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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.03.2022

Drama auf und abseits der Bühne

Die Feuer
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Im Kulturzentrum von Melbourne wird Samuel Becketts „Glückliche Tage“ aufgeführt, während außerhalb in den Bergen die Buschfeuer wüten. Drinnen verfolgen drei Frauen nicht nur das Stück auf der Bühne, ...

Im Kulturzentrum von Melbourne wird Samuel Becketts „Glückliche Tage“ aufgeführt, während außerhalb in den Bergen die Buschfeuer wüten. Drinnen verfolgen drei Frauen nicht nur das Stück auf der Bühne, sondern beschäftigen sich auch mit ihren eigenen Leben. Da ist die Literaturprofessorin Margot Pierce, Anfang 70, die mit ihrem Sohn Adam und mit ihrer Ehe mit dem dementen John hadert. Da ist die Kunstmäzenin Ivy Parker, Anfang 40, die von ihrer Vergangenheit eingeholt wird. Und da ist die Platzanweiserin und angehende Schauspielerin Summer (22), die sich Sorgen um ihre Freundin April macht…

„Die Feuer“ ist ein Roman von Claire Thomas.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus neun Kapiteln, jeweils drei für jede der drei Frauen. Erzählt wird im Präsens abwechselnd aus der Sicht von Margot, Summer und Ivy. Durchbrochen wird dieses Schema durch den Teil „Pause“, der wie ein Drama aufgebaut ist und sich auf Dialoge und Regieanweisungen beschränkt. Eine interessante und gut funktionierende Struktur.

Auch sprachlich hat mich der Roman überzeugt. Der Schreibstil ist schnörkellos, aber eindringlich und intensiv. Die unterschiedlichen Perspektiven variieren auch in sprachlicher Hinsicht auf hervorragende Weise. Das Geschehen auf der Bühne und die Gedanken der Frauen werden kunstvoll verwoben.

Die drei Frauen sind recht unterschiedlich. Sie alle sind keine klassischen Sympathieträgerinnen, aber authentische und reizvolle Charaktere. Die Gedanken und Gefühle der Protagonistinnen lassen sich sehr gut nachvollziehen.

Thematisch wird ein breites Spektrum abgedeckt. Es geht um den Klimawandel, psychische Probleme, traumatische Erlebnisse, Gewalt und einiges mehr. Vor allem aber überdenken die drei Protagonistinnen ihre bisherigen Sichtweisen und ihre Leben, was Denkimpulse auslöst und mich ebenfalls zum Nachdenken angeregt hat. Zugleich werden sich in dem Roman einige Frauen wiederfinden können. Das Beckett-Stück bildet einen skurrilen, ja bizarren Rahmen und ist ein passender Hintergrund, der etliche Anknüpfungspunkte bietet.

Obwohl auf der Handlungsebene nicht viel passiert, entfaltet der Roman schon nach wenigen Seiten eine Sogkraft. Sie hält auf den rund 250 Seiten an.

Das künstlerisch anmutende Cover lässt sowohl an die Feuer als auch an die Frauen denken - eine gute Wahl. Der mehrdeutige deutsche Titel ist einerseits ansprechend, aber andererseits etwas irreführender als das englischsprachige Original („The Performance“).

Mein Fazit:
„Die Feuer“ von Claire Thomas ist ein eindringlicher und eindrucksvoller Roman. Eine empfehlenswerte Lektüre.

Veröffentlicht am 03.03.2022

Den Bauernhof sprachlich entdecken

Meine ersten Wörter vom Bauernhof - Sprechen lernen mit großen Schiebern und Sachwissen für Kinder ab 12 Monaten
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Bei der Arbeit auf dem Feld, auf der Weide oder im Stall: In der Landwirtschaft gibt es viel zu tun und oft spielen Tiere eine wichtige Rolle.

„Meine ersten Wörter vom Bauernhof“ ist ein Bilderbuch von ...

Bei der Arbeit auf dem Feld, auf der Weide oder im Stall: In der Landwirtschaft gibt es viel zu tun und oft spielen Tiere eine wichtige Rolle.

„Meine ersten Wörter vom Bauernhof“ ist ein Bilderbuch von Cornelia Frank.

Meine Meinung:
Das Bilderbuch umfasst fünf Doppelseiten, die sich je einem bestimmten Bereich widmen. Jeweils rechts ist ein seitenfüllendes Bild zu sehen, jeweils links gibt es einzelne kleinere Abbildungen. Es richtet sich an Kleinkinder ab zwölf Monaten.

Die Illustrationen stammen von Steph Hinton und Carol Herring. Sie sind zum Teil stark vereinfacht und unproportional, zum Beispiel was die Köpfe der Figuren angeht. Die Zeichnungen schauen aber niedlich aus. Sie sind zudem divers und bilden unterschiedliche Personen ab.

Auf jeder Doppelseite wird der jeweilige Bereich mit zwei Zeilen beschrieben. Darüber hinaus stehen die entsprechenden Wörter neben den Abbildungen, beispielsweise „der Traktor“. Auch die Schieber beinhalten Vokabeln. Die ausgewählten Wörter passen gut zum Thema und sind - mit Ausnahme der „Gössel“ - nicht zu speziell. Sie eignen sich daher für Kleinkinder, die noch keinen großen Wortschatz haben. Die erklärenden Sätze sind leicht verständlich und damit ebenfalls altersgerecht.

Thematisch ist das Bilderbuch nicht allumfassend, aber deckt die wichtigsten Bereiche ab: Feld, Weide, Bauerngarten, bei den Hühnern und den Schweinen. Der Fokus wird auf die Tiere und Fahrzeuge gelegt. Aber auch alltägliche Gegenstände wie Eimer und Gießkanne kommen vor. Die Chance, hier auch Obst und Gemüse in seiner Vielfalt darzustellen, bleibt größtenteils ungenutzt. Zum sprachlichen Einstieg in das Themenfeld Bauernhof ist das Bilderbuch aber dennoch hilfreich.

Zu jeder Doppelseite und zum Cover ist rechts ein Schieber integriert. Durch ihn verändert sich das rechte Bild und es tauchen auf dem Schieber selbst weitere Abbildungen auf. Dieser Mechanismus, der ebenso wie die stabilen Seiten ausreichend robust ist, kam bei meinem Kind sehr gut an.

Mein Fazit:
Das Bilderbuch „Meine ersten Wörter vom Bauernhof“ eignet sich prima als Einstieg, um Kleinkinder im zweiten Lebensjahr mit der Arbeit in der Landwirtschaft sprachlich und optisch in Berührung zu bringen. Für ältere Kinder oder besonders wissbegierige Entdecker bietet dieses Buch dagegen zu wenig.

Veröffentlicht am 25.02.2022

Ein Vorfall, zwei Versionen

Die Gezeiten gehören uns
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San Francisco in den 1980er-Jahren: Die 13-jährige Eulabee und ihre Freundin Maria Fabiola gehören die Straßen im wohlhabenden Stadtviertel Sea Cliff. Sie besuchen eine private Mädchenschule. Ein Vorfall ...

San Francisco in den 1980er-Jahren: Die 13-jährige Eulabee und ihre Freundin Maria Fabiola gehören die Straßen im wohlhabenden Stadtviertel Sea Cliff. Sie besuchen eine private Mädchenschule. Ein Vorfall stört ihr Verhältnis aber dauerhaft. Eines Morgens werden die beiden von einem Mann in einem Auto angehalten. Er fragt nach der Uhrzeit. Über die weiteren Geschehnisse sind sich die Mädchen uneinig und Eulabee wird zur Ausgestoßenen…

„Die Gezeiten gehören uns“ ist ein Roman von Vendela Vida.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 30 Kapiteln, die in den 1980er-Jahren angesiedelt sind. Zudem gibt es eine Art längerer Epilog. Die Handlung reicht von 1983 bis 2019. Erzählt wird im Präsens aus der Ich-Perspektive aus der Sicht von Eulabee. Dieser Aufbau funktioniert sehr gut.

Der Schreibstil hat mich überzeugt. Der Ton und die Wortwahl sind sehr jugendlich, passend zum Alter der Protagonistinnen, aber nicht zu salopp. Der Roman ist atmosphärisch und enthält starke Bilder.

Die zwei Mädchen stehen im Vordergrund der Geschichte. Für mich sind beide keine typischen Sympathieträgerinnen. Sie sind jedoch interessante und authentisch dargestellte Charaktere.

Inhaltlich geht es vor allem um Zwischenmenschliches. Themen wie (toxische) Freundschaft und Zusammenhalt, aber auch Lügen und Verrat spielen eine zentrale Rolle. Dies alles ist zwar nicht sonderlich originell. Die Geschichte bietet allerdings eine Menge Anknüpfungspunkte und Stoff zum Nachdenken. Es handelt sich dabei um weit mehr als einen gewöhnlichen Coming-of-Age-Roman.

Die Geschichte nimmt nur langsam Fahrt auf. Auf den fast 290 Seiten sind trotzdem nur wenige Längen vorhanden. Nach dem eher gemächlichen Start entwickelt der Roman einen Sog, dem ich mich nur schwer entziehen konnte. Der Schluss ist stimmig.

Das künstlerische Cover, das sich am Original orientiert, lässt auf den zweiten Blick durchaus Bezüge zum Inhalt erkennen. Der deutsche Titel, der ebenfalls aus dem Amerikanischen („We Run the Tides“) übernommen wurde, passt hervorragend zur Geschichte.

Mein Fazit:
„Die Gezeiten gehören uns“ von Vendela Vida ist ein lesenswerter Roman, der mir unterhaltsame Lesestunden beschert hat.

Veröffentlicht am 22.02.2022

Empörende Umweltsünden

Unser kostbares Leben
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Mainheim, eine Kleinstadt an den Ausläufern des Taunus, im Jahr 1972: Die zehnjährige Caro Stern und ihre gleichaltrige Freundin Minka Schönwetter müssen miterleben, wie ihr Klassenkamerad Guy Meyfahrt ...

Mainheim, eine Kleinstadt an den Ausläufern des Taunus, im Jahr 1972: Die zehnjährige Caro Stern und ihre gleichaltrige Freundin Minka Schönwetter müssen miterleben, wie ihr Klassenkamerad Guy Meyfahrt vor ihren Augen verunglückt. Am selben Tag trifft die vietnamesische Vollwaise Claire, ebenfalls zehn Jahre alt, im Kinderheim ein. Das Netzwerk von Caros und Minkas Vätern, des Schokofabrikdirektors und des Bürgermeisters, beginnt zu arbeiten. Allmählich realisieren die beiden Freundinnen, dass in ihrer Stadt nichts mehr stimmt: Umweltverbrechen und andere Ungeheuerlichkeiten passieren….

„Unser kostbares Leben“ ist ein Roman von Katharina Fuchs.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus drei Büchern, die sich aus insgesamt mehr als 80 Kapiteln zusammensetzen. Die Handlung spielt in den Jahren 1972 bis 1983. Erzählt wird aus wechselnden Perspektiven.

Der Schreibstil ist anschaulich, aber manchmal fast ermüdend ausschweifend und detailliert. Eingefügt sind Liedtexte, Briefe und andere Auszüge.

Das Personal ist sehr umfangreich und daher teilweise unübersichtlich. Zwar stehen Minka, Caro und später ebenfalls Claire überwiegend im Vordergrund der Geschichte. Der Fokus schwenkt jedoch immer wieder auch auf weitere Figuren. Darunter leidet die Stringenz ein wenig.

Auch darüber hinaus ist der Roman inhaltlich überfrachtet. Neben der Umweltproblematik, die mich am meisten gereizt hat, tauchen überraschend viele weitere Themen auf, die die Geschichte zwar abwechslungsreich machen, aber auch unnötig ausschmücken. So ergeben sich auf den mehr als 600 Seiten einige Längen - zumal Spannungsmomente nicht allzu zahlreich eingestreut sind.

Wie schon bei den anderen Romanen von Katharina Fuchs ist der Geschichte die fundierte Recherche anzumerken. Selbst diejenigen, die die 1970er- und 80er-Jahre (teilweise) noch in Erinnerung haben, können bei der Lektüre nebenbei einiges lernen.

Das Cover gefällt mir sehr gut, obwohl es keinen direkten inhaltlichen Bezug gibt. Der Titel ist wenig konkret, passt aber hervorragend zu den sonstigen Romanen der Autorin.

Mein Fazit:
Mit „Unser kostbares Leben“ hat Katharina Fuchs ihren bisher schwächsten Roman abgeliefert. Zwar kann die Geschichte durchaus unterhalten. Sie kommt aber leider nicht an die Vorgängerbücher heran.

Veröffentlicht am 18.02.2022

Kein Mensch kommt alleine ins Ziel

Manifesto. Warum ich niemals aufgebe. Ein inspirierendes Buch über den Lebensweg der ersten Schwarzen Booker-Prize-Gewinnerin und Bestseller-Autorin von »Mädchen, Frau etc.«
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Im Jahr 1959 als Tochter einer englischen Mutter und eines nigerianischen Vaters in Großbritannien geboren, ist Bernadine Evaristo im Süden Londons aufgewachsen. Schwarz, weiblich, mit bisexuellen Neigungen ...

Im Jahr 1959 als Tochter einer englischen Mutter und eines nigerianischen Vaters in Großbritannien geboren, ist Bernadine Evaristo im Süden Londons aufgewachsen. Schwarz, weiblich, mit bisexuellen Neigungen und aus ärmeren Verhältnissen stammend: Sie ist prädestiniert dafür, diskriminiert, beleidigt und in vielerlei Hinsicht benachteiligt zu werden. Aber Bernardine Evaristo lernte schon früh, dass es sich lohnt, ihr Leben zu leben und nicht aufzugeben. Denn sie hat es 2019 schließlich geschafft, als erste Schwarze Frau den renommierten Booker-Preis zu gewinnen und den internationalen Durchbruch zu schaffen…

„Manifesto - Warum ich niemals aufgebe“ ist ein Memoir von Bernardine Evaristo.

Meine Meinung:
Das Sachbuch besteht aus sieben nummerierten Kapiteln, die von einer kurzen Einleitung und von einer Schlussbemerkung eingerahmt werden. Eine kreative Idee: Die Nummer der Kapitel ist jeweils in fünf Sprachen ausgeschrieben. Das eigentliche Manifest beschränkt sich auf zwei Seiten, die erst nach der Schlussbemerkung folgen.

Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Bernardine Evaristo. Dabei ist das Memoir nicht chronologisch angelegt, sondern thematisch. Es geht um ihre Herkunft, ihr Zuhause, ihre Beziehungen, ihre Theaterarbeit, ihr literarisches Schaffen, ihre Einflüsse und ihre Wandlung. Was nach einer klaren Trennung klingt, geht bisweilen durcheinander. Dennoch halte ich diesen Aufbau für durchaus sinnvoll und durchdacht.

Schön finde ich, dass die Autorin auch Aufnahmen aus ihrer privaten Fotosammlung teilt. Mehr als 20 Bilder zeigen die Autorin und ihre Familie im Laufe der Jahre.

Nachdem ich das prämierte Buch der Autorin gelesen hatte, habe ich Lust darauf bekommen, mehr über diese interessante Persönlichkeit zu erfahren. Das Leben der Autorin an sich möchte ich nicht bewerten. Allerdings habe ich mich beim Lesen ihrer autobiografischen Schilderungen keineswegs gelangweilt.

Mit ihrer Geschichte möchte sie inspirieren und in meinem Fall ist ihr das in gewissem Maße auch gelungen. Ich muss dazu sagen, dass ich in Hinblick auf Rassismus, Sexismus und Homophobie glücklicherweise nicht die Erfahrungen der Autorin teilen muss. Mit ihren Erlebnissen kann ich mich daher nur bedingt identifizieren. Dennoch haben mich ihre Erinnerungen nicht unbeeindruckt gelassen. Ihr Appell, die Kreativität zu nutzen, und die sonstigen Lehren, die ihr das Leben beschert hat, sind zudem zu unterstützen.

Der Schreibstil ist sehr persönlich gefärbt und zeugt von Offenheit. Sprachlich kommt das Memoir nicht an „Mädchen, Frau etc.“ heran, was mich allerdings nicht gestört hat.

Den aus dem Englischen übernommenen Titel empfinde ich als etwas irreführend, weil das Buch in allererster Linie ein Memoir ist, kein Manifest im eigentlichen Sinne. Der Untertitel, der sich ebenfalls stark am Original orientiert, ist dagegen eine gute Wahl. Das Coverfoto, das die Autorin zeigt, finde ich in mehrfacher Hinsicht als Optik gelungen.

Mein Fazit:
„Manifesto - Warum ich niemals aufgebe“ von Bernardine Evaristo ist ein lesenswertes Memoir.