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Veröffentlicht am 03.08.2022

Pakt mit dem Teufel

Die karierten Mädchen
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Mit über neunzig Jahren beginnt die blinde Klara damit, ihr vergangenes Leben auf Musikkassetten aufzunehmen. Sie beginnt mit einem Tag Anfang August 1929, als sie mit einundzwanzig Jahren, damals hieß ...

Mit über neunzig Jahren beginnt die blinde Klara damit, ihr vergangenes Leben auf Musikkassetten aufzunehmen. Sie beginnt mit einem Tag Anfang August 1929, als sie mit einundzwanzig Jahren, damals hieß sie noch Fräulein Möbius, als Haushaltungslehrerin in einer Heilstätte für Kinder aus ärmsten Verhältnissen mit angrenzendem Waisenhaus ihren ersten Arbeitstag angetreten hat. Eines Tages wird dort ein Baby abgegeben, dessen jüdische Mutter es abholen möchte, sobald sie Arbeit gefunden hat. Klara nimmt sich des Kindes an und gibt das Waisenmädchen Tolla als eigenes Kind aus, als sich herausstellt, dass die Mutter sich umgebracht hat. Bald gibt es Veränderungen in Deutschland, die Lage verändert sich dramatisch und Klara, mittlerweile Leiterin des Heims, bemüht sich darum, dass das Heim verstaatlicht wird, da es sonst aus finanziellen Gründen geschlossen werden muss. Mit wem sie sich da eingelassen hat, wird ihr zu spät klar. Bald gilt es, Tolla zu schützen, sodass Klara eine verhängnisvolle Entscheidung trifft.

Der Schreibstil ist nüchtern, zurückhaltend, fast schon emotionslos, aber dies liest sich oberflächlich nur so. Es passt zur Geschichte und der damaligen Zeit, dass hier keine blumige Sprache gewählt wurde, das Thema ist zu ernst. Mir hat diese distanzierte Erzählweise sehr gefallen und nach einiger Zeit fiel es mir gar nicht mehr auf, so vertieft war ich in die Erinnerungen der alten Frau. Die junge Klara steht für mich stellvertretend für viele Menschen zur damaligen Zeit; nichts sehen, nichts hören, aussitzen und abwarten, bis sie vorüber ist, die Macht der braunen Brut. Dass dies nicht geklappt hat, kann man heute in jedem Geschichtsbuch nachlesen.

„Soll doch die Hakenkreuzflagge da draußen wehen. Mir bedeutet sie gar nichts. Und wäre ich eine Schriftstellerin, ich würde darum betteln, dass sie meine Bücher verbrennen. Gäbe es denn einen schöneren Beleg dafür, dass ich reinen Herzens bin?“ (Seite 218)

Für Klara spricht ihre Jugend und ihre Naivität, die für mich so eine große Diskrepanz darstellen zu ihrem sonstigen Wesen; sie ist intelligent, tatkräftig, selbstbestimmt und fleißig genug, um bereits mit Mitte zwanzig eine leitende Funktion erlangt zu haben. Die junge Frau ist so damit beschäftigt, das von ihr geleitete Heim zu retten, dass sie sich mit dem Teufel einlässt, und als es ihr auffällt, ist es zu spät, aus dem Deal wieder auszusteigen. Entweder mitlaufen oder sterben, eine weitere Wahl gibt es nicht für Klara, wie sie sehr schnell lernen muss.

„Sie alle passten sich an, machten heimlich ihre kleinen Witze oder schimpften, wenn niemand zuhörte. Doch keiner von ihnen tat etwas gegen das, was so klar als Unrecht gegen die jüdische Bevölkerung und politisch Andersdenkende zu erkennen war. Der Zeitpunkt, an dem sie oder andere gleichgesinnte Menschen noch einmal ihre Stimme hätten erheben können, um den Anfängen zu wehren, war längst vorbei.“ (Seite 255)

Mir hat das Buch sehr gefallen, die Geschichte von Klara, die auf echten Erzählungen der Großmutter der Autorin beruht, war unterhaltsam, spannend, oft aufwühlend und am Ende sehr emotional. Viele Fragen blieben bei mir offen, was daraus resultiert, dass es sich um eine Trilogie handelt. Dies war der erste Teil und ich kann die Fortsetzung bereits kaum erwarten. Von mir gibt es verdiente fünf Sterne und eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 01.08.2022

Kostbare Narben bleiben schön

Der Riss, durch den das Licht eindringt
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Maeve verlässt eines Nachts das Haus, während ihre Familie nichtsahnend schläft, füllt ihre Taschen mit eigens dafür gesammelten Steinen und rudert mit dem Boot hinaus, um nicht zurückzukehren. Zurück ...

Maeve verlässt eines Nachts das Haus, während ihre Familie nichtsahnend schläft, füllt ihre Taschen mit eigens dafür gesammelten Steinen und rudert mit dem Boot hinaus, um nicht zurückzukehren. Zurück bleibt ihr Mann sowie die vier Kinder, das jüngste sechzehn Jahre alt. Was ist passiert, dass sie ihre große Liebe und ihre Kinder verlässt? Und wie lebt man weiter nach einer solchen Tat?

Bereits am Anfang schildert die Autorin das Unglück, das an Heiligabend im Jahr 2005 über die Familie kommt. Dadurch bin ich zwar sofort Mitten im Geschehen, bleibe aber trotzdem seltsam unbeteiligt, was daran liegt, dass ich noch keine Beziehung zu den Personen aufbauen konnte, sodass mich der Tod von Maeve vorerst seltsam kalt lässt. Der zweite Teil katapultiert mich siebenundzwanzig Jahre früher, in die Zeit, als sich Maeve und Murtagh kennengelernt haben. In mal kleinen, mal größeren Zeitsprüngen verfolge ich ihren Lebensweg. Nach wenigen Kapitel bin ich gefesselt, kann das Buch nicht mehr aus der Hand legen und bin fasziniert von der Art der Erzählung. Maeve hat ein Geheimnis, das sie lange hütet, und als es endlich ans Licht kommt, erklärt dies so viel.

„Ihre Geschichte hatte ihm das Herz gebrochen, doch sogleich war seine Liebe direkt in die Risse hineingeflossen und hatte diese wieder aufgefüllt. Er würde ein besserer Mensch werden, weil sie ihm vertraute, und sie würde ein besserer Mensch, weil sie ihm vertraut hatte.“ (Seite 78)

Traurig, tragisch, unaufhaltsam scheint Maeves Schicksal und obwohl ich schon weiß, wie ihr Leben endet, bin ich dennoch mehr als schockiert, als das Buch an die Stelle kommt, an der alles begann. Trotz allem hatte ich die Hoffnung nicht aufgegeben, dass Maeve das Steuer noch einmal rumreißen, ihrer unaufhaltsam immer näher kommenden Bestimmung entkommen könnte.

„Wenn die Krähe auf ihrer Schulter saß, wurde sie zur Waise, zur unverheirateten Frau, ohne Kinder, ohne Freunde, eine einsame Insel mitten im Meer. Kaum berührte sie mit den Füßen noch die Erde. Sie war wie losgelöst, bereit abzuheben. Die Seile, die sie mit dem Leben verbanden, das ihr lieb und teuer war, fransten aus.“ (Seite 138)

Was folgt ist das Leben der Familie danach. Die Autorin ist eine phantastische Geschichtenerzählerin, mehr als einmal bin ich emotional so aufgewühlt, dass ich den Tränen nahe hin. Jedes Familienmitglied geht anders mit dem Verlust um, alle verarbeiten ihren Schmerz auf eigene Weise. Die Wendung am Ende habe ich nicht erwartet, aber sie erscheint mir passend und stimmig. Ein großartiger, bewegender und auch sehr emotionaler Roman, der für mich bereits jetzt zu den Highlights dieses Jahres zählt. Von mir gibt es fünf Sterne mit Sternchen und eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 30.07.2022

Spannend und hochaktuell

Turmschatten
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Eine Synagoge soll errichtet werden, das Vorhaben scheitert fast an der Finanzierung, da bietet Ephraim Zamir dem zuständigen Rabbi an, den Bau privat zu finanzieren. Dies gefällt der örtlichen NPD nicht, ...

Eine Synagoge soll errichtet werden, das Vorhaben scheitert fast an der Finanzierung, da bietet Ephraim Zamir dem zuständigen Rabbi an, den Bau privat zu finanzieren. Dies gefällt der örtlichen NPD nicht, die alles daran setzt, den Namen des Spenders zu erfahren, um ihm einen Schlägertrupp auf den Hals zu hetzen. Drei Neonazis dringen bei Zamir ein und als sie ihn nicht sofort antreffen, eskaliert die Situation, die letztendlich darin mündet, dass Zamir die drei Männer als Geiseln gefangen nimmt und die Öffentlichkeit auffordert, online darüber abzustimmen, ob diese freigelassen oder hingerichtet werden sollen.

Ich habe dieses Buch bereits Ende 2020 gelesen, nun hat der Piper Verlag eine Neuausgabe herausgebracht, die ungefähr vierzig Manuskriptseiten mehr enthält, die seinerzeit vom Verlag gekürzt wurden. Dies habe ich zum Anlass genommen, das Buch erneut zu lesen, was ich nie mache, aber hier war meine Neugier einfach zu groß. Auch beim zweiten Durchgang hat die Geschichte es geschafft, mich dermaßen zu fesseln, dass ich fast alles um mich herum vergessen habe. Der Autor schafft es, die Situation so zu schildern, dass ich das Gefühl habe, ich bin hautnah dabei. Wieder bin ich nur so durch die Seiten geflogen und konnte es nicht fassen, als ich am Ende angekommen bin. Da ist es gut, dass bereits Anfang Dezember der nächste Teil erscheint, der erneut eine spannende Geschichte verspricht. Ich freue mich sehr darauf! Ein grandioser Thriller, der von mir fünf Sterne mit Sternchen und eine Leseempfehlung bekommt.

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Veröffentlicht am 28.07.2022

Vergiss mich nicht

Schlaft, Kinder, schlaft (Ewert Grens ermittelt 2)
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Kriminalkommissar Ewert Grens ist kein sympathischer Zeitgenosse, früher oder später verscherzt er es sich mit allen Mitmenschen, sogar mit denen, die er mag. Als er von dem Verschwinden eines kleinen ...

Kriminalkommissar Ewert Grens ist kein sympathischer Zeitgenosse, früher oder später verscherzt er es sich mit allen Mitmenschen, sogar mit denen, die er mag. Als er von dem Verschwinden eines kleinen Mädchens erfährt, recherchiert er fieberhaft, obwohl der Fall längst abgeschlossen ist. Schließlich zieht er Parallelen zu einem fast identischen Fall, als sein Chef ihn beurlaubt, weil er der Meinung ist, dass Grens Abstand und Ruhe braucht. Statt Urlaub zu machen, ermittelt Grens privat weiter und stößt auf menschliche Abgründe, die er sich in seinen schlimmsten Alpträumen nicht hätte vorstellen können.

Dies ist der zweite Fall für Ewert Grens und leider habe ich den Vorgänger noch nicht gelesen, obwohl das Buch bereits lange auf meiner Wunschliste steht. Ich hatte hier aber dennoch zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, als würde mir Vorwissen fehlen. Zwar gibt es viele Andeutungen zu einer der beteiligten Personen und auch hinsichtlich Grens wurden nicht alle meine Fragen beantwortet, aber dennoch hat mich das nicht gestört, weil die laufende Ermittlung meine volle Konzentration gefordert hat. Der Titel lässt vielleicht vermuten, was der Buchrücken verrät; es geht um das Darknet, genauer gesagt um Kindesmissbrauch. Wer in dieser Hinsicht empfindlich ist oder generell das Thema meidet, sollte vom Buch Abstand nehmen. Ich bin nicht zartbesaitet, was das Thema angeht, aber diese Geschichte brachte mich fast an meine Grenzen.

Die Story fängt harmlos an, steigert sich aber immer weiter, um in einem Finale zu münden, das mich sprachlos zurückgelassen hat. Hierbei gab es keine Stelle, die langweilig gewesen, kein Kapitel, das ohne Spannung ausgekommen wäre, keine Seite war zu viel. Der zeitweilige Wechsel der Sichtweisen hat mir sehr gefallen und auch die Zuordnung mancher Aktionen durch Angabe von Datum oder Uhrzeit war klug gewählt. Das machte es leichter, der Geschichte zu folgen, die manchmal einen passenden Zeitsprung tat. Ganz besonders gefiel mir übrigens der Kriminalkommissar. Grens ist ein zerrissener, aber unglaublich interessanter Charakter, von dem ich noch mehr erfahren möchte. Dies bleibt nicht das letzte Buch des Autors, das ich gelesen habe.

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Veröffentlicht am 27.07.2022

Brennende Welt

Im Feuer
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Die Polizistin Lilly Hed hat sich aus privaten Gründen aus der Großstadt Stockholm ins beschauliche Nynäshamn versetzen lassen. Es ist Sommer, die Hitze unerträglich und bald kommen Brände hinzu, die kaum ...

Die Polizistin Lilly Hed hat sich aus privaten Gründen aus der Großstadt Stockholm ins beschauliche Nynäshamn versetzen lassen. Es ist Sommer, die Hitze unerträglich und bald kommen Brände hinzu, die kaum zu bändigen sind. Als dem ersten Todesfall der nächste folgt, ist unklar, ob es sich um Unglücksfälle oder ein Verbrechen handelt. Lilly beginnt zu ermitteln, als ihre Vergangenheit sie doch noch einzuholen droht.

Dies ist der erste Teil einer neuen Buchreihe um Lilly Hed und ich bin bereits jetzt ein großer Fan. Der Schreibstil ist sehr angenehm und mir gefiel auch der Aufbau des Buches sehr; die in unregelmäßigen Abständen zwischen Lilly und anderen Beteiligten wechselnde Perspektive wurde unterbrochen durch Nachrichtentexte, dazwischen gab es geheimnisvolle Erinnerungen einer unbekannten Person. Dieser Wechsel sorgte für angenehme Abwechslung und eine permanente Spannung. Der fiktive Fall war total interessant, wobei die Autorin hier sehr geschickt ein ernstes und sehr reales Thema eingebaut hat, nämlich den Klimawandel. Hierbei hat sie die Thematik aber weder überstrapaziert, noch erschöpft, was mir angenehm aufgefallen ist. Das Privatleben von Lilly wurde ebenfalls thematisiert, sodass ich mir ein gutes Bild von ihr als Person machen konnte. Das Buch war unglaublich spannend, das letzte Drittel sogar sehr dramatisch, die Auflösung schlüssig und absolut befriedigend. Ein wirklich toller Start der Buchreihe, der mich vollends überzeugen konnte. Ich freue mich bereits sehr auf die Fortsetzung, die leider erst in einem Jahr erscheint, aber Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude. Von mir die volle Punktzahl und eine Leseempfehlung.

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