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Veröffentlicht am 25.02.2024

Artensterben

Der Letzte seiner Art
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Ich habe beim Lesen dieses Buches sehr viele verschiedene Gefühle durchlebt:

- Zu Beginn ungläubig, wie Gus so blind und naiv sein kann und nur seine Wissenschaft und nicht das Lebewesen an sich im Blick ...

Ich habe beim Lesen dieses Buches sehr viele verschiedene Gefühle durchlebt:

- Zu Beginn ungläubig, wie Gus so blind und naiv sein kann und nur seine Wissenschaft und nicht das Lebewesen an sich im Blick hat.

"Ich muss ihn so lange wie möglich am Leben erhalten, das ist jetzt meine Aufgabe. Es wäre schön, wenn ich ihn ins Naturkundemuseum schicken könnte." (Seite 32)

- Dann wütend, weil die Menschen auf brutale Weise die Riesenalke ermorden. Sicherlich dienen die Tiere auch als Nahrungsquelle, aber es werden viel mehr Tiere als nötig ermordet, nur um sie als Trophäe für viel Geld zu verkaufen.

Man sah, wie sich "die Umrisse der Menschen und Tiere aufeinander zubewegten und wie sich die Männer - plötzlich sehr schnell - auf die Vögel stürzten, sie mit Knüppeln totschlugen oder unter ihren Körpern begruben und den noch zappelnden Tiere die Hälse umdrehten." (Seite 10)

- Dann erfreut, als Gus und Prosp sich näher kommen und eine Freundschaft entsteht, in der Gus alles tut, damit es Prosp gut geht.

- Total traurig, als sich herauskristallisiert, dass Prosp der Letzte seiner Art ist und sowohl Prosp als auch Gus realisieren, dass es kein Tier mehr gibt, das so ist wie Prosp.

Gus wurde "klar, dass er nicht mehr seinen Riesenalk vor sich sah, sondern ein einzigartiges, einmaliges Spezimen, ein schon bald in einem der Felsen am Meer eingelagertes Fossil." (Seite 175)

"Prosp wusste nicht von einem einzigen Artgenossen und merkte, dass es kein Lebewesen gab, das ihm ähnelte. Er war das einsamste Geschöpf, das je existiert hatte. [...] Jedes Mal, wenn Prosp sich irgendeiner Form von Lebewesen näherte, spürte er, welch grauenvolles Kuriosum er war." (Seite 232/ 233)

Sibylle Grimbert hat spezifisches Wissen über Riesenalke und die damaligen Theorien zu einer einfühlsamen und nachdenklichen Geschichte über eine ganz besondere Freundschaft verwoben. Eine absolute Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 09.02.2024

Tragische Familiengeschichte

Leuchtfeuer
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In einer beschaulichen Straße im New Yorker Vorort Avalon, in dem jeder jeden kennt und die Kinder zusammen bis spät abends auf der Straße spielen, lebt Familie Wilf - die Teenager Sarah und Theo mit ihren ...

In einer beschaulichen Straße im New Yorker Vorort Avalon, in dem jeder jeden kennt und die Kinder zusammen bis spät abends auf der Straße spielen, lebt Familie Wilf - die Teenager Sarah und Theo mit ihren Eltern Ben und Mimi. Sarah und Theo wachsen behütet auf bis zu dem Tag, an dem ein Autounfall das Leben der ganzen Familie Wilf durcheinander wirbelt.

Wir begleiten die Familie Wilf über mehrere Jahrzehnte und erfahren, welche Auswirkungen dieses Ereignis auf jeden einzelnen von ihnen hat, vor allem dann, wenn so ein einschneidendes Erlebnis nicht verarbeitet und tot geschwiegen wird. Die Autorin beschreibt sehr einfühlsam und emotional, wie es ist mit Schuld und Scham zu leben. Auch wenn die Leben von Theo und Sarah nach außen hin fast perfekt erscheinen, weil sie beruflich erfolgreich sind und zumindest Sarah eine eigene Familie gegründet hat, sind sie doch tief in ihrem Inneren unglücklich und einsam. Sie bestrafen sich selbst, indem sie sich verbieten glücklich zu sein und sich und ihre Familien durch sinnlose Taten verletzen.

Jahre später zieht eine neue Familie in die Devision Street - Alice und Shenkman mit ihrem außergewöhnlichen Sohn Waldo, der sich für Sternbilder interessiert. Aufgrund von zwei Ereignissen, zwischen denen 10 Jahre liegen, entwickelt sich ein Band der Freundschaft zwischen Waldo und Ben, das noch Jahre bestehen bleibt.

Die leise und unaufgeregte Erzählweise der Autorin und der Aufbau des Buches haben es mir leicht gemacht, mich in die Ängste und Sorgen aber auch Träume der Protagonisten hineinzuversetzen, mit ihnen zu fühlen und ihre Entscheidungen nachzuvollziehen.

Eine absolute Leseempfehlung für dieses Buch über Familiengeheimnisse, Trauer und Tod aber auch über Freundschaft und Zusammenhalt.

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Veröffentlicht am 21.01.2024

Umzug ohne Schrecken

Die kleine Eule zieht um
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Die kleine Eule ist sehr aufmerksam und bemerkt als Erste, dass ihr Baum gefährlich schwankt und auch dass das Nest für Familie Eule eigentlich zu klein geworden ist. Eine kurze Bestandsaufnahme vom Biber ...

Die kleine Eule ist sehr aufmerksam und bemerkt als Erste, dass ihr Baum gefährlich schwankt und auch dass das Nest für Familie Eule eigentlich zu klein geworden ist. Eine kurze Bestandsaufnahme vom Biber ergibt, dass dies kein sicherer Ort mehr Familie Eule ist. Es nützt alles nichts. Die kleine Eule muss umziehen. Sie ist sehr traurig, weil sie schon immer in diesem Baum und in diesem Nest gewohnt hat. Aber Mama Eule weiß die kleine Eule zu trösten. Papa Eule begibt sich währenddessen auf die Suche nach einem neuen sicheren Heim. Unterstützt wird Familie Eule von den Nachbartieren Haselmaus, Biber, Specht und Nachtigall.

Die Themen Veränderungen (wie ein Umzug), Hilfsbereitschaft und Freundschaft werden kindgerecht und leicht vermittelt.

Eine tolle Vorlesegeschichte für alle Fans der kleinen Eule mit fröhlichen und gut verständlichen Reimen und liebevollen Illustrationen. Eine absolute Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 13.01.2024

Wohlfühlbuch

Das Wunder von Bahnsteig 5
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Jeden Morgen steigen die exzentrische Ratgeber-Kolumnistin Iona und ihre französische Bulldogge Lulu, der Börsenmakler Piers, der Krankenpfleger Sanjay, die stets lesende Emmie, die Schülerin Martha und ...

Jeden Morgen steigen die exzentrische Ratgeber-Kolumnistin Iona und ihre französische Bulldogge Lulu, der Börsenmakler Piers, der Krankenpfleger Sanjay, die stets lesende Emmie, die Schülerin Martha und der Anwalt David teils an unterschiedlichen Stationen in Richtung London in Wagen 3 ein. Sie kennen sich nur vom Sehen, sprechen aber - gemäß der zweiten Pendlerregel - nie miteinander. Da sie nichts übereinander wissen, geben sie sich gegenseitig Spitznamen: Regenbogen-Lady, smarter Sexist aus Surbiton, Mr Verdächtig Nett, Miss Unverschämt Hübsch. Ein "Unfall" führt dazu, dass die ehernen Pendlerregeln gebrochen werden und sich ihre Beziehung zueinander verändert. Wir erhalten Einblicke in die Leben, Arbeits- und Gefühlswelt der Protagonisten. Hierbei werden Themen wie Diskriminierung, toxische Beziehung und Stalking, Jobverlust, Rassismus und Einsamkeit verwoben.

Ein sehr kurzweiliger, humorvoller aber auch nachdenklicher Wohlfühlroman, der vermittelt, dass der erste Eindruck oft täuscht und man nichts und niemanden nur danach beurteilen oder sogar verurteilen sollte.

Ich habe das Buch mit viel Vergnügen gelesen und kann es wärmstens empfehlen.

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Veröffentlicht am 06.01.2024

Schonungslos ehrlich

Die Wut, die bleibt
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Helene, Ehefrau und Mutter von drei Kindern, steht während des Abendessens auf, um vermutlich Salz zu holen, stürzt sich aber stattdessen vom Balkon - 12 Meter in die Tiefe. Zurück bleiben eine große Lücke, ...

Helene, Ehefrau und Mutter von drei Kindern, steht während des Abendessens auf, um vermutlich Salz zu holen, stürzt sich aber stattdessen vom Balkon - 12 Meter in die Tiefe. Zurück bleiben eine große Lücke, Unverständnis, Trauer, Zorn und Wut.

Ehemann Johannes, die älteste Tochter Lola, ihre beiden jüngeren Brüder Maxi und Lucius sowie Helenes beste Freundin Sarah gehen auf unterschiedliche Weise mit diesem Verlust um.
Johannes, der einfach weiter macht wie zuvor; der tagein tagaus seinem Job nachgeht; der morgens die Wohnung verlässt und erst abends nach Hause kommt; der seine Verantwortung auf Lola und Sarah abwälzt.
Lola, die sich absichtlich verletzt und Gefahren eingeht; die aufhört zu schlafen und zu essen.
Maxi und Lucius, die Nähe und Unterstützung bei Lola und Sarah suchen, aber nicht bei ihrem Vater Johannes.
Sarah, die ihren bisherigen Alltag aufgibt und Helenes Platz einnimmt.

Jede/r von ihnen fällt auf eigene Art und Weise aus dem Gleichgewicht. "Durch ihren Sprung hat Mama sie beschädigt [...]. Ihr Aufprall hat eine ringförmige Erschütterung ausgelöst, Schockwellen, herumfliegende Splitter, hat alle verwundet, die sie gekannt haben. Und je näher eine/r dran war, desto größer die Verletzungen." (Seite 17)

Mareike Fallwickl zeigt auf,
- was es bedeutet Mutter zu sein: "Muttersein ist wie ein Schiff, sagt Helene, und irgendwann merkt man, man sitzt da ganz allein drin. Man ist umgeben von dunklen Strudeln, hat kein Ruder, keinen Kompass." (Seite 174)
- welche Erwartungen an Mütter aber nicht an Väter gestellt werden: "Du findest ihn in jedem Haus, in jeder Wohnung, sagt sie, den erschöpften Vater. [...] Der erschöpfte Vater ist gesellschaftlich anerkannt, er bekommt Verständnis, die erschöpfte Mutter bekommt Sprüche." (Seite 171 f.)
- welcher Belastung vor allem Mütter in der Pandemie und während der Lockdowns ausgesetzt waren und wie sie von den Vätern und der Gesellschaft im Stich gelassen wurden: "Wenn die Frau sich nicht kümmert, kümmert sich niemand." (Seite 76) "Du kannst dir nicht vorstellen, wie sauer man wird auf den Vater seiner Kinder [...]. Wie es sich in die Beziehung frisst, ins Privateste, wie das Gleichgewicht an jedem einzelnen Tag schiefer und schiefer wird, so leicht auf seiner Seite, so schwer auf meiner." (Seite 173 f.)

Mareike Fallwickl greift auch die Themen Gewalt gegenüber Mädchen und Frauen, das Dilemma der Schönheitsideale, Gemeinschaft und Zusammenhalt unter Frauen und Feminismus auf.

Das Buch ist schonungslos und realitätsnah. Es wühlt auf, rüttelt wach, regt zum Nachdenken und ggf. zum Handeln an.

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