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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.06.2023

Von der Welt der Toten

Als wir Vögel waren
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Port Angeles in Trinidad und Tobago: Yejide wächst in einem Dorf in den Bergen auf. Ihre Familie stammt von Rabengeiern ab und kann den Toten den Weg in die andere Welt erleichtern. Als ihre Mutter stirbt, ...

Port Angeles in Trinidad und Tobago: Yejide wächst in einem Dorf in den Bergen auf. Ihre Familie stammt von Rabengeiern ab und kann den Toten den Weg in die andere Welt erleichtern. Als ihre Mutter stirbt, ist Yejide an der Reihe, dieses Erbe anzutreten. Das behagt ihr jedoch nicht. Emmanuel Darwins Religion verbietet ihm die Nähe zu Toten. Doch er ist gezwungen, als Totengräber auf dem Friedhof zu arbeiten.

„Als wir Vögel waren“ ist der Debütroman von Ayanna Lloyd Banwo.

Meine Meinung:
Der Roman beinhaltet 36 Kapitel, die aus verschiedenen Perspektiven erzählt werden. Die Überschriften weisen die jeweilige Perspektive aus. Die Kapitel sind sieben Teilen zugeordnet. Erzählt wird im Präsens, wobei unklar bleibt, wann genau die Handlung spielt („gestern“, „heute“).

Der Sprache ist atmosphärisch und bildstark, aber nicht zu schnörkelhaft. Sie stellt für mich die größte Stärke des Romans dar.

Im Vordergrund stehen Darwin und Yejide. Beide Figuren werden realitätsnah und mit psychologischer Tiefe beschrieben. Dennoch blieben sie mir etwas fremd.

Inhaltlich ist die Geschichte ebenfalls besonders, hat mich allerdings nicht komplett überzeugt. Es geht um Liebe in ihren verschiedenen Formen, um Leben und Tod. Anders als erwartet, spielen jedoch Mythen, Märchen, Magisches und Schöpfungsgeschichten eine große Rolle und nehmen breiten Raum ein. Durch dieses Ausmaß hat mich die Geschichte leider etwas verloren.

Die Handlung nimmt nur sehr langsam Fahrt auf. Auf den rund 340 Seiten stellte sich bei mir bedauerlicherweise kein Lesesog ein. Erst gegen Ende konnte mich die Geschichte wieder abholen.

Das Cover ist nicht nur ansprechend gestaltet, sondern passt auch thematisch gut. Der englischsprachige Originaltitel („When we were Birds“) wurde erfreulicherweise wortgetreu übersetzt.

Mein Fazit:
Mit „Als wir Vögel waren“ hat Ayanna Lloyd Banwo meine persönlichen Erwartungen nicht gänzlich erfüllt. Der ungewöhnliche Roman dürfte aber genügend Fans finden.

Veröffentlicht am 18.05.2023

Wenn Sparsamkeit ausartet

Das Fräulein
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Kaufmannstochter Rajka Radaković aus Sarajevo verliert mit 15 Jahren ihren Vater. Am Sterbebett schärft er ihr ein, stets sparsam zu sein. Ein Ratschlag, den sie sich sehr zu Herzen nimmt…

„Das Fräulein“ ...

Kaufmannstochter Rajka Radaković aus Sarajevo verliert mit 15 Jahren ihren Vater. Am Sterbebett schärft er ihr ein, stets sparsam zu sein. Ein Ratschlag, den sie sich sehr zu Herzen nimmt…

„Das Fräulein“ ist ein Roman von Ivo Andrić, der im Original bereits im Jahr 1945 erschienen ist.

Meine Meinung:
Der Roman beginnt mit einer Art Vorrede oder Prolog, der den Tod der Protagonistin vorwegnimmt und im Februar 1935 spielt. Daran schließen sich acht Kapitel an. Erzählt wird aus auktorialer Perspektive in Rückblenden.

Der Schreibstil ist atmosphärisch und anschaulich, in Teilen jedoch auf ermüdende Weise redundant und detailliert. Die Sprache ist angemessen und zeittypisch, aber auch recht nüchtern. Wort- und Sacherklärungen sind weiter hinten im Buch beigefügt.

Rajka steht zweifelsohne im Fokus der Geschichte. Die Protagonistin wird sehr stark überzeichnet. Sie wird ausführlich und mit psychologischer Tiefe dargestellt. Dennoch kommt man der Figur nicht nahe und kann ihr Verhalten nicht immer nachvollziehen. Dadurch habe ich schnell das Interesse an diesem Charakter verloren.

Inhaltlich dreht sich der Roman vor allem um das Thema Geiz, und das in einer extremen Form. Nur vordergründig geht es um das Porträt einer Frau, denn Rajka wird immer wieder auf ihre Raffgier reduziert. Das macht die Geschichte für mich zu plakativ.

Auf den rund 250 Seiten schreitet die Handlung nur sehr langsam voran. Ein richtiger Lesesog wollte sich bei mir nicht einstellen. Erst im letzten Drittel kommt etwas Schwung in die Geschichte. Zum Ende hin konnte sie mich sogar noch überraschen. Positiv anzumerken ist zudem, dass historische Ereignisse und Entwicklungen eingebettet werden, sodass die Lektüre lehrreiche Elemente enthält.

Das Nachwort der Zsolnay-Ausgabe („Geiz und Ehrgeiz“), verfasst von Michael Martens, ist informativ.

Leider bin ich mit dem Marketing der deutschen Ausgabe nicht so glücklich. Der Klappentext verrät bereits viel. Das Cover ist sehr hübsch, passt jedoch nur bedingt.

Mein Fazit:
Mit „Das Fräulein“ hat mich Nobelpreisträger Ivo Andrić insgesamt nicht überzeugt. Ein Klassiker, der nicht zwingend im Bücherregal stehen sollte.

Veröffentlicht am 09.03.2023

Was mit Ana Sardá geschah

Kathedralen
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Ana Sardá ist tot. Die 17-Jährige wird übel zugerichtet aufgefunden. In der religiösen Familie ist das Entsetzen groß. Für die Schwester der Toten, Lía, markiert die Gewalttat endgültig den Bruch mit der ...

Ana Sardá ist tot. Die 17-Jährige wird übel zugerichtet aufgefunden. In der religiösen Familie ist das Entsetzen groß. Für die Schwester der Toten, Lía, markiert die Gewalttat endgültig den Bruch mit der Kirche. Sie wandert ins Ausland aus. Doch auch 30 Jahre später bewegt sie noch immer eine Frage intensiv: Was ist damals mit Ana passiert?

„Kathedralen“ ist ein Roman von Claudia Piñeiro.

Meine Meinung:
Der Roman verfügt über einen interessanten Aufbau. Er umfasst sechs Teile, die wiederum in Kapitel untergliedert sind, sowie einen Epilog. Erzählt wird in jedem der Teile aus einer anderen Perspektive. Dabei gibt es zwei Stränge: einerseits die gegenwärtigen Entwicklungen und andererseits das Geschehen vor rund 30 Jahren. Die Handlung spielt größtenteils in Argentinien, aber auch in Europa.

In sprachlicher Hinsicht ist der Roman sehr facettenreich. Die unterschiedlichen Perspektiven sind variantenreich herausgearbeitet. Auch stilistisch hat er vielerlei zu bieten: Unter anderem sind Briefe, Tagebucheinträge und Dialoge in Reinform eingefügt. Die Metapher der titelgebenden Kathedralen zieht sich durch den ganzen Roman.

Angelegt ist die Geschichte als eine Art von Spannungsroman. Auf den rund 300 Seiten gelingt es der Autorin in der erste Hälfte, mit dem Rätsel um Anas Tod zu fesseln. Spätestens in der zweiten Hälfte ist die Auflösung jedoch sehr offensichtlich. Vor allem das letzte Drittel ist vorhersehbar und hält wenig Neues bereit. Das wiegt für mich jedoch nicht schwer, da das Buch nicht als Krimi oder Thriller vermarktet wird.

Inhaltlich hat mich der Roman jedoch dennoch enttäuscht. Dem Geheimnis um Anas Tod liegt ein interessantes, diskussionswürdiges Thema von politischer und gesellschaftlicher Bedeutung zugrunde. Mit ihrer Geschichte wollte die Autorin unverkennbar die entsprechende Debatte in ihrem Heimatland beeinflussen und einen Beitrag zu einer Gesetzesänderung leisten. Das ist kein anrüchiges Anliegen, sondern in diesem Fall meiner Ansicht nach sogar zu begrüßen. Leider schießt die Autorin allerdings über das Ziel hinaus.

Die Figuren, insbesondere jene, die den gläubigen Katholiken zuzuordnen sind, sind gnadenlos überzeichnet, schablonenhaft und eindimensional. Über Grautöne verfügen nur die Charaktere, die der Kirche zumindest skeptisch gegenüber stehen. Zwar legt die Autorin offenbar Wert darauf, das Handeln der Protagonisten ausführlich zu erklären. In der Ausgestaltung hat mich aber nur eine einzige Figur überzeugt: Anas Freundin.

Auch unabhängig von den Personen ist der Roman sehr plakativ und unglaubwürdig. Einige Übertreibungen und absurde Details sollen keine Zweifel zulassen. Der Katholizismus wird als absolutes Feindbild aufgebaut. Die Botschaft des Romans mit dem Holzhammer mehrfach wiederholt. Dadurch hat bei mir nicht nur zunehmend das Lesevergnügen abgenommen, sondern die Geschichte leider auch ihre emotionale Wirkung verfehlt. Weniger wäre hier mehr gewesen.

Das düstere Cover mit verwelkten Blüten passt sinnbildlich gut. Der spanischsprachige Titel („Catedrales“) wurde erfreulicherweise wortgetreu übersetzt.

Mein Fazit:
„Kathedralen“ von Claudia Piñeiro ist ein Roman, der leider hinter meinen Erwartungen zurückgeblieben ist. Die wichtige Thematik hätte eine differenziertere Auseinandersetzung verdient gehabt. Ein Buch jedoch, das unterhaltsame Lesestunden bieten kann.

Veröffentlicht am 06.02.2023

111 To-Do-Listen

Einfach gut sortiert
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Wie schminke ich mich am besten? Wie arbeite ich im Büro möglichst effizient? Und wie beseitige ich das Chaos zu Hause?

„Einfach gut sortiert - In wenigen Schritten den Alltag meistern und Zeit für sich ...

Wie schminke ich mich am besten? Wie arbeite ich im Büro möglichst effizient? Und wie beseitige ich das Chaos zu Hause?

„Einfach gut sortiert - In wenigen Schritten den Alltag meistern und Zeit für sich gewinnen“ ist ein Sachbuch von Erin Zammett Ruddy.

Meine Meinung:
Das Buch besteht aus 14 Kapiteln, die in weitere Abschnitte untergliedert sind. Sie werden eingerahmt durch eine Einleitung und die Danksagung der Autorin. Die Kapitel sind chronologisch nach einem exemplarischen Tagesablauf angeordnet, können allerdings problemlos auch in beliebiger Reihenfolge gelesen werden. Die klare Struktur mit dem Inhaltsverzeichnis macht ein Nachschlagen und Wiederfinden der einzelnen Themen sehr leicht.

Die Sprache ist locker und flott, manchmal jedoch eine Spur zu salopp und sehr betont lässig. Durch den Verzicht auf Fremdwörter und Fachbegriffe ist der Stil jedoch gut verständlich.

In thematischer Hinsicht ist der Ratgeber sehr facettenreich und umfassend. Von Styling über Gesundheit, Haushalt und Job bis zur Freizeitgestaltung ist vieles dabei. Auch auf spezielle Umstände, die nicht so häufig vorliegen, wie Trauerfälle und Probleme mit dem Auto geht die Autorin auf den etwas mehr als 300 Seiten ein. So entsteht ein buntes Sammelsurium an Tipps für mehr oder weniger alltägliche Situationen.

Die einzelnen Abschnitte bauen jeweils auf den Aussagen von Personen auf, die die Autorin zu diesem Thema befragt hat. Sie folgen einem wiederkehrenden Schema: Es gibt eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, die kurze Vorstellung des jeweiligen „Experten“, die Begründung der Schritte sowie oftmals ein „Bonus“-Absatz mit zusätzlichen Tipps. Grundsätzlich ein sinnvolles und schlüssiges Konzept.

Mit dem Sachbuch hatte ich, grob ausgedrückt, dennoch drei wesentliche Schwierigkeiten:

Erstens: Bei den sogenannten Expertinnen und Experten handelt es sich nur zum Teil um ausgebildete Kenner ihres Faches. Bisweilen werden lediglich Unternehmer, sonstige Geschäftsleute oder andere Persönlichkeiten zitiert, deren Bezug zum Thema diffus bleibt. Beispielsweise erklärt die Gründerin eines Lifestyle-Magazins, wie man Betttücher falten soll. Dadurch entsteht der Eindruck von Schleichwerbung.

Zweitens: Nur ein kleiner Teil der Ratschläge sind für mich von Belang und hilfreich, weil darin tatsächlich Neues zu finden ist. Manche Tipps sind zu oberflächlich, zu banal oder schlichtweg hinlänglich bekannt, wie der Fakt, dass eine gerade geputzte Fläche vor dem Betreten trocknen sollte. Andere Tipps wie zum Beispiel die Hautpflege werden zu pauschal dargestellt. Und sogar kontraproduktive, gefährliche Ratschläge werden erteilt wie der häufige Gebrauch von Nasenspray vermeintlich zum Schutz vor Infektionen, obwohl Studien das Gegenteil beweisen.

Drittens: Das deutsche Marketing ist irreführend. Aufgrund des deutschen Titels, des Covers, der Einleitung und der sonstigen Vermarktung hatte ich mir einen Ratgeber zum Thema Ordnung und Effizienz im Haushalt erwartet. Tatsächlich nimmt dieser Bereich jedoch allenfalls die Hälfte des Buches ein. Der amerikanische Originaltitel („Little Book of Life Skills“) passt daher weitaus besser.

Mein Fazit:
Für sehr junge Erwachsene mit wenig Lebenserfahrung könnte „Einfach gut sortiert - In wenigen Schritten den Alltag meistern und Zeit für sich gewinnen“ von Erin Zammett Ruddy eine hilfreiche Lektüre sein. Wer fundierte und ausführliche Tipps zu Haushaltsführung und ähnlichen Bereichen sucht, wird mit diesem Sachbuch aber nicht glücklich.

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  • Cover
Veröffentlicht am 05.02.2023

Von Hunger und Wahnsinn

Hunger
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Oslo im 19. Jahrhundert: Er träumt davon, als Journalist oder Autor groß herauszukommen. Doch bei den Zeitungen der Stadt werden nur wenige seiner Beiträge überhaupt veröffentlicht. Von den mickrigen Einnahmen ...

Oslo im 19. Jahrhundert: Er träumt davon, als Journalist oder Autor groß herauszukommen. Doch bei den Zeitungen der Stadt werden nur wenige seiner Beiträge überhaupt veröffentlicht. Von den mickrigen Einnahmen kann er nicht leben. Ohne Geld und festen Wohnsitz irrt der Mann ziellos durch die Stadt, getrieben von dem Hunger, der Verzweiflung und dem Ehrgeiz, doch noch irgendwann ein geniales Werk zu schaffen…

„Hunger“ ist eine Erzählung von Knut Hamsun, die erstmals 1890 erschienen ist.

Meine Meinung:
Das Werk besteht aus vier Teilen, genannt „Stücke“. Das erinnert, zumindest dem Namen nach, ein wenig an die Gattung Drama. Erzählt wird - mit Zeitsprüngen zwischen den verschiedenen Teilen - in der Ich-Perspektive aus der Sicht des namenlosen Protagonisten.

Der Schreibstil ist geprägt durch viele innere und weniger äußere Dialoge. Die Sprache ist modern, für ihre Zeit vermutlich revolutionär und anschaulich. Der Text enthält vielerlei religiöse Bezüge. Als störend habe ich die unvermittelten Tempuswechsel von Präteritum zum Präsens, teils sogar mitten im Satz, empfunden. Bei der Ausgabe des Manesse-Verlags handelt es sich um eine gelungene Neuübersetzung aus dem Norwegischen, angefertigt von Ulrich Sonnenberg.

Der namenlose Protagonist stellt einen unsympathischen Anti-Helden dar. Ein gesellschaftlicher Verlierer, der aufgrund seines falschen Stolzes, seiner Überheblichkeit und seines überzogenen Geltungsbedürfnisses immer weiter in Richtung Abgrund trudelt. Sein Abwärtstrend ist selbstverschuldet. Obwohl sein Denken sehr gut zum Ausdruck kommt, habe ich sein inkonsequentes Handeln meist nicht nachvollziehen können. Die Figur wird dermaßen überzeichnet dargestellt, dass sie ins Unglaubwürdige abdriftet.

Inhaltlich geht es vor allem darum, wie der Hunger einem Menschen zusetzt. Das allein reicht als Lesart meiner Meinung nach jedoch nicht aus. Das wahnhafte, komplett irrationale Verhalten des Protagonisten zeigt sich nämlich auch in Phasen, in denen er an Essen herankommt. Insofern lässt es sich nur dann erklären, wenn man ihn als psychisch kranke Person liest, die ohne Hilfe von Familie und engen Freunden in einer großen Stadt zu überleben versucht.

Auf den etwas mehr als 200 Seiten entfaltet sich nur wenig Handlung. Stattdessen wiederholen sich die Verhaltensmuster des Protagonisten auf ermüdende Weise.

Das Nachwort von Felicitas Hoppe („Der ungeheuerliche Herr Happolati“) ist für mich leider wenig aufschlussreich. Auch die rund 80 Anmerkungen sind nur zum Teil hilfreich beim Verständnis der Lektüre. Positiv bewerte ich hingegen das angehängte Literaturverzeichnis und die editorische Notiz.

Das ungewöhnliche, haptisch ansprechende Cover sticht aus der Masse hervor. Der norwegische Originaltitel („Sult“) wurde erfreulicherweise wortgetreu übersetzt.

Mein Fazit:
„Hunger“ ist ein Werk von Knut Hamsun, das mich inhaltlich enttäuscht und sprachlich ebenfalls nicht gänzlich überzeugt hat. Nur bedingt empfehlenswert.