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Veröffentlicht am 08.09.2025

Politsatire um tierische Willkommenskultur

Das Geschenk
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Von Gaea Schoeters Roman "Die Trophäe" war ich sprachlich und inhaltlich begeistert - die Spannung auf ihren neuen Roman "Das Geschenk" war also groß. Vergleichen lassen sich beide Bücher nicht, Schoeters ...

Von Gaea Schoeters Roman "Die Trophäe" war ich sprachlich und inhaltlich begeistert - die Spannung auf ihren neuen Roman "Das Geschenk" war also groß. Vergleichen lassen sich beide Bücher nicht, Schoeters hat sowohl einen anderen Stil als auch ein anderes Thema gewählt (auch wenn es in gewisser Weise durchaus um Afrika geht). Aber auch diesmal wieder großes Lesevergnügen, diesmal mit einer etwas heitereren und zugleich bissigen Note und scharfsinnigem Blick der flämischen Autorin auf den (Berliner) Politikbetrieb.

Vermutlich war es eine kleine Zeitungsnotiz, die Schoeters zu ihrem neuen Roman inspirierte, als nämlich der Präsident Botswanas nach deutscher Kritik am geplanten Abschuss tausender Elefanten damit drohte, einfach die Elefanten stattdessen ins ach so besorgte Deutschland zu schicken. Genau dies geschieht in "Das Geschenk" - plötzlich baden Elefanten in der Spree, grasen im Berliner Tiergarten und wandern über Autobahnen.

Bundeskanzler Hans Christian Winkler, der gerade erst ein Elfenbeingesetz verabschiedet hatte, ist nicht amused über die 20.000 Dickhäuter. Ein rechtspopulistischer Politiker, der ohnehin schon immer gegen Migration gewettert hat, wittert Morgenluft für einen politischen Umschwung, der ihn an die Macht bringen soll. Winkler verbreitet "Wir schaffen das!"-Optimismus und beruft als Plan B eine kompetente, aber bisher immer wieder gegen die Männerbünde der Partei gescheitete Politikerin zur Elefantenministerin - wenn etwas schief geht, hat sie die Verantwortung zu übernehmen, während selbstverständlich er die Lorbeeren für eine gelungene Integration der tierischen Einwanderer einzuheimsen gedenkt. Deutschland, ein Elefantenmärchen?

Naturschutz, Willkommenskultur, politische und mediale Aufgeregtheiten und Intrigen - Schoeters holt in ihrer Politsatire zum großen Wurf aus. Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich, habe ich beim Lesen gedacht. Denn der Umgang mit anderen Krisen lässt vieles von dem, was in "Das Geschenk" geschieht, irgendwie vertraut wirken. Schoeters hat ein Buch geschaffen, dass selten ist: Es vereint Unterhaltung mit viel Stoff zum Nachdenken. Großartig.

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Veröffentlicht am 22.08.2025

Ermittlerin in eigener (Mord)-Sache

Not Quite Dead Yet
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Die Grundidee des Plots von "Not quite dead yet" von Holly Jackson hat es in sich: Eine junge Frau klärt den Mord an sich selbst auf. Nein, es ist nicht eine Ermittlung aus dem Jenseits, wie es in einigen ...

Die Grundidee des Plots von "Not quite dead yet" von Holly Jackson hat es in sich: Eine junge Frau klärt den Mord an sich selbst auf. Nein, es ist nicht eine Ermittlung aus dem Jenseits, wie es in einigen Krimis ja schon vorgekommen ist. Jet Mason, 27 Jahre alt, weiß, dass ihr nur noch sieben Tage bleiben. Ein Unbekannter hat mit einem Hammer dreimal auf ihren Schädel eingeschlagen.

Die Folge sind mehrfache Brüche - und die Neurologin kann Jet wenig Hoffnung machen: Ein Aneurysma wird sie letztlich umbringen. Jet ist eine Tote auf Abruf. Und die junge Frau, die immer glaubte, dass ihr noch so viel Zeit bleibt und eher planlos nach einem abgebrochenen Studium in ihr Elternhaus zurückgekehrt ist, möchte zum ersten und letzten Mal in ihrem Leben etwas zu Ende bringen und ihren Mörder finden.

Unterstützt wird Jet von ihrem Kindheitsfreund Billy, in dessen Wohnung sie einzieht, weil sie mit der eigenen Familie Stress hat. Zudem wird ihr immer klarer, dass auch in ihrer Familie manches Geheimnis schlummert, das womöglich als Mordmotiv taugt. Doch rennt ihr die Zeit davon, während die neurologischen Probleme von Tag zu Tag größer werden?

Ich kannte die Autorin bisher nicht, sie ist offenbar eine populäre Autorin von Jugendbüchern. Und das merkt man irgendwie, denn für eine 27-jährige ist Jet ziemlich pubertär. Auch sprachlich erinnert Jet eher an die zweite Trotzphase eines Teenagers als an eine junge Frau, die auf die 30 zugeht. Von einigen Logikproblemen mal ganz zu schweigen. Dass jemand mit einem dreifachen Schädelbruch nach einem Tag das Krankenhaus verlassen kann, Auto fährt usw - das erscheint nicht gerade glaubwürdig. Auch wenn ich mich zugegebenerweise mit Neurochirurgie oder Medizin im allgemeinen nicht auskenne.

Mein Fazit fällt gespalten aus - eine tolle Grundidee, zahlreiche ermittlerische Irrwege, auf die Jet und Billy die Leser*innen mitnehmen und viel Stoff zum Rätseln auf meiner Positiv-Seite. Schwache Dialoge, ein allzu plakativer Schreibstil und eine ziemlich unreife bis nervige Protagonistin auf der negativen.

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Veröffentlicht am 11.08.2025

Die Staatsanwältin und die grüne Leiche

Das Bierkomplott
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Evi Pflaum hat sich einen Herzenswunsch erfüllt. Nach Jahren in München ist die junge Staatsanwältin zurück in die fränkische Heimat gekehrt und verstärkt jetzt die Anklagebehörde in Bamberg, der Stadt ...

Evi Pflaum hat sich einen Herzenswunsch erfüllt. Nach Jahren in München ist die junge Staatsanwältin zurück in die fränkische Heimat gekehrt und verstärkt jetzt die Anklagebehörde in Bamberg, der Stadt mit den vielen Brauereien. Schaden genommen hat dabei allerdings ihre Beziehung - ihr Lebensgefährte, Anwalt in einer Wirtschaftskanzlei, der sich im Studium unsterblich in Evi verliebt hatte, findet die Liebe nun doch nicht wert, als Fernbeziehung am Leben gehalten zu werden. Jetzt ist Evi wieder ins alte Kinderzimmer auf dem Hof ihrer Eltern eingezogen und hofft, dass ihre hamsternde Mutter doch noch mal die Einliegerwohnnung frei räumt.

Auch Evis neuer Job bietet keinen sanften Einstieg in Carina Heers Cozy-Krimi "Das Bierkomplott": Ihr Vorgesetzter ist krank, deshalb bekommt es Evi gleich in ihrer ersten Arbeitswoche mit einem Mordfall zu tun. Die im Separee eines Puffs gefundene Leiche einer Prostituierten ist bizarrerweise mit grünem Flaum überzogen und riecht nach Malz. Also nicht gerade ein unkomplizierter Einstieg für die junge Staatsanwältin. Es gibt aber auch erfreuliches: Den grünäugigen Gerichtsmediziner nämlich, den sie beim ersten Zusammentreffen glatt für einen Kriminellen gehalten hat. Nachdem dieser Irrtum geklärt ist, muss Evi ihre romantischen Gedanken nicht mehr bremsen.

Wenn "Das Bierkomplott" leicht versaut ist, liegt das allerdings nicht an heißen Sexszenen, sondern an Rosi, der Sau, die gleich auf den ersten Buchseiten geschlachtet wird. Anders als ihre vegane (und mit dem örtlichen Schlachter verheiratete) Schwester liebt Evi nämlich Schlachterplatte, Leberwurst, Pressack und all die anderen fleischlichen Schweinereien, in die Rosi und ihre Artgenossen verarbeitet werden können. Ihre Ermittlungen hingegen werden durch regelmäßiger Alkoholabstürze mit ihrer besten Freundin erschwert. Kerw hier, Junggesellinnenabend da. Vergesst das P1, das dörfliche Nachtleben kann heftig sein. Und Aktenstudium mit Kater - oder Flirts mit einem gewissen Gerichtsmediziner mit Asbachfahne - sind auch nicht gerade einfach.

Auch wenn mir beim Lesen das "frrrrengisch" rollende R im Kopf rumschwebte - dieses Buch würde ich gerne als Hörbuch und entsprechender Dialektfärbung genießen. Aber auch so konnte ich mir Evis Abenteuer zwischen Dorf und Bamberger Behörde lebhaft vorstellen. Besonders blutig ist es genrekonform nicht und das Buch hat mehr mit einer romantic comedy als mit einem Krimi gemeinsam. Wie es auszugehen hat, ist deshalb frühzeitig klar. Am Lesespaß ändert das aber nichts. Dieser gute Laune-Cozy hat die Erwartungen erfüllt.

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Veröffentlicht am 11.08.2025

Unverhofft Brautjungfer

Wedding People (deutsche Ausgabe)
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Phoebe, als Literaturprofessorin mäßig erfolgreich, wegen dem Scheitern ihrer Ehe und ihrer unfreiwilligen Kinderlosigkeit depressiv, hatte eigentlich feste Pläne, als sie sich in einem stilvollen Luxushotel ...

Phoebe, als Literaturprofessorin mäßig erfolgreich, wegen dem Scheitern ihrer Ehe und ihrer unfreiwilligen Kinderlosigkeit depressiv, hatte eigentlich feste Pläne, als sie sich in einem stilvollen Luxushotel an der Küste Neuenglands für eine Nacht einbucht: Hier will sie ihrem Leben ein Ende setzen. Doch es kommt ganz anders in Alison Espachs "Wedding people", einer RomCom mit mehr Tiefgang, als sie das Genre üblicherweise bietet.

Denn Phoebe platzt in eine siebentägige Hochzeit - als einziger Gast des Resorts, der nichts mit der Hochzeit zu tun hat. Was zunächst niemandem auffällt. Doch Braut Lilly, hübsch, reich und eher oberflächlich, reagiert bei einem zufälligen Zusammentreffen, auf dem Phoebe genervt mit ihren Suizid-Plänen herausplatzt, pikiert: Was Phoebe denn einfalle, ihre Traumhochzeit zu ruinieren!

Tatsächlich setzt Phoebe ihren Plan erst mal nicht um - und avanciert zur eigenen Überraschung zur Brautjungfer. Dann stellt sie fest, dass der Mann, mit dem sie am Abend des geplanten Selbstmords geflirtet und sich über Depressionen ausgetauscht hat, ausgerechnet der Bräutigam ist. Je mehr Zeit sie mit der Hochzeitsgesellschaft verbringt, desto mehr zeigt sich, dass viele in der Gruppe selbst Tod und Trauer mit sich herumschleppen: Der Bräutigam, ein Witwer und nun alleinerziehender Vater, behandelte Lillys krebskranken Vater, der dann allerdings doch nach kurzer Zeit starb. War es die jeweilige Verlusterfahrung, die das Paar zusammenschmiedete? Denn Persönlichkeit und Interessen der beiden sind sehr unterschiedlich.

Je mehr Phoebe in die Hochzeitsvorbereitungen involviert wird, um so mehr stellt sie fest, dass sie in ihrem Leben immer noch Weichen stellen kann, dass die Reichen auch so ihre Probleme haben und dass ihre Schreibblockade nicht allein auf ihre Dissertation beschränkt ist, sondern sich auch auf ihre Rede auf die Braut auswirkt.

Klar, dass es Verwirrungen und Irrungen gibt auf dieser Hochzeit und ein Happy-End genremäßig unausweichlich ist. Auch wenn Leser*innen früh klar ist, in welche Richrung sich die Handlung entwickelt, ist "Wedding people" nett und angenehm zu lesen und bietet Charaktere, die nicht allzu klischeehaft daherkommen.

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Veröffentlicht am 30.07.2025

Lügennetz mit Fallstricken

Eine falsche Lüge – Wird es ihre letzte sein?
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Mehr als ein Lügengebäude wird in dem Thriller "Eine falsche Lüge" von Sophie Stava errichtet, und so ziemlich jeder ihrer Protagonisten hat verborgene Motive und einige fragwürdige Charaktereigenschaften. ...

Mehr als ein Lügengebäude wird in dem Thriller "Eine falsche Lüge" von Sophie Stava errichtet, und so ziemlich jeder ihrer Protagonisten hat verborgene Motive und einige fragwürdige Charaktereigenschaften. Zum Beispiel die Lügerei, die Sloane längst zur Gewohnheit geworden ist. Schon als Kind, wenn ihre alleinerziehende Mutter und sie wegen Schulden mal wieder ganz schnell den Wohnort wechseln mussten, erfand sie vor ihren neuen Mitschülerinnen ein sehr viel glamouröseres Leben als Grund für den Umzug.

Ihre Orientierung an wohlhabenderen Vorbildern hat sie nicht nur den letzten Job gekostet, sondern sie auch in echte Schwierigkeiten gebracht. Dann lernt sie scheinbar zufällig den gutaussehenden und wohlhabenden Jay Lockhart und seine kleine Tochter in einem Park kennen. Sloane erfindet eine ganz neue Identität und schafft es tatsächlich, als Kindermädchen der Familie eingestellt zu werden.

Jays Frau Violet ist es gar nicht unrecht, dass Sloane ihren Stil nachahmt, ihre Frisur, gar die Haarfarbe ändert. Denn auch sie erzählt dem Kindermädchen, zu dem bald ein freundschaftliches Verhältnis besteht, nicht die Wahrheit und hat eigene Pläne, die im Sommerurlaub in den Hamptons eskalieren. Lügen, so ahnen die Leserinnen bald, haben nicht nur kurze Beine. Sie haben auch das Potential, tödlich zu sein. Fragt sich nur: Für wen? Und wer manipuliert hier wen am besten?

Die Autorin schafft es, mit genau dieser Frage die Spannung immer weiter anzuheizen und für unerwartete Wendungen zu sorgen. Denn schnell wird klar, dass die drei Erwachsenen einander umkreisen und jeder besondere Absichten hat. Der Schein des perfekten, schönen Ehepaars trügt ebenso wie die Legende, die Sloane sich für ihre neuen Arbeitgeber zurechtgelegt hat. Dabei sorgt die Autorin mit gezielt eingesetzten Informationshäppchen dafür, dass die Leser
innen einen kleinen Informationsvorsprung erhalten, dabei aber das Warten auf die Auflösung des Plots die Spannung anheizt. Dieser Thriller ist nicht blutig, sondern lebt vom Element der Täuschung und des falschen Scheins.

Die Charaktere sind keineswegs völlig sympathisch oder laden zur Identifizierung ein. Doch gerade wegen ihrer Schwächen wirken sie menschlich. Ein überzeugender Plot und eine flüssige Schreibweise sorgen hier für spannendes Lesevergnügen.

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