit Schuld und einer riesigen Wut, die sich immer wieder als großer Wutklumpen in ihrem Bauch formt.

Dieser Roman ist eine Auseinandersetzung mit dem Tod, der Vergänglichkeit des Seins und dem Auf und Ab des Lebens. Dabei bleibt die Hauptprotagonistin unberechenbar für mich. Ich verstehe ihre Gefühle und auch deren Ausmaß. Und doch empfand ich, mit zunehmender Seitenzahl, ihre Gedanken, Ausbrüche, Aktionen als zu viel, wiederholend und krass. Naiv passend für einen Teenager jedoch unpassend für eine junge Frau.

Auch hinsichtlich des Textes bin ich zwiegespalten. Er liest sich nicht gerade einfach, im Wechsel wörtliche Rede, dann Züge eines Theaterstücks, Name plus Doppelpunkt. Ida denkt einen Satz und wiederholt ihn dann per Aussage oder auch nicht. Das Ganze liest sich so einzigartig und problematisch, wie Ida selbst.

Ich hatte mich sehr auf dieses Buch gefreut. Aus einer persönlichen Motivation heraus, vielleicht um den eigenen Verlust erträglicher zu machen, wollte ich die Zeilen von Caroline Wahl unbedingt lesen. Doch nach einem großartigen Beginn empfand ich „Windstärke 17“ eher deprimierend.
Trotz meiner Kritk gab es auch wundervolle Szenen, tiefgründige, berührende Aussagen, nachvollziehbare Charaktere, die durch die Geschichte tragen. Die aufkeimende Liebesgeschichte mit Leif und das versöhnliche Ende geben Hoffnung.

Ich lasse ein wenig Zeit versterichen und werde mich dem Debüt und dem Vorgänger-Roman der Autorin zu gegebener Zeit widmen.

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Veröffentlicht am 01.05.2024

Reden oder Schweigen

Das andere Tal
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Das andere Tal von Scott Alexander Howard (Diogenes Verlag)

Als ich die Abfolge betrachtete, wurde mir klar, dass sich das Tal, in dem ich lebe, zwar in der Mitte befand, aber das war relativ. Aus der ...

Das andere Tal von Scott Alexander Howard (Diogenes Verlag)

Als ich die Abfolge betrachtete, wurde mir klar, dass sich das Tal, in dem ich lebe, zwar in der Mitte befand, aber das war relativ. Aus der Perspektive der anderen wäre ihr Tal in der Mitte, und meins läge seitlich davon – in der Zukunft von jemandem, die Vergangenheit von jemand anderem. So anders es auch zugehen mochte an diesen weit entfernten Orten: Die Landkarte an dieser Wand würde überall genau gleich aussehen. S.60

Anfangs war ich von der Schreibweise irritiert. Die wenige, kaum vorhandene wörtliche Rede hat mich, zugegebener Maßen, etwas aus dem Gleichgewicht gebracht. Mit jeder gelesenen Seite verfliegt diese Unsicherheit und der Text von Scott Alexander Howard fühlt sich genau so richtig an, wie er da geschrieben steht.

Die Protagonistin Odile ist eine Einzelgängerin und genau so besonders, wie der Schreibstil. Intelligent verknüpft sie die Geschehnisse und verkennt sich dabei selbst, indem sie sich zu wenig vertraut. Mit der ersten Verliebtheit scheint sie ihrem Inneren ein Stück näher zu rücken. Doch ihr Gefühlschaos und unglückliche Konstellationen lösen ein tragisches Ereignis aus. Sie legt sich selbst ein schweres Los auf. Durch eine schicksalhafte Begegnung versucht sie ihren zukünftigen Weg auf andere Bahnen zu leiten. Doch lässt sich das vorherbestimmte Leben ändern? Inwieweit können wir Einfluss auf die Zukunft und Vergangenheit nehmen, wenn alles von einer übergeordneten Stelle überwacht wird? Was bedeutet Freundschaft und wann erkennt man die Menschen, die es ehrlich mit einem meinen?

Viele Fragen und noch mehr ergeben sich beim Lesen dieser Lektüre. Selbst wer keine Antworten sucht, ist hier richtig und genießt einfach den genial geschriebenen Abenteuer-Roman. Eine sehr gut konstruierte Geschichte und eine hervorragende, funktionierende Fantasie enden in einem plausiblen Ende. Für mich bleiben keine Fragen offen. Obwohl dieses Genre nicht zu meinen bevorzugten Lieblingen gehört, habe ich das Lesen sehr genossen!

Dieser Roman ist genauso für jüngere Leser geeignet, wie für ein reiferes Publikum. Mit Spannung erwarte ich weitere Ideen des Autors, den man nicht aus dem Blick verlieren sollte!

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Veröffentlicht am 03.04.2024

Julie und das Wasser, untrennbar verbunden

Loreley - Die Frau am Fluss
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Loreley – Die Frau am Fluss von Susanne Popp (Fischer Verlag)

Die Kiesel schmiegten sich an ihre Fußsohlen, dazwischen wuchs mal stachliges, mal weiches, sanft kitzelndes Gras. Schließlich lag der Fluss ...

Loreley – Die Frau am Fluss von Susanne Popp (Fischer Verlag)

Die Kiesel schmiegten sich an ihre Fußsohlen, dazwischen wuchs mal stachliges, mal weiches, sanft kitzelndes Gras. Schließlich lag der Fluss nur vom Sternenlicht beleuchtet vor ihr und hob sich mit seinem tiefdunklen Blau kaum merklich von den schwarzen Ufern ab. Sie sah zum Werth hinüber, wo sich die Kronen der Eschen, Ulmen und des großen Ahorns wie Scherenschnitte vor dem Sternenhimmel abzeichneten. Abgesehen vom klagenden Ruf eines Käuzchens und vom Rauschen des Wassers, das die Felsen und Steine umspülte, war alles still. S.17

Gefangen von den Umschreibungen Susanne Popps, schleudert mich jede Zeile in die beschriebene Szenerie hinein. Es gelingt ihr immer wieder aufs Neue mich mit ihrem Schreibstil und einem vollends detaillierten Hintergrund-Wissen an ihrer Lektüre zu fesseln.

Dieser historische Roman beginnt im Jahr 1801 und erstreckt sich über 27 Jahre. Erzählt wird die Geschichte von Julie Winter, die eine reine, natürliche Schönheit ist, nach der sich jedermann umdreht. Sie verdreht den Männern unbewusst den Kopf. Neben ihren Bewunderern ruft dies auch einige Neider auf den Plan. So werden der jungen Frau einige, nicht unerhebliche Steine in den Weg gelegt. Geheimnisse, Unwegsamkeiten und das Schicksal selbst begleiten sie und ihre Lieben.

Neben Julie spielt der große Fluss, der Rhein eine weitere Hauptrolle. Fließend integriert die Autorin die historischen Details rund um die Schifffahrt, Fähr-Arbeiten sowie das Leben mit und an diesem imposanten Gewässer.

Historische Persönlichkeiten und fiktiven Figuren mit ihren unterschiedlichen Sichtweisen und gut ausgearbeiteten Charakteren tragen durch die Geschichte und runden das Bild der Romantik ab. Die Mystik rund um den Loreley-Felsen darf dabei nicht fehlen, spielt eher eine angenehme, untergeordnete Rolle und tut der unterhaltsamen Lektüre keinen Abbruch.

Neben der Erzählung gefällt mir die Aufmachung des Romans unheimlich gut. Das Cover wirkt auf mich wie ein Magnet. Die innenliegende Karte vom Rhein und das ergänzende, umfangreiche Nachwort der Autorin helfen beim Einordnen der Ereignisse.

Ich habe Susanne Popps neuen Roman unheimlich gern gelesen. Dank der angehängten Leseprobe aus dem nachfolgenden Loreley-Roman freue ich mich sehr auf den zweiten Teil im kommenden Herbst.

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Veröffentlicht am 09.03.2024

Denkt nach, wägt ab und entscheidet!

Wir werden jung sein
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Wir werden jung sein von Maxim Leo (Kiepenheuer & Witsch)

„Ja, keine Sekunde würde ich zögern. Ich würde dieses Medikament meinen Liebsten geben! Könnte ich die Zeit zurückdrehen, hätte ich die Möglichkeit ...

Wir werden jung sein von Maxim Leo (Kiepenheuer & Witsch)

„Ja, keine Sekunde würde ich zögern. Ich würde dieses Medikament meinen Liebsten geben! Könnte ich die Zeit zurückdrehen, hätte ich die Möglichkeit dazu, eine Entscheidung mit dem Herz getroffen, aus Liebe, die den Verstand aushebelt!“

Dies ist keine Textstelle aus dem Buch, sondern meine Aussage. Ich habe dieses Buch gelesen und bin danach in einen emotionalen Ausnahmezustand geschlittert. Ich hätte gern meine Oma gerettet und auch meine Mama, die nur knapp drei Monate nach ihr, nachdem ich dieses Buch gelesen hatte, gestorben ist.

Maxim Leo entwirft ein Szenario, welches tatsächlich Realität werden könnte. Er schachtelt dieses Thema mit all seinen ethischen und gesellschaftlichen Fragen, mit seinen Möglichkeiten, Chancen sowie Problemen auf. Heilung, Jungsein, am Leben bleiben, Zeit haben und wofür. Doch was ist dabei ein Menschenleben wert, was ist der Preis und wie weit würden die Mächtigen gehen, um ihre Interessen und Ziele durchzusetzen? Explosives Konfliktpotential und die Möglichkeit auf eine Erzählung, die zum Nachdenken anregt und die mich noch lange beschäftigen wird.

Im Rampenlicht stehen die einzelnen Protagonisten doch letztendlich geht es doch, wie in allen Dingen, immer nur um Geld und Macht. Die gigantische Pharma-Lobby, Regierungen alle wollen etwas vom Kuchen abbekommen.
Mich haben die Schicksale der Teilnehmer dieser zusammengewürfelten Probandengruppe berührt und ich empfand es ganz wunderbar, wie der Autor nicht nur mit seinen Worten, sondern mit den Emotionen der Figuren und somit seiner Leser spielt. Der Schreibstil hat mich mitgenommen, ehrlich, authentisch, aufrüttelnd, witzig, spontan und berührend. Besonders die Dialoge fand ich spannend. Ebenso gefiel es mir, in die Gedanken von Jakob, Verena, Wenger, Miriam und Martin einzutauchen.

Fazit: Wir wissen nicht, was die Zukunft noch bereithält. Doch bewahren wir uns die Fähigkeit nicht nur bestmöglich für uns, sondern uns auch um andere und unsere Lieben zu sorgen. Dabei sollten der Verstand und das Herz im Einklang sein. Das wünsche ich mir auch von denen, die mehr zu sagen haben als ich.
Ich hoffe jedenfalls, dass Maxim Leo noch viel zu sagen hat, denn dieser Roman ist richtig gut, ein Juwel unter den guten Büchern in der Literatur!

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