Fast schon ein Thriller
Teddy„Rom sollte meine Chance sein, jemand anders zu werden. Jemand Besseres.“ (S. 56)
1969: Teddy ist erst vor wenigen Stunden von einer Party nach Hause gekommen und hat eben das blutige Partykleid gegen ...
„Rom sollte meine Chance sein, jemand anders zu werden. Jemand Besseres.“ (S. 56)
1969: Teddy ist erst vor wenigen Stunden von einer Party nach Hause gekommen und hat eben das blutige Partykleid gegen ein unschuldiges weißes Hemd ihres Mannes David getauscht, als zwei Männer vor ihrer Tür stehen, um sich mit ihr zu „unterhalten“. Obwohl sie sich ihr nicht vorstellen oder ihre Namen nennen, weiß sie, dass sie vom Geheimdienst sind. Schließlich ist David Diplomat – und sie hat eine Dummheit begangen.
„Teddy“ von Emily Dunlay fängt an wie ein Thriller und hält dieses Niveau bis zum Schluss, denn der Elefant in Form des blutigen Kleides steht die ganze Zeit im Raum, während man erfährt, wie es dazu kam.
Teddy entstammt einer reichen, einflussreichen amerikanischen Familie. Ihr Onkel Hal ist Senator und wird als nächster Präsident gehandelt. Teddy ist im Überfluss, aber mit strengen Regeln aufgewachsen. Sie muss sich jederzeit kultiviert und höflich benehmen, perfekt aussehen, eher zu dünn als zu dick sein und darf sich nie in die Gespräche oder Geschäfte der Männer einmischen. Dabei ist sie nicht dumm, hat Kunstgeschichte studiert und betreut die Kunstsammlung der Familie – natürlich unentgeltlich. Sie ist schön, gilt als distanziert, unnahbar und seltsam. „Sie sind also ein seltenes und schönes Ding, das seltene und schöne Dinge sammelt.“ (S. 18) Kurz vor ihrem 35. Geburtstag hat sie sich einen Ehemann geangelt, der nichts von ihrem nicht ganz so braven Vorleben weiß. David ist amerikanischer Diplomat in Rom, umwirbt sie schnell und zielstrebig. Teddy hatte von einem glamourösen Party-Leben als Diplomatengattin geträumt, aber David versteckt sie regelrecht in seiner winzigen Wohnung, ist immer unterwegs und hält sie mit dem Geld knapp. Schnell wird klar, dass beide andere Vorstellungen von dieser Ehe hatten. Dann kommt endlich eine Einladung zum Gala-Dinner in der Residenz des Botschafters und Teddy will diese Chance nutzen. Sie brezelt sich auf, gibt sich weltgewandt – und macht alles falsch, lästern die anderen Frauen hinter ihrem Rücken. „Ich war nur ein kleines Mädchen, das Verkleiden spielte.“ (S. 82) Also bricht sie wieder aus und macht eine Dummheit, die allen Beteiligten das Genick brechen könnte. Doch das muss sie um jeden Preis verhindern. Sie wird zum Spielball der Mächtigen, gefangen in einem Netz aus Lügen und Wahrheiten, die sie nicht auseinanderhalten kann.
Teddy hat mir wahnsinnig leid getan und ich habe die Männer gehasst. Sie wird wie eine Schachfigur übers Brett geschoben: Von ihrer Familie (Onkel Hal zahlt Geld, als sie David heiratet – war das wirklich ein Hochzeitgeschenk?), von David, der niemandem sagt, dass er geheiratet hat, von seinem Chef, der zwar verheiratet, aber hinter allen Frauen her ist und die Probleme hinterher mit Geld löst, und ein paar anderen Männern. Männer, die über sie, ihren Körper und ihr Geld verfügen. Denn obwohl sie das Geld mit in die Ehe bringt, darf nur David hat drüber verfügen, weil sie „nur“ eine Frau ist. Und Teddy lässt es geschehen, weil sie es nicht besser weiß, weil sie still und duldsam sein soll, weil sie sich geschmeichelt fühlt und weil sie meint, die „Bestrafungen“ verdient zu haben, denn danach kommt sicher endlich die von ihr erhoffte Belohnung. Freiheit von ihrer übermächtigen Familie. Eine eigene, glückliche Familie und Kinder.
Aber zum Glück ist Teddy für eine echte Überraschung gut, denn dieses Ende hatte ich nicht erwartet. Sie erkennt endlich, dass sie gar nicht so klein, unbedeutend und ein Spielball bleiben muss. „Zu wissen, dass man die intelligenteste Person im Raum ist, kann gefährlich sein; ich fand es oft sicherer, dumm zu wirken.“ (S. 93)
Ein wahnsinnig spannendes Buch über eine Frau, die viel stärker ist, als es scheint, und Geheimnissen, die endlich ans Licht drängen. #lesehighlight