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Veröffentlicht am 07.04.2022

Eine wertvolle, liebevolle Reise

Auf Basidis Dach
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„(…) Jede allgemeine Kritik gegen das Verhalten von Menschen in Marokko ist immer auch ein kleiner Angriff auf meine Identität und damit im weitesten Sinne auf meine Familie. Manchmal möchte ich auch zeigen, ...

„(…) Jede allgemeine Kritik gegen das Verhalten von Menschen in Marokko ist immer auch ein kleiner Angriff auf meine Identität und damit im weitesten Sinne auf meine Familie. Manchmal möchte ich auch zeigen, dass unter der glatten Schale von Argumenten, die schlüssig und klar klingen, viele weitere Facetten liegen, die man erst mühevoll freilegen muss, (…)“ (S. 59)

Mona Ameziane, ein Name, der vielen von uns sicher bekannt ist Der Papa Marokkaner, die Mama ist Deutsche. Mona wuchs in Deutschland auf und verbrachte viele ihrer Ferien in Marokko bei ihren Großeltern. Sich daheim fühlen in zwei Kulturen, sprechen von zwei Sprachen, dem Umgang mit der Religion (Allah oder Gott) und verzichtbaren Rassismus-Erfahrungen – darin dürfen wir miteintauchen.

Ich war mit Mona im Urlaub! Sowohl im familiären als auch im kulturellen und ich habe es sehr genossen. Es war eine einfühlsame, wohlige, warme Reise, auf die ich Mona begleiten durfte, zu einem Teil ihrer Wurzeln, zu ihrer Familie, ihrem Großvater, Großmutter Lalla, ihrem Papa, den Märkten, den Bergen, haben-wollenden Teekannen und netten Taxifahrern, namens Mohammed. Mona hat uns Marokko ungeschminkt und ungeschönt vorgestellt mit all seinen Ecken und Kanten, so wie auch wir Menschen sind. Und Menschen machen ein Land aus, machen es hoffentlich auch zu einem zu Hause, in das mehr gerne immer zurückkehrt. Dennoch auch mit seinen wunderschönen Seiten, der Gastfreundschaft, der Familie, den Eigenheiten dieses offensichtlich schönen Landes, welches ich leider noch nicht persönlich kenne.
„Irgendwann wirst du merken, dass es ein Geschenk ist, in zwei Ländern dieser Welt zu Hause zu sein“ hat mein Vater immer wieder früher zu mir gesagt.“ (Seite 15).
Die Wärme der Vater-Tochter-Beziehung hatte für mich eine starke Sogwirkung. Ich habe mich so wohl gefühlt beim Lesen. Und ich wäre so gerne dabei gewesen, als die beiden durch die kleinen Gassen und Straßen gehirscht sind, oder als sie Mohammed’s Familie kennenlernten. Auch den kritischen Teil über Marokko beleuchtet Mona ohne Umwege. Und obwohl das Buch auch bedrückende und furchtbare Themen streift, ist es dennoch ein Wohlfühlbuch, voller Liebe, Zuneigung und Respekt gegenüber der zweiten Heimat. Eines, dass ich sicherlich wieder zur Hand nehmen werde, um es mir gemütlich zu machen für eine Reise mit Mona nach Fes und mit ihr dort gedanklich einen Tee zu schlürfen (ohne Zucker).

Und wer Mona jetzt noch immer nicht kennt, folgt ihr am besten direkt auf Instagram und hört sonntags ihre Radiosendung auf 1Live oder ihren Podcast.

Und da ihr sicher auch alle wissen wollt, wer Basidi ist: lest Mona’s Buch!

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Veröffentlicht am 07.01.2022

Tollpatschig, liebenswerte Elsa Stern

Liebe, Männer, Eierlikör ...und andere Katastrophen
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Von einer Katastrophe zur nächsten, tollpatschig, liebenswert und dem Eierlikör verfallen … von wem reden wir? Richtig, von Elsa-Antoinette Stern, ihres Zeichens Sternderl.
Sternderl nimmt das Leben wir ...

Von einer Katastrophe zur nächsten, tollpatschig, liebenswert und dem Eierlikör verfallen … von wem reden wir? Richtig, von Elsa-Antoinette Stern, ihres Zeichens Sternderl.
Sternderl nimmt das Leben wir es kommt, mit Humor, sehr vielen Fettnäpfchen, viel Selbstironie und bei hoher Frustrationstoleranz schlürft sie halt einfach mal ein oder zwei Eierlikörchen, dann ist das Leben wieder gut.
Sternderl auf der Suche nach dem Liebesglück, 29 und unverheiratet, wird sie auch mal kreativ und bumst (haha Wortspiel) jemandem hinten ins Auto. So landet sie vor Gericht und wird dann von ihrem Anwalt, dem Herrn Winkler, mal eindringlich umworben. Doch den Herrn Winkler, den hat sie so gar nicht am Schirm. Sondern den Anwalt der Gegenpartei, den Herrn Q. Da fährt ihr doch gleich die Butter in die Knie. Und so reiten wir ein in die Welt der Elsa Stern und ihrer Familie, ihren Fettnäpfchen und der Story um ihren Traummann. Wir lernen ihre Familie kennen – oh Gott, ich wäre ja schon ausgewandert bei der Mutter, der Tante und der Dumpfbacke von Cousine, die bald heiratet. Als Elsa dann die Brautparty ausrichten muss, geht die Showse erst richtig los (das war übrigens dann auch die Stelle, wo ich fast gestorben wäre vor Lachen). Und mehr verrate ich nicht, ihr müsst schon selbst reinschnuppern und ein Likörchen dabei schlürfen.

An einigen Stellen war es mir persönlich etwas zu übertrieben, denn das sich jemand gar so dumm anstellt, dass kann sogar ich mir nicht vorstellen, und ich habe wirklich viel Phantasie.
Wenn ihr was Lustiges, humorvolles, zum Schreien komisches wollt, gepaart mit etwas Realität und Ironie, dann lest auf jeden Fall rein in das Leben der lieben Elsa Stern.
Was mir sehr gefallen hat, war der Schreibstil aus Sicht von Elsa und der österreichische Charme, der auch schön miteinfließt. Und selbst wenn das Buch an der einen oder anderen Stelle überzogen scheint, so nehme ich klar drei Dinge aus dem Buch mit:
1. Man sollte sich nicht immer so ernst oder wichtig nehmen.
2. Kommunikation in zwischenmenschlichen Beziehungen ist das A und O.
3. Humor ist, wenn man trotzdem lacht.

Von mir gibt es eine Leseempfehlung – schon lange nicht mehr so gelacht (und dabei fast dem Erstickungstod erlegen …) … und ich bin gespannt wie es bei Elsa weitergeht.

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Veröffentlicht am 26.11.2021

Little Women – ein Klassiker, der beim Lesen unheimliche Freude bereitet.

Little Women. Beth und ihre Schwestern
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Wir lesen hier von der Familie March (die Eltern und die Schwestern Jo, Beth, Betty und Amy) sowie deren engen Freund Laurie, den alle Teddy rufen, und seinen Großvater#, bei dem Teddy aufwächst. Im ...



Wir lesen hier von der Familie March (die Eltern und die Schwestern Jo, Beth, Betty und Amy) sowie deren engen Freund Laurie, den alle Teddy rufen, und seinen Großvater#, bei dem Teddy aufwächst. Im Laufe der Geschichte erlebt man das Erwachsenwerden der Mädchen und von Laurie mit. Jeder ist auf ihreseine Art wundervoll. Es spielt sich alles im Jahre 1860 in Neuengland ab. Die vier Mädchen sind charakterlich total unterschiedlich. Teddy ist wie ihr Ziehbruder.
Im ersten Teil „Little Women“ schauen wir der Mutter, Mrs. March, über die Schulter, wie sie die Mädchen aufzieht, mit nicht viel monetären Dingen, aber mit Liebe, Wärme und vielen anderen wichtigen Werten, die sie ihnen vermittelt.
Meg, die Älteste, ist zart, fragil und doch wirkt sie ziemlich erwachsen. Jo, die Verrückte der vier Schwestern mit einem Riesenherz in der Brust, sie mochte ich vermutlich am Liebsten, auch wenn ich alle mochte. Beth, die schüchtern ist und noch viel Fürsorge benötigt, ein sehr harmoniebedürftiger Charakter. Und als jüngste, Amy, die einerseits zerbrechlich-kindlich dargestellt wird und andererseits doch auch etwas egoistisch scheint. Auch die Mutter, Mrs. March, lernt man sehr gut kennen und an so vielen Stellen hat sie mich an meine Omi erinnert: ein großes Herz, bereit zu vergeben, zu unterstützen und nicht zu verurteilen und außerordentlich liebenswert – auch diesmal muss ich es wieder sagen: ich hätte Mrs. March gerne kennengelernt oder würde sie gerne gewissen Menschen vorstellen.
Im zweiten Teil „Good Wives“ lernen wir die Mädchen in ihrem Erwachsensein kennen. Die eine heiratet, die anderen wird Mutter, man verliebt sich oder nicht, man geht auf Weltreise, man baut sein persönliches Talent weiter aus. Wir freuen uns mit den Mädchen und erleben auch Verluste.
Aus meiner Sicht ist das ein Werk, welches ich gerne im Deutschunterricht gelesen hätte. Eines, dass etwas Wichtiges vermittelt, somit auch Lerneffekt hat, im Gegensatz zu … Minna von Barnhelm oder so, was ich alles lesen musste. Über die Rollenklischees und veralteten Rollenbilder muss man hier nicht diskutieren, denn es ist ein alter Klassiker, der 150 Jahre alt ist.
Diese zauberhafte neue Ausgabe ist ein Sammlerstück (auch unter dem wunderschönen Schutzumschlag werden wir mit einem schön gestaltetem Hardcover-Buch überrascht). Die Illustrationen sind hinreißend, verspielt und liebevoll gestaltet.
Diese Geschichte lässt mich immer mit einem positiven Gefühl in der Brust zurück und lässt mich wieder etwas „zur Besinnung“ kommen, was mir nicht täglich alles Gute in meinem Leben wiederfährt.

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Veröffentlicht am 26.11.2021

... aus Sicht eines Kindes ...

Das Gedächtnis des Baumes
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„Ich weiß, Opa sagt das, damit ich mir alles merke, worüber wir sprechen. Als wollte er mir Vorräte mitgeben für die Zeit, wenn er nicht mehr da ist.“ (Zitat)

Jan’s Großeltern ziehen zu seinen Eltern ...

„Ich weiß, Opa sagt das, damit ich mir alles merke, worüber wir sprechen. Als wollte er mir Vorräte mitgeben für die Zeit, wenn er nicht mehr da ist.“ (Zitat)

Jan’s Großeltern ziehen zu seinen Eltern und ihm in die Wohnung. Sie wollen Oma und Opa unterstützen, denn Opa ist krank, er leidet an Demenz.
Obwohl Jan erst 10 Jahre alt ist, sieht und fühlt er mehr als Erwachsene denken.

Die Beziehung zwischen Jan und seinem Großvater gewinnt intensiv an Tiefe, da sie täglich Zeit miteinander verbringen. Großvater Joan holt Jan jeden Tag von der Schule ab, sie spazieren nach Hause, sie erzählen sich Dinge, sie umarmen Bäume und der Großvater erzählt ihm von der Trauerweide in seiner Kindheit, der er alle seine Geheimnisse anvertraut hat. Nach und nach verschlimmert sich jedoch der Zustand um Großvater Joan und die Familie muss miterleben, wie Joan seine Erinnerungen verliert.

In kleinen und feinen Kapiteln wird die Geschichte um Opa Joan aus Jan’s Sicht geschildert. Auch wenn die Krankheit nur am Rande erwähnt wird, so schwingt sie doch in den Worten des kleinen Jan und der Geschichte der Familie immer mit. Sanft, leise und mit Tiefgang wird der Umgang innerhalb der Familie beschrieben.

Eine berührende Geschichte erzählt aus Sicht eines Kindes sowie seinen persönlichen Beobachtungen zur Situation. Sehr empathisch, bewegend und teilweise auch poetisch schildert Tina Vallès die Reise, die kein schönes Ende nimmt.
Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 19.11.2021

Generationengeschichte

Damals, am Meer
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„Ich weiß nicht, wie viele Jahre ich nicht mit meinem Vater gesprochen hatte. Ich glaube sogar, es war das erste Mal überhaupt. Vielleicht, weil wir noch nie in einer Sternennacht im Gebirge spazieren ...

„Ich weiß nicht, wie viele Jahre ich nicht mit meinem Vater gesprochen hatte. Ich glaube sogar, es war das erste Mal überhaupt. Vielleicht, weil wir noch nie in einer Sternennacht im Gebirge spazieren gegangen waren. Vielleicht, weil wir jetzt weniger Vater und Sohn als vielmehr zwei Männer waren. Allein mit der Dunkelheit und der Angst vor der Abwesenheit Gottes.“ (Zitat)

Ein leiser, zarter Roman über drei Generationen, über „Heimat“, eine Wohnung am Meer und zwischenmenschliche Distanz.
Seit Ewigkeiten lebt die Familie Russo in Mailand, einst dorthin gezogen in die Großstadt, weit weg aus dem kleinen Dorf nahe dem Meer. Nun, nachdem sich jahrelang niemand um die Wohnung gekümmert hat, steht der Verkauf selbiger an. Großvater Leonardo, liebevoll Babbo genannt, ehemaliger Kommunist, verspürt tiefen Herzschmerz. Für ihn ist die Wohnung ein Stück Heimat, das er zurücklassen musste; ein Gefühl, das tief vergraben war, aber nie weg. Für Riccardo, Leonardo’s Sohn und Vater von Nicolà, ist die gefühlte Verbindung zu dieser Wohnung eine andere. Für ihn führte diese zum Zerfall und stetigem Streit unter den Geschwistern. Für Nico, arbeitssuchenden Lehrer, ist es die Wohnung, die er in den Ferien besuchte, wo er seine Freizeit verbringen durfte und die Zeit mit Großeltern und Freunden verbrachte. So unterschiedlich jedoch die Gemütszustände und Gefühle der Drei zur Wohnung sind, so stark ist trotzdem ihre Verbindung dadurch zueinander.
Die Wohnung wurde zurückgelassen, als man sich in den wirtschaftlich besseren Norden aufmachte, um dort ein besseres Leben zu genießen. Eines Tages ist es soweit, die Wohnung verfällt langsam, soll verkauft werden und dem sentimentalen Denken ein Ende gemacht werden. Und so machen sich die drei auf die Reise von Mailand nach Barletta/Apulien. Für Nico ist Großvater Leonardo sein Held, ein großer Krieger. Bei ihm und seiner Großmutter hat er dort viel Zeit verbracht, daher will er auch mitfahren nach Apulien – und, um seinen Vater zu ärgern. Auf diese Reise lernen die drei auch sehr viel über sich selbst, kommen sich selbst auch näher, streiten und trauern gemeinsam.

Balazano hat hier wieder tolles geschaffen. Eine gefühlvolle Geschichte, leise und doch ausdrucksstark. Hier wird beim Lesen schnell klar, dass Balzano die Reise sowie die Wohnung als Metaphern benutzt, als Symbole für Erinnerungen, Vater-Sohn-Beziehungen, dem Gefühl von Heimat und Lebensveränderungen bzw. Erfahrungen. Er beschreibt die Heimatlosigkeit, das Auseinanderleben der Familie. Der Verfall der Wohnung ist ein Symbol für den Zerfall der Familie. Die Leben und die damit verbundenen Veränderungen, die in Barletta von Statten gingen, als Leonardo weg war. Früher noch Herr der Gassen, heute teilweise nicht mehr erkannt. Zu lange war er weg.
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Marco Balzano hat hier wieder kluges vollbracht. Eine Generationengeschichte, pointiert, herrlich ehrlich, klar, laut & leise und doch auch zurückhaltend, authentisch und sehr unterhaltsam. Ein Buch über das Loslassen von nostalgischen Erinnerungen, den Verlust von anderen und von Heimat. Ein Buch, das ins Herz geht. Leseempfehlung!
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„Es handelte sich um Sand von vor zwanzig Jahren, er war noch nicht zerfallen und verschwunden. Das wären die richtigen Körnchen gewesen, die Atome, damit hätte ich die Sanduhr meiner Zeit füllen können. Mit der festgebackenen Erde meiner Kindheit.“ (Zitat)

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