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Veröffentlicht am 14.12.2025

Niemals darf diese Ungerechtigkeit wieder geschehen

Zurück unter Mördern
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Henry Mahler lebt mit einem Kriegsversehrten in einer kleinen Wohnung. Auch wenn kaum Hoffnung besteht, so denkt er immer noch, dass er seine Verlobte wiedersehen kann. Die Verzweiflung über ihres und ...

Henry Mahler lebt mit einem Kriegsversehrten in einer kleinen Wohnung. Auch wenn kaum Hoffnung besteht, so denkt er immer noch, dass er seine Verlobte wiedersehen kann. Die Verzweiflung über ihres und sein eigenes Schicksal lässt ihn nahezu verzweifeln. Er trinkt zu viel und es besteht die Gefahr, dass er völlig abdriftet. Wie gut, dass er den Anwalt von Oswald Lassaly kennenlernt. Der hat einen besonderen Auftrag für ihn. Endlich fasst Henry wieder Mut und schmiedet Pläne für die Zukunft. Er wird künftig als Privatermittler arbeiten und Herr Lassaly sein erster Mandant.

Kaum nachvollziehbar, dass Menschen wie Oswald Lassaly nach ihrer Flucht die Heimat nicht vergessen konnten. So viel Leid widerfuhr ihnen in Deutschland. Und trotzdem kehrte er zurück nach Hamburg. Ein Grund dafür war wohl auch der Wunsch, den Tod seines Vaters aufzuklären. Er glaubte zu keinem Moment daran, dass dieser sich das Leben nahm. Oswald vermutete, dass er ermordet wurde.

"Zurück unter Mördern" wird in zwei Zeitebenen erzählt. Einmal ist es ein Rückblick in die Zeit, als die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Die Verfolgung der Juden begann und eine Verbindung zwischen Ariern und Juden wurde als Rassenschande bezeichnet. Der zweite Erzählstrang spielt im Jahr 1950. Der Krieg ist vorbei und die Menschen leiden unter den Folgen. Nur schleppend gelingt es ihnen, hoffnungsvoll in die Zukunft zu schauen. Zumal es zu viele Anhänger der NSDAP gab, die wieder in hohen Ämtern tätig waren. Verurteilung? Fehlanzeige.

Die Familie Lassaly ist keine Erfindung des Autors Michael Jensen. Über sie gibt es etliche Dokumentationen im Internet. Gut, dass auch Schicksale den Weg in Veröffentlichungen finden, die kaum jemanden bekannt sind. Für mich sind diese Bücher wichtig. Sie zeigen aus unmittelbarer Nähe, wie Menschen verfolgt wurden, weil sie nicht in die Schablonen der Nazis passten. Der Vortrag von Jakob Seel ist für mich perfekt. Selten hörte ich ein Buch, das mich alleine durch den Sprecher derart fesselte. Ich habe einen neuen Autor und einen mir bisher unbekannten Sprecher entdeckt.

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Veröffentlicht am 13.12.2025

So wurden psychisch Kranke stigmatisiert

Fräulein Hedwig
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Hedwig ist das erste Kind von Margarete und Franz Poschenrieder. Schon sehr früh zeigt sich ihre enge Verbindung zur Religion. Sie beichtet oft, nahezu täglich, und fühlt sich dennoch unzulänglich. Nicht ...

Hedwig ist das erste Kind von Margarete und Franz Poschenrieder. Schon sehr früh zeigt sich ihre enge Verbindung zur Religion. Sie beichtet oft, nahezu täglich, und fühlt sich dennoch unzulänglich. Nicht berechtigt, zur heiligen Kommunion zu gehen. Heiraten wollte sie nie, fand ihre Erfüllung beim Besuch der Messe und ihren Beichtvätern. Als der Vater starb, starben auch die Träume der Mädchen. Hedwig wurde genötigt, sich als Lehrerin ausbilden zu lassen. Die Brüder durften studieren. Das war damals so üblich, dass die „Stammhalter“ mehr Rechte hatten als ihre Schwestern.

"Fräulein Hedwig" ist ein Buch, das die Problematik von „lebensunwertem Leben“ im Dritten Reich thematisiert. Auch wenn der Autor Christoph Poschenrieder am Anfang immer mal wieder humorvolle Szenen beschreibt, es täuscht nicht über die Ernsthaftigkeit des Buches hinweg. Zeigt es doch eindrücklich, wie hilflos Patienten und Angehörige waren, wenn es um psychische Erkrankungen ihrer Lieben ging. Es gab keine Therapien. Die Menschen wurden durch Barbiturate ruhig gestellt. Der Kern der Krankheit nicht ergründet.

Nein, der Roman lässt sich nicht mal eben zwischendurch lesen. Er verlangt die ganze Aufmerksamkeit und ich werde ihn mit Sicherheit ein zweites Mal lesen. Zu wertvoll sind die Gedanken des Autors. Ein wenig störte mich das Hin und Her von Zeit und Ort. Das Cover ist mal wieder, wie bei Diogenes üblich, perfekt gewählt. Meine Leseempfehlung gilt uneingeschränkt.

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Veröffentlicht am 12.12.2025

Spannend mit nicht vorhersehbaren Wendungen

Single Malt Mörder
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Eigentlich wollten Abigail und Grant eine romantische Auszeit auf der Insel erleben. Als dann aber mitten in der Nacht unheimliche Gesänge und Schritte zu hören sind, wird das Schäferstündchen unterbrochen. ...

Eigentlich wollten Abigail und Grant eine romantische Auszeit auf der Insel erleben. Als dann aber mitten in der Nacht unheimliche Gesänge und Schritte zu hören sind, wird das Schäferstündchen unterbrochen. Dann erhalten sie von ihrem Freund Neil auch noch beängstigende Informationen. Schon seit Wochen bekommt er Drohungen und kann sich nicht vorstellen, wer sie ihm schickt. Abigail beauftragt einen ihrer Mitarbeiter, die Vergangenheit Neils zu erforschen. Auch er findet nichts, was zu diesen Warnungen führen könnte. Als dann ein Gast Neils ermordet wird steht fest, dass es einen Täter gibt, der sich auf der Insel aufhält. Mitten unter ihnen.

"Single Malt Mörder" ist das Buch einer Reihe, wobei Abigail Logan die Hauptfigur ist. Ich kannte die Serie nicht und konnte ohne Vorkenntnisse dem Geschehen folgen. Alle maßgeblichen Fakten um Abigail und ihren Freund werden von der Autorin Melinda Mullet aufgezeigt. Abigail ist eigentlich Fotografin. Ihr Spürsinn und ihre Gabe, bei Gesprächen mit Verdächtigen die richtigen Fragen zu stellen, machen sie zu einer wertvollen Hilfe, wenn es um die Aufklärung von Mordfällen geht.

Das Buch gefiel mir gut. Es lebt von unvorhersehbaren Wendungen und der Schluss war nicht vorhersehbar. Aus dem Grund gilt auch meine Leseempfehlung ohne Einschränkung.

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Veröffentlicht am 09.12.2025

Das Buch nahm mich gefangen

Before I met Supergirl
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Irland, ein raues Land in dem Armut und Entbehrung zur Normalität gehörte. Trotzdem und gerade deswegen zog es Jugendliche in die Stadt. Nach Belfast. Hier konnten sie in den Discos abhängen und ihren ...

Irland, ein raues Land in dem Armut und Entbehrung zur Normalität gehörte. Trotzdem und gerade deswegen zog es Jugendliche in die Stadt. Nach Belfast. Hier konnten sie in den Discos abhängen und ihren Alltag vergessen. Nein, was Rea Garvy in "Before I met Supergirl" erzählt, ist absolut nicht überschwänglich. Auch die oft zitierte „rosarote Brille“ fehlt. Er schreibt über den strengen Vater, der mit seiner Härte keinen Zugang zu seinen Sprösslingen fand. Dass sie alle trotzdem ihren Weg ins Leben gehen konnten, verdankten sie unter anderem auch ihrer Mutter.

Das Hörbuch nahm mich von der ersten Minute an gefangen. Zunächst war es die Stimme von Rea, der das Vorwort spricht. Und dann die perfekte Lesung von Simon Jäger. Garvy berichtet ehrlich über seinen Werdegang, der niemals gerade verlief. Als er zum ersten Mal einen Song hörte, der ihn nahezu hypnotisierte war ihm nicht klar, dass dieser Rhythmus zu einem Welthit für ihn wurde. Perfekt gelesen und absolut authentisch. Meine Leseempfehlung gilt ohne Abstriche.

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Veröffentlicht am 08.12.2025

Ein Sommer in Sanary

Wenn die Sonne untergeht
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Schweren Herzens sagt Thomas Mann ja, als seine Frau und die Kinder ihn überredeten, Deutschland zu verlassen. Er konnte es nicht verstehen. Als über die Grenzen des Reiches geschätzter Autor und Nobelpreisträger ...

Schweren Herzens sagt Thomas Mann ja, als seine Frau und die Kinder ihn überredeten, Deutschland zu verlassen. Er konnte es nicht verstehen. Als über die Grenzen des Reiches geschätzter Autor und Nobelpreisträger muss er seine Heimat verlassen? Das Haus an der Poschingerstraße in München war das Zuhause der Familie Mann. Und das seit etlichen Jahren. Was für Thomas Mann und seine Frau absurd und nicht realistisch war, erkannten ihre Kinder Erika und Klaus sehr schnell. Deutschland wurde zunehmend faschistisch und Hitler sowie seine Anhänger wollten alle Juden vertreiben. Es spielte dabei keine Rolle, ob sie wohlhabend oder geschätzt waren. Sobald sich bei Nachforschungen herausstellte, dass sie in ihrer Ahnenreihe einen Menschen jüdischen Glaubens hatten, wurden sie gedemütigt und verfolgt.

Thomas Mann kann sich nur schwer mit seiner gezwungenen Ortsveränderung abfinden. Er glaubt fest daran, dass dieser „verrückte Hitler“ und seine Anhänger nicht lange ihr Unwesen treiben werden. Wenn er jedoch die Gespräche seiner Nachbarn und Autorenkollegen so hört, dann wird ihm Angst und Bange. Nicht nur sein Bruder Heinrich und Lion Feuchtwanger sprechen aus, was eigentlich alle fürchten. Deutschland ist dem Niedergang geweiht.

„Wenn die Sonne untergeht“ beschreibt eindrücklich, was 1933 im kleinen Fischerort Sanary sur Mer vor sich ging. Der Autor versteht es ausgezeichnet, das Seelenleben des großen Autors zu offenbaren. Alleine das Wort „Behagensminderung“ kannte wohl kaum jemand vor dem Lesen des Buches. Herr Mann war ein Mensch, der seine Marotten hatte und nur eine sehr geduldige Ehefrau kam damit klar. Die Kinder hatten Respekt vor ihm. Nur Erika wusste, wie sie dem „ Zauberer“ begegnen konnte.

Wieder einmal hat mich der Autor Florian Illies ausnahmslos überzeugt. Seine Recherchen waren mit Sicherheit sehr umfangreich. Immer mal wieder würzte er das ernste Thema von Verfolgung und Flucht mit seinem unvergleichlichen Humor. Beim Lesen war mir nicht nur die Familie Mann sehr nahe. Auch alle, die in diesem Sommer 1933 Zuflucht in Frankreich suchten.

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