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Veröffentlicht am 19.04.2024

Wenn einer eine Reise tut …

Schön war's, aber nicht nochmal
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„Ein bisschen fühlt es sich an wie im Ferienlager, nur dass diesmal alles umgedreht ist, der Jüngste in der Runde die Aufsichtspflicht hat und aufpassen muss, dass die beiden Älteren nicht verloren gehen ...

„Ein bisschen fühlt es sich an wie im Ferienlager, nur dass diesmal alles umgedreht ist, der Jüngste in der Runde die Aufsichtspflicht hat und aufpassen muss, dass die beiden Älteren nicht verloren gehen oder sich aus Versehen ein Loch in den Kopf hauen.“ (S. 131)
Anfang November 2022 wurde mir der #UmdE (Urlaub mit den Eltern) in meine Twitter-Timeline gespült und ich habe eine Woche lang quasi live die Reise des Comedian André Herrmann mit seinen (Mitte 60jährigen) Eltern nach Israel und Jordanien verfolgt und mich dabei köstlich amüsiert, denn was immer nur hätte schiefgehen können, ging auch schief. Schon damals wurde eine Verfilmung oder wenigstens ein Buch gefordert und das ist jetzt endlich erschienen. Mit viel Humor und Herzlichkeit berichtet er von den großen und kleinen, geplanten und ungeplanten Abenteuern, die er dabei mit ihnen erlebt hat. Denn obwohl seine Mutter noch bis vor kurzem in einem verantwortungsvollen Beruf gearbeitet und auch sehr gute Englischkenntnisse hat, verlässt sie sich jetzt lieber auf ihren Sohn, und sein Vater hört Dank seiner Schwerhörigkeit eh so gut wie nichts. Eins meiner Highlights ist übrigens der Ortungschip, den er seinem Vater beim Antritt der Reise in die Hosentasche schmuggelt und der mehr als einmal dafür sorgt, dass sie ihn auch wiederfinden …
Aber es ist nicht nur ein sehr humorvoller Reisebericht, er zeigt auch, wie nahe sich André und seine Eltern stehen und wie ihm bewusst wird, dass sich ihre Rollen langsam tauschen – jetzt ist er für sie verantwortlich, und er meistert das meist mit Bravour. Dazu lässt er geschichtliche und politische Details einfließen, gibt einen Lagebericht der besuchten Städte und beschreibt auch weniger angenehmen Situationen, wenn Streitereien zwischen Arabern und Israelis durch bewaffnetes Sicherheitspersonal gelöst werden müssen.
Ich war nach dem Lesen auf jeden Fall froh, dass meine Eltern, die nochmal 10 Jahre älter sind, die gleiche Reise allein gemacht haben 😉.

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Veröffentlicht am 17.04.2024

Hart feiern, hart laufen

Nur der Tod ist schneller
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„Ermitteln ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“ (S. 157) Seit frühester Kindheit wurde der Berliner LKA Ermittler Peer Pedes von seinen Eltern im Marathonlaufen getrimmt, hat 2014 sogar die Polizeieuropameisterschaft ...

„Ermitteln ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“ (S. 157) Seit frühester Kindheit wurde der Berliner LKA Ermittler Peer Pedes von seinen Eltern im Marathonlaufen getrimmt, hat 2014 sogar die Polizeieuropameisterschaft gewonnen. Seitdem hat er sich gehen lassen, doch jetzt, 5 Wochen und 6 kg zu viel vor dem Berlin Marathon packt ihn der Ehrgeiz – er will ihn wieder gewinnen. Sein erster Trainingslauf endet abrupt an der Oberbaumbrücke. Dort hängt eine Leiche mit den neuesten Laufschuhen. Kein Wunder, dass Peer seinem Konkurrenten den Fall vor der Nase wegschnappt. Die erste Spur führt ins Berghain, dort hat der Tote oft mit seiner Laufclique gefeiert, auch in dieser Nacht. Aber er hat den Club lebend und allein verlassen, sagen die Türsteher. Trotzdem verbeißt sich Peer in dieser Spur und scheint auch recht zu haben, denn bald hängt das nächste Mitglied der Laufgruppe an einer anderen Brücke …

Bei Pe(e)r Pedes ist der Name Programm. Der Kommissar hat bisher in der dritten Reihe die Laufarbeit für andere Ermittler machen müssen und jetzt endlich den ersten eigenen Fall an Land gezogen. Zusammen mit seiner Kollegin, die immer dann aufblüht, wenn sie etwas bis ins kleinste Detail recherchieren kann, nimmt er sich die Mitglieder der Laufgruppe und deren Sponsor vor, eine Firma namens FitShit, die ihre Hobbyläufer mir allen Mitteln nach ganz vorne bringen will – erst Berlin, dann Olympia. Und dann ist da noch die Lauf-Influencerin, die sich mit der Gruppe überworfen hat und den Krieg jetzt über Instagram ausficht. Und welche Rolle spielt das Berghain? Treffen sie sich da wirklich nur zum Feiern? Am Ende setzt Peer alles auf eine Karte und schleust eine V-Frau in die Gruppe ein, die sämtliche Rekorde zu brechen scheint und sich nicht an die Regeln halten will …

„Nur der Tod ist schneller“ ist die perfekte Mischung aus Krimi, Humor und Anleitung zum Marathontraining, denn das setzt Peer natürlich nicht aus. Ganz im Gegenteil, mehr als einmal bringen ihn sein Training und die genauen Kenntnisse der Szene einen Schritt weiter, schließlich trainiert er schon sein ganzes Leben und setzt auch jetzt alles daran, den Berlin-Marathon zu gewinnen. Dafür geht weit über seine physischen und psychischen Grenzen hinaus. Immer dabei (in seinem Kopf oder an der Strecke) ist seine Mutter, eine ehemalige Zehnkämpferin, die fest an ihn glaubt und ihn anfeuert, Anweisungen gibt oder beschimpft, je nachdem, was er gerade braucht. Dieses Durchhaltevermögen und der unbedingte Wille zum Sieg haben mir imponiert, denn im Job gilt Peer als Außenseiter, ist manchmal ziemlich daneben, baut immer wieder Mist und hält sich nicht ans Protokoll. Nicht der Weg ist das Ziel, sondern das Ziel ist das Ziel. Auch bei seinen Ermittlungen orientiert er sich an seiner Lauftaktik: immer dann das Tempo anziehen und überholen, wenn der Gegner es nicht erwartet und sich längst verausgabt hat.
Seine Kollegin Stephanie, die aus einem ganz bestimmten Grund Wert aufs Gendern legt, ergänzt ihn perfekt. Technisch versiert, mit dem Blick fürs kleinste Detail und ohne den Überblick zu verlieren, rettet sie ihm mehr als einmal den Kopf.

Was ich jetzt aus dem Buch mitnehme? Ich will nicht ins Berghain, werde nie einen Marathon laufen und meine Smartwatch regelmäßig ablegen 😉 …
5 Sterne für diesen wirklich außergewöhnlichen Krimi.

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Veröffentlicht am 15.04.2024

Essen mit Freunden

Nordisch zu Tisch
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Mit dem Frühling beginnt bei uns auch wieder die Zeit der Familienfeste, für die ich immer auf der Suche nach Inspirationen bin. In „Nordisch zu Tisch“ präsentiert der dänische Koch Mikkel Karstad 6 Menüvorschläge ...

Mit dem Frühling beginnt bei uns auch wieder die Zeit der Familienfeste, für die ich immer auf der Suche nach Inspirationen bin. In „Nordisch zu Tisch“ präsentiert der dänische Koch Mikkel Karstad 6 Menüvorschläge für ein Sommergrillfest, einen Sonntagsbrunch, Familienlunch, eine Abendtafel, das Weihnachtsmahl und eine Geburtstagsparty. Jedes Menü beginnt mit dem passenden Willkommensgetränk und endet mit den Dessert, dazwischen gibt es unzählige, gut vorzubereitende Gänge, ergänzt durch Mikkels Tipps für die Planung und Vorbereitung.

Die einzelnen Gerichte sind meist für 4 Personen gedacht. Wenn man mehr Gäste erwartet, kann man die Mengen anpassen, oder aber auf die Vielfältigkeit der verschiedenen Speisen setzen und hoffen, dass die Gäste neugierig sind und sich lieber mit mehreren kleinen Portionen durch das Buffet probieren, statt einer großen.

Die einzelnen Menüs haben jeweils eine spezielle Ausrichtung. Das Sommergrillfest besticht durch leichte Küche mit viel Gemüse, hier hatten es uns vor allem die Tomatentarte und der Zwetschgentrifle angetan. Der Sonntagsbrunch ist asiatisch inspiriert und der Jasminreis mit gebeiztem Eigelb eine echte Entdeckung. Der Familienlunch lockt mit italienischen Köstlichkeiten, wie den weißen Bohnen mit Gemüse und Parmesan, dem Buttermilch-Focaccia und den Biscotti mit Nüssen und weißer Schokolade. Die Gerichte für die Abendtafel sind einfach und unkompliziert, aber raffiniert, wie die Gemüse-Kichererbsen-Tajine, der Rhabarber-Couscous und die pochierten Birnen mit Gewürzeis. Dafür darf es Weihnachten ein aufwändiges dänisches, gehaltvolles Festmahl sein, bei dem neben einem ordentlichen Braten mit vielen Beilagen natürlich auch das leckere Gebäck nicht fehlen darf. Die Rezepte für die Geburtstagsparty machen Erwachsene und Kinder gleichermaßen glücklich und eignen sich auch für ein Picknick, wie die Wecklinge mit süßem Topping, rustikale Panini mit Käse und Mortadella (eine für uns neue, sehr leckere Kombination) und der Nuss-Zuccini-Kuchen mit Kardamom-Zitronen-Frosting oder die Kirsch-Nicecream am Stiel.

Und falls Euch bis hierher noch nicht das Wasser im Mund zusammengelaufen ist, dann schaut Euch die Fotos an. In klaren, nordischen Farben gehalten und aufs Wesentliche (das Essen) reduziert, machen sie Appetit aufs nächste Fest.

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Veröffentlicht am 12.04.2024

800 Stufen für eine Leiche

Azzurro mortale
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„Die Großen lässt man laufen, und die Kleinen hängt man auf oder trampelt über ihre Gräber.“ (S. 181)
Eigentlich macht Commissario Vito Grassis gerade einen Ausflug mit seiner Frau und seinem erwachsenen ...

„Die Großen lässt man laufen, und die Kleinen hängt man auf oder trampelt über ihre Gräber.“ (S. 181)
Eigentlich macht Commissario Vito Grassis gerade einen Ausflug mit seiner Frau und seinem erwachsenen Sohn, die ihn endlich in Ligurien besuchen, doch als ihn seine Partnerin Ispettore Ricci anruft und eine im Hafenbecken von Corniglia treibende Leiche meldet, fährt er sofort dorthin. Nachdem sie den Toten endlich bergen konnten, wirft er gleich mehre Fragen auf. Er kann nicht identifizieren werden, ist an trockenem Ertrinken gestorben und hat kurz vor seinem Tod Austern, Hummer und Champagner zu sich genommen, obwohl er nicht so aussieht, als könnte er sich solche Mahlzeiten leisten. Grassi ist sich sicher, dass er ermordet wurde. Aber erst als ihn ein Rechtsanwalt informiert, dass eine anonym bleiben wollende Mandantin den Toten kannte, kommt Bewegung in den Fall. Sie hatte ihn vor 4 Jahren das letzte Mal beim Einsturz der Morandi-Brücke gesehen und dachte, er sei damals wie so viele andere gestorben. Um herauszubekommen, wer ihn jetzt warum ermordet hat, müssen Grassi und Ricci ermitteln, was der Tote seitdem gemacht hat.

Andrea Bonetto baut bei Vito Grassis zweitem Fall auf einen realen Hintergrund. Die Morandi-Brücke verband den Ost- und Westteil von Genua und stürzte am 14.8.2018 aufgrund längst bekannter und nie behobener Baumängel ein, wobei 43 Menschen starben. Die Verbindung des realen Unglücksfalls mit einem zwar konstruierten, aber sehr spannenden Kriminalfall ist dem Autor ausgesprochen gut gelungen. Grassi und Ricci ermitteln im Umfeld großer Baufirmen, die mit der Mafia in Verbindung gebracht werden.

Der Krimi lebt auch vom Zwischenmenschlichen. Grassis Frau hatte erwartet, dass er in Ligurien nur den Tod seines Vaters verarbeitet und danach zu ihr nach Rom zurückkehrt, doch es gefällt ihm hier viel zu gut, die Arbeit und das Leben sind viel entspannter. Außerdem stößt ihr auf, dass er in der von seinem Vater „geerbten“ Untermieterin Toni eine sehr gute Freundin gefunden hat und sie weiterhin bei sich wohnen lässt. Ist da etwa mehr zwischen ihnen? Das wissen auch Grassi und Toni nicht immer so genau …

Wie schon der erste Band hat mich dieser wieder mit seinen Beschreibungen von Land, Leuten und kulinarischen Genüssen begeistert (es ist sogar ein Rezept für Testaroli, die älteste Pasta Italiens drin). Da bekommt man glatt Lust auf einen Urlaub in Ligurien, nur bitte ohne Mord.

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Veröffentlicht am 10.04.2024

Ein Leben für den Genuss

Mademoiselle Marthe und die Küche der Freiheit
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„Ein Menü sollte wie eine gut erzählte Geschichte sein. Es gibt ein Vorwort, das neugierig machen soll, hungrig auf das, was noch kommt. Und dann soll sich der Geschmack steigern, bis zum Hauptgang. Der ...

„Ein Menü sollte wie eine gut erzählte Geschichte sein. Es gibt ein Vorwort, das neugierig machen soll, hungrig auf das, was noch kommt. Und dann soll sich der Geschmack steigern, bis zum Hauptgang. Der Käsegang und der Nachtisch sind dann das sachte Ende der Geschichte – ein hoffnungsvoller Ausgang, der uns mit Wohlgefühl zurücklassen sollte.“ (S. 121)
Frankreich, 1887: Seit dem Tod ihres Vaters lebt Marthe mit ihre Mutter Julie bei ihrer Großmutter in den Vogesen. Sie führen ein sehr ursprüngliches Leben auf einem kleinen Hof, wo fast alles selbst erwirtschaftet und angebaut wird. Der Alltag und das Essen orientieren sich streng an der Natur und den Jahreszeiten. Es gibt Obst und Gemüse aus dem Garten. Die Milch für den täglichen Bedarf sowie für Butter und Käse kommt von der eigenen Kuh, die Eier von den Hühnern. Die Küchenabfälle werden an ein Schwein verfüttert, das im Herbst geschlachtet wird. Das Brot wird selber gebacken, den Sauerteig dafür pflegt Grand-mère schon ihr ganzes Leben, genau wie die Suppe immer auf der Kochstelle simmert, in die alle verwertbaren Gemüse- und Fleischreste kommen und die dadurch jeden Tag anders schmeckt, obwohl sie den gleichen Grundstock hat. Marthe lernt von ihr, wie man mit Rohstoffen und Lebensmittel umgeht, Vorräte anlegt, haltbar macht – und schreibt sich alles auf. Denn schon da steht für sie fest, dass sie später vom Schreiben leben und Journalistin zu werden will.
Weil Marthe das Lyzeum besuchen und studieren soll, nimmt Julie eine Stelle als Köchin in einem großbürgerlichen Pariser Haushalt an. Dort wird Marthe bewusst, dass ihre Mutter eine Sonderstellung einnimmt. Die meisten Köche sind Männer, da Köchinnen nur auf dem Land ausgebildet, gebraucht und akzeptiert werden.
Sie freundet sich mit Florence, der gleichaltrigen Tochter der Familie an, die auch das Lyzeum besucht und studiert, aber keinen Plan für ihr Leben hat, da sie ja nie arbeiten werden muss, sondern heiraten soll.

„Du stehst zwischen den Welten, zwischen Personal und Herrschaft. Solche wie dich muss es noch mehr geben. Wir müssen die Grenzen aufreißen.“ (S. 21)
Marthe und Florence stehen für eine neue Generation Frauen, die unabhängig von ihren Familien etwas Eigenes erreichen wollen und über die ihnen eigentlich zugedachten Grenzen hinausgehen. Ihre Freundschaft ist trotz aller Unterschiede eine Beziehung auf Augenhöhe.

Ich hatte bisher weder von Marthe Distel gehört, der Journalistin und Gründerin der Kochschule Le Cordon Bleu, noch ihrem Vorbild, Auguste Escoffier, der die Küche und Ausbildung der Köche revolutioniert hat. Die Autorin hat es geschafft, mir ein sehr lebendiges Bild von ihnen, ihrem Leben und ihrer Arbeitsweise zu vermitteln.

„Essen ist mehr als nur Nahrung. Mahlzeiten sind Gefühle … Essen ist mehr als nur satt werden.“ (S. 21) Da ich selber leidenschaftlich gern koche und backe, hat mich diese Buch fasziniert. Ulrike Renk hat es wie ein 5-Gänge-Menü aufgebaut und schreibt mit viel Herzblut über die verschiedenen Zubereitungsarten, verwendeten Produkte und Gerichte. Man liest in jeder Zeile ihre eigene Begeisterung für diese Thema. Gleichzeitig ist es ein richtig toller Schmöker, der die Unterschiede zwischen dem Stadt- und Landleben und den gesellschaftlichen Schichten zeigt und wie diese sich zu dieser Zeit langsam auflösten bzw. vermischten.

5 Sterne für dieses Lesehighlight.

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