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Veröffentlicht am 12.12.2022

Nichts ist, wie es scheint

Der gute Hirte
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Taifun Coban ist ein Spezialist des LKA Kiel und kennt sich insbesondere mit der Idenitfizierung unbekannter Toter aus. So landet er auch im Dorf Harmsbüttel, wo ein unbekannter Toter in einer Baugrube ...

Taifun Coban ist ein Spezialist des LKA Kiel und kennt sich insbesondere mit der Idenitfizierung unbekannter Toter aus. So landet er auch im Dorf Harmsbüttel, wo ein unbekannter Toter in einer Baugrube gefunden ist. Sein Ansprechpartner vor Ort ist der Dorfpolizist Wernersen - und die Zusammenarbeit zunächst mal gewöhnungsbedürftig: Coban findet den Beamten schlafend auf seiner Terasse statt auf dem Revier, Besprechungen finden gerne im Wohnzimmer der Wernersens statt, sprich: die professionelle Haltung lässt zu wünschen übrig. Doch nicht nur die. Wernersen neigt zu rassistischen Bemerkungen, schert Türken und Araber über einen Kamm und reagiert erst einmal befremdet auf seinen türkeistämmigen Kollegen.

Erfreulicher ist die Zusammenarbeit mit der Kollegin Fanta Braun, wobei die humorvolle Frau Coban fast zu gut gefällt, schließlich ist sie verheiratet. Allmählich wird deutlich, dass der Tote im Zusammenhang mit einem Jahre zurückliegenden Fall zu tun haben könnte. Damals kam bei einem Feuer ein eigenbrötlerischer Mann ums Leben. Was der Leser früher weiß als die Ermittler: Der Streich einer Jungenbande war gründlich schiefgegangen. Erst bei den Räumungsarbeiten wurde damals auch die Leiche eines Mädchens gefunden, das ein Jahr zuvor vermisst gemeldet worden war. Der Tote stellte sich im nachhinein als Entführer und Vergewaltiger heraus.

In einer anderen Erzählebene geht es um die damaligen Jungen, vor allem aber um das Schicksal eines Heim- und Pflegekindes, das sein ganzes Leben lang fast nur Demütigungen und Misshandlungen erfahren hat. Was macht das mit einem Menschen - und wer ist der Junge heute?

In seinem Buch "Der gute Hirte" legt Cornelius Hartz viele Verdachtspuren. Als Leser weiß man zwar einiges, muss aber immer wieder die eigenen Vorstellungen revidieren. Das Rätselraten hält bis kurz vor Ende des Buches an, Persönliche Tragödien und Konflikte sind entscheidend, die Spannung ist eher psychologisch angelegt. Auch die Kulturunterschiede zwischen Großstadtmensch Coban und der eingeschworenen Dorfgemeinschaft tragen zum Reiz des Buches bei. Offenbar wird es nicht das letzte Mal sein, dass der Autor Taifun Coban ermitteln lässt.

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Veröffentlicht am 10.12.2022

Dichter, Trinker und Destillen

Ein Schuss Whiskey
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Der Titel "Ein Schuss Whiskey" macht klar - Carsten Sebastian Henns dritter kulinarischer Kriminalroman spielt auf der grünen Insel, Irland. Dazu hätte es nocht nicht einmal das Kleeblatt auf der Coverseite ...

Der Titel "Ein Schuss Whiskey" macht klar - Carsten Sebastian Henns dritter kulinarischer Kriminalroman spielt auf der grünen Insel, Irland. Dazu hätte es nocht nicht einmal das Kleeblatt auf der Coverseite gebraucht. Schließlich wird in Irland bekanntlich Whiskey gebrannt - mit einem e-Unterschied etwa zum schottischen Whisky. Um die Konkurrenz zwischen Iren und Schotten in Sachen Hochprozentiges, um die immer bösen Engländer und die Rolle des Whiskeys für die irische Seele geht es hier denn auch - unter anderem. Denn daneben steht eine andere irische Spezialität im Mittelpunkt, nämlich Dichtung und Schriftstellerei. Und natürlich der eine oder andere Mord.

Janus Rosner sucht in Dublin Inspiration. Er will einen Kriminalroman schreiben, doch er leidet unter einer Schreibblockade. Dagegen sollte Whiskey helfen, viel Whiskey. In vino veritas, und im Rausch vielleicht die zündende Idee für den Roman? Zwischen trunkenen Dialogen glaubt Janus zu halluzinieren, als er eine wunderschöne Frau sieht, die auf der anderen Seitedes Flusses erst Gedichte rezitiert und dann von einem maskierten Mann erschossen wird. Die Polizei will Janus keinen Glauben schenken, was teils an seinem offensichtlich alles andere als nüchternem Zustand liegt, aber auch an der Tatsache, dass es keine Leiche gibt, Die gibt es dafür einen Tag später - allerdinga handelt es sich um eine andere Frau.

Der Rheinländer Janus kann seine westfälische Mitbewohnerin überreden, mit ihm gemeinsam Detektiv zu spielen. Und das heißt angesichts der rheinisch-westfälischen Kulturunterschiede eine ganze Menge! Selbst die irisch-englischen Animositäten werden da beinahe in den Schatten gestellt.

Ein paar Leichen, ziemlich viele skurrile Charaktere, ein bißchen Liebe und reichlich Whiskey füllen diesen Roman, der mit viel Humor geschrieben ist und das Genre durchaus auf die Schippe nimmt. Auf den Plot kommt es da gar nicht so sehr an, denn im Vordergrund steht außer dem exzentrischen Detektivspiel die Suche nach dem perfekten Whiskey. Dabei macht die Beschreibung verschiedener Whiskeysorten, die Janus bei seiner Suche nach der Wahrheit verkostet, sehr deutlich, dass Henn auch Restaurantkritiker ist. Geradezu poetisch werden die Empfindungen von Gaumen und Kehle niedergeschrieben.

"Ein Schuss Whiskey" macht vor allem Spaß und vielleicht auch ein bißchen durstig. Mit der Lösung des Falls ist auch noch nichts Schluss, denn es gibt einen whiskeyhaltigen Rezeptteil und auch zwischendurch allerlei historische Schlenker zur Geschichte von Whiskey und Whisky. Slainte!

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Veröffentlicht am 04.12.2022

Totgesagte leben länger

Transatlantik
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Es mag Menschen geben, denen ist der Berliner Kriminalkommissar Gereon Rath nur als Hauptfigur der Fernsehserie "Babylon Berlin" ein Begriff ist. Bei der Lektüre von Volker Kutschers neuem Rath-Roman ...

Es mag Menschen geben, denen ist der Berliner Kriminalkommissar Gereon Rath nur als Hauptfigur der Fernsehserie "Babylon Berlin" ein Begriff ist. Bei der Lektüre von Volker Kutschers neuem Rath-Roman "Transatlantik" wären die vermutlich verwirrt. Nicht nur, weil im nunmehr neunten Band der Reihe bereits das Jahr 1937 angebrochen ist. Statt der späten Weimarer Republik werden in Nazi-Deutschland immer mehr Freiräume eingegrenzt. Für Charlotte Rath, die Frau des Kommissars, ein zunehmend unerträglicher Zustand - sie verabscheut die Nationalsozialisten. Und anders als in der Fernsehserie ist sie nicht Proletarierkind und Gelegenheitsprostituierte, sondern eine preußische Beamtentochter, die im nationalsozialistischen Deutschland ihren Beruf als Juristin nicht länger ausüben kann. Hier tritt sie aus dem Schatten der Vorgängerromane und ist erstmals die eigentliche Hauptfigur.

Doch auch Leser haben Vorteile, wenn sie die vorangegangenen Bücher, vor allem den unmittelbaren Vorgängerband "Olympia" kennen. Andernfalls wird es in dem komplexen Plot zunehmend schwierig, die Figuren und ihre Entwicklung zu überblicken - zumal die so manche Veränderung durchmachen, wie etwa jener Polizist, dessen Begeisterung für den Nationalsozialismus spürbar abgekühlt ist.

Charlotte Rath, genannt Charlie, würde das Deutschland, das so gar nicht mehr ihres ist, am liebsten in Richtung Prag verlassen. Doch ihr früherer Pflegesohn Fritz wurde als vermeintlich genetisch minderwertig in eine Nervenheilanstalt eingeliefert. Charlotte schafft es zwar, seine Entlassung vor Gericht zu erstreiten, auch dank ihrer hartnäckigem Suche nach Fritz´s biologischem Vater - doch der Junge wird ausgerechnet in die Pflegschaft des HJ-Führers zurückgegeben, aus der er ausgerissen war.

Der letzte Rath-Roman endete mit dem Absturz des Luftschiffs "Hindenburg" an dessen Bord Gereon Rath war. Damals fragten sich viele Leser vermutlich: War´s das? In "Transatlantik" liefert Kutscher Antworten zum Schicksal des Totgeglaubten. Auch manche aus früheren Bänden vertraute Figur taucht wieder auf, etwa Marion Goldstein, ehemalige Berliner Nackttänzerin und Witwe des amerikanischen Gangsters Abe Goldstein. Gangsterboss Johann Marlow hat sich in den USA eine neue kriminelle Existenz aufgebaut und noch eine Rechnung mit Rath offen.

Die Handlung wechselt in "Transatlantik" zwischen der Ostküste der USA und Berlin hin und her. Bemerkenswert ist, wie sehr diesmal die Frauen das Geschehen bestimmen, allen voran Charlotte Rath, die nun als Privatdetektivin arbeitet und angesichts ihres totgeglaubten Mannes nur langsam ein neues Leben beginnt, zu dem auch andere Männer gehören. Doch auch mit den Ex-Kollegen in der "Burg" am Alexanderplatz hat sie wieder zu tun, als in einer Garage die Leiche eines SS-Mannes gefunden wird, mit dem ihre Freundin und Mitbewohnerin Greta eine On-Off-Beziehung hatte. Doch Greta ist verschwunden - Täterin oder weiteres Opfer? Charlie kann und will die Ermittlungen nicht der POlizei alleine überlassen.

"Transatlantik" ist komplex und vielschichtig, eher Zeitporträt als Krimi. Ein guter Anlass, mal wieder in den Vörgänerromanen zu lesen und damalige Handlungsstränge und Figuren in Erinnerung zu rufen. Die Abenteuer der Familie Rath, so scheint es, sind noch lange nicht zu Ende. Doch ob es jemals ein happy end geben wird, steht nicht nur angesichts der politischen Entwicklung in Deutschland unter einem Fragezeichen. Langweilig wird es jedenfalls auch im neunten Band nicht. Respekt, wie Kutscher die vielen Erzählfäden souverän in der Hand hält und verknüpft.

In der Hörbuchversion ist es einmal mehr David Nathan, der dem Buch seine Stimme gibt, wobei er mehr noch als in den früheren Bänden mit Akzenten und Dialekten arbeiten kann. Obwohl es sich um eine gekürzte Version handelt, ist das Hörbuch immer noch knapp 17 Stunden lang - da sollte man schon konsequent dranbleiben und konzentriert zuhören, denn man kann ja nicht wie beim Buch "mal eben zurückblättern". Die angenehme und alles andere als langweilige Interpretation Nathans macht das Zuhören leicht, auch wenn es nur einen Sprecher gibt, schafft er es mit seiner Interpretation, immer wieder hörspielähnliche Erzählweisen einzubringen, die das Kopfkino in Gang setzen.

Veröffentlicht am 04.12.2022

Psychologische Spannung und viele Geheimnisse

Was wir verbergen
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Der Anruf seines Kollegen und Arbeitspartners hätte für den finnischen Polizisten Henrik Oksmann zu gar keinem schlechteren Zeitpunkt kommen können: Auf einen Nachtklub, der auch Treffpunkt der queeren ...

Der Anruf seines Kollegen und Arbeitspartners hätte für den finnischen Polizisten Henrik Oksmann zu gar keinem schlechteren Zeitpunkt kommen können: Auf einen Nachtklub, der auch Treffpunkt der queeren Szene der Stadt Pori ist, ist ein Bombenanschlag verübt worden. Es gibt fünf Tote. Was Oksmann vor seinen Kollegen um jeden Preis verheimlichen will: Er war selbst in dem Klub, in Frauenkleidern, und er hat ihn offenbar nur kurz vor der Tat mit einem anderen Mann verlassen.

Mit dem Titel "Was wir verbergen" hat der finnische Autor Arttu Tuominen bereits das Leitmotiv gewählt. Unter der Oberfläche brodelt hier so manches Geheimnis, nicht nur Oksmanns Homosexualität. Fast alle Proagonisten haben etwas zu verbergen, sind gezeichnet von einer Vergangenheit voller Konflikte. Im Vorgängerband "Was wir verschweigen", war Oksmann noch ziemlich unsympathisch gezeichnet, ein Einzelgänger, dessen Verhalten an Zwangsstörungen erinnert und der seinem Kollegen Jari Paloviita, der damals im Mittelpunkt des Plots stand, das Leben ziemlich schwer machte.

Eine Videobotschaft macht schnell klar: Der Täter ist ein Fanatiker, und er hat wohl gerade erst angefangen, wirbt in sozialen Medien um Mitstreiter. Als ein Trauermarsch für die Opfer des Anschlags in Gewalt durch Rechtsextremisten eskaliert, wird klar, dass die Situation schnell außer Kontrolle geraten kann. Ein charismatischer Pfarrer, der bereits in der Vergangenheit homosexuelle Paare getraut hat, erregt mit seinem couragierten Verhalten die Aufmerksamkeit des "Gesandten" wie sich der Täter nennt, der offenbar aus einem religiösen Wahn heraus handelt.

Angesichts der Dimension des Verbrechens werden Experten aus der Hauptstadt hinzugezogen, um die Ermittlungen zu leiten. Als ein Vater und sein zehnjähriger Sohn spurlos verschwinden, weigern sich diese Experten, einen möglichen Zusammenhang mit dem "Gesandten" zu sehen. Erst nach einem weiteren grausamen Mord und einer erneuten Analyse des Tätervideos fällt Oksmann ein wichtiges Teil des Ermittlungs-Puzzles auf. Doch die Zeit droht den Ermittlern davon zu laufen.

Tuominen hat mit "Was wir verbergen" einen Krimi mit psychologischem Tiefgang und aktuellen Bezügen geschrieben. Seine Charaktere mögen spröde sein und nicht immer liebenswert, mitunter ein wenig seltsam, doch vor allem sind sie mit ihren Schwächen und inneren Dämonen zutiefst menschlich. Der Leser weiß schon bald mehr als die Ermittler, doch das facht die Spannung eher an als sie zu dämpfen.

Zugleich mach Tuominen deutlich, wie sehr Verletzungen und Traumata in der Kindheit einen Menschen auf seinem späteren Lebensweg prägen können - auch wenn sie nicht unbedingt darüber zu bestimmen haben, ob der spätere Weg zum Guten oder zum Bösen verläuft. Nach diesem spannenden Psychokrimi bin ich gespannt auf den nächsten Band der auf sechs Bände angelegten Reihe. In jedem Buch soll wohö ein anderer der Pori-Ermittlerinnen und Ermittler im Mittelpunkt stehen. Doch auch die Weiterentwicklung derjenigen, die wir schon "kennen" dürfte interessant bleiben.

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Veröffentlicht am 30.11.2022

Nicht nur zur Sommerzeit

Weber's Wintergrillbibel
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Von wegen, im Frühjahr angrillen! Mit "Webers Wintergrillbibel" zeigt Manuel Weyer Möglichkeiten und Rezepte auf, die nicht nur für laue Sommerabende gedacht sind- Carnovoren, die auch bei Minusgraden ...

Von wegen, im Frühjahr angrillen! Mit "Webers Wintergrillbibel" zeigt Manuel Weyer Möglichkeiten und Rezepte auf, die nicht nur für laue Sommerabende gedacht sind- Carnovoren, die auch bei Minusgraden am Kohle- oder Gasgrill ausharren, die womöglich überm Lagerfeuer den Schwenkgrill aufbauen, sie werden hier fündig werden. Und auch wenn Grillspaß meist mit Fleischgenuss gleichgesetzt wird, gibt es auch durchaus vegetarischhe oder sogar vegane Alternativen - den scharfen Kartoffeöstampf etwa oder den überbackenen Rosenkohl mit Cheddar. Mal ganz zu schweigen von Glutkohl, dem in der Glut gegarten Rotkohl. Das verspricht neue Geschmaksaromen.

Typisch winterliche Muschelgerichte oder Karpfen und Flammlachs sind in der Auswahl ebenso vertreten wie Ente oder Wild. Dabei wird keinesweg nur Fleisch auf den Grill geschmissen, es geht durchaus komplex und vielseitig zu, etwa beim geräucherten Zimtkaninchen mit Maronen. Wintergemüse wie Kürbis oder Wirsing fehlen ebenfalls nicht und selbst Sauerbraten vom Grill wird hier aufgeführt. Eintöpfe und Suppen für die kalte Jahreszeit sind ebenfalls vertreten.

Angesichts dieser Vielfalt versteht sich fast schon von selbst: für den klappbaren Holzkohlegrill meiner Kindheit und Jugend ist das alles eher nichts. Hier ist schon der yeararound Grill gefragt, der eher einer Außenküche gleichkommt. Also nicht gerade ein Standardzubehör, vor allem nicht für Großstadtmieter, die weder Balkon noch Terasse oder Garten haben oder gar im großzügig bemessenen Wintergarten am (Grill-)herd stehen.

Ich denke allerdings, dass viele der vorgestellten Gerichte auch ohne grilltypische Aromen aus der Indooküche ein Genuss und nachkochenswert sind. Für diejenigen, die sich dank des nötigen Equipments auch ein Wintergrillvergnügen leisten können, gibt es Tipps zu Räucherhölzern und -methoden.zu Grilltechniken und Pflege-Basics. Der Kombination von Feuer und Eis steht damit nichts mehr entgegen.