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Veröffentlicht am 13.10.2022

Raubtierkapitalismus in Kasachstan

Beutezeit
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Anton ist ein Feingeist, guter Musik und schönen Frauen zugetan, ein Bewunderer der Callas und um die Jahrtausendwende als Rohstoffhändler in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion unterwegs. Zwischengestrandet ...

Anton ist ein Feingeist, guter Musik und schönen Frauen zugetan, ein Bewunderer der Callas und um die Jahrtausendwende als Rohstoffhändler in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion unterwegs. Zwischengestrandet in New York ist der deutsche Anfangvierziger auf der Suche nach einer neuen Aufgabe und landet so in Kasachstan, oder, wie er es noch ganz aus Moskauer Sicht sieht, an der Peripherie. Er soll für ein amerikanisches Konsortium ein Stahlwerk aufbauen - doch die Suche vin Kunden, Mitarbeitern und Rohstoffen ist denn doch ganz anders als im Westen. Anton ist dank seiner Erfahrungen im Russland der Jelzin-Ära abgehärtet für die neue Aufgabe, doch Kasachstan stellt sich dann in Norris von Schirachs Roman "Beutezeit" als noch einmal ganz anderer Kaliber heraus.

Raubtierkapitalismus im Wilden Osten, so könnte man Anons Erlebnisse in einem Satz beschreiben. Es geht um Fressen oder Gefressen werden, in einigen der dramatischeren Auseinandersetzung um Posten, Macht und Stahl auch buchstäblich um Freiheit und Leben. Von Schirach hat selbst als Rohstoffhändler in Moskau und Kasachstan gelebt, man kann also davon ausgehen, dass der Roman die eine oder andere Eigenerfahrung enthält.

Die Atmosphäre jener Aufbruchjahre, in denen die Verbindungen zwischen Politik und Wirtschaft, Organisierter Kriminalität und alten Geheimdienstseilschaften eher fluide waren (und mal ganz ehrlich - sind sie es nicht immer nocht?) ist klar spürbar beim Lesen. Ja, so waren sie, die postsowjetischen Hotels mit den Prostituierten in der Lobby, den Statussymbolen, die immer ein bißchen over the top waren, dazwischen die Tristesse der Plattenwohnblöcke und eine Aufbruchsstimmung, in derr alles möglich schien und gegen entsprechende Schmiergelder auch möglich gemacht wurde.

Anton will so gut wie möglich sauber bleiben, was bei den schönen Frauen in seinem Leben als verrückte Marotte angesehen wird. Gelegenheits-Geliebte Alisha kennt sich im Machtapparat aus, die Chinesin Xenia will möglichst schnell mit Stahlhandel Mehrfahcmillionärin werden und ist in ihrem Ehrgeiz und ihrer Skrupellosigkeit ziemlich einschüchternd. Lediglich Mira, eine Rechtsanwältin, kämpft noch für das Gute oder wenigstens für das Überleben der Schneeleoparden im Kaukasus. Alte Kader, neue Player, der Aufstieg Chinas, eine Gesellschaft mitten in Absurdistan - von Schirach führt seine Leser in eine Welt des Aufbruchs, in der die Karten neu verteilt werden und jeder das Beste für sich herausholen will. Keine Welt für Feingeister jedenfalls.

"Wir konnten hier nur scheitern", philosophiert Anton in einer schweren Krise, dieses Scheitern allerdings ist dann so grandios und episch wie eine Wagner-Oper, die der Musikfreund Anton so liebt. Die Beschreibungen des wilden Ostens dürften bei allen, die diese Zeit erlebt haben, ob nun in den GUS-Staaten oder sonstwo auf der östlichen Seite des einstigen Eisernen Vorhangs, nostalgische Gefühle beim Lesen wecken, wenn auch nicht unbedingt Sehnsucht.

Daneben zeigt von Schirach die Fettnäpfchen und Herausforderungen auf, vor denen Anton und andere Expats im multiethnischem Kosmos der ehemaligen Sowjetunion stehen, mit den besonderen Sensibilitäten und Konfliktlinien zwischen Russen, Kasachen, Tschetschenen und anderen. "Beutezeit" ist spannend, unterhaltsam und informativ. Wer auf literarische Weise die Annäherung an die postsowjetische Gesellschaft sucht, sollte dieses Buch unbedingt lesen.

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Veröffentlicht am 04.09.2022

Hartnäckige Ermittlerin im eisigen russischen Winter

Blutrot ist das Schweigen
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Schon der erste Aufschlag von C.D. Abson über die unkorrumpierbare, entschlossene Sankt Petersburger Kommissarin Natalja Iwanowna hatte mich voll überzeugt. Mit "Blutrot ist das Schweigen" ermittelt sie ...

Schon der erste Aufschlag von C.D. Abson über die unkorrumpierbare, entschlossene Sankt Petersburger Kommissarin Natalja Iwanowna hatte mich voll überzeugt. Mit "Blutrot ist das Schweigen" ermittelt sie wieder, egal ob sie sich dabei mit Vorgesetzten, mit dem FSB und den Mächtigen und Einflussreichen anlegt. Nicht nur, weil die Handlung nun im eisigen russischen Winter spielt statt in den weißen Nächten, ist dieser spannende Kriminalroman mit Thrillerelementen Russia Noir. Zu tief ist der Sumpf, in dem die Kommissarin ermitteln muss, zu eng das Netzwerk derjenigen innerhalb und außerhalb des Polizeiapparates, die verhindern wollen, dass sie ihren Fall aufklärt.

Denn der Fund einer toten jungen Frau hat es in sich: Sie ist nicht erfroren, wie es zunächst den Anschein hatte, stand nicht unter Alkohol- oder Drogeneinfluss, wie schnell nahegelegt wird, sondern wurde erstickt. Und, was es noch komplizierter macht: Die alleinerziehende junge Mutter gehörte einer Aktivistengruppe an, die sich die Dezembristen nennen.

Die ursprünglichen Dekabristen hatten einst einen hohen Preis für ihren gescheiterten Aufstand im zaristischen Russland gezahlt. In Putins Russland ist Widerstand mindestens ebenso gefährlich. Abson erinnert in dem Roman immer wieder daran, Natalia Iwanowna hat die Namen Nemzow und Nawalny, Polikowskaya und andere stets im Hinterkopf, wenn sie überlegt, wie sie den Fall weiter verfolgen kann. Denn auch ein zweiter Dezembrist ist spurlos verschwunden. Indizien, auf die die hartnäckige Ermittlerin stößt, lassen vermuten, dass auch er tot ist. Unter Verdacht gerät sein Bruder, doch diese Lösung erscheint Iwanowna zu simpel.

Gegen den Widerstand ihrer Vorgesetzten und der Sicherheitsdienste macht sie weiter, unterstützt von dem Kriminaltechniker Primakow, der damit selbst ein Risiko eingeht. Als Iwanownas Ehemann Michail unter Korruptionsverdacht festgenommen wird, ist klar: Jemand will verhindern, dass die Kommissarin weitermacht. Denn bei ihren Aktionen scheinen die Dezembristen eher unwissentlich auf etwas gestoßen zu sein, für das Unbekannte buchstäblich zum Morden bereit sind. Worum es genau bei möglichen Grundstückgeschäften geht undwas das alles mit einem ganz anderen Fall zu tun hat, erschließt sich erst nach und nach und soll hier nicht verraten werden.

Nur so viel: Abgesehen von einem spannenden Kriminalfall geht es auch um die beruflichen und privaten Dilemmas, denen sich Iwanowna aussetzt, wenn sie das Richtige tun und nicht dem erheblichen Druck von oben nachgeben will. Nur um ihre Arbeit anständig zu erledigen. könnte sie einen hohen Preis zahlen - und nicht nur sie..

Sabine Swoboda als Sprecherin des Hörbuchs ist für mich eine perfekte Besetzung. Zurückgenommen, mitunter spröde, gelegentlich mit abgeklärter Ironie passt ihre Stimme perfekt zu Natalja Iwanowna, die schon viel gesehen hat und dennoch entschlossen ist, nicht klein beizugeben.

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Veröffentlicht am 29.08.2022

Detroit Noir

Princess Margarita Illegal
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Das Warten hat sich gelohnt: Mit Princess Margarita Illegal hat Stephen Mack Jones einen weiteren Roman um den Ex-Marine und Ex-Polizisten August Snow geschrieben, und wieder bildet Mexicantown in Detroit ...

Das Warten hat sich gelohnt: Mit Princess Margarita Illegal hat Stephen Mack Jones einen weiteren Roman um den Ex-Marine und Ex-Polizisten August Snow geschrieben, und wieder bildet Mexicantown in Detroit den Schauplatz eines spannenden Krimis mit Düsternis und Strahlkraft gleichermaßen. Seit er erfolgreich gegen die Stadt Detroit geklagt hat, ist Snow nicht mehr auf Arbeit angewiesen.

Statt sich auf seinen Millionen auszuruhen und ein süßes Leben zu genießen, ist er ein Philantrop der ungewöhnlichen Sorte und stemmt sich dem Verfall seiner Heimatstadt entgegen, die sich seit dem Niedergang der Automobilindustrie in einer Abwärtsspirale bewegt. Snow, Sohn eines schwarzen Vaters und einer mexikanischen Mutter, ist in das Viertel seiner Kindheit zurückgezogen und hat nicht nur sein Elternhaus restauriert, sondern auch Häuser in der Nachbarschaft aufgekauft, hergerichtet und ist als sozialer Vermieter auch ein bißchen Sozialarbeiter.

Doch dann sind seine Ermittlerfähigkeiten wieder gefragt: Zum einen bittet ihn seine mütterliche Freundin Elena um Hilfe. Die Rechtsanwältin kümmert sich um die Menschen der mexikanischen communtiy, auch um jene, die ohne Einwanderungspapiere in der Stadt leben. Seit einiger Zeit gehen die Mitarbeiter der Einwanderungsbehörden in Mexicotown auf die Jagd nach Illgalen. Möglicherweise ist auch Korruption im Spiel. Familien werden auseinandergerissen, die Menschen leben zunehmend in Angst. Da kann Snow nicht einfach zuschauen.

Und dann ist da noch die junge Latina, die tot aus dem Wasser geborgen wurde - in einem Prinzessinnenkostüm, mit Drogen im Blut und offenbar Opfer schwerer sexueller Gewalt. Sie bleibt nicht das einzige Opfer. Alle der getöteten Frauen waren jung, offenbar illegale Einwanderinnen, die nirgends vermisst wurden. Ein Schleuser- und Sexsklavenring scheint in Detroit aktiv zu sein und die offiziellen Ermittlungen treten auf der Stelle.

Zwar ist Snow in Kontakt zu einer FBI-Agentin, die an dem Fall arbeitet, doch der Ex-Marine war schon immer ein Mann der Tat. Zusammen mit ein paar Kumpeln legt er sich in Rambo-Manier sowohl mit den Behörden als auch mit einer rechtsextremen Rockergang an. Dabei wird der Fall immer komplizierter und gefährlicher.

Einmal mehr hat Jones einen Detroit Noir-Krimi mit vielen Härten und dichter, düsterer Atmosphäre geschrieben, Ausgesprochen spannungsreich, aktionsgeladen und mit manchem Überraschungseffekt kommt beim Lesen reichlich Nervenkitzel, aber niemals Langeweile auf. Ein dramatischer Showdown ist dann noch das I-Tüpfelchen dieses rundum gelungenen Buchs.

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Veröffentlicht am 26.08.2022

Putins Krieg und Europa

Zeitenwende
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Viele Experten melden sich seit einem halbe Jahr immer wieder zu Wort, um Putin, den Krieg in der Ukraine und die Folgen für den Rest Europas zu kommentieren. Auch Rüdiger von Fritsch, bis 2019 deutscher ...

Viele Experten melden sich seit einem halbe Jahr immer wieder zu Wort, um Putin, den Krieg in der Ukraine und die Folgen für den Rest Europas zu kommentieren. Auch Rüdiger von Fritsch, bis 2019 deutscher Botschafter in Moskau, wurde immer wieder befragt. Mit seinem Buch "Zeitenwende" stellt er unter Beweis, wie man ruhig, reflektiert und sachlich über einen Konflikt schreiben kann, der auch hierzulande die Gemüter erregt - auch wenn ich momentan den Eindruck habe, dass sich viele Menschen hierzulande momentan mehr über die Heizungspreise in der nächsten Wintersaison ereifern als über das Schicksal der Menschen in der Ukraine.

von Fritsch mag mittlerweile Diplomat im Ruhestand sein, aber mit seinem Text zeigt er, dass er die diplomatischen Töne keineswegs verlernt hat. Besonnen, kritisch und immer auf der Suche nach Lösungsoptionen schildert er Szenarien und Vorgeschichte, teilt seine Einblicke in das Russland Putins, aber auch die Traditionen und imperialen Träume, auf die sich der Herrscher im Kreml bezieht.

Der Botschafterposten in Moskau (den, anders als in manch anderen hochangesehenen Hauptstädten stets nur ausgewiesene Karrierediplomaten erhalten), war für von Fritsch vermutlich nicht nur der Abschluss sondern auch der Höhepunkt seiner Laufbahn. Die Welt jenseits der früheren Eisernen Vorhangs ist ihm nicht neu: Er gehört zur Generation der Diplomaten, die von der Ostpolitik Willi Brandts inspiriert wurden, diese Laufbahn einzuschlagen, erzählte er einmal in einem Gespräch.

In den 80-er Jahren war er als junger Diplomat in Polen, erlebte dort ein Land, das seine europäischen Träume nie aufgegeben hatte - so wie heute die Ukraine. Und er war deutscher Botschafter in Warschau, ehe er nach Moskau weiterzog. Er bereitete nicht nur als Unterhändler die EU-Osterweiterung vor, sondern erlebte auch, wie in Polen auf die Annektion der Krim reagierte: An der Weichsel und auch in den baltischen Staaten wurden damals umgehend Forderungen nach einer deutlichen Truppen-Präsenz aus Nato-Staaten laut. Warum das infolge der Verträge nach 1989 schwer umzusetzen gewesen wäre, wird auch beim Lesen von "Zeitenwende" klar, auch wenn von Fritsch sich ganz auf die Gegenwart fokussiert.

Dabei ordnet er den Konflikt auch in seine geopolitischen Zusammenhänge ein - Russlands Rolle im Nahen Osten seit dem Engagement im syrischen Bürgerkrieg, die Bedeutung Chinas, die Entwicklung in Zentralasien und den Einfluss des Zerfalls der Sowjetunion auf die russische Psyche und Politik.

So eindeutig er den Angriff auf die Ukraine verurteilt, so sehr kritisiert von Fritsch Überreaktionen gegen alles Russische, zollt der russischen Kultur Bewunderung und erinnert sich voll Wärme an seine Begegnungen mit russischen Menschen. Gleichzeitig entwirft er mögliche Szenarieren, wie der Krieg enden könnte und welche politischen und wirtschaftlichen Verwerfungen er herbeiführen könnte. Und er setzt auf eine Zukunft, die momentan noch weit entfernt scheint:

"Was uns bleibt, ist die Hoffnung auf eine Zeit danach. Wladimir Putin ist zwar Russlands Macht, aber er ist nicht Russland. ... Auch in schwieriger Zeit müssen wir darauf setzen, dass sich in Zukunft Chancen ergeben und Lösungen eröffnen, die sich derzeit höchstens in blassen Konturen abzeichnen. Weder ist ausgemacht, dass Chinas Weg auf Dauer erfolgreich ist, noch dass Russland sich nicht wandelt. Wir müssen an der Zuversicht festhalten, dass die Zukunft besser aussehen könnte, als die sehr begrenzte Einsicht der Gegenwart uns dies vermuten lässt."

Veröffentlicht am 25.08.2022

Abgründe in der Kleinstadtidylle

Was auf das Ende folgt
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Ein entführtes Kind, eine Mutter, die angesichts der Unsicherheit und Angst in einen Abgrund von Alkohol und Sex taumelt, ein Kleinstadt-Sheriff, der den Stillstand der Ermittlungen immer mehr als persönliches ...

Ein entführtes Kind, eine Mutter, die angesichts der Unsicherheit und Angst in einen Abgrund von Alkohol und Sex taumelt, ein Kleinstadt-Sheriff, der den Stillstand der Ermittlungen immer mehr als persönliches Scheitern erlebt: Mit "Was auf das Ende folgt" zeigt Chris Whitaker einmal mehr Abgründe und Untiefen amerikanischen Kleinstadtlebens. Ich hatte bereits sein Buch "Von hier bis zum Anfang" gelesen und war davon begeistert gewesen. Da stand es für mich sofort fest, auch dieses Buch lesen zu wollen, dessen Titel sogar eine gewisse Fortsetzung impliziert.

Hier ging ich allerdings der Übersetzung in die Falle - Im Original heißt das Buch "Tall Oaks" und ist Whitakers Debütroman. Was vielleicht auch eine Erklärung dafür ist, dass mir das Buch zwar wirklich gut gefiel, aber nicht ganz so grandion ist wie "Von hier bis zum Anfang". Ein Autor muss sich schließlich auch entwickeln.

In seinem Buch über die teils dramatischen, teils komischen Geschehnisse in der Kleinstadt Tall Oaks lässt Whitaker bereits seine Vorliebe für Außenseiter und Exzentriker erkennen, die hier gehäuft auftauchen und sowohl zu Nebenhandlungen führen als auch so manche falsche Spur legen, wer etwas über das Verschwinden des dreijährigen Harry wissen könnte. Jared etwa, Gebrauchtwagenhändler und nie länger als sechs Monate an einem Ort - was hat er zu verbergen? Oder Jerry, schwer übergewichtig und geistig womöglich leicht behindert, der von den Jugendlichen der Kleinstadt gnadenlos gehänselt wird und im örtlichen Fotostudio arbeitet? Und was verbirgt Harrys Großtante Henrietta in ihrem Dachzimmer, in das sie sich unbeobachtet von Ehemann Roger zurückzieht?

Für den Kleinstadtpolizisten Jim hat die Entführung geradezu etwas Persönliches: Er ist in Jess, die Mutter des Jungen verliebt, hat ihr das aber nie gestanden. Nun muss er hilflos mitverfolgen, wie sie immer mehr ins Straucheln gerät, gleichzeitig aber verzweifelt die Suche nach Harry am Leben erhält.

Für schräge Momente inmitten von so viel Verlust und Trauer sorgt Manny, der sich von Kleidungsstil und Habitus an den Gangstern der 20-er Jahre orientiert und zusammen mit seinem Klassenkameraden Abel ein Schutzgeldgeschäft aufziehen möchte. Leider nimmt niemand den pubertierenden Teenager so richtig voll und auch seine alleinerziehende Mutter erinnert ihn vergeblich daran, dass in der mexikanischszämmigen Familie die italienische Mafia keineswegs zum kulturellen Erbe gehört. Gleichzeitig zeigt Manny als großer Bruder der dreijährigen Thalia und in der Freundschaft zum neuen Nachbarsmädchen Furat auch sensible und sogar romantische Seiten - auch wenn er das sicherlich fluchend bestreiten würde.

Die Frage, was mit Harry geschehen ist, zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch und verbindet die übrigen Erzählstränge. Gleichzeitig ist das Buch ein gelungenes Psychogramm einer Kleinstadtgesellschaft, die teils aus de Bahn geworfen wurde, teils sich um Normalität bemüht. Und trotz des schweren Themas und einiger dunker Töne schafft es Whitaker, Leichtigkeit und Humor einfließen zu lassen, ohne dass dadurch das eine Schräglage entsteht. Kein Zweifel, ein überaus gelungenes Debüt, bildhaft geschrieben, mit wunderbaren Charakteren und athmosphärischer Dichte.

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