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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.10.2020

Traumhaft schön!

Träum schön
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Je älter ich werde, desto überzeugter bin ich, dass Freundschaft da ist, was unserem Leben Sinn verleiht: Zeit miteinander zu verbringen, einander achtsam zugewandt sein.

In Träum schön entführt uns Kathryn ...

Je älter ich werde, desto überzeugter bin ich, dass Freundschaft da ist, was unserem Leben Sinn verleiht: Zeit miteinander zu verbringen, einander achtsam zugewandt sein.

In Träum schön entführt uns Kathryn Nicolai mit wunderschönen Einschlafgeschichten in eine Traumstadt mit einer Bücherei, einem Kino, einem Bauernmarkt - alltägliche Orten, an denen zauberhafte Dinge geschehen. Auf verschiedenen Spaziergängen, die liebevoll von Léa Le Pivert illustriert wurden, erzählt sie kurze, gemütliche Geschichten, die den Leser zur Ruhe bringen, erden, seine Mitte finden lassen. Mit durchweg friedlichen, sympathischen Worten erzeugt sie wohlige Bilder, die direkt zum Träumen und Wegschlummern einladen.

Doch Schlaf ist ein unglaublich individuelles Konstrukt: Während manche nur das Bett berühren müssen und schon entschlafen sind, werden wieder andere von Gedanken gefangen, die sie bewegen und nicht loslassen, machen geruhsamen Schlaf undenkbar. Zur optimalen Vorbereitung gibt die Autorin Tipps zur Schlafroutine und Selbstreflexion, leitet zu Meditationen und Atemübungen an und verführt mit Wohlfühlrezepten zum Nachkochen.

Die Geschichten und die erzeugten Bilder, Assoziationen, Gefühle, die die Autorin mit dem Leser teilt, haben mir allesamt sehr gefallen und für eine kleine Auszeit genau im richtigen Moment gesorgt. Ein wunderbares Buch für kalte Tage und wann immer man einen Augenblick zum Durchatmen braucht.

Vielen Dank an den Wunderraum-Verlag!

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Veröffentlicht am 02.10.2020

Schade...

Als die Welt stehen blieb
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Für andere nützlich zu sein, von anderen gebraucht zu werden, ist fast genauso wichtig, wie sich geliebt zu fühlen.

Mit Als die Welt stehen blieb führt die norwegischen Autorin Maja Lunde uns zurück ...

Für andere nützlich zu sein, von anderen gebraucht zu werden, ist fast genauso wichtig, wie sich geliebt zu fühlen.

Mit Als die Welt stehen blieb führt die norwegischen Autorin Maja Lunde uns zurück in den März 2020, dem Beginn der Corona-Pandemie. Sie berichtet, wie sich das Zusammenleben ihrer fünfköpfigen Familie im Lockdown veränderte, wie sie ihre Tage mit Kontaktverbot und Home Schooling verbringen. Sie ist es gewohnt, über Dystopien zu schreiben, steckte gerade mitten in den Recherchen zum letzten Band ihres Klima-Quartetts - doch nun ist sie selbst Spielfigur in einer Pandemie, ähnlich wie ihre Protagonisten.

In kurzen Tagebucheinträgen berichtet Maja Lunde von den Veränderungen aufgrund des Lockdowns in Norwegen: dem Home Schooling und Home Office, dem Kontaktverbot, dem "neuen" Zusammenleben. Sie beschreibt klar ihre Gefühle und Gedanken, ihre Sorgen und Ängste und bleibt dabei aber sehr distanziert, als beschreibe sie als externer Beobachter, was sie nach außen für einen Anschein mache. Dabei wiederholt sie sich sehr oft, ärgert sich öfters über dieselben Dinge, sodass das Lesen schnell anstrengend wurde. Als zeitgeschichtlicher Bericht ist es sicher ein interessanter Einblick, betont sie auch häufig die positiven Aspekte der Pandemie bezüglich des Klimawandels und dass es ein Weckruf sein sollte, etwas zu ändern, doch das bleibt auch leider das Einzige, das ich aus der Erzählung für mich gewinnen konnte.

Vielen Dank für das Rezensionsexemplar!

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Veröffentlicht am 12.09.2020

Eingehende Diskussion

GOTT
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Wem gehört unser Leben? Wer entscheidet über unseren Tod?

In Gott - Ein Theaterstück diskutiert Ferdinand von Schirach die Frage, wie es um die bewusste und selbstbestimmte Entscheidung eines Menschen ...

Wem gehört unser Leben? Wer entscheidet über unseren Tod?

In Gott - Ein Theaterstück diskutiert Ferdinand von Schirach die Frage, wie es um die bewusste und selbstbestimmte Entscheidung eines Menschen zu sterben bestellt ist.
Richard Gärtner ist ein gesunder Mann, 78 Jahre alt, und möchte nach dem Tod seiner Frau nicht mehr weiterleben. Um seinem Leben ein Ende zu setzen verlangt er nach einem bestimmten Medikament, das ihm von seiner Ärztin jedoch verwehrt wurde. Nun tagt die Ethikkommission samt Medizinern, Juristen, einem Bischof und Mitgliedern der Gesellschaft, um über die Unterstützung eines Arztes bei seinem Suizid zu diskutieren.

Doch zu einem Urteil muss der Leser letztlich selbst kommen, und die ihm zur Hand gegebenen Argumente gegeneinander abwiegen und mit den eigenen moralischen und ethischen Vorstellungen zusammenbringen.

In seinem unverwechselbaren Stil stellt von Schirach die Debatte zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts dar, dass im Februar 2020 beschloss, das "Recht auf selbstbestimmtes Sterben" zu garantieren, wörtlich: "Der Bürger hat dir Freiheit, sich das Leben zu nehmen und hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen".

Obgleich der Schlagabtausch sich phasenweise in die Länge zog und die Argumentation brüchig war, habe ich viele Schlüsse aus der Diskussion ziehen können und neue Einblicke erhalten. Ich finde es sehr schwer, eine endgültige Meinung zu der Fragestellung zu finden, da viele unterschiedliche Aspekte und Perspektiven zu berücksichtigen sind; letztlich wird man es immer jemandem nicht Recht machen, aber so ist das Leben.

Vielen Dank an den Luchterhand-Verlag für das #Rezensionsexemplar!

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Veröffentlicht am 03.09.2020

Grandioses Debüt!

Das Rauschen der Nacht
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Die Zeit ist gnadenlos. Sie geht über alles hinweg, alles wird unter ihr gleich.
Das Rauschen der Nacht ist der Debütroman von André Hille. Anhand von Jonas und Birte, einem jungen Paar mit zwei Kindern ...

Die Zeit ist gnadenlos. Sie geht über alles hinweg, alles wird unter ihr gleich.
Das Rauschen der Nacht ist der Debütroman von André Hille. Anhand von Jonas und Birte, einem jungen Paar mit zwei Kindern und Eigenheim in Norddeutschland, hat er ein realistisches Porträt der heutigen Mittdreißiger-Generation herausgearbeitet. Beide sind in der Stadt großgeworden und suchen nun auf dem Land Abstand vom Großstadttrubel. Während Birte nach der Geburt der Kinder als freie Journalistin arbeitet, ist Jonas Teilhaber eines Start-Ups. Eigentlich müssten sie glücklich sein, haben sie sich doch ein stabiles Umfeld geschaffen, doch es treten immer mehr Schäden am neugebauten Haus auf und in Jonas‘ Start-Up-Unternehmen kriselt es. Zudem erscheint es Jonas, als lebten er und Birte sich immer weiter auseinander, und zum Gefühl der Versagensangst kommen Verlustängste und Panik vor all den Erwartungen, die an ihn als Vater, Unternehmer und Sohn gestellt werden.
Mit einer empathischen Feinfühligkeit hat André Hille vielschichtige emotionale Charaktere geschaffen, mit denen man sich gut identifizieren kann. Sein Schreibstil zeugt von grandiosem sprachlichen und situativen Bewusstsein und erschafft eine lebendige und fesselnde Geschichte. Der Protagonist Jonas ist das Abbild eines modernen Familienvaters, dessen Zufriedenheit von Sorgen überschattet wird und in einer Abwärtsspirale aus Angst, Verzweiflung und Verlust endet. Die emotionale Tiefe, mit der Hille seinen Lebensalltag beschreibt, hat mich bewegt und begeistert ob der Imminenz seiner jeweiligen Aufgaben und Schicksale.
Der Roman hat mich zutiefst bewegt und nachhaltig beeindruckt und ich konnte einige wichtige Aspekte für mich daraus ziehen. Ein grandioses Debüt und definitiv ein Jahreshighlight!

Vielen Dank an Random House für das Rezensionsexemplar.

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Veröffentlicht am 31.08.2020

Eingehend und tiefgreifend

Meine dunkle Vanessa
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Dinge spielen sich direkt vor ihrer Nase ab. Es ist, als wären sie alle zu gewöhnlich, um etwas mitzubekommen.

Meine dunkle Vanessa ist der Debütroman von Kate Elizabeth Russell und handelt von der sexuellen ...

Dinge spielen sich direkt vor ihrer Nase ab. Es ist, als wären sie alle zu gewöhnlich, um etwas mitzubekommen.

Meine dunkle Vanessa ist der Debütroman von Kate Elizabeth Russell und handelt von der sexuellen Beziehung eines erwachsenen Lehrers mit einer minderjährigen Schülerin und den Folgen für das Leben der Misshandelten.
Vanessa ist gerade fünfzehn Jahre alt, als sie zum ersten Mal mit ihrem Englischlehrer Mr Strane schläft. Für sie ist er der einzige Mensch, der sie versteht und gut zu ihr ist, der sie wirklich liebt – und so passiert alles mit ihrem Einverständnis. Als Strane zwanzig Jahre später von anderen ehemaligen Schülerinnen wegen sexuellen Missbrauchs angezeigt und auch Vanessa um Unterstützung gebeten wird, steht sie vor einer bedeutenden Entscheidung: Stillschweigen bewahren oder ihrer Beziehung zu Strane auf den Grund gehen und ihre wahre Rolle identifizieren.

Die Geschichte ist der Perspektive von Vanessa als Minderjährige und als erwachsene Frau im Jahr 2017 geschrieben. Emotionslos und platt schildert sie die Anfänge der Beziehung zu ihrem Lehrer, erste Annäherungen, erste Berührungen, und wie sehr sie auf seine Aufmerksamkeit angewiesen ist. Gegenüber anderen Menschen schützt sie ihn, wehrt Vorwürfe der Misshandlung ab und nimmt die Konsequenzen auf ihre Schultern, kann die Bedenken und die Sorge nicht verstehen. Als sie schließlich das Internat verlässt, hält sie weiterhin Kontakt zu ihm und trifft Strane heimlich in seinem Haus. Auch Jahre später, unterbewusst gezeichnet vom Trauma der Vergangenheit, hält sie weiterhin zu ihm, und hinterfragt erst mit der öffentlichen Missbrauchsanschuldigung ihre Beziehung zu ihm, und ob sie nicht doch auch ein Opfer war.
Vanessas Handlungen und Gedanken sind für den Leser nicht nachvollziehbar und scheinen absurd, und doch handelt sie realistisch naiv. Auch die Beziehung zu ihren Eltern spielt sicher eine große Rolle in der Art und Weise des Copings, und dass sie all diese Übergriffe einvernehmlich zugelassen hat und daran schnell Freude fand.
Der Roman ist ein wichtiger Bestandteil der Gegenwartsliteratur im Zuge der #metoo-Debatte und stellt die Auswirkungen sexuellen Missbrauchs, die Frage nach Zustimmung und Mitschuld treffend dar. Der Handlungsverlauf konnte mich nicht komplett überzeugen, und doch hat mir der Roman insgesamt gut gefallen.

Herzlichen Dank für das Rezensionsexemplar!

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