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Veröffentlicht am 30.06.2025

Wirft das Exil einen aus der Bahn?

Eine feine Linie
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Das öde, langweilige Leben der Hauptfigur Maryam wird in dem Pariser Vorort Drancy beschrieben. Mit ihren 13 Jahren kämpft sie stellvertretend für viele Teenager zunächst wütend gegen ihren eigenen Körper ...

Das öde, langweilige Leben der Hauptfigur Maryam wird in dem Pariser Vorort Drancy beschrieben. Mit ihren 13 Jahren kämpft sie stellvertretend für viele Teenager zunächst wütend gegen ihren eigenen Körper mit starker Behaarung und ersten sexuellen Erfahrungen, aber auch gegen ihre familiäre Armut ohne Sommerurlaube und Designer-Outfits und die Eintönigkeit der Schule. Obwohl gleichzeitig Französin und Iranerin findet sie nicht die feine, verbindende Linie ihrer Identität. Die Kritik an dem Lehrpersonal des Lycée Eugène-Delacroix ist hart. Mit dem Wechsel in die HK3 am Lycée Fénelon nach ihrem überzeugenden Abitur hofft sie auf die erträumte Möglichkeit, aus diesem benachteiligten Vorort mit sozialen Problemen und Spannungen endlich ausbrechen zu können. Schmerzlich deprimiert gibt sie wegen Überforderung und zu großer Wissenslücken schon nach drei Wochen auf. Mit diesem kläglichen Scheitern muss sich ihr Königsweg, dieser alten Wohnsiedlung der Cité de la Muette zu entkommen, ändern. Deren trostloses Ambiente wird noch verstärkt durch die Erwähnung des unfertigen Geheimgangs auf der Plakette, die im Innenhof auf das jüdische Sammellager während der 2. Weltkrieges verweist.
Eine harte, sozialkritische Abrechnung mit dem eigenen Leben, der französischen Bildungspolitik, der 2-Klassen-Gesellschaft und seiner geschichtsträchtigen Umgebung.

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Veröffentlicht am 30.06.2025

Ein lesenswertes Buch zum Nachdenken und Genießen!

Umlaufbahnen
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Mit Blick auf unsere Erde, auf die sie umgebende Sternenwelt, auf die 16 Auf- und Untergänge der Sonne in 24 Stunden in Abwechslung mit dem Mond, auf all das wird in schwärmerischem Schreibstil eingegangen ...

Mit Blick auf unsere Erde, auf die sie umgebende Sternenwelt, auf die 16 Auf- und Untergänge der Sonne in 24 Stunden in Abwechslung mit dem Mond, auf all das wird in schwärmerischem Schreibstil eingegangen neben den täglichen, streng einzuhaltenden Verrichtungen von 6 Astronauten während ihrer 6-monatigen Reise durchs All. Nicht nur die Raumfahrtgeschichte und die jeweiligen Experimente der Wissenschaftler sind aufbereitet, auch deren private Gedanken- und Traumwelt findet Erwähnung. Wichtige, teils philosophische Überlegungen zum Menschsein schwirren zwischen Mutter Erde und Vater Weltall dahin in sprachlich erlesener Pracht. Auf die Verletzlichkeit der Erde wird hingewiesen, ob nun hervorgerufen durch kriegerisch motivierte Politik der Erdbevölkerung oder durch eventuelle Veränderungen im Planetensystem.
Sehr poetisch beschriebenes Agieren und Reflektieren in einer Raumstation im Weltraum.

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Veröffentlicht am 27.06.2025

Vertrackte Familienverhältnisse in Jane Austen Ambiente

Ein Haus und seine Hüter
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Zwischen dem Patriarchen Duncan Edgeworth und seiner Ehefrau besteht keine Ehe auf Augenhöhe, eher eine Verbindung mit einem tyrannischen Sieger und Unterlegener, Erniedrigter. Die Dynamik im Roman jongliert ...

Zwischen dem Patriarchen Duncan Edgeworth und seiner Ehefrau besteht keine Ehe auf Augenhöhe, eher eine Verbindung mit einem tyrannischen Sieger und Unterlegener, Erniedrigter. Die Dynamik im Roman jongliert mit den älteren, dominanten Starken und jüngeren Schwachen in Familie und in der Dorfgemeinschaft. 1935 erschien dieses in weiten Teilen aus Dialogen bestehende Buch, das ein spätviktorianisches Ambiente in standesbewusstem Landhausleben heraufbeschwört. Viel Wert wird auf exzellente Umgangsformen gelegt, sprachlich werden neben zarten, umständlichen Anspielungen harscher Klartext wiedergegeben. Frauen finden ihre vollständige Erfüllung erst in der Ehe, wenn sie sich versorgt fühlen. Thematisiert werden auch Traditionsbewusstsein, Moralempfinden, Erbschaft und die große Rolle der männlichen Nachfolge. Der Schreibstil ist entsprechend „verschwurbelt“. Das karikierte Ambiente erinnert an Romane von Jane Austen mit teils satirischer, spitzfindiger Konversation.

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Veröffentlicht am 26.06.2025

Einforderung von Frauenrechten findet hier kein Echo

Das Haus in der Gasse
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1921 veröffentlicht, entfaltet dieser Roman eine Ödnis, Leere, Hass und Traurigkeit im Leben der jungen Frauen Antonietta und der jüngeren Schwester Nicolina. Die bedrückende Szenerie spielt in einem unscheinbaren ...

1921 veröffentlicht, entfaltet dieser Roman eine Ödnis, Leere, Hass und Traurigkeit im Leben der jungen Frauen Antonietta und der jüngeren Schwester Nicolina. Die bedrückende Szenerie spielt in einem unscheinbaren Haus in einer dunklen Gasse einer sizilianischen Kleinstadt. Der strenge Patriarch Don Lucio Carmine hält starrsinnig an seinen egoistischen Gewohnheiten fest, dabei seine Ehefrau und deren jüngere Schwester quasi wie Dienstmägde behandelt und sie abschottet. Neben Nicolina als unglückliche, vergewaltigte Geliebte des Schwagers entkommt auch der Sohn Alessio kaum dem Hass, der Gefühlskälte des Vaters und den heimlichen Streitereien im Haus. Am Meer nur findet er seine Freiheit, seinen inneren Frieden. Das hier vorgestellte Frauenbild ist weder kämpferisch noch selbstbewusst, sondern fügsam, unterdrückt, eingeschüchtert und unter Angst in der Eintönigkeit in ihrem Alltag, mit Flucht in den Irrsinn, vom Leben betrogen. Die Rolle der Männer ist hier zwiegespalten: der wortkarge Patriarch als Tyrann, der auch seine Töchter nach seinem Gutdünken formen will und daneben sein sensibler, feinsinniger, mädchenhafte Sohn ein Schwächling. Der handlungsarme Roman lebt besonders von den inneren Monologen der Frauen. Thematisiert werden auch Verarmung, die Wahrung des Scheins in diesem kleinbürgerlichen Milieu , Schuld und Sühne, mit nur angerissenen Überlegungen zu Entfaltungsmöglichkeiten für Frauen am Ende des 19. Jahrhunderts. Die Beschreibung von Identitätskrisen nach dem Tod des Sohnes ist eindringlich: Antonietta überlässt sich dem Wahn, Nicolina leidet unter den Vergewaltigungen und Don Lucio geht zur Tagesordnung über, jeder in seiner Einsamkeit im schwelenden Nebel im Haus. Diese bedrückende Welt, in der sich alle Konflikte nach innen entladen, ist sprachlich überzeugend gelungen.
Das Leid der Frauen, zaghaft und leise karikiert, berührt.

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Veröffentlicht am 25.06.2025

Man entwickelt viel Mitgefühl für die Hauptfigur Lise Mundus.

Vilhelms Zimmer
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Um eine stürmische, unausgeglichene, ungesunde Beziehung von Eheleuten geht es in diesem Roman, der in der ersten Hälfte etwas wirr wirkt. Beide Hauptfiguren Lise und Vilhelm führen starke emotionale Kämpfe ...

Um eine stürmische, unausgeglichene, ungesunde Beziehung von Eheleuten geht es in diesem Roman, der in der ersten Hälfte etwas wirr wirkt. Beide Hauptfiguren Lise und Vilhelm führen starke emotionale Kämpfe miteinander selbst nach der Trennung aus. Die anhaltende Härte und Bitterkeit in deren Dialogen machen Ängste und Verwirrung der Künstlerin Lise verständlich, zeigen beider Leidensfähigkeit und ihren Hang zu Alkohol und Tabletten. Während Vilhelm als Narziss mit dranghaftem Sexbedarf beschrieben wird, verliert sich die Figur Lise Mundus teils in der Rolle der Ich-Erzählerin, teils in der dritten Person – vielleicht als schweren, inneren Kampf mit sich selbst zu werten. Nicht nur Lises Suizid scheint den eigenen Tod der Autorin vorwegzunehmen, Ihr literarischer Schreibstil beschreibt erschreckend eindeutig ihre tödliche Entscheidung aus Lebensmüdigkeit, aus Einsamkeit. Auch andere fiktionale Ereignisse im Roman scheinen ihrer belastenden Realität entlehnt zu sein.
Der letzte, autofiktionale Roman, den die erfolgreiche dänische Autorin 1975 veröffentlichte.

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