Atmosphärisches Debüt
Die Tage des Wals"Die Tage des Wals" ist ein historischer Roman, der auf einer abgelegenen Insel vor der walisischen Küste kurz vor dem Zweiten Weltkrieg spielt. Die Geschichte ist mehr oder weniger das Coming-of-Age einer ...
"Die Tage des Wals" ist ein historischer Roman, der auf einer abgelegenen Insel vor der walisischen Küste kurz vor dem Zweiten Weltkrieg spielt. Die Geschichte ist mehr oder weniger das Coming-of-Age einer jungen Frau namens Manod. Sie lebt mit ihrem Vater, einem Hummerfischer, und ihrer jüngeren Schwester Llinos zusammen ein Leben, das vor allem geprägt ist von Arbeit und den Begrenzungen der kleinen Insel - dem rauen Wetter, der geringen Anzahl an Bewohnern und der Entfernung zum Festland. Doch als ein Wal auf der Insel strandet, bringt er nicht nur sein eigenes kleines Ökosystem mit sich, das die Inselpopulation - Mensch wie Tier - beschäftigt, sondern auch zwei Ethnografen aus Oxford. Joan und Edward, die auf die Insel gekommen sind, um ihre Menschen und Bräuche zu studieren, sind es wiederum, die in Manod tiefsitzende Sehnsüchte befeuern.
Schon nach wenigen Seiten habe ich mich in Elizabeth O'Connors Worte verliebt, die mir Salz auf die Lippen zauberten und den Geruch von Fisch in meine Nase aufstiegen ließen. Zwar begegnet mir das Thema der abgelegenen Insel und dem monotonen Dasein in der Literatur in letzter Zeit häufiger, doch gerade vor diesem etwas anderen geschichtlichen Hintergrund schwingt bei diesem Roman permanent eine eindringliche, manchmal gar unheimliche Atmosphäre beim Lesen mit, obwohl alles sehr ruhig ist. "Die Tage des Wals" mag nicht unbedingt ein Unterhaltungsroman sein, ist aber ein faszinierend geschriebener Ausschnitt eines Lebens, der uns Ungleichheit und Ungerechtigkeit vor Augen führt, aber gleichzeitig auch sehr viel Raum für Interpretation und Gedanken lässt, zur eigenen Introspektion anregt und der daher nicht nur durch seine Kunstfertigkeit besticht, sondern auch noch eine Weile nachklingt. Ich bin mehr als gespannt auf weitere Werke der Autorin, die hier für mich auf jeden Fall bereits ein großes Talent unter Beweis gestellt hat.