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Veröffentlicht am 15.09.2016

Eine Bedrohung aus der Dunkelheit

Die Therapeutin
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In diesem spannenden, psychologischen Unterhaltungsroman kämpft die junge Psychotherapeutin Siri Bergmann gegen einen fast unsichtbaren Feind, der sich mehr und mehr in ihr Leben schleicht und eine Spur ...

In diesem spannenden, psychologischen Unterhaltungsroman kämpft die junge Psychotherapeutin Siri Bergmann gegen einen fast unsichtbaren Feind, der sich mehr und mehr in ihr Leben schleicht und eine Spur der Vernichtung hinter sich herzieht. Angefangen bei Siris eigener Angst vor der Dunkelheit, die es ihr unmöglich macht, das Licht in ihrem Haus zu löschen entwickelt das Autorenduo einen intensiven, sehr subtilen Kriminalroman, der sich mit der Frage beschäftigt, welche Schuld der Einzelne am Tod eines geliebten Menschen trägt. Im Zentrum der Geschichte steht die Therapeutin selbst, die ihren von Zwangsstörungen heimgesuchten Patienten einen Weg zeigen möchte, wie diese sich helfen können und nicht länger dazu gezwungen sind, taten-und willenlos zuzuschauen, wie sich ihre Aggressionen am eigenen Körper anfühlen. Doch Siri trägt ebenfalls ein Päckchen mit sich herum, weil sie sich nicht eingestehen kann, dass sie den Selbstmord ihres Mannes nicht verhindern konnte. Geplagt von Schuld und unterlassener Hilfeleistung, sucht sich das Grauen einen Weg hinein in ihr Leben und fordert mit ihrer Patientin Sara Matteus ein erstes Opfer. Doch wird es Siri rechtzeitig gelingen, den wahren Täter zu entlarven, oder verstrickt sie sich zu tief in eine Depression?
Fazit: Ich vergebe eine Leseempfehlung für alle Krimifans, denen es um Spannung und psychologische Hintergründe geht und weniger um eine actionreiche, mörderische Verfolgungsjagd. Dieser Roman befasst sich mit dem ganz persönlichen Psychodrama einer jungen Frau und seziert ihr Leben und ihre Arbeit, bis die endgültige Frage der Schuld geklärt ist. Eine gelungene Abwechslung im Genre Kriminalroman, die mich als Fan gewinnen konnte, so dass ich auch die Folgebände dieser hiermit begonnenen Reihe lesen möchte.


Veröffentlicht am 15.09.2016

Was habe ich getan?

Remember Mia
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Estelle Paradise ist eine junge Mutter, die nicht mehr weiß, was mit ihrem 7 Monate altem Baby geschehen ist. Sie selbst ist nur knapp einem Unfalltod entgangen und leidet seitdem unter Amnesie. In den ...

Estelle Paradise ist eine junge Mutter, die nicht mehr weiß, was mit ihrem 7 Monate altem Baby geschehen ist. Sie selbst ist nur knapp einem Unfalltod entgangen und leidet seitdem unter Amnesie. In den Tiefen ihres Unterbewusstseins ist irgendwo der Schlüssel zu ihrer Vergangenheit begraben, doch für die Öffentlichkeit ist schnell klar: Estelle ist eine Mörderin, die ihren Gedächtnisverlust nur vorschiebt, um sich der Verantwortung für ihre grausame Tat zu entziehen. Mit Hilfe des Psychiaters Dr. Ari begibt sie sich auf Spurensuche und rekonstruiert Stück für Stück die Ereignisse, kurz vorm Verschwinden ihrer kleinen Mia. Doch die Zweifel lassen sich nicht zerstreuen und Estelle fragt sich unaufhörlich, zu welcher Tat sie fähig sein könnte und ob ihre Sinne sie nicht trügen.
Dieser Thriller hat es in sich, denn er fokussiert nicht nur ein Tabu-Thema unserer Gesellschaft, sondern erzeugt eine ganz eigene, intensive Atmosphäre die dem Roman seine ständig vorhandene Präsenz gibt. Im Mittelpunkt des Geschehens steht eine junge Frau, die sich mit einer schweren postnatalen Depression und einer daraus resultierenden Psychose durchs Leben schlagen muss und der kaum Hilfe angeboten wird. Die Autorin schildert bildlich und damit auch beängstigend die seelische Belastung, die schweren Selbstvorwürfe und die möglichen schrecklichen Konsequenzen, die sich aus dem labilen Gesundheitszustand der Mutter ergeben. Für persönlich Betroffene sind die entsprechenden Textstellen wohl nur schwer zu ertragen, weil sie gezielt die innere Verzweiflung und Leere heraufbeschwören, die ein ständig schreiendes Baby bei der überforderten Bezugsperson hervorrufen.
Gut die Hälfte des Thrillers beschäftigt sich mit dieser Thematik, ohne wirklich einen Handlungsfortgang zu präsentieren. Genau dieser Umstand führt dazu, dass es von mir Punktabzug gibt, denn ich empfinde die Szenerie als ein Psychogramm einer verirrten Seele und weniger als nervenaufreibenden Thriller. Dafür bekommt der Leser ein wirklich lückenloses Bild des Krankheitsverlaufs geschildert, welches durchaus seine Reize hat. Erst im zweiten Teil des Buches nimmt der Thriller dann Tempo auf, weil die Hauptprotagonistin ihre verschüttete Erinnerung an die Oberfläche holen kann.
Der Schreibstil liest sich flüssig und auch die Einteilung des Buches in mehrere Teile ergibt Sinn und animiert zum Lesen. Positiv zu beurteilen sind auch die Schriftgröße und die Handlichkeit des Buches, denn man kann es sich damit richtig bequem machen.
Fazit: Meine Erwartungen wurden hier nicht ganz erfüllt, weil ich mir mehr Nervenkitzel und ungeahnte Wendungen erhofft habe. Die Entwicklung des Romans ist sehr vorhersehbar, die Verdächtigen stehen bald fest und es gibt kaum Überraschungen. All das sind für mich jedoch wesentliche Bestandteile für einen Thriller. Dennoch konnte mich das Buch fesseln, weil es eine andere Richtung eingeschlagen hat, bei der es kontinuierlich blieb. Ich vergebe insgesamt 3,5 Sterne (aufgerundet 4) für einen Thriller mit psychischer Komponente und gut ausgearbeiteten Charakteren, der ein Gefühl der Beklemmung hervorrufen kann und die Grenze zwischen den Möglichkeiten und den Unwahrscheinlichkeiten gekonnt verwischt.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Krishna Mustafas Reise zu sich selbst

Wieso Heimat, ich wohne zur Miete
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Krishna Mustafa ist geborener Türke, lebt aber als Scheidungskind seit seinem 6. Lebensjahr in Deutschland. Seine Mutter, eine Deutsche hat die Lebensweise seines türkischen Vaters nicht länger ertragen ...

Krishna Mustafa ist geborener Türke, lebt aber als Scheidungskind seit seinem 6. Lebensjahr in Deutschland. Seine Mutter, eine Deutsche hat die Lebensweise seines türkischen Vaters nicht länger ertragen und ist damals in ihre Heimat zurückgekehrt. Doch nun ist Krishna 24 und seine Freundin Laura hat ihn vor die Tür gesetzt, weil er angeblich seine Identität noch längst nicht gefunden hat. Also begibt sich der junge Mann auf Spurensuche in sein Geburtsland, um die Bedenken ein für allemal auszuräumen. Doch seine wahre Identität kann er nicht finden, denn er lebt nicht nur zwischen zwei Welten, sondern hat in erster Linie ganz eigene Vorstellungen von seinem Leben und die sind weder typisch Deutsch noch typisch Türkisch.
Auf dieses Buch bin ich vor allem wegen seines kreativen Titels sowie seiner Aktualität aufmerksam geworden. Und beide Aspekte werden im vorliegenden Roman bedacht und mittels humorvoller Situationskomik geschildert. So befasst sich nicht nur der leicht orientierungslose Hauptprotagonist mit seinen Wurzeln, sondern auch der neugierige Leser gewinnt tiefe Einblicke in das Denken eines "Ausländers". Schon bald wird klar, dass die manifestierten Unterschiede zwischen den Kulturen anscheinend nur Vorurteile sind, die sich konkret gar nicht belegen lassen. Und außerdem gibt es in beiden Ländern Missstände und fortschrittliches Denken, hier und dort werden zwar klare Abgrenzungen sichtbar, die sich im alltäglichen Leben auch deutlich zeigen, doch sie sind eher menschlicher Natur, denn landesspezifischer Art.

Und so schafft Selim Özdogan einen ehrlichen Abriss über zwei Kulturen, die sich nicht immer verstehen, aber durchaus miteinander verbinden lassen, indem der Einzelne einfach ein Leben führt, welches nur den eigenen Ansprüchen genügt und nicht den gesellschaftlichen Anforderungen. In 30 kurzen Kapiteln reiht sich eine Anekdote an die nächste und doch ergibt sich daraus ein zusammenhängendes Bild und ein abwechslungsreicher, innovativer Gesellschaftsroman.
„Für die Türken ist der Türke etwas anderes, als er für die Deutschen ist. Und für die Deutschen ist der Deutsche etwas anderes, als er für die Türken ist.“
Fazit: Ein poetischer, teils philosophischer Roman, der immer mit einem Augenzwinkern aufwartet und den man getrost weiterempfehlen kann, an Leser die sich nicht sklavisch an Dogmen und völkischer Überheblichkeit orientieren. Ein wirklich andersartiger Unterhaltungsroman, der für mehr Offenheit und Zugeständnisse plädiert. Die Umsetzung hat mir gut gefallen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Von Müttern und Töchtern

Die Ungehörigkeit des Glücks
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Erzählt wird hier die Familiengeschichte dreier Frauen, in der Gegenwart und mittels Rückblenden auch in der Vergangenheit. Mary, die Großmutter leidet an Alzheimer und kehrt nach dem Tod ihres Lebensgefährten ...

Erzählt wird hier die Familiengeschichte dreier Frauen, in der Gegenwart und mittels Rückblenden auch in der Vergangenheit. Mary, die Großmutter leidet an Alzheimer und kehrt nach dem Tod ihres Lebensgefährten in den Schoß der Familie zurück. Dort erwartet sie die ablehnende Haltung ihrer Tochter Caroline und die eher aufgeschlossen, interessierte Enkeltochter Kathie. Während Caroline mit ihrer Mutter abgeschlossen hat, weil diese nie wirklich eine Mutterrolle für sie eingenommen hat, beginnt Kathie mit einem Tagebuch, welches der alten Frau ihre immer schneller schwindenden Erinnerungen zurückbringen und erhalten soll. Doch mit der Zeit müssen sich alle drei darüber klarwerden, wer sie sind, wer sie sein wollen und wer sie waren.
Auf diesen Roman und seine Geschichte habe ich mich sehr gefreut und ihn sofort nach Erscheinen auf meine Wunschliste gesetzt, weil mir sowohl die Thematik Alzheimer als auch dramatische Familiengeschichten immer große Freude bereiten und absolut in mein Beuteschema fallen. Doch so ganz hat er meine Vorstellungen nicht erfüllt, er war einfach anders als erwartet.
Meine Kritikpunkte beziehen sich zum einen auf die entworfene Nebenhandlung, die sich mit Kathies sexueller Orientierung auseinandersetzt und die 17-Jährige als ein sehr unerfahrenes, unentschlossenes Mädchen darstellt, die ihre Position im Leben und in der Liebe erst noch herausfinden muss und zum anderen auf die Vernachlässigung der Erkrankung Alzheimer, die hier nur oberflächlich als Aufhänger der Geschichte dient. Diese beiden Aspekte haben dazu geführt, dass ich für das Buch doch eine Weile gebraucht habe, weil sie den Lesefluss unterbrochen haben.
Die Pluspunkte des Romans überwiegen dennoch. Ein leichter, erzählerischer Schreibstil mit gut gewählten Schauplätzen und abwechslungsreichen Szenen bereitet generell Lesefreude. Auch die zentrale Aussage des Buches gefällt mir sehr, denn es geht in erster Linie darum, wie man es als Mutter schafft, den Balanceakt zwischen der persönlichen Freiheit und einem zuverlässigen Zuhause für die Kinder herzustellen. Welche Abstriche muss man machen? Wo sollte man sich vielleicht zurücknehmen? Und wer sagt eigentlich, was eine gute Mutter ausmacht?

Diesbezüglich erörtert der Roman sehr intensiv, gibt Denkanstöße und erhebt niemals den Zeigefinger, denn der Grundtenor geht in die Richtung: Jeder macht Fehler, niemand ist perfekt und doch kann man trotz persönlicher Schwächen ein liebenswerter Mensch sein, der um seiner selbst willen angenommen und geliebt werden sollte. Jenny Downham widmet sich ausführlich dem Verzeihen, dem Mut über den eigenen Schatten zu springen und der bestehenden Möglichkeit, auch spät im Leben eine Kehrtwende einzuschlagen.

Fazit: Ein lesenswertes Buch, welches ich dem Genre Jugendbuch viel lieber zuordnen würde, weil es die Belange und Gedanken einer Jugendlichen fokussiert und eher für junge Leser zugeschnitten ist. Eine Erzählung, die sich am Leben selbst orientiert und eigene Interpretationen zulässt. Ich vergebe eine Leseempfehlung für alle, die Familiengeschichten mögen und ein Buch für Zwischendurch suchen, denn an Nachklang fehlt es der Erzählung etwas.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Die schmerzhaften Fesseln der Liebe

Kreuzfahrt
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Zwei Männer, zwei Frauen und zwei Beziehungen, die emotional schon längst in die Brüche gegangen sind. Wie es der Zufall so will begegnen sich Meret und Jan im Sommerurlaub, den beide mit ihrer jeweiligen ...

Zwei Männer, zwei Frauen und zwei Beziehungen, die emotional schon längst in die Brüche gegangen sind. Wie es der Zufall so will begegnen sich Meret und Jan im Sommerurlaub, den beide mit ihrer jeweiligen Familie im sonnigen Süden verbringen. Schon dort sprühen heftig die Funken und die körperliche Anziehungskraft bringt sie fast um den Verstand. Doch zurück in der Heimat ergeben sich noch ganz andere Perspektiven, plötzlich werden Jan und seine Frau Romy direkte Nachbarn von Meret und Dres. Die Kinder spielen gemeinsam und aus Fremden werden Freunde. Nur mit dem Unterschied, dass es hier keine Freundschaft, sondern in erster Linie Verlangen gibt. Die intensive Affäre, die beide beginnen ist aber nur von kurzer Dauer, denn manchmal löscht das Leben die Erinnerung an einen Menschen restlos aus und hinterlässt nur eine kaum greifbare Traurigkeit…
Dieser zeitgenössische Roman über ein altbekanntes, immer wieder neu besprochenes Thema, den Seitensprung und seine Folgen, hat mich bereits im Vorfeld sehr neugierig gemacht. Dementsprechend hoch war auch meine Erwartungshaltung, da ich viele sehr gute und intensive Romane mit dieser Thematik bereits gelesen habe.
Das Buch und die Geschichte um Meret und Jan lassen mich allerdings etwas zwiegespalten zurück, was in erster Linie an den sehr unsympathischen Protagonisten liegt. Die nicht nur ein einsames, absolut egoistisches Leben führen, sondern darüber hinaus auch keinerlei Interesse an wirklich tiefen Gefühlen haben. Für mich stellte sich hier immer wieder die Frage, warum verharren Menschen in einer Beziehung, die ihnen längst nichts mehr bedeutet, die sie innerlich immer weiter vereinsamen lässt und der niemand eine positive Bilanz bescheinigen wird?! Noch dramatischer finde ich die Einstellung zu den eigenen Kindern, die irgendwie immer stören, die abgeschoben und fremdbetreut werden und denen man ebenfalls keinerlei körperliche und seelische Wärme zukommen lässt, obwohl sie noch klein sind und sich gewiss danach sehnen.
Was mir gefallen hat war die intensive Auseinandersetzung der Hauptprotagonistin Meret, die ihre Gefühle und Gedanken in einer Art Brief an ihren Geliebten formuliert, um sich ihres Handelns bewusst zu werden. Der Autorin gelingt es, die psychologische Komponente des Seitensprungs von allerlei Perspektiven zu beleuchten. Sie verliert sich dabei oft in philosophischen Betrachtungen, weil auch das geschriebene Wort hier nur ein Gedankenkonstrukt ist aber sie erkennt ganz deutlich die Grenzen, die Chancen auf einen Neubeginn, überhaupt der Wille zur Veränderung und damit schlägt sie einen großen Bogen, der mich in seiner Kernaussage zwar nicht befriedigt aber in sich selbst geschlossen ist.
Fazit: Ich vergebe 3 Sterne für diesen komplexen, doch etwas verwirrenden Roman, der sich recht wenig mit der Liebe auseinandersetzt, dafür umso mehr mit Fehlentscheidungen, persönlicher Unzufriedenheit, innerer Abschiede und trauriger Wahrheiten. Wer sich gerne mit den Gedankengängen anderer, ihrer Lebensweise und Erfahrung auseinandersetzt, der wird hier vielleicht finden, was er sucht. Wer allerdings ein warmherziges, vertrauensvolles Bild von der Liebe und seinen Mitmenschen hat, der geht wohl eher etwas enttäuscht aus der Lektüre.