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Veröffentlicht am 06.01.2023

Kann leider auf Dauer die Spannung nicht halten

Schneeflockengrab
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Kopenhagen im Winter - es könnte eine idyllische Szenerie für alle Passanten sein, wenn da nicht der tote junge Mann wäre, der mit einem Pappschild und der Aufschrift "schuldig" regelrecht wie am Pranger ...

Kopenhagen im Winter - es könnte eine idyllische Szenerie für alle Passanten sein, wenn da nicht der tote junge Mann wäre, der mit einem Pappschild und der Aufschrift "schuldig" regelrecht wie am Pranger unter einer Straßenlaterne sitzt. Journalistin Jensen wird mit dem Anblick konfrontiert und auch mit der Tatsache, dass es sich hier wohl eine eine Mordserie an Obdachlosen handelt. Denn das Morden geht weiter und es schient, als wolle der Täter auf etwas aufmerksam machen. Aber was ?


Heide Amsinck entführt ihre Leser:innen in das winterliche Kopenhagen und lässt nicht nur die Schneeflocken tanzen. Es gelingt ihr sehr gut, die frostige und kühle Atmosphäre darzustellen und die Schauplätze zu beleben. Mit Jensen habe ich über die gesamte Dauer des Buches so meine Probleme, denn sie ist kein einfacher Charakter. Sie eckt an, nimmt dies wissentlich in Kauf, ja provoziert sogar manchmal den ein oder anderen verbalen Zusammenstoß. Sie macht lieber ihr Ding, anstatt im Team zu arbeiten und auch der Arbeitseifer lässt mitunter zu wünschen übrig.

Da die Handlung aus mehreren Perspektiven erzählt wird, ist genügend Abwechslung und auch Tempo vorhanden, um eine gewisse Neugier auf das, was da noch kommt, hochzuhalten. Leider schafft es aber die Autorin nicht, diese Spannung auf Dauer zu halten und so flacht das Interesse im Verlauf des Buches immer weiter ab. Dabei sind die behandelten Themen im Buch überaus interessant und ich finde es richtig und wichtig, dass die Schreibende die Thematik als Grundlage für ihren Krimi nutzt. Allerdings bleibt sie an der Oberfläche und reißt nur Dinge an, anstatt sie zu vertiefen. Hier wäre weniger mehr gewesen, um die ganze Aufmerksamkeit - nicht nur die der Lesenden - auf die Missstände in der Gesellschaft zu lenken.

Auch ist relativ früh klar, wer die Taten begangen hat, sodass die Luft beim Lesen raus ist. Es fehlt mit jedoch ein tieferer Einblick in die Beweggründe, um alles nachvollziehen und verstehen zu können. So bleibt der Krimi mit seinen doch mitunter sehr gewöhnungsbedürftigen Figuren leider nicht dauerhaft in Erinnerung und bekommt neutrale 3 Sternchen


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Veröffentlicht am 05.01.2023

Ein echter Nagelbeißer

Wenn der Nebel schweigt
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Schon vor Jahren hat Jana den Kontakt zu ihrem Vater abgebrochen, denn zu viel Ungesagtes steht zwischen ihnen. Vor allen Dingen ist die Frage, ob er auch für den Tod der Mutter verantwortlich ist, immer ...

Schon vor Jahren hat Jana den Kontakt zu ihrem Vater abgebrochen, denn zu viel Ungesagtes steht zwischen ihnen. Vor allen Dingen ist die Frage, ob er auch für den Tod der Mutter verantwortlich ist, immer noch ungeklärt und treibt weiter einen Keil zwischen die ohnehin belastete Beziehung. Als Jana einen Anruf erhält, dass es nicht zum Besten um ihren Vater steht, reist sie an den Ort zurück, der mit schrecklichen Erinnerungen verbunden ist und sich Zuhause nennt. Und es scheint, als würde erneut der Nebel sein grausames Tuch über alle Bewohner;innen ausbreiten...


Ich bin durch den wirklich sehr gut aufgemachten Trailer auf das Buch aufmerksam geworden und danach musste ich einfach dieses Buch lesen. Roman Klementovic weiß von der ersten Seite an seine Leserschaft regelrecht mit einer kalten Hand in die Handlung hineinzuziehen und stülpt den Nebel wie eine todbringende Glocke über den Ort am Waldrand.

Die Handlung ist in zwei Erzählstränge unterteilt, die sich einmal mit dem Hier und Jetzt und dann mit dem Countdown vor dem Mord an Janas Mutter befassen. Diese sind so konzipiert, dass sie Panik in Echtzeit heraufbeschwören, für Gänsehaut auf den Armen und Kribbeln in den Fingerkuppen sorgen. Dabei sind die Bilder aus dem Messie-Haus so plakativ beschrieben, dass sich das Chaos aus meterhohen Haufen Müll, Gerümpel und sonstigem Unrat vor dem geistigen Augen auftürmt. Auch der unerträgliche beißende Gestank frisst sich in die Nasenschleimhäute und legt sich auf die Atemwege.

Jana versucht nicht nur im Chaoshaushalt ihres Vaters einen Weg zu finden, sondern sie fasst sich ein Herz und geht all den Fragen auf den Grund, die sie schon seit Jahren beschäftigen. Dabei stößt sie auf eine regelrechte Wand aus Gleichgültigkeit, Lügen und falschem Interesse und muss nach und nach aus diesem Konstrukt die Puzzleteilchen zusammensuchen, die ihr die Hinweise auf die Wahrheit geben.

Die Leser:innen befinden sich dabei immer direkt an ihrer Seite, sind hautnah mit dabei, wenn die tragische und komplexe Geschichte immer mehr an Fahrt aufnimmt und werden vom Autor vielfach in die Irre geführt. Immer wieder gibt es unvorhergesehene Twists, die die Herzfrequenz in die Höhe treiben und den Pulsschlag beschleunigen. Bis zum Schluss bleibt der Täter im Verborgenen und erst auf den letzten Seiten fällt der Vorhang auf der grausamen Bühne des Lebens und der Nebel lichtet sich.

Ich habe selten ein so rasant erzähltes und atmosphärisch dichtes Buch in den Händen gehalten - ich habe es binnen weniger Stunden regelrecht durchgesuchtet, da ich dem Reiz des Bösen einfach nicht widerstehen konnte. Es gibt schonungslose Bilder, die sich auf der Netzhaut einbrennen und noch lange nachwirken und das ganze Ausmaß der Katastrophe erst so richtig begreifbar machen.

Für mich ein absoluter Pageturner und dafür gibt es 5 Sternchen

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Veröffentlicht am 04.01.2023

Geld, Macht und Gier am Gardasee

Commissario Conti und der Tote im See
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Eine romantische Überfahrt zur Isola del Garda wird zum Schreckensszenario, denn auf dem Weg dorthin treibt ein lebloser Körper im Wasser des Gardasees. Erste Erkenntnisse bringen ans Licht, dass es sich ...

Eine romantische Überfahrt zur Isola del Garda wird zum Schreckensszenario, denn auf dem Weg dorthin treibt ein lebloser Körper im Wasser des Gardasees. Erste Erkenntnisse bringen ans Licht, dass es sich bei dem Toten um den Ranger des Naturparks Gardasena handelt, der mit einer Felge im Wasser versenkt wurde. Doch wie passt das alles zusammen, da ausgerechnet am Brenner ein illegaler Trüffel-Transport nach Deutschland auffliegt ? Zufall oder doch Zusammenhang ? Polizei-Neuling Luca Conti glaubt nicht an Zufälle und schlägt Pfade ein, die nicht ganz den konventionellen Ermittlungsmethoden entsprechen...


Ich kenne und liebe den Gardasee und seine Ortschaften, die sich wie die Perlen auf einer Kette um den See aufreihen. Daher bin ich immer auf der Suche nach neuen Krimis, die die Schattenseiten des Sees fernab von glänzenden Tourismusprospekten zeigen und ein bisschen meine Sehnsucht nach dem See stillen.

Mit "Commissario Conti und der Tote im See" liegt ein Regio-Krimi vor, der auf der einen Seite wirklich die Schönheit der Landschaft und der Region mit all ihren Facetten zeigt und den Leser;innen ermöglicht , sich in der Postkartenkulisse zu bewegen. Auf der anderen Seite kann die Handlung leider nicht ganz so überzeugen, obwohl sich der Autor alle Mühe gibt, echte Bösewichte mit ihrem Drang nach Geld, Macht und Gier auftreten zu lassen. Auch zeigt er, wie einfach es ist, Menschen zu manipulieren, um sie nach der Pfeife eines korrupten Blenders tanzen zu lassen.

Mit Luca Conti schickt der Schreibende einen Heißsporn ins Rennen, der manchmal so wirkt, als sei er noch grün hinter den Ohren und müsse sich selbst und anderen durch seine Alleingänge beweisen, dass er es drauf hat. Er begibt sich mehr als einmal in brenzlige Situationen, die dann doch noch glimpflich ausgehen. Das lässt in ihn meinen Augen überheblich und selbstgefällig erscheinen, dabei hat er dieses Getue doch gar nicht nötig. Sein Verhalten gipfelt jedoch in absolutes Unverständnis, wenn er dem Alkohol zuspricht uns sich dann noch hinters Steuer klemmt...da fällt mir nichts mehr zu ein.

Auch finde ich es sehr nervig, dass im Buch unglaublich viele und auffällige (durch Kursivschrift hervorgehoben) Produktplatzierungen vorgenommen werden, die den Anschein erwecken, dass die betreffenden Firmen das Buch gesponsert haben könnten. Anders kann ich es mir nicht erklären, warum immer wieder auf die Markennamen hingewiesen wird. Dabei tun sie bei den Ermittlungen doch überhaupt nichts zur Sache beitragen.

Der Fall selbst lebt von einer gewissen Agilität, denn die Szenen wechseln sich in rascher Geschwindigkeit ab und sorgen so für ein sehr flottes Erzähltempo. Der Einblick in das lukrative Geschäft mit dem schwarzen Gold und den damit verbunden Möglichkeiten, auch illegal Geld zu scheffeln, ist sehr gut ausformuliert und bietet jede enge Möglichkeiten, sich ein sehr strukturiertes Bild vom Geschehen zu machen.

Der Krimi ist schnell gelesen, bleibt aber leider nicht lange im Gedächtnis haften. Als Urlaubslektüre geeignet, daher neutrale 3 Sternchen


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Veröffentlicht am 03.01.2023

Schöne heile Welt ?!

Happy New Year – Zwei Familien, ein Albtraum
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Während das Feuerwerk glitzert und die Champagnerkorken knallen, geschieht das Schlimmste, was sich Eltern vorstellen können - ihre Tochter verschwindet spurlos. Aus den frohen Neujahrswünschen werden ...

Während das Feuerwerk glitzert und die Champagnerkorken knallen, geschieht das Schlimmste, was sich Eltern vorstellen können - ihre Tochter verschwindet spurlos. Aus den frohen Neujahrswünschen werden schnell Aufmunterungen und Durchhalteparolen, die aber Lollo und Max nicht wirklich weiterhelfen. Auch die Polizei steht vor einem Rätsel, denn das, was sich während der Ermittlungen vor ihnen ausbreitet, ist ein Teppich voller Lügen und Beschuldigungen...aber das bringt Jennifer auch nicht wieder zurück.....


Zu Beginn des Romans peitsch Malin Stehn ihre Leser;innen mit atemloser Spannung durch die Seiten und es fällt schwer, das Buch aus der Hand zu legen. Zu beklemmend ist die Situation, zumal wir gerade alle selbst Silvester gefeiert haben. So vermischen sich die eigenen Erinnerungen mit den Szenen im Buch und genau das macht alles sehr authentisch.

Es ist die Angst, die beim Lesen im Nacken sitzt und dieses ungute Gefühl, irgendetwas übersehen zu haben, die die Lesenden wie in einem Schraubstock gefangen halten. Aber je mehr die Handlung voranschreitet, desto mehr geht von dieser wirklich klaustrophobischen Stimmung verloren, denn alle Figuren bleiben oberflächlich und unnahbar, sodass sie eher enervierend als mitreißend wirken. Gerade Max und Lollo, das betroffene Elternpaar, sind ein "Vorbild" für die schöne heile Welt. Ihre Maskerade (anders kann ich dieses mehr als affektierte Gehabe nicht bezeichnen) fällt immer mehr in sich zusammen und bringt Dinge ans Tageslicht, die besser im Verborgenen geblieben wären.

Ab dem zweiten Drittel überschlagen sich die Ereignisse und es wirkt so, als habe die Autorin hier sämtliche Einfälle, die zu einer spannenden Handlung notwendig sind, unbedingt in ihrem Buch unterbringen wollen. Sie bedient sich sogar in der Klischeekiste und macht damit einen Teil ihrer Handlung unglaubwürdig, weil es einfach zu viel des "Guten", oder in diesem Fall, des Bösen ist.

Der Roman hat wirklich das Zeug zum Pageturner, bremst sich aber immer mehr selbst aus und kann sich dadurch nicht mehr von der breiten Masse in diesem Genre abheben. Selbst die Auflösung ist kein Aha-Moment mehr, sondern nur noch eine logische Schlussfolgerung, die ohne jeglichen Twist auskommen muss.

Die Euphorie zu Beginn wäre mit 5 Sternchen belohnt worden, so kann ich aber leider nur 3 vergeben.

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Veröffentlicht am 02.01.2023

Der Kummer, der nicht spricht, nagt leise an dem Herzen, bis es bricht (Shakespeare)

Mein fernes, fremdes Land (Steidl Pocket)
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Lilly hat in ihrem Leben schon viel gesehen, viel ertragen und erdulden müssen. Doch jetzt, mit 89, kann sie einfach nicht mehr. Zu schwer wiegt der Verlust ihres Enkels Bill, ohne den ihr Leben noch trostloser ...

Lilly hat in ihrem Leben schon viel gesehen, viel ertragen und erdulden müssen. Doch jetzt, mit 89, kann sie einfach nicht mehr. Zu schwer wiegt der Verlust ihres Enkels Bill, ohne den ihr Leben noch trostloser und grauer geworden ist. Lilly beschließt, dass es an der Zeit ist zu gehen. Doch bevor sie diesen letzten Schritt in die Tat umsetzt, müssen noch ein paar Gedanken und Erinnerungen zu Papier gebracht werden....


Sebastian Barry hat mit "Mein fernes, fremdes Land" ein unglaublich feinfühliges Buch geschrieben, das trotz seines schweren Themas die Leser:innen nicht erdrückt, sondern fasziniert und begeistert.Denn mit Figur Lilly gelingt es ihm, das Herz der alten Dame ganz weit zu öffnen und an ihren Gefühlen teilzuhaben. Dabei gelingt es ihm, den Spagat zwischen Schwermut, Melancholie und Erinnerungen zu meistern, um aus dem Buch eine Lebensgeschichte zu machen, die voller Poesie und mentaler Stärke ist.

Lilly ist ein bewundernswerter Charakter, denn das, was sie alles im Leben hinnehmen muss und ertragen hat, ist kein leichtes Brot. Und doch ist sie nach jedem Schicksalsschlag wieder aufgestanden, hat sich den Staub von den Schuhen geputzt und ist aufrecht weiter gegangen. Eine bemerkenswerte Frau, die uns allen als Vorbild dienen sollte. Ich kann nachvollziehen, dass irgendwann das Maß voll ist und sie einen endgültigen Schlussstrich ziehen will. Denn ein Herz, das auch Kummer bricht, ist nicht zu kitten - schon gar nicht in ihrem Alter.

Auch gelingt es dem Autor, das Weltgeschehen aus Lillys Leben mit ihrer Geschichte zu verweben, sodass dieses Buch einen sehr eindrucksvollen Stempelabdruck hinterlässt. Ein Roman voller Gefühl und Empathie, Herzenswärme und Offenheit - trotz, oder gerade wegen all dem Kummer, der auf Lillys Schultern lastet.

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