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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.09.2018

Leichte Kost mit wenig Tiefgang

Die 5 Sekunden Regel
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Ich habe kein lebensveränderndes Buch erwartet, aber doch zumindest eins, das gedankliche Anstöße und Motivation gibt. Die Leseprobe empfand ich als durchaus vielversprechend, da die Autorin in einem leichten ...

Ich habe kein lebensveränderndes Buch erwartet, aber doch zumindest eins, das gedankliche Anstöße und Motivation gibt. Die Leseprobe empfand ich als durchaus vielversprechend, da die Autorin in einem leichten Stil persönliche Erfahrungen mit ihrer 5-Sekunden-Philosophie verknüpft. Dies hält sie auch das ganze Buch über durch und einige Passagen und Ideen sind durchaus inspirierend. Letztendlich hatte ich jedoch das Gefühl, dass sich wenige Grundprinzipien einfach endlos wiederholen und manche Gedanken an ähnlichen Beispielen immer wieder neu aufgerollt werden. So fühlt sich der Inhalt grundlos aufgeblasen an. Wenn man sich einen von Mel Robbins‘ Vorträgen auf YouTube anschaut, erhält man wahrscheinlich genau denselben Inhalt in deutlich kürzerer Zeit.

Der doch recht dürftige Text wird mit einer riesigen Menge an Twitter- und Facebook-Posts aufgeplustert. Auf beinahe jeder Seite ist mindestens ein Testimonial von irgendeinem Nutzer zu sehen. Irgendwann hab ich die Meinungen nur noch überflogen, denn sie waren sehr repetitiv und fühlten sich in der Menge einfach nach Selbstbeweihräucherung der Autorin an. Außerdem reißen die Zitate ständig aus dem Lesefluss raus und lassen das Layout für meinen Geschmack sehr unruhig erscheinen. Hier hätte ich ein Kapitel mit konzentrierten, abwechslungsreichen Erfahrungsberichten und Gedanken der Leser sinnvoller gefunden.

Veröffentlicht am 09.09.2018

Feministische Heldin

Manhattan Beach
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Mit Anna, die während des Zweiten Weltkriegs in NYC als Taucherin arbeitet, hat Jennifer Egan eine äußerst spannende Protagonistin geschaffen. In einer patriarchisch-sexistischen Welt setzt sie sich mit ...

Mit Anna, die während des Zweiten Weltkriegs in NYC als Taucherin arbeitet, hat Jennifer Egan eine äußerst spannende Protagonistin geschaffen. In einer patriarchisch-sexistischen Welt setzt sie sich mit Entschlossenheit, Hartnäckigkeit und stiller Stärke durch, ohne dabei je übertrieben oder aggressiv zu agieren. Um ihren Traum vom Tauchen zu erfüllen, muss sie ein Vielfaches mehr leisten, als ihre männlichen Kollegen. Selbst als sie besser als alle anderen ist, muss sie weiter für ihre Position kämpfen – das sind alle Themen, die bis heute noch aktuell sind. Gleichzeitig balanciert sie ihr schwieriges Privatleben, denn der Vater hat die Familie verlassen. Anna kümmert sich liebevoll um ihre behinderte Schwester und hilft nach Feierabend ihrer Mutter bei deren Arbeit als Näherin. Dabei sucht sie in ihrer knappen Freizeit Anschluss an andere und stolpert dabei in einige unvorteilhafte Bekanntschaften hinein. Anna ist eine komplexe Protagonistin, deren Geschichte mich gefesselt hat.

Der Klappentext suggeriert, dass Anna im Mittelpunkt des Romans steht, doch eigentlich gibt es drei Protagonisten. Neben Anna sind auch ihr Vater Eddie sowie der Clubbesitzer und Gangster Dexter Styles Protagonisten in „Manhattan Beach“. Die Wege der Drei kreuzen sich immer wieder auf interessante Weise.

Man merkt, dass die Autorin für diesen Roman intensiv über das Tauchen und die Marine in den 1930er und 1940er Jahren recherchiert hat. Ihre Beschreibungen sind plastisch und lebendig – beim Lesen kann man den schweren Tauchanzug oder den starken Wellengang förmlich spüren. Die Weltkriegsjahre in den USA lässt Egan vor dem inneren Auge authentisch auferstehen. Auch wenn ihr Wissen beeindruckt, empfand ich die Szenen von Eddies Alltag an Bord eines Schiffes als am wenigsten interessant. Die Geschichte rund um Anna macht dies jedoch wett.

Veröffentlicht am 11.08.2018

Künstlerkind

Die Gesichter
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Wie es sich als Sohn eines anerkannten Künstlers lebt, untersucht Tom Rachman in „Die Gesichter“. Das ist manchmal ganz schön deprimierend: Egal wie sehr der Maler Bear Bavinsky seinen Sohn Charles, genannt ...

Wie es sich als Sohn eines anerkannten Künstlers lebt, untersucht Tom Rachman in „Die Gesichter“. Das ist manchmal ganz schön deprimierend: Egal wie sehr der Maler Bear Bavinsky seinen Sohn Charles, genannt Pinch, ignoriert, bloßstellt oder beschimpft: Am Ende dreht sich Pinchs Leben doch immer wieder um den Vater und dessen Werk.

Die Geschichte stellt nicht Bear, sondern Charles in den Mittelpunkt. Das Buch beginnt mit seiner ersten kindlichen Erinnerung an seinen Vater. Nach einer ziemlich aufregenden und erlebnisreichen Kindheit mit seinen beiden Künstler-Eltern im Italien der 1950er und 1960er Jahre wird Pinchs Leben nach der räumlichen Trennung vom Vater ziemlich banal und unauffällig. Studium, verworfene Pläne, unerfüllte Träume, gescheiterte Beziehungen, ein Job als Sprachlehrer. Der Autor zeigt ausschnittsartig Schnappschüsse aus Pinchs Leben. Diese fühlen sich im Mittelteil streckenweise zu lang, aber gleichzeitig auch zu oberflächlich an. Manche Lebensphasen und Entscheidungen, die Charles traf, waren für mich nur schwer nachzuvollziehen, andere wiederrum waren etwas langweilig.

Faszinierend wird die Geschichte, wenn es um die zwischenmenschlichen Beziehungen der Charaktere geht. Von enttäuschter Hoffnung über eifersüchtige oder verblassende Liebe bis zu verdrängten Schuldgefühlen vermittelt Rachman geschickt eine große Palette (negativer) Gefühle. So wie Pinchs Vater seinen Sohn immer wieder wegstößt, fällt es auch Pinch schwer, Nähe zuzulassen und enge Beziehungen wie zu seiner Mutter oder zu seinem Kumpel und Mitbewohner Marsden aufrechtzuerhalten. Daher ist sein Leben phasenweise von ziemlicher Einsamkeit geprägt.

Nebenbei beleuchtet der Roman auf interessante Weise die Absurdität der Kunstszene – ob ein Künstler ignoriert oder gefeiert wird, hängt von wenigen Gatekeepern ab. Der Roman zeigt durch Pinchs Taten, wie fragil deren Expertise sein kann.

Veröffentlicht am 29.07.2018

Modernes Märchen

Der Duft des Lebens
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„Der Duft des Lebens“ ist ein Loblied auf die Menschlichkeit. Die Seelen guter und schlechter Menschen wirken im Leben und im Tod direkt auf die Natur in ihrer Umgebung ein: Blumen erblühen oder verdorren, ...

„Der Duft des Lebens“ ist ein Loblied auf die Menschlichkeit. Die Seelen guter und schlechter Menschen wirken im Leben und im Tod direkt auf die Natur in ihrer Umgebung ein: Blumen erblühen oder verdorren, dicke Wolken ziehen auf oder goldenes Licht strahlt auf die Erde herab. Der Waisenjunge Aviv steht mit seiner gutherzigen, reinen Seele dem verlotterten, kaum noch menschlichen Arzt Kaminski gegenüber. Obwohl eine der Botschaften des Romans ist, dass jeder Mensch Gutes und Böses in sich vereint, sind die beiden Protagonisten schon ziemlich klischeehafte Verkörperungen von Gut und Böse mit wenig Nuancen – allerdings nicht ganz so eindimensional wie in traditionellen Märchen. In Kombination mit dem etwas blumig-altmodischen Stil der Autorin wirkt die Geschichte wie ein Märchen für Erwachsene.

Veröffentlicht am 24.07.2018

Langsamer Spannungsaufbau

Ins Dunkel
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Die ersten Dreiviertel von "Ins Dunkel" lesen sich flüssig und unterhaltsam, allerdings fehlt für einen echten Thriller der richtige Thrill - der (psychologische) Nervenkitzel, der die Handlung erbarmungslos ...

Die ersten Dreiviertel von "Ins Dunkel" lesen sich flüssig und unterhaltsam, allerdings fehlt für einen echten Thriller der richtige Thrill - der (psychologische) Nervenkitzel, der die Handlung erbarmungslos vorantreibt. Der Autorin gelingt es aber, eine kontinuierliche Grundspannung aufzubauen, die für meinen Geschmack jedoch etwas intensiver hätte sein können.

Die Geschichte wird abwechselnd auf zwei Ebenen erzählt: Einerseits folgt das Buch der Suche nach der vermissten Alice aus Sicht der beiden Ermittler Aaron Falk und Carmen Cooper, andererseits den Geschehnissen im Wald vor Alices Verschwinden. Diese clevere Struktur, die sich von zwei Seiten aus auf die Aufklärung zubewegt, wäre ideal gewesen für fesselnde Cliffhanger zwischen den Kapiteln eines Handlungsstranges. Doch die wenigen Cliffhanger, die die Autorin einbaut, sind eher zahm.

Erst gegen Ende entwickelt das Buch plötzlich einen richtigen Sog und baut eine enorme Spannung auf. Jede der fünf Kolleginnen, die sich bei einer gemeinsamen Teambuilding-Maßnahme in einem australischen Nationalpark verlaufen, hegt mindestens ein privates Geheimnis. Am Ende erfährt der Leser nicht nur, was mit Alice passiert ist, sondern auch wie die persönlichen Probleme der Frauen die Situation beeinflusst haben. Mit der dramatischen und überraschenden Auflösung gelingt Jane Harper ein fulminanter Abschluss.