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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.10.2022

Tiefer Einblick

Als die Welt zerbrach
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Einen tiefen Einblick erhalten wir in das Leben von Gretel, die als Tochter des KZ Kommandanten in direkter Nachbarschaft zum Vernichtungslager gelebt hat. Gretel flieht mit ihrer Mutter nach der Hinrichtung ...

Einen tiefen Einblick erhalten wir in das Leben von Gretel, die als Tochter des KZ Kommandanten in direkter Nachbarschaft zum Vernichtungslager gelebt hat. Gretel flieht mit ihrer Mutter nach der Hinrichtung des Vaters zunächst nach Paris, um dort unter neuem Namen ein neues Leben anzufangen. Das misslingt. Nach dem Tode ihrer Mutter kommt sie dann nach einer Zwischenstation in Australien nach England, wo sie den Geschichtsprofessor Edgar heiratet und in einer schönen Wohnung in Mayfair lebt. Nach dem Tod Edgars lebt sie als über 80-jährige weiter allein in der Wohnung. Ein Ehepaar mit einem kleinen Sohn zieht in die Nachbarwohnung ein. Gretel merkt bald, dass der Mann ein Familientyrann ist und seiner Frau und seinem Sohn Gewalt antut. Sie muss sich entscheiden, ob sie für den Preis der Veröffentlichung ihrer Herkunft dem Treiben des Despoten ein Ende setzen soll.

Das Buch ist sehr gut lesbar. Ich las vorher den Hinweis, dass man unbedingt den Vorgängerband "Der Junge im gestreiften Pyjama" gelesen haben müsse, um dieses Buch zu verstehen. Ich kenne den Vorgängerband nicht und denke, dass ich aber trotzdem alle Zusammenhänge herstellen konnte und Dinge aus dem ersten Band, die für diesen Roman wichtig sind, auch so aus dem Inhalt gut erschließbar waren.

Gretel wird ihr Leben lang die Schuld nicht los. Es ist eine doppelte Schuld. Einmal trägt sie Schuld am Tode ihres kleinen Bruders. Zum anderen hat sie Schuld auf sich geladen, weil sie die Augen vor dem Grauen, was sich im Vernichtungslager vor ihren Augen abgespielt hat, verschlossen hat. Immer wieder zieht sie sich auf den Standpunkt zurück, dass sie ja damals noch ein Kind war und das alles nicht richtig durchschaut hat.

Hin und wieder erscheint mir Gretel im Buch etwas zu naiv gezeichnet. Aber vielleicht wäre es ohne eine gewisse Naivität auch gar nicht möglich, ein Leben zu führen, wie Gretel es die vielen Jahre getan hat.

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Veröffentlicht am 21.10.2022

Enttäuscht

Unsterblich sind nur die anderen
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Auf der Fähre MS Rjúkandi nach Island spielt der größte Teil des Romans. Zwei Freundinnen fahren mit dieser Fähre, um nach ihren verschwundenen drei Freunden zu suchen, die auch mit dieser Fähre gefahren ...

Auf der Fähre MS Rjúkandi nach Island spielt der größte Teil des Romans. Zwei Freundinnen fahren mit dieser Fähre, um nach ihren verschwundenen drei Freunden zu suchen, die auch mit dieser Fähre gefahren sind. Aber dann wird alles sehr ungewöhnlich und märchenhaft.

Es soll wohl ein modernes Märchen sein, das Simone Buchholz uns da präsentiert. Ich hatte ihre Kriminalromane in guter Erinnerung. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn sie in der Sparte weiter gemacht hätte, denn von diesem Roman bin ich etwas enttäuscht. Er fängt recht gut und schwungvoll an. Tolle plastische Formulierungen machen den Text sehr lesenswert. Aber das fällt dann, je weiter man kommt, immer mehr ab. Dazu kommen die obskuren "Dialoge" der Wassergeister, durch die ich mich nur diagonal gelesen habe. Außerdem bedient der Text etwa ab dem ersten Drittel vor allem die drei Kategorien Sex, Saufen und Rauchen.

Simone Buchholz! Bitte demnächst lieber wieder Kriminalromane!

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Veröffentlicht am 07.10.2022

Ausufernd durcheinander

Lektionen
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Der Roman beginnt 1986. Die Story wird nach und nach klar. Von 1986 ausgehend erfahren wir etwas über den Lebensweg von Roland Baines. Er wird mit 11 Jahren von seinen Eltern auf ein Internat nach England ...

Der Roman beginnt 1986. Die Story wird nach und nach klar. Von 1986 ausgehend erfahren wir etwas über den Lebensweg von Roland Baines. Er wird mit 11 Jahren von seinen Eltern auf ein Internat nach England geschickt. Sein Vater ist zu der Zeit Armeeoffizier in Libyen. Roland wäre lieber in Libyen und bei seiner Mutter geblieben. Mit 14 Jahren wird er von seiner Klavierlehrerin verführt. Es entwickelt sich zwischen den beiden ein längeres intimes Verhältnis, das Roland sein ganzes weiteres Leben lang beeinflusst.

Jan McEwan ist ein Star in der Literatur Scene. Deshalb hatte ich mit großen Erwartungen diesen Roman begonnen. Doch beinahe hätte ich das Buch nach hundert Seiten beiseite gelegt. Die Chance auf hundert Seiten bekommt bei mir jedes Buch.

McEwan kann mit Sprache umgehen. Aber muss das dazu führen, dass er immer wieder äußerst lange komplizierte Satzkonstruktionen verwendet, die das flüssige Lesen behindern, auch wenn sie grammatisch vollkommen in Ordnung sind.

Der Aufbau des Romans ist sehr verschachtelt. Von 1986 aus geht es immer wieder zurück zu verschiedenen Episoden in der Vergangenheit. Dann entwickelt sich die Handlung nach 1986 weiter. Auch dabei geht es immer wieder zurück in die Vergangenheit. Ein solcher Aufbau ist legitim. Aber muss das so sein, dass man sich ohne jeden weiteren Hinweis von einem Satz zum nächsten plötzlich in einer ganz anderen Zeit befindet? Na ja, immerhin hat McEwan einen Absatz dazwischen gemacht.

Philosophische Reflektionen zwischendurch sagen einiges zur inneren Entwicklung und Haltung Rolands aus. Aber muss das so ausgebreitet werden? Weniger wäre da mehr gewesen. Weniger hätte mehr verdeutlicht.

Ich hatte von McEwan jedenfalls eine Leserfreundlicheres Buch erwartet.

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Veröffentlicht am 14.09.2022

Bann

Bullauge
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Er zieht die Leserin oder den Leser in seinen Bann. Da merkt man den Altmeister Friedrich Ani. Das Buch ist als Roman gekennzeichnet nicht als Kriminalroman. Der kriminelle Aspekt steht bei Ani im Hintergrund. ...

Er zieht die Leserin oder den Leser in seinen Bann. Da merkt man den Altmeister Friedrich Ani. Das Buch ist als Roman gekennzeichnet nicht als Kriminalroman. Der kriminelle Aspekt steht bei Ani im Hintergrund. Im Vordergrund steht vor allem die innere Verfassung seiner Figuren.

Da sind die beiden Hauptfiguren Kay Oleander und Silvia Glaser. Polizist Oleander wurde bei einer Demo an einem Auge verletzt, so dass er jetzt auf dem Auge blind ist. Glaser steht im Verdacht, bei der Demo die Flasche geworfen zu haben, durch die Oleander verletzt wurde.

Eine rechtsradikale Partei und eine Gruppe von Querdenkern spielen eine Rolle. Oleander, eigentlich vom Dienst beurlaubt, hat den Verdacht, dass ein Anschlag geplant ist, und ermittelt trotz der Beurlaubung.

Der Roman lebt von Schilderungen, die das sogenannte echte Leben zeigen. Lebensechte Gespräche gehen in ausführliche Monologe über. Die Typen, die Ani beschreibt, sind aus dem Leben gegriffen.

Ein Roman, den man lesen sollte.

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Veröffentlicht am 05.09.2022

Raffinierte Idee

Stille blutet
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Das ist eine raffinierte Idee, die Ursula Poznanzki da gehabt hat. Die Nachrichtensprecherin Nadine Just trägt unfreiwillig die Ankündigung ihres Todes während einer Nachrichtensendung vor. Kurz danach ...

Das ist eine raffinierte Idee, die Ursula Poznanzki da gehabt hat. Die Nachrichtensprecherin Nadine Just trägt unfreiwillig die Ankündigung ihres Todes während einer Nachrichtensendung vor. Kurz danach wird sie tatsächlich ermordet. Weitere Morde nach ähnlichem Schema folgen.

Der vorliegende Roman ist der Auftakt zu einer neuen Reihe um die Ermittlerin Fina Plank. Fina hat vor allem gegen den eigenen Kollegen Oliver zu kämpfen, der ihr durch Geringschätzung und oft beißenden Spott das Leben schwer macht. Mal abwarten, wie sich das in den folgenden Bänden entwickelt.

Poznanzki kann so schreiben, dass man ihre Bücher leicht lesen kann. Bei diesem Buch hatte ich zu Beginn etwas Schwierigkeiten, den Überblick über die handelnden Personen zu behalten. Nach einiger Zeit hatte ich mich dann hineingefunden.

Was mich etwas irritierte, ist eine geheimnisvolle Figur, die immer wieder in eigenen Kapiteln den Verlauf unterbricht und einen Mord ankündigt, indem er die Leserin oder den Leser wie einen Vertrauten anspricht und ihm geheimnisvolle Hinweise gibt. Ich habe das so verstanden, dass dieser Teil des Romans als Cliffhänger für den nächsten Band gedacht ist? Eine Angewohnheit von manchen Schriftstellen, die ich gar nicht gern habe.

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