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heinoko

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.05.2020

Opa-Umarmung hilft gegen Zitterpelz

Sommer ist trotzdem
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Innerlichen und äußerlichen Zitterpelz (Gänsehaut) macht dieses Buch dem Leser, so tief bewegend ist es, so ergreifend, so traurig, aber auch so liebevoll, so tröstlich. Ein ernstes Kinderbuch, wie ich ...


Innerlichen und äußerlichen Zitterpelz (Gänsehaut) macht dieses Buch dem Leser, so tief bewegend ist es, so ergreifend, so traurig, aber auch so liebevoll, so tröstlich. Ein ernstes Kinderbuch, wie ich es in dieser Intensität noch nie gelesen habe, eine Erzählung, die Herzschmerzen macht und sie auch wieder heilt. Lange, lange nachwirkend.

Das Mädchen ohne Namen verbringt wie jedes Jahr Sommerwochen bei Oma und Opa im Haus am Meer. Eigentlich wie immer und doch ganz anders. Denn es ist der erste Sommer ohne Papa, der gestorben ist. Das Mädchen erlebt diese Sommerwochen zwischen Ferienfreude in vertrauter Geborgenheit und nicht fassbaren Gedanken und in sich gekehrtem Schweigen. Viel Trauriges geschieht. Und sie begegnet ihrer eigenen unglaublichen Stärke.

Unfassbar gut geschrieben ist die Geschichte. Die kurzen, vordergründig einfachen Sätze, im Präsens geschrieben aus Sicht des Mädchens, wirken auf seltsame Weise so eindrücklich, dass man sich ihnen nicht entziehen kann. Manchmal ist der Sprachduktus so schlicht, dass man glaubt, das Mädchen sei jünger als 11. Doch das ist eines der wichtigsten Geheimnisse dieses Buches bzw. des Autors: In einfachen Worten, mit viel Feingefühl fühlen, denken, beobachten, spüren. Ein weiteres Geheimnis ist die Fülle an bildhaften Sätzen, die umschreiben, was das Mädchen nicht ausdrücken kann. „Jemand hat den Himmel aufgeräumt.“ Der Autor hat es meisterhaft verstanden, sich in die Welt des 10-jährigen Mädchens hineinzudenken und aus dieser Perspektive heraus zu erzählen. Großartig zum Beispiel die Schilderung aus Kindersicht, wie Kinder die nonverbalen Botschaften der Erwachsenen wahrnehmen. Sehr, sehr bewegend ist zu lesen, wie das Kind Sterben und Tod des Vaters erlebt und was wortlose Opa-Umarmungen auslösen. Ein ergreifendes und tröstliches, ein sensibles Kinderbuch mit viel leiser Weisheit. „Niemand muss die ganze Zeit stark sein. Manchmal müssen wir einfach so sein wie wir sind.“ Ganz, ganz wunderbar!

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Veröffentlicht am 10.05.2020

Ohne Angst gibt es keinen Mut

Rodrigo Raubein und Knirps, sein Knappe
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Ein Romanfragment aus dem Nachlass von Michael Ende, sprich drei Kapitel, an denen er bis zu seinem Tod immer wieder gearbeitet hatte, waren die Steilvorlage, die Wieland Freund dazu animierte, das Fragment ...


Ein Romanfragment aus dem Nachlass von Michael Ende, sprich drei Kapitel, an denen er bis zu seinem Tod immer wieder gearbeitet hatte, waren die Steilvorlage, die Wieland Freund dazu animierte, das Fragment weiterzuschreiben zu einem abenteuerlich-spannenden Kinderbuch, was ihm zweifellos sehr gut gelungen ist.

Knirps, der völlig angstfreie Sohn einer Puppenspielerfamilie, möchte unbedingt ein ganz gefährlicher Raubritter werden. Auf jeden Fall so schrecklich wie Rodrigo Raubein, bei dem er in die Lehre gehen will. Doch dieser fühlt sich in seiner Ruhe gestört und ist gar nicht erbaut von Knirps‘ Plänen. Deshalb fordert er als allererstes eine ganz und gar gefährliche Mutprobe, um Knirps wieder loszuwerden. Nach einigem Grübeln ist sich Knirps sicher, dass es nichts Gefährlicheres gäbe als einen Prinzessinnenraub. Doch als er die überaus kluge Prinzessin Flip trifft, gerät alles mehr und mehr aus dem Ruder…

Wir wissen nicht, welche Geschichte rund um Knirps und Rodrigo Raubein Michael Ende vorschwebte. Insofern ist es Wieland Freund hoch anzurechnen, in welch genialer Weise er aus den vorhandenen drei Kapiteln in insgesamt 16 Kapiteln ein Kinderbuch entstehen ließ, das durch Ideenreichtum, durch Witz und Klugheit begeistert. Es ist erstaunlich, wie Wieland Freund sowohl den Sprachduktus als auch die so reiche humorige Fantasie und Wortgestaltungskraft von Michael Ende „fortführt“. Vielleicht hätte es der Geschichte jedoch gut getan, wenn sie mit ein paar Handlungssträngen weniger erzählt worden wäre. Irgendwie blieb bei der Fülle der erzählten Geschehnissen der von Michael Ende eigentlich in den Mittelpunkt gestellte Hastrubel Anaxinander Chrysostomos, genannt Knirps, auf der Strecke, wurde zur Randfigur. Das fand ich schade. Schön jedoch, wie der Erzähler immer wieder seine Zuhörer/Leser direkt anspricht und sie somit unmittelbar in die Geschichte hineinholt. Und wir lernen, dass es gar nicht so einfach ist, das zu tun, was man wirklich will und dass es ohne Angst keinen Mut gibt. Gegen Ende der Abenteuer heißt es: „Die ganze Welt ist eine große Geschichte, und wir spielen darin mit.“ Und es klingt, als ob Michael Ende selbst das Wort ergreift.

Fazit: Ein sehr hochwertig gemachtes Buch, mit viel Witz, spannenden Abenteuern und von unaufdringlicher Klugheit erzählt. Wieland Freund ist es perfekt gelungen, aus einer aus wenigen Seiten bestehenden vorgegebenen Idee ein Kinderbuch ganz im Sinne von Michael Ende zu schreiben. Unbedingt hervorzuheben sind übrigens die sehr ansprechenden, ausdrucksstarken Illustrationen von Regina Kehn, die das Buch zusätzlich aufwerten.

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Veröffentlicht am 09.05.2020

Eindrücklich und lesenswert

Liebe
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Wer in diesem Sammelband mit „Geschichten über das größte Gefühl der Welt“ romantische Mondschein-Schwüre und Geigenmusik erwartet, wird bitter enttäuscht werden.

Weit, weit weg von süßem Kitsch und ...


Wer in diesem Sammelband mit „Geschichten über das größte Gefühl der Welt“ romantische Mondschein-Schwüre und Geigenmusik erwartet, wird bitter enttäuscht werden.

Weit, weit weg von süßem Kitsch und geschöntem Leben geht es in diesem Buch hart zur Sache. Teilweise unbekanntere Geschichten findet man in ihm, manche sperrig, manche wunderlich, manche berührend, oftmals bitter. Es sind Geschichten von Menschen, die seelisch verletzt oder hoffnungslos sind, dem Leben und seinen schlechten Seiten ergeben sind, vielleicht auch vom Leben geschunden sind. Manche Akteure sind auch einfach nur verzweifelt anders als die anderen. Kurzum, es sind Geschichten, denen es an Glück fehlt und die vielleicht genau dadurch besonders wahrhaftig sind. Wie zum Beispiel diese seltsam unfertige Geschichte einer unfertigen Liebe, einer Liebe „auf der Stelle“. Oder Liebe versteckt in Endlossätzen, verboten, unendlich traurig. Oder Liebe wie zerlaufener Honig mit sich darbietenden Körpern aus Sehnsucht nach Verlorenem.

Es sind Geschichten, die lange nachhallen, nicht melodisch-süß, sondern verzweifelt suchend. Sehr, sehr eindrücklich und lesenswert!

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Veröffentlicht am 06.05.2020

Das Gelächter der Kadaver

Das wirkliche Leben
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Ein Roman, härter und brutaler und grausamer als jeder mir bekannte Thriller. Ein Roman, der mit Peitschenhieben durch die Seiten treibt. Ein ganz und gar unglaublicher Debüt-Roman, der absolut nicht ...


Ein Roman, härter und brutaler und grausamer als jeder mir bekannte Thriller. Ein Roman, der mit Peitschenhieben durch die Seiten treibt. Ein ganz und gar unglaublicher Debüt-Roman, der absolut nicht geeignet ist für empfindsame Leser.
Das zehnjährige Mädchen, die Ich-Erzählerin ohne Namen, und ihr kleiner Bruder Gilles leben in einer uniformierten Reihenhaussiedlung. Die Mutter wird beschrieben als eine Amöbe, ein graues, unsichtbares Nichts. Der Vater dagegen hat große Leidenschaften, nämlich die Jagd, Fernsehen, Whisky und in Prügeln sprechende Wutanfälle. Als eines Abends vor den Augen der beiden Kinder ein entsetzliches Unglück passiert, verändert sich das Leben schlagartig. Das glockenhelle Lachen von Gilles stirbt für immer. Und das Mädchen kämpft mit aller Kraft darum, dieses Lachen wieder zurückzuholen. Ihre überragende Intelligenz und ihr Mut helfen ihr, sich eine ganz eigene Welt zu konstruieren, eine Welt der Hoffnung, tief verborgen vor Mutter und Vater. Doch im Verlauf der Zeit entwickelt sich nicht nur ihr Geist, sondern auch ihr Körper, was ihrem Vater nicht verborgen bleibt.
Was für eine Sprache, so unerschütterlich direkt, so unfassbar gewaltig, geradezu von brachialer Kraft. Aber auch Feines erspürend, wenn zum Beispiel die Autorin innerseelische Vorgänge über das differenzierte Schildern von Gerüchen zum Ausdruck bringt. Der Roman benutzt unglaublich starke Bilder, die mit ungebremster Wucht direkt zum emotionalen Zentrum des Lesers vorstoßen, Flucht unmöglich. Und diese intensiven Bilder hinterlassen Einschusslöcher im Kopfkino, wie Kriegswunden, unheilbar. Dazu wirken die kurzen Kapitel wie Schlaglöcher, in die der Leser rumpelnd hineinstürzt und die ihn immer wieder fast zu Fall bringen. Ein Roman, der mit unfassbar großer literarischer Kraft „das wirkliche Leben“ in der ganzen Bandbreite von schön bis schrecklich auf 230 Seiten bannt.

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Veröffentlicht am 04.05.2020

Ein sehr gelungenes Foto-Bilderbuch

Lotti & Dotti (Bd. 1)
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Ein Bilderbuch ohne Zeichnungen? Ein Bilderbuch, illustriert ausschließlich mit Fotografien? Ich konnte es mir ehrlich gesagt nicht vorstellen. Wie will man den Kleinen anhand von Fotos eine Geschichte ...


Ein Bilderbuch ohne Zeichnungen? Ein Bilderbuch, illustriert ausschließlich mit Fotografien? Ich konnte es mir ehrlich gesagt nicht vorstellen. Wie will man den Kleinen anhand von Fotos eine Geschichte so erzählen, dass sie ankommt, dass sie Aufmerksamkeit oder Neugier erregt, dass sie Gefühle auslöst? Doch meine Zweifel waren nach der Lektüre völlig beseitigt, im Gegenteil, das Foto-Bilderbuch hat mich begeistert.

Lotti darf in den Ferien zu ihrer Oma, was das allerschönste ist. Denn mit Oma kann man wunderbar spielen. Sie hat tolle Ideen und vor allen Dingen hat sie viel Zeit für Lotti. Doch dann passiert etwas Unglaubliches! Eines Morgens steht da doch tatsächlich ein kleines Pferd in Omas Flur. Ein niedliches, kleines, schwarzgepunktetes Pony schaut sich neugierig um und stupst Lotti freundschaftlich. Man erfährt, dass es Dotti heißt, dass es ihm arg langweilig ist und dass es aus dem benachbarten Reiterhof regelmäßig ausbüxt, weil es so klein ist und überall durchschlupfen kann. Es darf in Omas großem Garten bleiben, und für Lotti und Dotti beginnen die allerschönsten Ferientage. Doch irgendwann sind die Ferien zu Ende. Was dann? Die Überraschung, die Lotti erlebt, wird natürlich nicht verraten.

Wenn man das zauberhafte Bilderbuch durchblättert, hat man das Gefühl, dass die Fotos die Geschichte diktiert haben, nicht umgekehrt. Sie erzählen so lebendig, so frisch und witzig von wunderschönen Ferientagen, wie es Zeichnungen gar nicht könnten. Die Bildausschnitte bringen ein fröhliches, unbeschwertes Miteinander zwischen Menschen und Tier so intensiv zum Ausdruck, dass ich beeindruckt bin. Gerade die Kombination zwischen buntem (Fot-Realismus und einer Geschichte, wie sie sich Kinder gerne erträumen, macht den besonderen Reiz aus. Die Fotos sind so ausdrucksstark, dass die Geschichte auch von den Kleinen verstanden wird, die den Text noch nicht lesen können. Ein sehr gelungenes, rundum fröhlich stimmendes Bilderbuch!

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