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heinoko

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.11.2020

Ein Buch mit zu viel "Gschisti-Gschasti"

Die Djurkovic und ihr Metzger
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Humor ist so eine Sache. Vor allen Dingen eine ernste Sache, falls man darüber nachdenken möchte. Auf jeden Fall ist nicht jede Art von Humor für jeden Menschen in gleicher Weise geeignet, was das vorliegende ...


Humor ist so eine Sache. Vor allen Dingen eine ernste Sache, falls man darüber nachdenken möchte. Auf jeden Fall ist nicht jede Art von Humor für jeden Menschen in gleicher Weise geeignet, was das vorliegende Buch unmissverständlich beweist. Der Autor ist ein „Kult-Autor“, heißt es. Demnach gibt es viele Menschen, die seinen Humor mögen. Tja, ich gehöre leider nicht dazu.

Den Inhalt kann man kurz fassen: Die große Hochzeit des Metzger mit Danjela steht an, doch kurz vor dem Ja-Wort verschwindet diese mit einem bedrohlich aussehenden Kerl aus der Kirche. Der Metzger rappelt sich aus der Depression hoch, forscht nach und stolpert mitten hinein in einen Familienclan, dessen Machenschaften nicht sehr sympathisch sind.

Mit viel gutem Willen, zudem mit dem österreichischen Sprachductus einigermaßen vertraut begann ich das Buch zu lesen. Und fand die Anfangsszene „Vorhang auf – Vorhang zu“ noch einigermaßen vergnüglich. Aber je weiter ich las, desto verwirrter und genervter wurde ich. Walkie-Talkie-Unterhaltungen , Funkprotokolle und Anjezas Erinnerungen funken sich zwischen die eigentliche Handlung. Unvollständige Sätze und die Fülle an Ausrufezeichen machen das Lesen auch nicht leichter. Und den viel gerühmten schrägen Humor des Autors teile ich leider auch nicht. Mühsam schleppte ich mich durch die Seiten. Einzig die Vorstellung, dass ich nicht lese, sondern das Buch von einem Könner laut im Lokalkolorit vorgelesen bekomme, brachte mich einigermaßen verletzungsfrei durch die Geschichte. Aber Spaß hatte ich keinen mit diesem Buch, im Gegenteil.

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Veröffentlicht am 21.11.2020

Abstoßend brutales Katz- und Mausspiel

Der Heimweg
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Diese Rezension kann man kurz halten. Denn dass Fitzek „es drauf hat“, Thriller zu schreiben, weiß inzwischen wohl jeder. Dass er mit jedem weiteren Erfolgstitel mehr und mehr unter Druck und Leistungszwang ...


Diese Rezension kann man kurz halten. Denn dass Fitzek „es drauf hat“, Thriller zu schreiben, weiß inzwischen wohl jeder. Dass er mit jedem weiteren Erfolgstitel mehr und mehr unter Druck und Leistungszwang gerät und damit zunehmend das verliert, was ihn in seinen frühen Titeln auszeichnete, gibt mir zu denken.

Jules Tannberg ist für seinen Freund eingesprungen und hat dessen Schicht beim ehrenamtlichen Telefonbegleitservice übernommen. Es ist nach 22 Uhr und Jules spricht mit Klara, einer Frau, die sich von ihrem brutalen Mann verfolgt fühlt. Mehr Inhalt hier zu erzählen, macht keinen Sinn.

Es hätte ein faszinierendes, nervenaufreibendes Kammerspiel werden können. Aber statt auf Raffinesse setzt Fitzek auf extreme Brutalität, auf ekelerregende, abstoßend widerliche Szenerien, die übler gar nicht mehr sein könnten. Das Baden in Eiter, Blut und fauligem Gestank allein macht jedoch noch keinen guten Thriller. Klar, Fitzek weiß, wie er die Leser durch den Fleischwolf dreht, wie er sie ins Spiegelkabinett schickt, dass sie nicht mehr aus noch ein wissen vor lauter Twists und Täuschungen. Wer das alles zu schnell liest, fällt vor lauter Schwindelgefühlen von der Couch. Und ja, es gibt auch außerordentlich spannende Sequenzen, die dem Leser den Atem rauben. Und natürlich erleben wir zum Schluss des Buches, dass wir Fitzek wieder auf den Leim gegangen sind. Das ist gekonnt geschrieben, keine Frage. Dennoch fehlt es mir an Feinheiten im Ausgestalten, insbesondere die Protagonisten bleiben technisch-konstruiert künstlich und damit für den Leser fremd und fern. Ganz wunderbar dagegen sind Fitzeks Danksagungen am Ende des Buches: Man sieht beim Lesen sein verschmitztes Lächeln direkt vor sich…

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Veröffentlicht am 17.11.2020

Familiäre Wurzeln und Vielfalt des offenen Geistes

Kein Held
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„Kein Held“ berichtet von einem, der vielleicht doch ein Held war. Der Großvater Josef Mutter - ein Held im Hinnehmen von Gegebenheiten, ein Held im Ertragen von Unabänderlichem, ein Held im Alltäglichen, ...


„Kein Held“ berichtet von einem, der vielleicht doch ein Held war. Der Großvater Josef Mutter - ein Held im Hinnehmen von Gegebenheiten, ein Held im Ertragen von Unabänderlichem, ein Held im Alltäglichen, ein Held mit Haltung. Und für mich gibt es im Buch noch einen Helden, nämlich den Enkel Valentin Moritz – ein Held im genauen Hinhören und Hinschauen, ein Held im Bewahren von Erinnerungen, ein sensibler Held. Das Vorwort von Stéphane Hessel: „Die schlimmste aller Haltungen ist die Gleichgültigkeit“ ist ideal gewählt für ein Buch, das den Leser nicht eine einzige Seite lang gleichgültig lässt.

Dass das Buch den Leser erst einmal verwirrt, mag beabsichtigt sein. Denn es beginnt mit einem zu Herzen gehenden Abschnitt aus dem Ende des Lebens des Großvaters, um dann auf dessen früheste Erinnerungen umzuschwenken und Kindheitserinnerungen des Enkels darunterzumischen. Es war schwierig für mich, bereits zu Beginn des Buches dem Großvater in seinen intimsten Zeiten des Sterbens nahe zu sein, um dann erst nach und nach von seinem Leben zu erfahren. Also erst vom Sterben, dann vom Leben zu lesen, vom Abschied zum Beginn zu springen.

Da ist der Enkel schon seit Jahren der räumlichen und geistigen Enge seines südbadischen Heimatdorfes ins pulsierende Berlin entflohen, lebt sein ganz eigenes suchendes Leben und wird völlig überraschend mit der Vergangenheit konfrontiert, als sein Großvater ihn bittet, ihm bei der Niederschrift seiner Lebensgeschichte zu helfen. Und so schliddert er hinein in das bäuerliche, entbehrungsreiche Leben des Josef Mutter, in dem Arbeit den Tag bestimmt. Ein Leben, das durch die Erfahrungen vom Krieg, vom Afrikafeldzug bis hin zur Gefangenschaft in Algerien und in den USA zu einer offen-geraden Haltung führte. Sehr authentisch werden diese Erinnerungen wiedergegeben, ganz geradeaus und direkt. Und dazwischen erzählt einer, der sein Leben zwei Generationen später zu stemmen versucht, nachdenklich, sensibel. Dass die Erinnerungen hin und her springen von Großvater zum Enkel und umgekehrt, teilweise sich fast übereinander zu legen scheinen, gewährt dem Leser einen ganz besonderen Blick auf das, was Familie ist, was Wurzeln sind, und wie unterschiedlich das Mitgegebene interpretiert werden kann im eigenen Lebensentwurf. Valentin Moritz erzählt mit verhaltenem Humor, mit leichtem Schmunzeln, manchmal in grober Umgangssprache, immer aber feinfühlig und mit Respekt. Kurzum: Lesenswert!

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Veröffentlicht am 10.11.2020

Packende Szenen und ein gemeiner Cliffhanger

Die Hornisse (Tom-Babylon-Serie 3)
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Wenn ein renommierter LKA-Ermittler wie Tom Babylon mitten beim Babyschwimmen weggerufen wird an einen Tatort, so zeigt sich meiner Meinung nach genau an dieser fast komisch anmutenden Szene sowohl die ...


Wenn ein renommierter LKA-Ermittler wie Tom Babylon mitten beim Babyschwimmen weggerufen wird an einen Tatort, so zeigt sich meiner Meinung nach genau an dieser fast komisch anmutenden Szene sowohl die Stärke als auch die Schwäche des vorliegenden Buches.

Der gefeierte Rockstar Brad Galloway ist tot, er liegt ausgeblutet und ans Bett gefesselt in seinem Hotelzimmer. Einzige mögliche Spur: Eine unbekannte Frau hatte Brad Galloway noch während seines Konzertes in Berlin am Abend zuvor einen geheimnisvollen Umschlag überreicht. Tom Babylon nimmt zusammen mit der Psychologin Sita Johanns die Ermittlungen auf. Jemand sinnt auf Rache und will alles zerstören, was Tom Babylon wichtig ist, doch der eigentliche Anfang der Geschichte liegt bereits 30 Jahre zurück.

Auch in diesem dritten Band rund um den Ermittler Tom Babylon wird in zwei Handlungssträngen erzählt. Die gegenwärtigen Geschehnisse sind im mühsam zu lesenden Präsens geschrieben, die Rückblicke rund um das Jahr 1989 im flüssigen Imperfekt. Die beiden Zeitebenen verweben sich, je weiter man liest, immer mehr, verknoten sich geradezu, geben Informationen und verwirren gleichzeitig. Es gibt Passagen von großer packender Spannung, insbesondere bei den Rückblicken, die sehr intensiv das Leben in der DDR mit der großen Angst vor dem herrschenden Denunziantentum schildern. Aber leider gibt es im Buch auch gewisse Längen, besonders während der Schilderungen der eher frustranen Ermittlungsarbeit. Und es wurde mir mitunter zu viel an Privatheit, was Tom Babylon da aus seiner Vergangenheit mit sich schleppt. Besonders die Szenen mit seiner vor 20 Jahren verschwundenen kleinen Schwester Viola, die gerne mal neben ihm im Auto sitzt und Kommentare abgibt, gingen mir bald auf die Nerven. Doch grundsätzlich ist auch dieser dritte Band gut und flott zu lesen, mit einer geschickt konstruierten Handlung, lebendigen Dialogen, aber leider mit einem ganz gemeinen Cliffhanger zum Schluss.

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Veröffentlicht am 06.11.2020

Ein Kinderbuch, wie es gelungener nicht sein könnte

Die wundersame Winterreise der Selma Larsson
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Nur noch wenige Tage bis Weihnachten. Mutter muss arbeiten, in einem Altersheim. Dass diese Arbeit sehr wichtig ist, weiß Selma, gerade an Weihnachten. Deshalb soll Selma zu ihrem Papa, der inzwischen ...

Nur noch wenige Tage bis Weihnachten. Mutter muss arbeiten, in einem Altersheim. Dass diese Arbeit sehr wichtig ist, weiß Selma, gerade an Weihnachten. Deshalb soll Selma zu ihrem Papa, der inzwischen eine neue Familie hat. Doch Papa sagt ganz kurzfristig ab. Selma ist sehr traurig, da bleibt nur noch, ganz wild auf dem Trampolin herumzuhüpfen, das hilft ein wenig. Schließlich kommt die rettende Idee: Selma soll zu Tante Maja, darüber freut sich Selma sehr. Als sie aus dem Zug aussteigt, wird sie jedoch von niemandem erwartet. So macht sich Selma zu Fuß durch den tiefen Schnee auf den Weg. Und damit beginnt ein aufregendes Abenteuer…

Welch eine Wohltat: „Die wundersame Wintereise der Selma Larsson“ ist ein Kinderbuch, wie es nicht gelungener sein könnte. Durch die spannungsreiche Geschichte verführt es kleine Leser in eine andere Welt. Ohne modisch anbiedernde Gassensprache. Ohne pädagogisch wertvolle Absichtserklärungen. Ohne offenkundige Problembewältigungs-Vorschläge. Nein, einfach ein Kinderbuch, wie es Kindern gut tut. Märchenhaft fast. Zum Wegträumen. Phantasie anregend. Zum Mitfiebern. Und tröstlich vor allem, denn die Geschichte geht gut aus. Und deshalb wohltuend für Kinderseelen. Eine Geschichte für kleine Leser (oder Zuhörer), die aufregend ist und deshalb gefangen nimmt, um nach einer Zeit des Mitfieberns wieder in die Realität auftauchen zu lassen. So, genauso sollen Kinderbücher sein, wenn sie das Wichtigste, was es gibt, den Leseanfängern mitgeben wollen: Die intensive Kraft der Phantasie. Die schlichten, aber ausdrucksstarken Illustrationen von Sonja Bougaeva, zum Teil koloriert, unterstreichen dieses rundum schöne vorweihnachtliche Kinderbuch

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