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Veröffentlicht am 15.04.2018

Bibelarbeit nach der lectio divina

Süßer als Honig, kostbarer als Gold
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40 Bibel-Meditationen sind in dem Band von Jan Johnson versammelt. Johnson bedient sich dabei der Methode der lectio divina. Sprich: sich erst mit dem Text auseinandersetzen, ihn verstehen, dann über ihn ...

40 Bibel-Meditationen sind in dem Band von Jan Johnson versammelt. Johnson bedient sich dabei der Methode der lectio divina. Sprich: sich erst mit dem Text auseinandersetzen, ihn verstehen, dann über ihn meditieren - das ist das Vorgehen.

Das ist bestimmt kein schlechter Ansatz, doch überzeugt hat mich das Buch dennoch nicht.

Da ist zum einen das immer gleichbleibende Vorgehen - was auch eine Stärke sein könnte. Doch die Texte im Buch zur Einstimmung und zur Frage nach dem, was man selbst vom Bibeltext mitnimmt - sie sind immer gleich formuliert. Heißt: Man liest es eben irgendwann nicht mehr und macht sich selbst seine Gedanken. Vorstellen könnte ich mir, dass die Bibeleinheiten bei Gruppen besser funktionieren. 

Zum Teil sind die Ideen, "Mäuschen" zu spielen, hilfreich, oft sind sie aber wenig bis gar nicht umsetzbar. Wer will sich schon den Gesichtsausdruck Jesu vorstellen? Oder Jakobus? Wie soll das gehen? Genauso die Aufforderung, sich Philippi vorzustellen, oder eine Synagoge zur Zeit Jesu - ohne Hintergrundinformationen ist das meines Erachtens nicht leistbar.

Zwar gelingt es der Autorin an einigen Stellen immer wieder, die Eintönigkeit der immer gleichen Art von Einführungen und Aufgaben zu durchbrechen, doch ist einfach zu viel Potenzial dadurch verloren. Es gibt keine Fokussierung auf eine Frage, auf ein Thema bei den ausgewählten - zumeist recht langen - Bibeltexten. Trotz aller Erklärungen wird man mit dem Text und der Frage, was er für einen selbst sagen kann, allein gelassen. Für die Meditation als solche ist man sich selbst überlassen. Das ist schade. Denn die Ansätze dieses Meditationsbuches sind eigentlich nicht verkehrt. Nur wird daraus nichts gemacht. 

Veröffentlicht am 28.03.2018

Schön gestalteter Andachtsband zur Schöpfung

Psalmen der Schöpfung
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Gott spricht durch die Natur zu uns, ist sich Francine Rivers sicher. In ihrem Buch „Psalmen der Schöpfung“ hat sie 52 Andachten gesammelt, eine für jede Woche im Jahr.

Es sind gelungene Andachten. Denn ...

Gott spricht durch die Natur zu uns, ist sich Francine Rivers sicher. In ihrem Buch „Psalmen der Schöpfung“ hat sie 52 Andachten gesammelt, eine für jede Woche im Jahr.

Es sind gelungene Andachten. Denn Francine Rivers hat – zusammen mit Karin Stock Buursma – interessante Beobachtungen aus der Pflanzen- und Tierwelt gesammelt und verbunden mit dem Glaubensleben. Der Specht lädt mich dazu ein, darüber nachzudenken, wo die Ängste hartnäckig an das eigene Herz klopfen. Das Herausstrecken des Schildkröten-Kopfes soll mich anregen, auch mal etwas zu wagen. Der Rotschwanzbussard lässt daran denken, dass wir dankbar sein sollen.

Die kleinen Geschichten, die Francine Rivers erzählt, führen manchmal direkt, und manchmal über Umwege zu einer Erkenntnis Zudem kann man noch etwas über die Natur lernen – über Apfelsorten zum Beispiel, die Geschichte der Kartoffel oder die Farbe der Flamingos. Diesen Beobachtungen folgen Anregungen zum Nach- und Weiterdenken, die angenehm weit gefasst sind. Durch die weitreichenden Impulse, die hier gegeben werden, ist es auf jeden Fall sinnvoll, sich mehr als einen Tag mit dem Thema einer Andacht zu beschäftigen.

Jeder der Andachten ist mit absolut faszinierenden Bildern illustriert. Detailfotos von Tieren, Makro-Aufnahmen von Blüten – die „Psalmen der Schöpfung“ zeigen die Schöpfung von ihrer schönsten Seite ebenso wie die stimmungsvollen Landschaftsbilder.

Dass die Andachten nicht thematisch gegliedert sind, empfand ich als wohltuend – so wirken sie nicht wiederholend, wenn man sie nach und nach übt. An einzelnen Stellen scheint die eher konservative Einstellung der Autorin durch – wenn sie sich für den treu(doofen) Hund ausspricht, der den Gläubigen repräsentiert, und nicht für die – frei lebende – Katze. Auch der dualistische Kampf des Bösen gegen das Gute scheint an einzelnen Stellen als Glaubensüberzeugung durch.

Insgesamt aber ist das Buch wenig konfessionell geprägt, sondern lädt in großer Offenheit und Weite mit überraschenden Geschichten ein, sich Gedanken über den Glauben zu machen.

Veröffentlicht am 18.03.2018

Zu viel Unwichtiges, zu wenig Wichtiges

Idaho
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Was ist geschehen, dass eine Mutter ihr eigenes Kind umbringt? Das ist die Leitfrage in Emily Ruskovichs verrätseltem Roman „Idaho“. Die eine Tochter ist tot, erschlagen, die andere verschwunden. Die Mutter: ...

Was ist geschehen, dass eine Mutter ihr eigenes Kind umbringt? Das ist die Leitfrage in Emily Ruskovichs verrätseltem Roman „Idaho“. Die eine Tochter ist tot, erschlagen, die andere verschwunden. Die Mutter: im Gefängnis. Der Vater: leidet an Demenz. All dies erfährt man bereits am Anfang des Buches.

Doch bald schon springt das Buch durch die unterschiedlichen Zeitebenen, erzählt vom ersten Kennenlernen des Liebespaares, der Heirat, dem Hausfehlkauf in einsamer Lage ohne Räumdienst, der Kindheit der beiden Töchter genauso wie von Jenny, der Mutter, die im Gefängnis sitzt.

Der Anfang des Buches klingt wie ein Detektivroman. Der Vater leidet inzwischen an Demenz. Ann, seine zweite Frau, will die Zeit, die noch bleibt, nutzen, um die Wahrheit festzuhalten. Was ist geschehen? Ein Unfall? Ein Mord? Ann begibt sich auf Spurensuche. Diese Spurensuche wird dem Leser nicht gerade leicht gemacht, denn Ann versetzt sich immer wieder in Personen hinein, schmückt mit viel Fantasie aus, was geschehen sein könnte. Doch fraglich ist, ob das alles so ist, denn Ann plagen selbst Schuldgefühle. Von anderen Personen wird derweil in dem Roman viel erzählt, nur nichts, was aufklären könnte, was geschehen ist. Als Leser muss man deshalb auf der Hut sein und immer wieder hinterfragen, was die Wahrheit sein könnte.

Und der Schluss? „Jetzt ist die Geschichte zu ihrem Ende gekommen, mehr wird nicht erzählt werden. Die Details seiner Vergangenheit sind so machtvoll wie schal. Zu viele, nicht genug.“ Dieses Zitat bringt es auf den Punkt, weshalb mich dieses Buch geärgert hat: Nichts ist am Schluss aufgeklärt. Vieles hat man erfahren, zu viel Unwichtiges, zu wenig Wichtiges. Viel Interessantes, Nachdenkenswertes, auch sprachlich Schönes ist in dem Buch finden. Doch was nützt es, wenn man sich über die fehlende Auflösung aufregen muss?

Doch ist dieser Ärger berechtigt? Man könnte „Idaho“ als postmodernen Roman lesen, dem es um die nicht existente einzige Wahrheit geht. Man könnte von den Lebenslegenden sprechen, die man sich erfindet und die man sich nicht nehmen lassen will. Darüber, wie Neuanfänge möglich sind. Doch all das ändert nichts daran, dass das Buch einen unbefriedigt zurücklässt. Wie bei einem mit schwarzem Wachsmalstift übermalten Bild, wo an manchen Stellen etwas weggekratzt ist, das Bild als Ganzes allerdings nicht sichtbar ist. Hätte Emily Ruskovich ähnlich wie in „Lola rennt“ wenigstens mehrere mögliche Enden erzählt – es würde mir mit dem Buch besser gehen.

Veröffentlicht am 13.03.2018

Lesenswerte Familiengeschichte

All die Jahre
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Es ist eine Familiengeschichte, die J. Courtney Sullivan in ihrem neuen Buch „All die Jahre“ ausbreitet. Freilich eine mit großen – und kleinen – Familiengeheimnissen. Denn die beiden Schwestern Nora und ...

Es ist eine Familiengeschichte, die J. Courtney Sullivan in ihrem neuen Buch „All die Jahre“ ausbreitet. Freilich eine mit großen – und kleinen – Familiengeheimnissen. Denn die beiden Schwestern Nora und Theresa verbindet mehr, als ihnen zeitweise lieb ist. Und: sie leben sich auseinander, sprechen nicht mehr miteinander. Bis zu dem Augenblick, wo Noras jüngster Sohn Patrick stirbt.

Auf zwei Zeitebenen erzählt J. Courtney Sullivan von den beiden irischen Schwestern, die gemeinsam auswandern und ihr Glück in den USA versuchen. Während aus Nora eine glückliche Mutter wird, geht Theresa schließlich ins Kloster und findet dort ihre Bestimmung. Doch das ist nur der äußere Schein. Denn beide sind auf ihre eigene Weise unglücklich.

J. Courtney Sullivan erzählt lebendig, man kann sich nicht nur die beiden Schwestern lebhaft vorstellen, sondern auch Noras vier Kinder, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Dafür ist auch der Wechsel der Erzählzeit verantwortlich. Man hat als Leser Entwicklungen vor Augen, auch wenn manch‘ Geheimnis erst recht spät im Buch aufgeklärt wird. Zunächst taucht man ein in die Zeit irischer Einwanderer – nimmt Anteil an ihren Hoffnungen und Enttäuschungen. Dann, 50 Jahre später, erfährt man, wie schwer es Nora fällt, auch nur für einen Besuch in das Land ihrer Eltern zurückzukehren. Sie hat es hinter sich gelassen. Aber auch die Geschichten der vier Kinder werden mehr als schlaglichtartig beleuchtet. So bietet „All die Jahre“ eine lesenswerte Familiengeschichte mit ganz unterschiedlichen Ausprägungen.

Allerdings nimmt Sullivan ihre Leser zu stark an der Hand. Der allwissende Erzähler liebt es zu kommentieren. Man sieht nicht nur, wie wenig Nora in ihrer Ehe glücklich ist, der Erzähler sagt dem Leser direkt: es war eine Pflichtehe. Als ob man das nicht längst gemerkt hätte. Trotz all der Familiengeheimnisse bleibt so an den Figuren wenig Geheimnisvolles, wenig, an dem man sich reiben kann, über das man streiten kann. Das ist schade.

Veröffentlicht am 28.02.2018

Der Titel hält, was er verspricht

Wenn es Frühling wird in Wien
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"Wenn es Frühling wird in Wien" - wäre das kein Buch-, sondern ein Filmtitel, er hätte mich abgeschreckt. Schmalzig, schwarz-weiß, vorhersehbares Happyend: das wären meine Vermutungen gewesen. Und leider: ...

"Wenn es Frühling wird in Wien" - wäre das kein Buch-, sondern ein Filmtitel, er hätte mich abgeschreckt. Schmalzig, schwarz-weiß, vorhersehbares Happyend: das wären meine Vermutungen gewesen. Und leider: auch auf Petra Hartliebs Buch "Wenn es Frühling wird in Wien" trifft das meiste davon zu.

Das Büchlein, das im Wien des Jahres 1912 spielt, hat mich interessiert, weil es um eine Kinderfrau geht, die Angestellte von Arthur Schnitzler ist. Allerdings: über den Schriftsteller erfährt man so gut wie nichts in dem 172 Seiten starken Büchlein. Schnitzler ist nett zu seinen Kindern, geht fair mit seinen Angestellten um, setzt sich hin und wieder gegen seine Frau durch, hält die Bleibtreu für eine optimale Besetzung als Schauspielerin für das Stück "Das weite Land". Da ist es interessanter, zu verfolgen, die der Untergang der Titanic 1912 in den Zeitungen der Donaumonarchie erst nach und nach bekannt wurde oder ob Sophie, das Hausmädchen, nach einem Schwangerschaftsabbruch wieder zu den Schnitzlers zurückkehren darf.

Die beiden Hauptfiguren in diesem Liebesreigen sind eindeutig Oskar, der Buchhändler, und Marie, das Kindermädchen. Sie lernen sich kennen und lieben, und natürlich: ihre Liebe wird auch auf eine Bewährungsprobe gestellt. Übertrieben schnulzig ist das Buch nur in der Anlage der Handlung, die Sprache selbst ist angemessen nüchtern. Die Figuren sind eher einfach gestrickt, man erkennt sofort, wer zu den Guten und wer zu den Bösen gehört. So ahnt man schnell, wie das Buch ausgehen wird - und siehe: es geschieht auch so.

Nein, "Wenn es Frühling wird in Wien" war mir trotz der plausiblen Handlung zu seicht, die Sozialkritik zu abgewogen. Ein historischer Roman, der mich nicht gepackt hat.