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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.10.2023

Virtuos erzählter Roman über G. W. Pabst

Lichtspiel
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Daniel Kehlmanns neuer Roman stellt den einst gefeierten und heute weniger bekannten deutschen Regisseur Georg Wilhelm Pabst ins Rampenlicht, um ihn dann wieder in den Schatten zu stellen, entsprechend ...

Daniel Kehlmanns neuer Roman stellt den einst gefeierten und heute weniger bekannten deutschen Regisseur Georg Wilhelm Pabst ins Rampenlicht, um ihn dann wieder in den Schatten zu stellen, entsprechend seiner Rolle als Regisseur hinter der Kamera.
Erzählt aus verschiedenen Perspektiven, darunter z.B. die von Pabsts Frau Trude, seinem Sohn Jakob und die seines Assistenten, wird nicht nur ein interessantes Porträt von G. W. Pabst, sondern auch von der damaligen Zeit gezeichnet.

Am Anfang des gewohnt virtuos erzählten Romans steht jedoch der fiktive Franz Wilzek, der mit Pabst zusammen gearbeitet hat und eine bedeutende Rolle im Falle des verschollenen Pabst Film "Der Fall Molander" gespielt hat.
Danach taucht man in die 30er- und 40er-Jahre des 20. Jahrhunderts ein. Zunächst emigriert Pabst nach Hollywood und versucht dort sein Glück, jedoch sein Film "A Modern Hero" scheitert krachend. Er kehrt nach Österreich zurück, um dort sich um seine kranke Mutter auf Schloss Dreiturm zu kümmern. Währenddessen versucht Goebbels Pabst für sich gewinnen, damit er Filme für Nazideutschland dreht. Zunächst versucht Pabst nicht dem Werben von Goebbels nachzugeben, doch mit Kriegsbeginn ändert sich seine Einstellung diesbezüglich.

Ähnlich rasant geschrieben wie ein spannendes Drehbuch, zieht die Handlung, in der geschickt tatsächliche Ereignisse zu einer fiktiven Geschichte verwoben werden, den Lesenden in ihren Bann.
Anfangs noch leicht verwirrend setzen sich nach und nach die einzelnen Erzählperspektiven zu einer Geschichte zusammen, in der es um Kunst, Macht und auch um die Frage nach Verantwortung geht.
Darf man im Namen der Kunst auch für ein menschenverachtendes Regime arbeiten oder wird dadurch das eigene künstlerische Werk unwiderruflich beschmutzt? Beim Lesen stellt man sich diese Fragen, ohne dabei so richtig eine Antwort darauf zu bekommen, wie G. W. Pabst darüber gedacht hat, denn der Roman lässt die Gedanken und Gefühle von Pabst seltsam außen vor. Allen anderen Charaktere sind greifbarer als die Hauptfigur des Romans selbst.

Hätte Kehlmann es geschafft, Pabst noch mehr hervortreten zu lassen, hätte "Lichtspiel" ein großartiges Werk werden können, so ist es besonders sprachlich und stilistisch immer noch großartig, aber inhaltlich hat es nicht die Wucht, die ich mir erwartet habe.
Dennoch hat mir "Lichtspiel" ein tolles Lesevergnügen bereitet und ist nicht nur für Fans von Kehlmann lesenswert.

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Veröffentlicht am 08.10.2023

Einem Mordclub, dem es an Schwung und Charme fehlt

Mrs Potts’ Mordclub und der tote Bräutigam
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Mrs. Potts Mordclub ermittelt wieder und die 78-jährige Rentnerin Judith, die 40-jährige Becks, Frau des örtlichen Pfarrers und Suzie, jetzt Moderatorin bei Marlow FM, kommen zusammen, um den Mord an Sir ...

Mrs. Potts Mordclub ermittelt wieder und die 78-jährige Rentnerin Judith, die 40-jährige Becks, Frau des örtlichen Pfarrers und Suzie, jetzt Moderatorin bei Marlow FM, kommen zusammen, um den Mord an Sir Peter Bailey aufzuklären. Sir Peter hatte Judith zu seiner Feier einen Tag vor seiner Hochzeit eingeladen, weil er befürchtete von seinem Sohn umgebracht zu werden. Neben Judith sind auch Suzie und Becks auf der Feier, die durch Sir Peters Tod ein jähes Ende findet. Sir Peters Leiche wurde in einem verschlossenen Raum aufgefunden, auch gab es keine Zeugen. Die Polizei glaubt nicht an einen Mord und so ermitteln die drei und sammeln Hinweise auf den Täter.

Kurzweilige und humorvolle Unterhaltung habe ich mir vom zweiten Buch der Reihe erhofft, doch leider konnte mich der neue Fall für Mrs. Potts Mordclub nicht so richtig überzeugen.
Anfangs geht es noch hoch her, denn der Mord an Sir Peter Bailey lässt nicht lange auf sich warten. Doch als es dann an die Ermittlungsarbeit der drei Damen geht, verliert der Kriminalroman zunehmend an Schwung und verliert sich unnötigen Nebensächlichkeiten und Gesprächen. Mit einem verschlossenen Mordzimmer und einer angespannten Familiendynamik, die die ganze Zeit über brodelt und ein paar überraschenden Wendungen, weiß der Kriminalfall durchaus für spannende Momente zu sorgen, auch wenn die Struktur des Verbrechens schon zu Beginn des Buches ziemlich offensichtlich ist. Enttäuschenderweise können die drei Damen diesmal jedoch nicht so richtig überzeugen, besonders Judith fand ich mit zunehmender Buchlänge leicht nervig und irritierend. Sie waren alle drei nicht so charmant wie im ersten Band und mischten sich meiner Meinung nach auch zu sehr in das Leben anderer ein.

Ein Mordfall, der alle Zutaten für einen spannenden und unterhaltsamen Krimi hatte, aber zu viele Seiten brauchte, um von dem diesmal weniger charmanten Mrs. Pott Mordclub aufgelöst zu werden, so präsentierte sich "Mrs Potts' Mordclub und der tote Bräutigam" für mich.

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Veröffentlicht am 30.09.2023

Bedrückend und fesselnd zugleich

Ich, Sperling
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In dem überraschend fesselnden Roman "Ich, Sperling" begleitet man einen Sklavenjungen unbekannten Alters, unbekannter Herkunft und unbekannten Namens von seiner frühen bis mittleren Kindheit, wie er zunächst ...

In dem überraschend fesselnden Roman "Ich, Sperling" begleitet man einen Sklavenjungen unbekannten Alters, unbekannter Herkunft und unbekannten Namens von seiner frühen bis mittleren Kindheit, wie er zunächst als Haushaltssklave und dann als Kinderprostituierte im heutigen Cartagena in einer Taverne lebt. Als er Jahrzehnte später aus Großbritannien schreibt, erinnert sich Sperling an sein damaliges Leben.

Dank der ausführlichen bildlichen Beschreibung bekommt man ein Gefühl für den Ort und die Zeit, in der das Buch spielt. Der begrenzte Lebens- und Handlungsraum von Sperling erwacht zum Leben, wenn er sich in den Straßen von Karthago Nova bewegt oder in den engen und bedrückenden Wänden des Bordells, in dem er lebt. Manchmal hindert jedoch der bildhafte Erzählstil die Handlung am Vorankommen, besonders am Anfang dauerte es etwas, bis die Geschichte wirklich in Gang kommt.

"Ich, Sperling" ist eine gut geschriebene, atmosphärische und teils auch deprimierende Lektüre.
Sperling durchbricht an einer Stelle die vierte Wand und sinniert darüber, dass wahrscheinlich niemand jemals seine Gedanken lesen wird, was meiner Meinung nach das Thema dieses Romans, die völlige Hoffnungslosigkeit, auf den Punkt bringt. Es gibt kein Happy End, keine Antworten auf die offenen Fragen, wodurch der Schluss des Buches im Vergleich zum Rest des Buches etwas abfällt.
Die verschiedenen Charaktere sind mehr oder weniger komplex, was aber auch an der gewählten Erzählperspektive aus der Sicht von Sperling liegen könnte. Bedingt dadurch, dass man das Alter von Sperling nicht weiß, fällt es oft schwer, die Geschehnisse zeitlich einzuordnen, was teils für Verwirrung sorgt.
Es ist kein leichter Roman, er schreckt nicht davor zurück, das harte Leben eines Sklavenjungen in einem antiken römischen Bordell darzustellen. Doch so schrecklich manche Szenen auch sind, so fliegt man ähnlich wie ein Sperling über die Dächer von Rom fliegt durch die Seiten des Romanes.

Fazit: Ein toller historischer Roman aus der Sicht eines Sklavenjungen im alten römischen Reich, der trotz kleiner Schwächen im Erzähltempo und der Charakterdarstellung, zu überzeugen und zu berühren weiß.

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Veröffentlicht am 30.09.2023

Spannungsarme Ermittlung

Verlogen
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Die Leiche einer Frau, die seit sieben Monaten vermisst wird, wird in einem Lavafeld gefunden. Elma und ihre Kollegen hatten das Verschwinden zwar damals untersucht, Elma kommen aber nun Zweifel auf, ob ...

Die Leiche einer Frau, die seit sieben Monaten vermisst wird, wird in einem Lavafeld gefunden. Elma und ihre Kollegen hatten das Verschwinden zwar damals untersucht, Elma kommen aber nun Zweifel auf, ob sie damals alles getan haben, um die vermisste Frau zu finden. Jetzt sieben Monaten später ist es schwierig, alte Informationen zu überprüfen und neue Beweise zu finden. Zudem kommt bei Elma der Verdacht auf, dass nicht alle die Wahrheit sagen und es auch beim ersten Mal nicht getan haben.
Unterbrochen wird die Handlung in der Gegenwart, durch tagebuchartige Einträge einer jungen Mutter. Das Geheimnis, bei wem es sich bei der Person handelt und was sie mit dem Mord in der Gegenwart zu tun hat, enthüllt sich als Elma die Wahrheit in der Gegenwart findet.

Anfangs erhöhten die Rückblenden in die Vergangenheit über eine alleinerziehende Mutter noch die Spannung an der erstaunlich wenig atmosphärisch und wenig fesselnd erzählten Geschichte. Doch dieser Handlungsstrang verliert auch mit zunehmender Seitenanzahl seinen Reiz. Auch der Erzählstil kann nicht überzeugen. Er ist gestelzt, es wird viel erklärt und nicht annähernd genug gezeigt.
Wären die Namen der Personen und der Orte nicht isländisch, könnte man alleine von der leblosen und wenig bildhaften Beschreibung nicht darauf schließen, dass der Krimi auf Island spielt. Und genau das ist eines der Probleme des Krimis, seine Beliebigkeit in Bezug auf Umgebungs- und Charakterbeschreibung. Besonders die handelnden Personen blieben blass und unterentwickelt.

Zudem scheinen Elma und ihre Kollegen nicht wirklich zu ermitteln, zwischen einem Familienessen und einem kleinen, nicht sehr strengen Verhör verbringen sie ihre Zeit damit, von einem Zeugen oder Verdächtigen zu gehen, ohne groß in ihren Ermittlungen voranzukommen.
Auch das Ende kann nicht überzeugen. Nach dem langatmigen "Spannungsaufbau" und der ein oder anderen Wendung, endet die Handlung ziemlich abrupt und wirft mehr Fragen auf, als das beantwortet werden, wie schon im ersten Band.

Der erste Band konnte mich schon nicht ganz von sich überzeugen, sodass meine Erwartungen nicht besonders hoch waren. Die wenigen Erwartungen, die ich hatte, wurden noch unterboten (auch eine Leistung für sich).
Auch der zweite Band ist für mich ein spannungsarmer und wenig atmosphärischer Krimi, der zwar gute Ansätze hat, deren Potenzial jedoch nicht ausschöpft und so keinen bleibenden und überzeugenden Eindruck hinterlässt.

Nur für Fans des ersten Bandes zu empfehlen.

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Veröffentlicht am 30.09.2023

Verworren und langatmig - ein fesselndes Rätsel sieht anders aus

Ingenium
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Träume, Rituale, Puzzles, Rätsel, Porzellanpuppen, Gebetskreise, ein zweigeschlechtlicher Gott, das Gottesrätsel, künstliche Intelligenz, Quantenphysik und ehe man sich versieht, steht die Zukunft des ...

Träume, Rituale, Puzzles, Rätsel, Porzellanpuppen, Gebetskreise, ein zweigeschlechtlicher Gott, das Gottesrätsel, künstliche Intelligenz, Quantenphysik und ehe man sich versieht, steht die Zukunft des Universums und der Menschheit auf dem Spiel.
Wer dabei noch den Überblick behält und nicht verwirrt zurückbleibt, der könnte Gefallen an "Ingenium" finden.
Mir war es jedoch zu verworren, die unterschiedlichen Puzzleteile (verschiedene Handlungsstränge, Wendungen und Botschaften) fügten sich für mich nicht zu einem kompletten Puzzle zusammen.

Der Anfang des Buches hat noch neugierig gemacht.
Zu Beginn lernt man Mike Brink kennen, einen Rätselersteller, bei dem nach einer traumatischen Hirnverletzung das Savant-Syndrom diagnostiziert wurde. Diese seltene Krankheit erlaubt es ihm, Muster in allem zu sehen, und verleiht ihm die einzigartige Fähigkeit, Rätsel bzw. Puzzle zu konstruieren und zu lösen. Auf Veranlassung eines Psychiaters wird er in ein Frauengefängnis im Bundesstaat New York gerufen, dessen Patientin Jess Price kein Wort mehr gesprochen hat, seit sie wegen des Mordes an ihrem Freund verhaftet wurde. Doch nun hat Jess eine Nachricht für Mike, die ihn in ein komplexes altes Rätsel und ein tödliches Spiel mit höchstem Einsatz verwickelt.

Durch die Einbeziehung von Auszügen aus Jess' Tagebuch und Briefen, die ein mysteriöser Puppenmacher vor mehr als hundert Jahren geschrieben hat, wird zu Anfang Spannung aufgebaut. Doch dann kamen immer mehr verschiedene Handlungsstränge und Nebenschauplätze hinzu, bis alles unglaublich verworren und esoterisch wird. Was als Rätselabenteuer mit faszinierenden historischen Elementen beginnt, entwickelt sich schnell zu einer verworrenen Handlung mit Quantenphysik, künstlicher Intelligenz und verschiedenen religiösen Aspekten. Alles interessante Themen - aber sie gehören nicht alle in die Handlung dieses Buches. Es schien, als würde Trussoni immer wieder neue Ideen einführen und dann die vorherigen Ideen sofort wieder verwerfen.
Außerdem sind die Charaktere sehr flach. Zu keinem Zeitpunkt sind sie als dreidimensionale Personen greifbar. Sie bleiben farblos und blass und das trotz interessanter Hintergrundgeschichten. Ebenso konnte die Liebesgeschichte und wie sie zustande kommt, nicht überzeugen, von den problematischen Aspekten einmal abgesehen.
Anteil daran hatte auch der sehr beschreibende Schreibstil. "Show, don't tell" scheint der Autorin nicht wirklich ein Begriff zu sein.

"Ingenium" macht für mich den Eindruck, dass versucht wurde, etwas Kluges und Rätselhaftes zu schreiben, dass dann in einem verwirrenden und langatmigen Mix aus Thriller, Fantasy, Science Fiction und Mystery endete und dabei keinem Genre so richtig gerecht wird.
Auch von Spannung kann keine Rede sein. Trotz der zahlreichen Wendungen und endlosen übernatürlichen und mysteriösen Fäden fehlt der Nervenkitzel.
Die stilistischen Probleme, zusammen mit einigen Handlungslücken und der chaotischen Natur der zu vielen Handlungsstränge machen "Ingenium" zu einer enttäuschenden, wenig fesselnden Lektüre und nicht zu dem anfangs erwartenden spannenden Rätsel.

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