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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.09.2021

Kann Böses gut sein?

Mein Wille geschehe
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Zum Inhalt:
Der Pfarrer Bene ist unglücklich: Seine Predigten langweilen die Gemeinde, seine Ehefrau strebt nach Höherem und sein Vikar intrigiert hinter seinem Rücken. Und dann kommt ihm auch noch eines ...

Zum Inhalt:
Der Pfarrer Bene ist unglücklich: Seine Predigten langweilen die Gemeinde, seine Ehefrau strebt nach Höherem und sein Vikar intrigiert hinter seinem Rücken. Und dann kommt ihm auch noch eines seiner Schafe in die Quere und das so, dass Bene die Beherrschung verliert und es im Affekt erschlägt. Doch das Adrenalin in Benes Blut bewirkt fast ein Wunder: Seine Predigten bekommen Tiefe und er vermag plötzlich wirklich ein Hirte für die Gemeinde zu sein; wenigstens für Teile davon. Aber die Angst vor der Entdeckung bleibt und gibt es wirklich etwas Böses, aus dem Gutes erwächst oder ist das nur eine fromme Lüge?

Mein Eindruck:
Dieses Buch ist weniger ein Krimi als eine philosophische Geschichte mit ein paar Prüfungen, welcher Zweck die Mittel heiligt oder eben auch nicht. Was wirklich gefällt, sind die gelungenen Verweise auf Bibel und Ostergeschichte, was wirklich überhaupt nicht gefällt, ist die Werbung mit Fitzek, - ein Etikettenschwindel par excellence und der Verlag sollte sich so eine Idee beim nächsten Mal gründlich überlegen. Denn dieses Buch ist weder blutrünstig, noch zeigt es viel Humor. Ganz im Gegenteil ist es nachdenklich und in Teilen sogar richtig schwermütig. Es wird viel diskutiert und nachgedacht und wenn gehandelt wird, dann erinnert es an Slapstick. Doch die nachdenklichen Stellen sind gut ausgedacht und hier kommt wahrscheinlich dem Autor sein Beruf zur Hilfe. Insbesondere dann, wenn des einen Eule des anderen Nachtigall ist. Zum Ende bieten sich der Leserschaft noch einige Überraschungen, manche gelungen, andere weniger. Doch wenigstens ist der Schluss komplett und lässt keine Fragen offen.


Mein Fazit:
Falsch beworben, jedoch nicht schlecht geschrieben

Veröffentlicht am 05.09.2021

Am Ende die Kurve bekommen

Berlin Monster - Nachts sind alle Mörder grau
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Zum Inhalt:
Vor dreißig Jahren wurde Lucy geboren und ihre Eltern starben, doch das tödliche Experiment ihres Vaters schenkte unzähligen Kreaturen aus der Welt der Märchen, Sagen und (Alb-)Träumen das ...

Zum Inhalt:
Vor dreißig Jahren wurde Lucy geboren und ihre Eltern starben, doch das tödliche Experiment ihres Vaters schenkte unzähligen Kreaturen aus der Welt der Märchen, Sagen und (Alb-)Träumen das Leben. Diese Wesen – Stifs - leben jetzt hauptsächlich in der Zone Berlins, in der die Geschichte ihren Anfang nahm und sie haben es nicht leicht, denn die Menschen versagen ihnen Gleichberechtigung und Gleichstellung; zusätzlich scheint ein Monster unter ihnen zu wüten. Lucy wird in ihrer Eigenschaft als Privatdetektivin von einer Stif beauftragt, deren abgängige Freundin, eine Fee, zu finden und sieht sich und ihre Freunde bald höchsten Gefahren ausgesetzt.

Mein Eindruck:
Es hätte so schön sein können und im letzten Drittel des Buches packt „Berlin Monster“ seine Leser/innen an der Gurgel (fast wie das todbringende Monster) und weiß mit Einfallsreichtum und Rasanz zu überzeugen. Doch bis dahin ärgert man sich ein um das andere Mal über eine absolut egozentrische Hauptperson, welche zwar immer wieder betont, wie sehr sie an ihren Freunden hängt, um diese dann immer wieder zu vergessen, da die eigenen Belange wichtiger sind. Zusätzlich – aber das ist eine persönliche Sache – wird es langsam aber sicher unerträglich, dass die politische Korrektheit inzwischen sämtliche Genres infiltriert. Nach Klappentext und Leseprobe erwartet man einen (schwarz-)humorigen Culture Clash mit Krimihandlung, man bekommt jedoch den erhobenen Zeigefinger, der einem wieder einmal latenten Rassismus schon deshalb unterstellt, weil Mensch Mensch ist. Das kann man gut und wichtig finden oder eben enervierend. Mir reicht es inzwischen mit der Moral und ich möchte einfach nur unterhalten und nicht belehrt und erzogen werden.
Doch – wie schon erwähnt – im letzten Drittel – als das Buch schon relativ ungeliebt auf dem Couchtisch dahinvegetierte – dreht Kim Rabe plötzlich auf, packt den Zaunpfahl ein und die guten Ideen aus. Jetzt bekommen die Geschichte Fahrt und ihre Charaktere Grau-Töne und Tiefe statt des groben Holzschnitts. Das Ende ist absolut überraschend und gibt einen Ausblick auf eine mögliche Fortsetzung ohne die Leser/innen mit einem zu offenen Ausgang zu quälen.

Mein Fazit:
Zum Schluss hat man die Monster doch noch gern

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Fantasy
Veröffentlicht am 28.08.2021

Geheimnisvoll

Der Tod und das dunkle Meer
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Zum Inhalt:
Batavia, 1634. Arent Hayes hatte es noch nie leicht. Zuerst machte ihm sein Vater das Leben schwer, dann stürzte er sich als Söldner in diverse Kriege, um schließlich bei Samuel Pipps, einem ...

Zum Inhalt:
Batavia, 1634. Arent Hayes hatte es noch nie leicht. Zuerst machte ihm sein Vater das Leben schwer, dann stürzte er sich als Söldner in diverse Kriege, um schließlich bei Samuel Pipps, einem sehr guten Ermittler, als Leibwächter zu enden. Und jetzt fällt Samuel Pipps in Ungnade und soll – gemeinsam mit einer Ladung von Schätzen – von Batavia nach Amsterdam reisen, damit ihm dort der Prozess gemacht wird. Gemeinsam mit einer illustren Schar von Passagieren, mordlustigen Matrosen und verwegenen Soldaten segeln sie auf der Sardaam. Doch sie sind nicht alleine, - der Teufel scheint sich ebenfalls an Bord begeben zu haben.

Mein Eindruck:
Auch mit seinem zweiten Buch begibt sich Stuart Turton in die Vergangenheit. Hier nutzt er die Träume zu der Bezwingung der sieben Weltmeere, um sie ad Absurdum zu führen: Seine Seefahrt ist nicht lustig, sondern dreckig, hinterhältig, bösartig, gefährlich und damit letztendlich tödlich für viele Mitfahrer. Doch als Hauptpersonen nutzt er zwei Felsen in der Brandung, die genau diesem Eindruck völlig entgegen wirken: Ein ehrenhafter Soldat und eine Heilerin, die beide versuchen, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen, das so viele Menschen an Bord des Schiffes in Versuchung führt. Dazu mischt Turton so geschickt eine gute Portion Aberglaube in den Schiffszwieback, dass seine Leser/innen selber von einer Idee zur Handlung in die nächste schwanken.
Turtons Stil ist fesselnd, sehr malerisch und mit einer guten Portion bösen Humors gespickt. Seine Charaktere erscheinen wunderbar vor dem geistigen Auge und deren Umgebung ist ebenso fremd, wie verführerisch. Schön auch die Stärke seiner Figuren, die insbesondere in den weiblichen Charakteren zu sehen ist. Hier gibt es keine schwachen, hingebungsvollen Weiber, - gerade die Damen sind ausgefuchster und damit schwerer zu durchschauen, als die manchmal doch eher eindimensionalen Männer.
Das Ende seiner Geschichte könnte ein neuer Anfang sein, - die Leserschaft wäre bestimmt dankbar darüber.

Mein Fazit:
Auch das zweite Buch ist dem Autor gelungen. Sehr gelungen!

Veröffentlicht am 14.08.2021

Alte Sünden

The Call
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Zum Inhalt:
Zusammen mit einer Freundin betreibt Charlotte eine heilkundliche Praxis, als sie von der Polizei nach dem Fund einer Leiche kontaktiert wird. Diese hat Charlotte als Kontaktperson angegeben, ...

Zum Inhalt:
Zusammen mit einer Freundin betreibt Charlotte eine heilkundliche Praxis, als sie von der Polizei nach dem Fund einer Leiche kontaktiert wird. Diese hat Charlotte als Kontaktperson angegeben, - doch die Frau ist ihr gänzlich unbekannt. Als sich der Tod als Mord herausstellt und die Beamten tiefer in der Vergangenheit Charlottes graben, stellt sich heraus, dass es doch eine Verbindung gibt. Damit stellt sich die Frage, ob ihre Beteuerungen glaubhaft sind oder sie doch etwas zu verbergen hat.

Mein Eindruck:
„The Call“ lebt vor allen Dingen von seinen Perspektivwechseln, denn neben der Erlebnisse der Protagonistin Charlotte – deren Sicht den Löwenanteil des Buches einnimmt – schildert Scott Einsichten in die Gedanken der beiden Hauptermittler und in die von Charlottes Kollegin und Freundin Rachel. Ein Chatverlauf lockert das Buch ebenfalls auf. Durch die zumeist kurzen, schnellen Kapitel gerät man in einen Sog, der förmlich zum Weiterlesen animiert. Zwar gibt es einige doch eher zweifelhaft anmutende Szenen, bei denen man an der Intelligenz der Hauptperson zweifeln möchte, dafür gefallen aber insbesondere die Teilstücke, in denen diskutiert wird. Hier sind zwar oft unterschiedliche Standpunkte oder Lebensentwürfe gegeben; dennoch versuchen die Figuren sich zu überzeugen und nicht zu überreden und – ganz wichtig – eine hört der anderen zu.
Der Fall und seine Auflösung sind – obwohl wieder einmal die Psycho-Schiene bedient wird – schlüssig und münden in ein wirklich spannendes Finale. Da auch für das Herz und den Humor gesorgt ist, bekommt das Buch eine Leseempfehlung von mir.

Mein Fazit:
Nicht immer glaubhaft, aber spannend

Veröffentlicht am 09.08.2021

Cold Case?

Spätsommermord
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Um der internen Ermittlung im Zusammenhang mit dem Tod ihres Ex-Mannes zu entgehen, zieht die erfolgreiche Stockholmer Ermittlerin Anna gemeinsam mit ihrer Tochter in das ländliche Südschweden. Dort wird ...

Um der internen Ermittlung im Zusammenhang mit dem Tod ihres Ex-Mannes zu entgehen, zieht die erfolgreiche Stockholmer Ermittlerin Anna gemeinsam mit ihrer Tochter in das ländliche Südschweden. Dort wird sie mit einer 27 Jahre alten Tragödie konfrontiert: Fünf Freunde feierten das Ende ihrer Schulzeit an einem See. Am Morgen lag einer von ihnen tot im Wasser. Annas Vermieterin ist die Mutter des Opfers, Annas Vorgänger der Vater eines der anderen Jugendlichen. Als ein weiterer Todesfall passiert, sieht sich Anna zwischen allen Fronten und in Gefahr.

Mein Eindruck:
Dieses Buch hat Anders de la Motte großartig entwickelt. Es beginnt ruhig wie der sprichwörtliche Mühlenteich (okay, hier geht es um einen See im Steinbruch), um dann Untiefen und Strömungen zu entwickeln.
Gut gefallen seine Charaktere, - die Protagonistin Anna ist nicht perfekt, gibt aber nie klein bei, ohne dabei arrogant zu werden. Und auch die begleitenden Personen machen Spaß, da sie sehr vielfältig und mit Tiefe angelegt sind und ihre Entwicklung – insbesondere für die am ersten Todesfall Beteiligten – nachvollziehbar und spannend ist.
De La Motte seziert dabei vor allen Dingen Gefühle und lässt damit seine Figuren leben. Wie für einen Kriminalfall angebracht gibt es zwar spannende und gefährliche Szenen, - blutrünstig wird es aber nie.
Der Schreibstil ist perfekt für ein Buch, auf welches man sich konzentrieren möchte, von dem man aber nicht belehrt werden will: Nicht zu kompliziert, aber nie banal.
Brillant auch das Ende: Überraschend, es wird zwar alles aufgeklärt, trotzdem kommt nicht alles in die Akten, - manchmal ist es eben besser, die harte Realität mit einem sanften Tusche-Schleier zu überziehen.

Mein Fazit:
Sehr stimmige Studie des ländlichen Schwedens