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Veröffentlicht am 24.02.2024

Der Sommer ihres Lebens

The Fort
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Evan, Jason, Mitchell und C.J. kennen sich schon ihr ganzes Leben und sind unzertrennlich. Ricky ist eher zufällig mit dabei, als sie alle gemeinsam im Wald zufällig einen Bunker entdecken. Bestens ausgestattet ...

Evan, Jason, Mitchell und C.J. kennen sich schon ihr ganzes Leben und sind unzertrennlich. Ricky ist eher zufällig mit dabei, als sie alle gemeinsam im Wald zufällig einen Bunker entdecken. Bestens ausgestattet bietet er weit mehr als einen geheimen Treffpunkt. Es soll ihr Geheimnis bleiben. Dies beinhaltet leider auch Ricky, den niemand wirklich dabei haben will aber aufgrund des gemeinsamen Geheimnisses ein Teil dieser Gemeinschaft wird. Es hätte ein Sommer voll grenzenloser Freiheit und Abenteuer werden können. Doch jeder von ihnen schleppt sein eigenes Päckchen mit sich herum, die einige Ereignisse in Gang setzten. Die Jungs müssen sich mit vielschichtigen Themen wie Scheidung, häusliche Gewalt, Zwangsstörungen und Außenseitertum auseinandersetzten.
Die Bewertung dieser Geschichte fällt mir dieses Mal schwerer als sonst. Dies ist einfach dem geschuldet, dass ich mich altersmäßig nicht mehr ganz zur Zielgruppe zähle. Damit möchte ich keinesfalls etwas Negatives ausdrücken oder der Zielgruppe etwas Absprechen. Deshalb wird mein persönliches Empfinden dieses Mal nicht so sehr in die Gesamtbewertung einfließen wie sonst. Begründen möchte ich dies damit, dass der Autor ja nichts dafür kann, dass ich mich in der Altersgruppe völlig vergriffen habe. Ich wusste zwar, dass es sich um einen Jugendroman handelte, aber mir war nicht ganz bewusst, dass die Charaktere dann doch so jung sind. Dies war einfach mein Fehler. Für Kinder ab 11 Jahren ist dieser Roman genau richtig so wie er ist. Die Story an sich war spannend, mit einem gewissen Nervenkitzel und einem guten Spannungsbogen. Die dargestellten Problematiken empfand ich als äußerst wichtig und altersgerecht beschrieben. Die Handlungen und Gedankengänge der Charaktere waren in meinen Augen sehr authentisch und nachvollziehbar. Der Schreibstil ist sehr einfach gehalten und liest sich demnach sehr flüssig. Hervorheben möchte ich, dass jedes Kapitel aus der Sicht eines anderen Charakters erzählt wurde und man dadurch viel mehr in die Gedankenwelt aller Charaktere eintauchen konnte.
Für mich wäre dieser Roman ideal als Schullektüre. Ein Coming-of-Age Roman, der zeigt wie wichtig Freundschaft ist und das Zuhause kein Ort, sondern ein Gefühl ist.

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Veröffentlicht am 11.02.2024

Stimme eriner verlorenen Generation

Demon Copperhead
1

Es scheint, als haben einige Menschen von Beginn an ihres Lebens, ein schwereres Los als andere.
Einer dieser Menschen ist ein Junge namens Damon Fields, von allen nur Demon Copperhead genannt.
Damon selbst ...

Es scheint, als haben einige Menschen von Beginn an ihres Lebens, ein schwereres Los als andere.
Einer dieser Menschen ist ein Junge namens Damon Fields, von allen nur Demon Copperhead genannt.
Damon selbst tritt hier als Ich-Erzähler auf und erzählt uns ungeschönt seine Lebensgeschichte. Er scheint bereits am Ende der Geschichte zu stehen und versucht den Auslöser für das Fallen nachzuvollziehen. Dabei bemerkt er, dass es nicht nur ein konkretes Ereignis war, sondern die Summe seines Lebens. Schon seine Geburt war ein reiner Kampf, der sich durch sein ganzes Leben ziehen sollte. Dabei war aber nicht alles immer nur schlecht. Auch wenn die ersten Jahre seiner Kindheit entbehrungsreich zu sein schienen, so waren sie doch relativ glücklich. Seine Mutter war zwar nicht immer in der Lage sich vollumfänglich um ihn zu kümmern, doch schufen die Freiheit der Umgebung und die Fürsorge der Nachbarsfamilie einen guten Ausgleich.
Durch eine Reihe unglücklicher Umstände gerät Damon ins Pflegesystem und lernt nicht unbedingt dessen positive Seite kennen. Durch die Erfahrungen in dieser Zeit entwickelte sich ein unglaublicher Hunger in ihm. Dabei rede ich nicht nur vom körperlichen Empfinden. Seine Seele hungert förmlich nach Sicherheit, Anerkennung und Zugehörigkeit. Dies führte zu einer Vielzahl von ungünstigen Entscheidungen und Co-Abhängigkeiten. Zwischenzeitlich scheint sich das Blatt für Damon zum Guten zu wenden, doch wer hochsteigt, kann auch tief fallen. Und in seinem Fall ist es die Medikamentenabhängigkeit. Wieder aufzustehen fällt schwerer, als wieder liegenzubleiben.
Durch Damon als Erzähler ist der Sprachstil sehr flüssig zu lesen und durch die Umgangssprache sehr authentisch. Damons Gedankengänge und Ausdrucksweise gingen mir sehr nahe, da sie schonungslos ehrlich und direkt war. Und trotz all der Tragik gibt es dennoch einiges zum Schmunzeln.
Der Name Demon Copperhead hat in meinen Augen einen sehr symbolischen Charakter. Zum einen erinnert er natürlich an die Romanvorlage David Copperfield. Demon deutet an, dass sein Schicksal ihm schon vorherbestimmt zu sein scheint. Und Copperhead scheint sich nicht nur auf seine markante Haarfarbe zu beziehen, sondern auch auf die gefährlichen Giftschlangen der Region. Von der er nie eine zu Gesicht bekommen hat. Man hört immer nur von den Verlierern des Systems aber man sieht sie meist nie oder erst, wenn es zu spät ist. Neben dem Hunger hat auch das Meer eine ganz große Bedeutung für Damon. Trotz vieler Versuche hatte er nie die Möglichkeit es hautnah zu erleben. Für mich drückt diese Suche seine Sehnsucht nach Freiheit aus und seine Sorgen einfach fortzuspülen.
Ich glaube, dass Damons Leben ganz anders ausgegangen wäre, wenn nicht derart viele Resilienzfaktoren vorhanden gewesen wären. Er hat die Fähigkeit in seinen Zeichnungen Dinge zu verarbeiten und eine Handvoll Menschen, die immer an seiner Seite waren.
Barbara Kingsolver hat mit Demon Copperhead aber nicht nur einen Roman geschaffen, der von einer verkorksten Kindheit erzählt. Es geht nicht nur um Damon allein, sondern auch um die Menschen um ihn herum und gar eine ganze Region im vergessenen Herzen Amerikas.
Eine ganze Generation und die nachfolgende wurden, egal ob wissentlich oder unwissentlich, kaputtgemacht und im Stich gelassen. Das besondere Lebensgefühl der Menschen Appalachiens wird hier auf ganz besondere Weise zum Ausdruck gebracht. Sie mögen zwar nicht so fortschrittlich sein, wodurch lange auf sie herab geblickt wurde, doch ist ihr Gemeinschaftssinn ihr größtes Gut. Nicht umsonst käme dort niemand auf die Idee sein Haus oder Auto abzuschließen. Umso schlimmer ist es, wie diese Menschen behandelt wurden. Neben Ausbeutung und Perspektivlosigkeit, herrscht ein Mangel Schulbildung und das desaströse Gesundheitswesen ebnete der Profitgier der Pharmaindustrie den Weg, um eine wahre Opioidepidemie auszulösen. Eine Kettenreaktion, für die sich niemand mehr verantwortlich fühlt, obwohl sie dafür sorgte, dass 15-35% der Kinder nicht bei ihren Eltern aufwachsen konnten und vergessen wurden.
Das relativ offene Ende lässt den Leser selbst entscheiden, welche Abfahrt Demons Leben letztendlich nehmen könnte.
Dass Barbara Kingsolver selbst aus Appalachien stammt, macht diese ganze Geschichte für mich noch authentischer. Für mich ist dieser Roman eine längst überfällige Aufarbeitung der Geschehnisse in Appalachien und er gibt den Menschen eine Stimme, die lange überhört wurden.

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Veröffentlicht am 04.02.2024

Zeitreise mit einer besonderen Sicht auf die Dinge

Heinz Labensky - und seine Sicht auf die Dinge
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Häufig trifft man auf Reisen Menschen, mit denen man auch ins Gespräch kommt. Und bei einer dieser Begegnungen trefft ihr auf einen Mann, der euch so abenteuerliche Geschichten aus seinem Leben und einer ...

Häufig trifft man auf Reisen Menschen, mit denen man auch ins Gespräch kommt. Und bei einer dieser Begegnungen trefft ihr auf einen Mann, der euch so abenteuerliche Geschichten aus seinem Leben und einer längst vergangenen Zeit berichtet. Sie kommen euch so abstrus vor, wie ein Wolkenkuckucksheim.
Dieser Mensch ist Heinz Labensky. Aufgewachsen in einem kleinen Dorf in Brandenburg, erlebte er die Nachkriegszeit, sowie die Ära der DDR. Mittlerweile ist Heinz ein 79-jähriger Feierabendheimbewohner, der nie den Osten Deutschlands geografisch wie gedanklich verlassen hat und es bestimmt auch nie getan hätte. Eines Tages erreicht ihn aber ein Brief, der ihn dazu veranlasst, die Geschehnisse von damals zu betrachten. Auf seine ganz eigene Weise beleuchtet Heinz dabei die Geschichte der DDR und zeigt uns und seinen Mitreisenden seine Sicht auf die Dinge.
Heinzi, der bei der Hirnvergabe nicht schnell genug war, hatte kein leichtes Leben. Als förderungsunfähig nahm ihn niemand wirklich ernst. Doch aufgrund seiner Denkweise und seiner besten Freundin Rita machte ihm dies nie viel aus. Sein Beschützerinstinkt Rita gegenüber, trieb ihn sein ganzes Leben an, auch wenn er sie immer wieder aus den Augen verlor.
Heinzi war mir von Beginn an sehr sympathisch. Seine herzerwärmende Fürsorge und Loyalität, in Verbindung mit seiner kindlich naiven Denkweise, machten ihn zu einem ganz besonderen Charakter, dem ich gern persönlich zuhören würde. Aufgrund seiner einfacheren Intelligenz wird Heinzi oft nicht ernst genommen und ausgenutzt. Oft hat er die richtigen Gedankengänge, die dann aber, wie in einem Kreisverkehr, die falsche Ausfahrt nahmen. Er versteht nicht immer alles oder aber falsch. Seine Allgemeinbildung stammt quasi aus einer Frauenzeitschrift. Doch weiß er, was Recht und Unrecht ist, wodurch viele unerwartete und irrwitzige Dinge passierten. Heinz zeigt uns die Geschichte der DDR, durch seine Augen, bei der er unbewusst und in zahlreiche historische Ereignisse involviert zu sein scheint, ohne dass er wirklich etwas davon mitbekam. Auch
Auf der Suche nach seiner besten Freundin, der er sich geschworen hatte auf ewig zu beschützen. Doch Rita war ein Mensch, der es ihm nicht leicht machte, dieses Versprechen zu halten. Ich konnte nicht verstehen, wie sie den einzigen Menschen, der sich so um sie sorgte, derart behandeln konnte.
Ich persönlich habe mit dem Ausgang der Geschichte nicht gerechnet. Es gab der Geschichte einen völlig neuen Blickwinkel und hat mich tief berührt. Leider wirkten auf mich einige Dinge unlogisch, abstrus und wirkten zu konstruiert. Ein ums andere Mal wusste er selbst nicht mehr, was der Realität entsprach oder doch seinem Wolkenkuckucksheim entsprang. Beispielsweise ist Heinzi Analphabet und kann dennoch komplizierte Wörter einer Geheimakte entziffern und teilweise begreifen.
Der Aufbau der Geschichte hat mich während des Lesens sehr überrascht. Ich wusste zwar, dass es viel um die DDR gehen würde, doch ahnte ich nicht, dass dieser geschichtsträchtige Teil Deutschlands derart viel Raum einnehmen würde. Auf der einen Seite war es wirklich interessant diese Historie nachzuerleben. Aber manchmal war es einfach nur anstrengend. Des Öfteren benötigte Ich eine Pause, um das Gelesene sacken zu lassen. Manches Mal waren es, in meinen Augen, lange Aufzählungen starrer Fakten, die eher an ein Geschichtsbuch aus der 9. Klasse erinnerten. Als wäre dieses Buch eine Zeitleiste und Heinzi wäre der rote Faden darin. Auch wenn ich ein Ostkind bin, so bin ich doch zu jung, um zu sagen, wie viel Korrektheit in der geschichtlichen Abfolge steckt. Mir kam sogar der Gedanke das Buch abzubrechen. Der Schreibstil war an einigen Stellen, aufgrund vieler Geschichtsfakten, recht trocken. Doch wenn Heinzi uns seine Sichtweise dazu zeigte, war es teilweise unfreiwillig komisch und versprühte eine gewisse Ostalgie. Viele Redewendungen und Bezeichnungen weckten in mir Erinnerungen und ich frage mich, warum man nicht mehr von Fisimatenten oder Erdmöbel spricht.
Trotz Heinzis besonderer Sicht auf die Geschehnisse der DDR Geschichte, wird dennoch nichts verklärt oder beschönigt. Es wurden auch viele negative Aspekte beleuchtet und dargestellt.
Für mich persönlich hatten die Mitreisenden keinen besonderen Mehrwert. Sie waren eher ein nettes Beiwerk, die Heinzi zuhörten und ab und an die richtigen Fragen stellten. Wäre ich an ihrer Stelle gewesen, so hätte ich es glaube nicht geschafft, diese Unterhaltung abzubrechen, ohne das Ende der Geschichte gehört zu haben.
Auch wenn ich mich öfters zwischen all den starren Fakten verloren fühlte, bin ich froh Heinzi auf seiner Reise durch die Vergangenheit in die Gegenwart begleitet und seine Sicht der Dinge erlebt zu haben.

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Veröffentlicht am 14.01.2024

Sherlock Holmes mit einem Hauch Magie

Der Spurenfinder
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„Wer sicher gehen möchte, dass in seinem Leben garantiert nichts Aufregendes mehr passiert, dem empfehle ich nach Friedhofen zu ziehen.“ So steht es in „Wanderungen durch das Königreich Dreibrücken“ von ...

„Wer sicher gehen möchte, dass in seinem Leben garantiert nichts Aufregendes mehr passiert, dem empfehle ich nach Friedhofen zu ziehen.“ So steht es in „Wanderungen durch das Königreich Dreibrücken“ von Deidra Harfner. Ich denke, dass jeder von uns mehr oder weniger solch ein Kaff kennt. Dabei stellt sich unweigerlich die Frage, weshalb es jemanden an solch einen Ort ziehen sollte. Die Antwort scheint ganz simpel. Menschen, denen zu viel passiert ist. Aber egal, wo man hinreist, man hat sich immer selbst im Gepäck.
Aus diesem Grund zieht es auch Elos von Bergen, bekannt als der beste Spurenfinder in den umliegenden Provinzen, in dieses stille Örtchen. Nach einem missglückten Mordanschlag auf ihn und seine Familie, hängt er seinen Beruf an den Nagel und setzt sich, mit seinen Kindern in Friedhofen zur Ruhe. Doch dann geschieht das Unfassbare und es findet ausgerechnet im langweiligsten Dorf Dreibrückens ein Verbrechen statt. Während Elos sich dem Spurenfinden widmet, sind seine Zwillingskinder, Ada und Naru, Feuer und Flamme ihren Vater bei der Lösung des Falles zu helfen. Ob dieser das nun will oder nicht. Denn, wenn man bedenkt, wer ihr Vater ist, ist es nicht verwunderlich, dass beide den Wunsch hegen in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten. Ada und Naru sind zwei unglaubliche Wildfänge. Obgleich sie Zwillinge sind, könnten beide nicht unterschiedlicher sein. Ada ist ruhiger und besitzt einen cleveren Verstand, dagegen ist Naru etwas tollpatschig und manchmal schwer von Begriff. Und wie Geschwister nun einmal sind, necken sie sich mit Vorliebe, wodurch viele komische Momente entstehen. Es war eine wahre Freude den Dreien bei Suche nach dem Täter über die Schulter zu schauen. Elos geht relativ ruhig und gelassen an die Sache. Er hat ein gutes Gespür für Details und kann auch komplizierte Gegebenheiten kombinieren, wodurch er meist den Spuren nur zu folgen braucht. Ada und Naru dagegen sind natürlich impulsiver. Auch, wenn es dadurch öfter brenzlig wird, ergänzen die Drei sich wirklich gut. Es gab einige Sackgassen, die mich verzweifeln ließen und Wendungen, die mich sehr überraschten. Ein paar Details konnte ich gut erahnen aber auf die Auflösung des Falles wäre ich im Leben nicht gekommen. Bis zum Ende bleibt es spannend. Die größte Wendung gab es für mich im Epilog, der mich hoffen lässt noch mehr Abenteuer vom Spurenfinder und seinen Kindern zu lesen.
Die Welt, in die ich eintauchen durfte, empfand ich als sehr gut aufgebaut und beschrieben. Es hatte für mich eine mittelalterliche Atmosphäre, verwoben mit einem Hauch Magie und Mystik. Auch ein kleiner Gruselfaktor und spannungsvolle Momente wurden mit eingebaut. Der Schreibstil passte sich, in Satzbau und Wortwahl, dieser altertümlichen Umgebung bestens an und wurde untermalt mit viel Wortwitz und Ironie. Besonders lebhaft wurde es durch die vielen Skizzen, die es im Buch zu entdecken gab und den Eindruck verstärkten einen Märchenkrimi in den Händen zu halten.
Zusätzlich zum Buch habe ich mir die Hörbuchfassung angehört. Diese wurde vom Autor höchstpersönlich eingelesen. Ich muss zugeben, dass Marc-Uwe Kling hier ganz besondere Arbeit geleistet hat. Seine Darbietung unterstrich die Charakterzüge der handelnden Personen wirklich sehr gut und sorgte für noch mehr Spannung.
Marc-Uwe Kling hat mit seinen Töchtern, einen für mich sehr überzeugenden All-Age Märchenkrimi geschaffen, von dem ich gerne mehr lesen möchte.

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Veröffentlicht am 19.11.2023

Was macht (k)einen guten Menschen aus?

Kein guter Mann
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Dieses Buch ist wie der Hauptprotagonist selbst. Auf den ersten Blick hat man ein klares Bild davon, was einen erwartet. Doch je mehr man sich auf beides einlässt, umso deutlicher wird, wie sehr man sich ...

Dieses Buch ist wie der Hauptprotagonist selbst. Auf den ersten Blick hat man ein klares Bild davon, was einen erwartet. Doch je mehr man sich auf beides einlässt, umso deutlicher wird, wie sehr man sich vom ersten Eindruck täuschen lässt.
Walter ist Postbote mit Leib und Seele. Mit seiner Überkorrektheit und Regelkonformität, die er akribisch auch von anderen einfordert, eckt er natürlich im Privaten sowie Beruflichen ziemlich an. Er ist geschieden, das Verhältnis zu seinen Kindern mehr als angespannt. Seine Chefin möchte ihn einfach nur in den Vorruhestand schicken. Als letzten Ausweg bleibt ihm nur die Versetzung in die Christkindfiliale. Für einen beinahe misanthropen Menschen wie Walter, scheint dies die Höchststrafe zu sein. Doch als ihn der Brief vom kleinen Ben erreicht, verändert dies das Leben beider. Beginnt hier ein Weihnachtswunder? Es scheint alles nach dem altbekannten Schema abzulaufen. Ein griesgrämiger alter Mann, wird durch den Einfluss eines Kindes an Weihnachten mit der Welt versöhnt und für beide wird am Ende alles gut. Doch lasst euch nicht täuschen. Dies ist bei Weitem kein Weihnachtswohlfühlroman, wie man ihn sonst kennt. Es kommen viele ernste Themen zu Sprache, die mir auch im Nachhinein noch sehr unter die Haut gingen.
Trotz seiner zynischen Art, war mir Walter von Anfang an sehr sympathisch oder vielleicht gerade auch deswegen. Ich ertappte mich sogar zu Beginn dabei, dass ich mir wünschte, er wäre noch etwas bissiger in seinen Äußerungen. Dennoch ist Walter schon sehr direkt und sagt frei heraus, was er denkt, ohne darauf zu achten, ob er die Gefühle anderer damit verletzten könnte. Eigentlich ist es ihm schlichtweg egal was andere von ihm denken. Trotzdem spürt man bei Walter, besonders in Bezug auf seine Familie eine tiefe Verbitterung. Man könnte meinen, dass er es durch die Art wie er seine Mitmenschen behandelt verdient hätte allein zu sein. Doch wird niemand so geboren. Zum größten Teil formt erst das Leben selbst einen Menschen. So ist es auch bei Walter. Die Rückblicke seines Lebens nehmen einen Großteil der Geschichte ein. Auch wenn einige Passagen belanglos erscheinen, so ist doch jedes Puzzleteil wichtig, um am Ende das große Ganze erkennen zu können. Man lernt Walter als jungen Burschen kennen, der freundlich, beliebt und voller Träume war. Er war zeit seines Lebens stets ein loyaler Mensch, der die Bedürfnisse und Wünsche anderer stets über die seine gestellt hat.
Und in den Augen anderer war er immer ein guter Mann. Doch was macht einen zu einem guten Menschen? Ist es unser Wesen, unser Leben an sich oder ist es die Gesellschaft, die uns diesen Titel verleiht? An Walter merkt man nur zu deutlich, wie schnell man vor anderen in Ungnade fallen kann. Gerade gefährliches Halbwissen und verletzte Gefühle tragen meist dazu bei. Diese Stigmatisierung kann das ganze weitere Leben prägen. Es machte mich betroffen und wütend, womit sich Walter alles konfrontiert sah. Und je mehr ich in seine Vergangenheit eintauchte, desto bedeutsamer wurde mir sein Lieblingssatz „Nicht meine Schuld“, der sich wie ein Mantra durch sein gegenwärtiges Leben zog. Der kleine Ben war ein sehr faszinierender Charakter. Trotz der Last auf seinen Schultern war Ben so unfassbar freundlich und hoffnungsvoll. Ich bewundere ihn für seine innere Stärke und Verantwortungsbewusstsein. Sein Schicksal ging mir sehr nah.
Die Konversationen zwischen Walter und Ben waren trotz der Schwere sehr unterhaltsam. Diese auch optisch in Briefform darzustellen mochte ich sehr. Mir gefiel es außerdem, dass Walter zwischendurch Gewissensbisse hatte, sich als Gott in Bens Leben einzumischen. Denn, wie er einige Male feststellen musste, ist gut gemeint nicht immer auch gut gemacht. Ich bin sehr froh, dass die Beiden sich gefunden haben. Man könnte es glatt Schicksal nennen. Aber macht es nicht auch ein wenig traurig, dass man durch eine fremde Person manchmal mehr Halt findet, als durch einen Nahestehenden?
Der Schreibstil war sehr angenehm und flüssig. Humor und Tragik waren gut herausgearbeitet. Ich habe die Personen und deren Gefühle förmlich spüren können. Der unaufgeregte Erzählstil machte die Schwere der angesprochenen Themen sehr dramatisch. Die psychologischen Aspekte gaben die besondere Spannung. Dennoch hatte die Geschichte ein paar Längen.
Besonders das Ende hat mich schwer getroffen und ich weiß bis heute nicht, wie ich damit umgehen soll. Es traf mich völlig unvorbereitet und ließ mich ein wenig zerbrochen zurück. Wie ich anfangs schon sagte, dies ist kein Weihnachtswohlfühlroman.

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